Zivil- und Zivilprozessrecht

Umfang der versicherten Aufräumkosten in der Wohngebäudeversicherung

Aktenzeichen  26 O 8529/16

Datum:
11.8.2017
Fundstelle:
r+s – 2017, 640
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
VGB 2010 § 2 Abs. 5
BGB § 249

 

Leitsatz

Zu den in der Wohngebäudeversicherung gedeckten notwendigen Kosten für das Entfernen sturmbedingt beschädigter Bäume gehören auch die durch das Entfernen der Bäume entstandenen Folgekosten – hier: für die Wiederherstellung der durch den Einsatz von Maschinen beschädigten Rasenfläche. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 5.342,96 € festgesetzt.

Gründe

Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet.
A.
I. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von 5.342,96 € oder eines niedrigeren Betrages.
1. Allerdings geht das Gericht – insoweit in Übereinstimmung mit dem Kläger und in Abweichung zur Auffassung der Beklagten – noch davon aus, dass der Kläger grundsätzlich aus § 2 Abs. 5 VGB einen Anspruch auf Ersatz der notwendigen Kosten für die Wiederherstellung der Rasenfläche hat.
Unter der Überschrift „Aufräumungskosten für Bäume“ trifft § 2 Abs. 5 VGB folgende Bestimmung: „Versichert sind auch die notwendigen Kosten für das Entfernen von Bäumen des Versicherungsgrundstücks, sofern diese durch Sturm oder Hagel bzw. Brand, Blitzschlag oder Explosion abknickt, entwurzelt, umgestürzt oder auf andere Weise so beschädigt wurden, dass eine natürliche Regeneration nicht zu erwarten ist.“ Zwischen den Parteien ist umstritten, wie der Begriff der notwendigen Kosten im Kontext der Versicherungsbedingungen auszulegen ist. Nach der gefestigten Rechtsprechung des BGH sind Versicherungsbedingungen so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse an. Ausgangspunkt ist der Wortlaut der Klausel. Der Wortlaut der Versicherungsbedingungen unter § 2 Abs. 5 VGB bezieht sich auf „notwendige Kosten“ einerseits und andererseits den Begriff der „Aufräumungskosten“. Während der Begriff der Aufräumungskosten ein engeres Verständnis nahelegt, nämlich das versichert sein sollen nur die Aufräumkosten im engeren Sinne, d.h. für den Abtransport, handelt es sich bei dem Begriff der notwendigen Kosten um einen Begriff, der in der Rechtssprache Verwendung findet und im allgemeinen wie der Begriff der erforderlichen Aufwendungen in § 249 BGB verstanden wird. Im Rahmen eines Scha densersatzanspruches hätte der Schädiger aber auch Folgekosten zu tragen, die nicht unmittelbar durch seine schädigenden Handlung entstehen, sondern Folge der Beseitigung des von ihm verursachten Schadens sind. Wäre es zur Beseitigung der Bäume erforderlich gewesen, über das Nachbargrundstück anzufahren und wären dadurch Schäden entstanden, so wären diese Kosten – weil der Ersatz einem Dritten geschuldet wäre – ohne weiteres als Fällungs- bzw. Aufräumkosten anzusehen und dann auch von den notwendigen Kosten im Rahmen des § 2 Abs. 5 VGB erfasst. Die Versicherung hätte diese also zu trage. Nichts anderes wird der durchschnittliche Versicherungsnehmer aber den Versicherungsbedingungen entnehmen, wenn es nicht um Schäden geht, die er bei einem Nachbarn herbeigeführt hat durch den Fällungsauftrag, sondern um Schäden auf seinem eigenen Grundstück. Auch kann der Begriff der Aufräumkosten alleine nicht für ein enges Verständnis der Bestimmung herangezogen werden – unter dem Begriff Aufräumen wird auch erfasst das Fällen, obwohl bei engem Sprachverständnis bereits das Fällen nicht unter Aufräumen fällt.
2. Der Kläger hat allerdings keinen Anspruch auf Zahlung eines weiteren Betrags über die bereits durch die Beklagte erbrachten Leistungen hinaus, weil die ihm von selten des Gartenbauers M. in Rechnung gestellten Aufwendungen nicht notwendig im Sinne des § 2 Abs. 5 VGB waren.
a) Zu den erforderlichen Kosten hat das Gericht ein schriftliches Sachverständigengutachten der Sachverständigen Dr. M.M. erholt. Die schriftlichen wie auch mündlichen Ausführungen der äußerst erfahrenen Gerichtssachverständigen waren von Sachkunde getragen. Das Gericht schließt sich den Ausführungen der Sachverständigen nach eigener Prüfung an. Die Sachverständige hat zunächst ausgeführt, angesichts der Gegebenheiten am Schadenstag und der Lage vor Ort seien die Bäume nur durch einen Harvester zu fällen gewesen. Ein Schutz der Rasenfläche sei zwar durch entsprechende Bodenplatten grundsätzlich denkbar, es sei jedoch zweifelhaft, ob diese am Schadenstag hinreichend schnell verfügbar gewesen wären. Dieser Auffassung schließt sich das Gericht an: Es bestand eine konkrete Gefahr, dass die sich auf dem Grundstück des Klägers befindlichen Bäume auf das Nachbargrundstück fielen. Dem Kläger drohte auch eine förmliche Inanspruchnahme durch die Gemeinde N., wie der Zeuge S. in seiner uneidlichen Einvernahme glaubhaft angegeben hat. Allein bis entsprechende Bodenschutzplatten geliefert worden wären, wäre soviel Zeit vergangen, dass die beiden Bäume nicht mehr am Schadenstag gefällt hätten werden können, was aus Sicherheitsgründen aber erforderlich gewesen ist.
Die für die Zerlegung der Bäume sowie die Wiederherstellung der Rasenfläche nötigen Kosten hat die Sachverständige in ihrem schriftlichen Sachverständigengutachten vom 30.01.2017 in den Tabellen I und II aufgeschlüsselt und dargestellt. Es ergibt sich ein Gesamtbetrag von 2.241,12 €. Hierbei hat die Sachverständige bereits die örtlichen Gegebenheiten und insbesondere die damit verbundenen Schwierigkeiten der Materialanlieferung berücksichtigt, wie die Sachverständige in ihrer mündlichen Anhörung im Termin vom 14.07.2017 überzeugend dargelegt hat. Auf die Frage einer Anfahrt für den Gartenbauer über den rückwärtigen Teil des Grundstücks kommt es damit nicht mehr an, weil – wenn eine solche Anfahrt möglich gewesen wäre – die Kosten nur niedriger ausgefallen wären als von der Sachverständigen angesetzt. Die Werte, wie sie die Sachverständige ermittelte, sind bereits gerechnet für eine Anfahrt der Gartenbauer von der S. Straße her. Auch der Aufwand für das Ausgraben von Ästen ist berücksichtigt, so dass es nicht auf die Frage ankommt, ob ein solcher Aufwand überhaupt entstanden ist (vgl. auch Ergänzungsgutachten vom 12.04.2017 S. 4 = Bl. 112 d.A.).
Nicht zu berücksichtigen ist hingegen eine besondere Verdichtung des Bodens durch den Harvester. Eine solche wurde zwar vom Kläger behauptet, jedoch durch die Beklagte bestritten. Die Sachverständige hat in ihrem Ergänzungsgutachten vom 12.04.2017 sowie in ihrer mündlichen Anhörung vom 14.07.2017 dazu ausgeführt, dass sie nicht davon ausgehe, der Einsatz eines Harvesters habe zu einer solchen Bodenverdichtung geführt. Es sei zu berücksichtigen, dass ein Harvester speziell dafür konstruiert sei, möglichst wenig Schäden am Boden zu verursachen. Der Boden sehe nach den Arbeiten zwar nach erheblichen Beschädigungen aus, auch weil es nass gewesen sei, diese Beschädigungen seien aber nicht so stark. Um genauere Erkenntnisse zu erzielen, sei es erforderlich gewesen, Messungen zur Bodenverdichtung durchzuführen, die der Gartenbauer M. aber nicht durchgeführt habe. Dem schließt sich das Gericht an. Eine jetzige Prüfung ist dem Gericht nicht mehr möglich, weil die Arbeiten am Boden bereits erfolgt sind und damit der Zustand des Erdreichs nach dem Harvestereinsatz und heute nicht mehr vergleichbar ist.
Da die Beklagte auf die Instandsetzung der Rasenfläche einen Betrag in Höhe von 2.695,47 € (2.641,54 € aus der Abrechnung vom 28.08.2015 Anlage K11 sowie 53,93 € aus der Korrektur vom 07.04.2016 Anlage BLD3) leistete, sind die tatsächlichen nötigen Aufwendungen des Klägers für die Instandsetzung der Rasenfläche (2.241,12 €) niedriger gewesen als die Erstattung der Beklagten. Die Differenz zwischen den berechneten notwendigen Aufwendungen und der tatsächlichen Rechnung des Gartenbauers M. dürfte damit zu begründen sein, dass die Rechnung des Gartenbauers überhöht ist, auch weil dieser einen tatsächlich nicht nötigen Zeitaufwand angesetzt hat. Wie die Sachverständige als Kontrollberechnung auch ausgeführt hat, ist der qm-Preis der von ihr errechnet wurde schon über den Werten, die standardmäßig für die Instandsetzung von Rasenflächen vergleichbarer Art angegeben werden. Der Gartenbauer M. liegt hier weit über den normalen Aufwendungen, was durch die örtlichen Gegebenheiten und Besonderheiten alleine nicht zu erklären ist.
Der Kläger kann sich auch nicht darauf stützen, dass die Beklagte in ihrer Abrechnung vom 28.08.2015 bestimmte Positionen aus der Rechnung des Gartenbauers M. insoweit anerkannte, als sie diese ihrer Abrechnung zu Grunde legte. Die Beklagte hat nach den Versicherungsbedingungen eine einheitliche Entschädigung zu leisten. Diese beträgt hier hinsichtlich der Wiederherstellung der Rasenfläche 2.241,12 €. Werden im Rahmen der Begründung einer Abrechnung durch die Versicherung einzelne Schadenspositionen nach einer Rechnung ungekürzt übernommen, führt dies nicht dazu, dass die Versicherung im Streitfall sich dann daran festhalten lassen müsste, dass sie bestimmte Positionen – ohne dass sie ein eigenes Gutachten erholt hätte, wie dies hier erst im gerichtlichen Verfahren erfolgt ist – doch anerkannt habe.
II. Anspruch auf Zinsen aus der Hauptforderung hat der Kläger mangels Anspruches in der Hauptsache nicht.
B.
Anspruch auf Bezahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen daraus hat der Kläger mangels Anspruches in der Hauptsache nicht.
C.
Die Kostenentscheidung erfolgte nach § 91 ZPO. Hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit war nach § 709 ZPO zu entscheiden.


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