Zivil- und Zivilprozessrecht

Tatbestandsberichtigung im Hinblick auf streitigen und unstreitigen Vortrag

Aktenzeichen  4 HK O 22341/13

Datum:
18.7.2018
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 48572
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 320 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Das Berufungsgericht ist nicht daran gebunden, ob der Tatbestand des Ersturteils Vortrag im unstreitigen oder streitigen Teil darstellt; es handelt sich um eine Rechtsfrage, die das Berufungsgericht in vollem Umfang überprüfen und revidieren kann, ohne durch deren Darstellung im Tatbestand gebunden zu sein (Abweichung von BGH BeckRS 2007, 13221 Rn. 21). (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Sachantrag kann als solcher nur in den Tatbestand aufgenommen werden, wenn er bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt wird; Anträge, die nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingereicht werden, dürfen nicht im Urteil erscheinen. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

4 HK O 22341/13 2018-05-14 Endurteil LGMUENCHENI LG München I

Tenor

1. Folgende Schreibfehler im Endurteil vom 14. Mai 2018 werden gemäß § 319 ZPO berichtigt:
a)Der Name des in Absatz 4 auf Seite 3 und Absatz 3 auf Seite 17 des Urteils aufgeführten Zeugen wird dahingehend berichtigt, dass dieser … heißt.
b)Satz 3 des dritten Absatzes auf Seite 4 des Urteils wird dahingehend berichtigt, …, dass sich dieses aus der als Anlage … auszugsweise vorgelegten Präsentation ergibt.
c)Absatz 4 auf Seite 4 des Urteils wird dahingehend berichtigt, dass die Klägerin als Anlage … eine ergänzte und aktualisierte Aufstellung vorgelegt hat.
d)Auf Seite 12 2. Absatz 3. Zeile des Urteils muss es anstatt „Vertragstext“ „Vertragszweck“ heißen.
e)Auf Seite 15 zweiter Absatz muss es anstatt „Hilfsantrag zu …“ „Hilfsantrag zu …“ heißen.
f)Auf Seite 27 wird Satz 1 im letzen Absatz dahingehend berichtigt, dass das Datum des Schriftsatzes der … Januar … ist.
2. Als Ziff. II a) wird im Tenor folgender Satz eingefügt:
„Die Hilfswiderklage wird abgewiesen“.
3. Im übirgen werden die Anträge auf Tatbestandsberichtigung vom 29. Mai 2018 und 06. Juni 2018 zurückgewiesen.

Gründe

1. Die Berichtigungen unter Ziff. 1 und 2. erfolgten nach § 319 ZPO, da es sich um offensichtliche Unrichtigkeiten bzw. Auslassungen (Hilfswiderklageabweisung im Tenor) handelte.
2. Im übrigen waren die Tatbestandsberichtigungsanträge zurückzuweisen. § 313 Abs. 2 ZPO verlangt lediglich eine knappe Darstellung der erhobenen Ansprüche und der dazu vorgebrachten Angriffs- und Verteidigungsmittel. Im Übrigen soll auf die vorbereitend gewechselten Schriftsätze verwiesen werden, die nach § 137 Abs. 3 ZPO Gegenstand der mündlichen Verhandlung und damit Urteilsgrundlage werden.
Die Bedeutung des § 320 ZPO ist es damit im Wesentlichen, falsch wiedergegebenen Vortrag aus der mündlichen Verhandlung zu korrigieren, da das Urteil insoweit – jedenfalls wenn das Sitzungsprotokoll nichts Entgegenstehendes enthält – gemäß § 314 ZPO positive Beweiskraft entfalten würde, vgl. Vollkommer in Zöller, ZPO, 28. Auflage, Rdnr. 1, 2 zu § 320, Rdnr. 3 und 5 zu § 314 ZPO.
Einer allgemeinen Berichtigung unvollständig oder nicht ganz zutreffend wiedergegebenen Sachvortrags aus den vorbereitend gewechselten Schriftsätzen bedarf es dagegen nicht, da dieser Sachvortrag weiterhin in vollem Umfang Gegenstand der Überprüfung der erstinstanzlichen Entscheidung in der Berufungsinstanz ist. Diese ist an die erstinstanzliche Wertung der Kammer, welchen Vortrag sie als so wesentlich ansieht, dass sie ihn zum Gegenstand der knapp zu haltenden Darstellung gemäß § 313 Abs. 2 ZPO macht, und welchen Vortrag sie im unstreitigen bzw. streitigen Teil des Tatbestands darstellt, nicht gebunden. Da es sich bei der Frage, ob Vortrag von der Gegenseite als zugestanden im Sinne von § 138 Abs. 3 anzusehen ist, um eine Rechtsfrage handelt, kann das Berufungsgericht die Einschätzung der Kammer in vollem Umfang überprüfen und ggfs. revidieren, ohne durch deren Darstellung im Tatbestand gebunden zu sein. Einer Tatbestandsberichtigung bedarf es daher auch insoweit nicht. Aufgrund der im Interesse der Parteien an einer raschen Fortführung des Gesamtverfahrens zu beachtenden Beschleunigungsmaxime, die eine der Grundlagen der ZPO bildet, ist es daher nicht gerechtfertigt, Verfahrensverzögerungen durch ein Zwischenverfahren gemäß § 320 ZPO hinzunehmen, wenn dessen Ziel lediglich eine Anpassung des erstinstanzlichen Urteils in einem Bereich ist, der ohnehin zur vollen Überprüfung durch das Berufungsurteil steht. Es ist den Parteien daher zuzumuten, diejenigen Änderungen des erstinstanzlichen Urteils, die ohnehin im Rahmen eines etwaigen Berufungsverfahrens erreicht werden können, dort zu erstreben.
Bei den von der Klägerin angegriffenen Passagen auf Seite 17 und 24 des Urteils handelt es sich um eine Würdigung der Gesamtsituation durch die Kammer, so dass schon aus diesem Grund eine Tatbestandsberichtigung ausscheidet.
Eine Aufnahme des mit Schriftsatz vom … Januar … eingereichten Hilfswiderklageantrags der Beklagten in den Tatbestand hätte nur dann erfolgen können, wenn dieser bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung oder in einem sich daran anschließenden schriftlichen Verfahren, das nicht vereinbart wurde, gestellt worden wären. Anträge, die nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingereicht werden, dürfen nicht im Urteil erscheinen sondern führen allenfalls zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung, um dem Gegner rechtliches Gehör dazu zu gewähren.
Dass eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nach Auffassung der Kammer nicht angezeigt war, wurde im Urteil ausgeführt.


Ähnliche Artikel


Nach oben