Zivil- und Zivilprozessrecht

“Wertminderung” in der Gebäudeversicherung nach einem Gebäudeschaden infolge einer (versicherten) Elementargefahr

Aktenzeichen  10 O 5471/19 Ver

Datum:
11.6.2021
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 39588
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München II
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
VGB 2015 § 13 Nr. 1 lit. a bb

 

Leitsatz

Verspricht der Versicherer einer Wohngebäudeversicherung bei beschädigten Gebäuden oder sonstigen beschädigten Sachen Ersatz der notwendigen Reparaturkosten bei Eintritt des Versicherungsfalles zuzüglich einer durch die Reparatur nicht ausgeglichenen Wertminderung, höchstens jedoch den Versicherungswert bei Eintritt des Versicherungsfalles, schuldet er nur den Ausgleich einer etwaigen technischen, nicht hingegen einer merkantilen Wertminderung. Demgemäß kommt es nicht darauf an, ob der Versicherungsnehmer bei einem etwaigen Verkauf des versicherten Gebäudes dem Erwerber mitteilen müsste, dass dieses erhebliche Beschädigungen erlitten hat und nicht mehr im originalen Bauzustand ist. (Rn. 16 und 17) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 42.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung (weiterer) 42.000,00 € infolge des streitgegenständlichen Versicherungsfalles vom 08.06.2015, da nicht zur Überzeugung des Gerichts nachgewiesen ist, dass infolge der Überschwemmung vom 08.06.2015 an dem versicherten Objekt eine durch die Reparatur nicht ausgeglichene Wertminderung gemäß § 13 Nr. 1 a) bb) VGB 2015 eingetreten ist.
1. Gemäß § 13 Nr. 1 a) bb) VGB 2015 schuldet die Beklagte als Wohngebäudeversicherer dabei nur eine technische Wertminderung, nicht hingegen eine etwaige merkantile Wertminderung (vgl. auch OLG Düsseldorf, Urteil vom 03.08.1993, Az. 4 U 243/92). Dies ergibt sich bereits aus dem klaren und eindeutigen Wortlaut der Klausel („(…) zuzüglich einer durch die Reparatur nicht ausgeglichenen Wertminderung (…)“).
Auf die Frage, ob der Kläger bei einem etwaigen Verkauf des Hauses dem Erwerber mitteilen müsste, dass dieses erhebliche Beschädigungen erlitten hat und nicht mehr im originalen Bauzustand ist, und hieraus möglicherweise ein merkantiler Minderwert folgen könnte, kommt es also nicht entscheidungserheblich an.
Soweit der Kläger sein Klagebegehren auf das als Anlage K3 vorgelegte Gutachten He. vom 06.08.2015 stützen möchte, ist festzustellen, dass es sich dabei lediglich um ein Verkehrswert-Gutachten handelt, das zudem bereits vor den am streitgegenständlichen Objekt durchgeführten Reparaturarbeiten zur Beseitigung der durch die Überschwemmung vom 08.06.2015 an diesem entstandenen Schäden, erstellt wurde. Dieses ist daher deshalb schon nicht geeignet, eine Aussage dazu zu treffen, ob an dem Objekt eine durch die Reparatur nicht ausgeglichene Wertminderung verblieben ist.
2. Dass an dem streitgegenständlichen Objekt infolge der Überschwemmung vom 08.06.2015 ein technischer Minderwert verblieben ist, wurde vom insoweit beweispflichtigen Kläger indes nicht zur Überzeugung des Gerichts nachgewiesen (§ 286 ZPO).
Das Gericht stützt sich dabei entscheidend auf die fundierten, in jeder Hinsicht nachvollziehbaren und überzeugenden Ausführungen, die der Sachverständige A. in seinem schriftlichen Gutachten vom 15.03.2021 gemacht hat (Bl. 62/78 d.A.). Fragen oder Einwendungen gegen dieses Gutachten wurden von keiner der Parteien vorgebracht. Zweifel an der Sach- und Fachkunde des Sachverständigen zur Beantwortung des ihm gestellten Beweisthemas (vgl. Beweisbeschluss vom 07.10.2020, Bl. 34/35 d.A.) hat das Gericht nicht. Der Sachverständige hat, für das Gericht ohne weiteres nachvollziehbar und frei von jeglichen Widersprüchen, dargelegt, dass und warum vorliegend in Folge der an dem streitgegenständlichen Objekt durchgeführten Reparaturarbeiten zur Beseitigung des infolge der Überschwemmung vom 08.06.2015 eingetretenen Schadens, eine kürzere Lebensdauer der reparierten Holzwände nicht zu erwarten ist. Vielmehr ist demnach bei fachgerechter Verarbeitung mit entsprechender Sorgfalt die gleiche Qualität beim nachträglichen Vervollständigen der Wände im Bestand zu erwarten. Aus der vom Sachverständigen durchgeführten Temperaturdifferenz kann zudem geschlossen werden, dass die Wärmedämmung vollflächig und dicht gestoßen eingebracht wurde. Zudem war die Gipsoberfläche eben und sauber verspachtelt, so dass die Schnittstelle unter normalen Umständen nicht erkennbar ist. Zudem ist mit dem Sachverständigen davon auszugehen dass keine Einbruchstellen von Feuchtigkeit hinzugekommen sind. Eine kürzere Lebensdauer der reparierten Holzwände ist daher nach den Ausführungen des Sachverständigen nicht zu erwarten.
Soweit die Beklagte behauptet hat, infolge der durchgeführten Reparaturarbeiten sei eine Wertsteigerung an dem streitgegenständlichen Objekt eingetreten, kann indes auch diese Behauptung nicht zu Überzeugung des Gerichts angenommen werden. Vielmehr geht das Gericht mit den auch insoweit überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen davon aus, dass eine höhere technische Lebenserwartung aufgrund der neun eingefügten Gewerke nicht gegeben ist, da der Anteil der neuen Bauteile zu gering ist, um sich auf die Abnutzung des gesamten Gebäudes auszuwirken.
Zusammenfassend ist also auf Grundlage der fundierten und überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen A. festzustellen, dass die Haltbarkeit der Holzwände durch die Sanierungsarbeiten nicht herabgesetzt wurde und die zu erwartende Lebensdauer durch die Sanierungsarbeiten weder erhöht noch verringert wurde. Der technische Wert des Hauses wurde also durch die Reparaturarbeiten an den Holzwänden nicht verändert.
3. Da somit ein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Erstattung einer Wertminderung nach § 13 Nr. 1 a) bb) VGB 2015 bereits dem Grunde nach ausscheidet, waren Feststellungen zur Höhe des geltend gemachten Anspruchs nicht zu treffen.
4. Mangels Anspruchs des Klägers auf die begehrte Hauptforderung war die Klage auch in Bezug auf die geltend gemachten Nebenforderungen (vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten und Zinsbegehren) abzuweisen.
II.
1. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
2. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 709 Satz 1 und 2 ZPO.
III.
Der Streitwert wurde gemäß § 3 ZPO auf 42.000,00 € festgesetzt.


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