Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Rundfunkbeitragspflicht für eine Nebenwohnung, Innehaben einer Zweitwohnung, fehlende Anmeldung des Eigentümers, Bewohnen einer Zweitwohnung.

Aktenzeichen  7 ZB 21.741

Datum:
26.4.2021
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 9518
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
RBStV § 2 Abs. 1, Abs. 2 S. 2, S. 3 .

 

Leitsatz

Verfahrensgang

Au 7 K 19.2241 2021-01-18 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 601,72 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg. Soweit Zulassungsgründe i.S.v. § 124 Abs. 2 VwGO geltend gemacht werden, sind sie nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Art und Weise dargelegt bzw. liegen nicht vor.
I.
Die Berufung ist nicht wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen verwaltungsgerichtlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind anzunehmen, wenn in der Antragsbegründung ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt werden (vgl. etwa BVerfG, B.v. 10.9.2009 – 1 BvR 814/09 – NJW 2009, 3642) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – DVBl 2004, 838/839). Schlüssige Gegenargumente in diesem Sinne liegen dann vor, wenn der Rechtsmittelführer substantiiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufzeigt, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung im Ergebnis unrichtig ist (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546/548). Welche Anforderungen an Umfang und Dichte der Darlegung zu stellen sind, hängt wesentlich von der Intensität ab, mit der die Entscheidung begründet worden ist (Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124a Rn. 64 m.w.N.).
1. Das Verwaltungsgericht hat die gegen die Festsetzungsbescheide des Beklagten vom 3. Dezember 2018 und 1. April 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. Dezember 2019 sowie gegen den Bescheid vom 4. Dezember 2019 im Wege der Klagehäufung gerichteten Anfechtungsklagen mit angegriffenem Urteil vom 18. Januar 2021 insgesamt abgewiesen. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt, die isolierte Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 4. Dezember 2019, mit dem der Beklagte den Antrag der Klägerin auf Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht für die Wohnung in M., L. Str., abgelehnt habe, sei bereits unzulässig, da der Klägerin das Rechtsschutzbedürfnis hierfür fehle. Mit dem isolierten Aufhebungsantrag könne sie ihr Ziel nicht erreichen, vom Beklagten zu viel geleistete Rundfunkbeiträge zurückerstattet zu erhalten und keine weiteren mehr bezahlen zu müssen. Soweit die Klägerin zum Ziel gehabt habe, feststellen zu lassen, dass es einer Befreiung nicht bedürfe, hätte ihr insoweit die Möglichkeit einer Feststellungsklage zur Verfügung gestanden. Nicht anderes ergebe sich daraus, dass der Bevollmächtigte der Klägerin in der mündlichen Verhandlung erklärt habe, es sei nur der Bescheid aufzuheben, weil dieser mangels eines ihm zugrundeliegenden Antrags ins Leere gehe. Eine Auslegung des Anfechtungsantrags gemäß § 88 VwGO in einen Verpflichtungsantrag sei aufgrund der ausdrücklichen Begründung der Klagepartei nicht in Betracht gekommen. Auch in der Sache führe die Klage nicht zum Erfolg, da der Bescheid vom 4. Dezember 2019 rechtmäßig sei. Der Beklagte habe das Schreiben der Klägerin vom 13. August 2018 zu Recht als Antrag auf Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht ausgelegt, da die Klägerin ausdrücklich unter Berufung auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts die Rückzahlung von den für eine Nebenwohnung geleisteten Beiträgen verlangt habe. Der Beklagte habe zu Recht den Befreiungsantrag abgelehnt, da keine Nachweise hinsichtlich der Nutzung der streitgegenständlichen Wohnung in M. als Zweitwohnung vorgelegt worden seien.
Die Anfechtungsklage gegen die Festsetzungsbescheide sei unbegründet, da diese formell und materiell rechtmäßig seien. Im privaten Bereich sei nach § 2 Abs. 1 RBStV grundsätzlich für jede Wohnung von deren Inhaber (Beitragsschuldner) ein Rundfunkbeitrag zu entrichten. Inhaber der Wohnung sei u.a. jede volljährige Person, die dort nach dem Melderecht gemeldet sei (§ 2 Abs. 2 Satz 2 RBStV). Im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Zugangs des Widerspruchsbescheids hätten für den Beklagten zwar Anhaltspunkte vorgelegen, dass es sich bei der Wohnung in M. um eine Zweitwohnung der Klägerin handele. Da aber durch die Klägerin keine weiteren Angaben gemacht worden seien, ob sie die Wohnung selbst nutze oder für eine andere Person Beiträge geleistet würden, es sich also nicht um eine von der Klägerin selbst bewohnte weitere Wohnung handele und demgemäß zu Recht keine Befreiung erteilt worden sei (s.o. I./II.), sei die Festsetzung der Beiträge zu Recht erfolgt.
2. Soweit sich die Kläger mit der Zulassungsbegründung gegen die Richtigkeit der Abweisung der Anfechtungsklagen gegen die Festsetzungsbescheide vom 3. Dezember 2018 und 1. April 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. Dezember 2019 wendet (UA Rn. 50 bis 63), kann dahinstehen, ob das diesbezügliche Vorbringen den Darlegungsanforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entspricht. Denn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der betreffenden Feststellungen des Verwaltungsgerichts liegen nicht vor.
a) Die Zulassungsbegründung führt im Wesentlichen aus, die Klägerin bewohne in M. keine Zweitwohnung. Sie sei zwar Eigentümerin dieser Wohnung, das bloße Eigentum verpflichte jedoch nicht zur Zahlung von Rundfunkbeiträgen. Wohnen bezeichne eine tatsächliche Situation. Sie wohne nicht in der Wohnung und sei dort auch nicht gemeldet. „So einfach sei der Sachverhalt beschaffen“. Als Inhaber einer Wohnung gelte, wer dort nach dem Melderecht gemeldet sei. Weil die Klägerin nicht in M. gemeldet sei, gelte sie nicht als Inhaberin der Wohnung. Das Verwaltungsgericht argumentiere unpräzise, wenn es in Randnummer 61 ausführe, es lägen Anhaltspunkte dafür vor, dass es sich bei der Wohnung in M. um eine Zweitwohnung handele. Es lege nicht dar, welches diese Anhaltspunkte seien. Da das Wohnungsinnehaben aufgrund des „Gemeldetseins“ fingiert werde, sei es keine Frage von Anhaltspunkten, ob jemand Inhaber einer Wohnung sei oder nicht. Zu der „allein entscheidungserheblichen Frage des Gemeldetseins“ äußere sich das Verwaltungsgericht nicht. Nicht die Klägerin, sondern der Beklagte müsse in diesem Fall nachweisen, dass die Voraussetzungen für die Rundfunkbeitragspflicht vorlägen. Ausweislich des Protokolls über die mündliche Verhandlung habe der Bevollmächtigte der Klägerin ausdrücklich erklärt, „die Eltern“ hätten in M. keinen Zweitwohnsitz und nutzten die Wohnung in M. nicht als Zweitwohnsitz. Damit müsse die Klägerin keinen Entlastungsbeweis führen.
b) Durch diese Ausführungen der Klägerin werden die Erwägungen des Verwaltungsgerichts nicht ernstlich in Frage gestellt und keine Gesichtspunkte aufgezeigt, die weiterer Klärung in einem Berufungsverfahren bedürften. Das Verwaltungsgericht ist zutreffend von der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Festsetzungsbescheide ausgegangen.
aa) Nach § 2 Abs. 1 RBStV ist im privaten Bereich für jede Wohnung von deren Inhaber (Beitragsschuldner) ein Rundfunkbeitrag zu entrichten. Inhaber einer Wohnung ist jede volljährige Person, die die Wohnung selbst bewohnt (§ 2 Abs. 2 Satz 1 RBStV). Als Inhaber wird jede Person vermutet, die dort nach dem Melderecht gemeldet ist (§ 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 RBStV). Die Pflicht zur Entrichtung des Rundfunkbeitrags beginnt mit dem Ersten des Monats, in dem der Beitragsschuldner erstmals die Wohnung innehat (§ 7 Abs. 1 Satz 1 RBStV) und endet mit dem Ablauf des Monats, in dem das Innehaben der Wohnung durch den Beitragsschuldner endet, jedoch nicht vor Ablauf des Monats, in dem dies der zuständigen Landesrundfunkanstalt angezeigt worden ist (§ 7 Abs. 2 Satz 1 RBStV). Für den Übergang von dem bis 2013 geltenden Rundfunkgebührenmodell zu dem seither umgesetzten Rundfunkbeitragsmodell wird vermutet, dass die Personen, die die frühere Rundfunkgebühr entrichtet sowie für Grund und Höhe der Rundfunkbeitragspflicht relevante Tatsachen nicht angezeigt haben (§ 14 Abs. 1 RBStV), auch Schuldner des Rundfunkbeitrags sind (§ 14 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 RBStV) und mindestens einen vollen Rundfunkbeitrag pro Monat zu zahlen haben (§ 14 Abs. 4 Satz 1 RBStV).
bb) Die Klägerin hat zwar angegeben, dass sie in M. nicht mit Zweitwohnsitz gemeldet ist. Auch das Verwaltungsgericht hat im angegriffenen Urteil ausdrücklich darauf verwiesen, dass sich die Klägerin und ihr Ehemann im Jahr 2005 aus der Wohnung in M. abgemeldet hätten. Die seit 2005 fehlende Anmeldung der Klägerin in ihrer Wohnung in M. führt aber entgegen der Ansicht der Klägerin nicht dazu, dass die Erhebung der Rundfunkbeiträge (plus Säumniszuschläge) für die dortige Wohnung im streitgegenständlichen Zeitraum 1. Juli bis 30. September 2018 sowie 1. Oktober bis 31. Dezember 2018 rechtswidrig ist. Beklagter und Verwaltungsgericht konnten davon ausgehen, dass die Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum Inhaberin der Wohnung in M. war.
(1) Das Verwaltungsgericht hat zu Recht darauf hingewiesen, dass die Wohnung M., L. Str., seit dem 1. Januar 2013 beim Beklagten zusammen mit der Wohnung der Klägerin in W. unter dem Beitragskonto 308 399 760 geführt wird. Bestätigt wird dies nicht nur durch die Unterlagen des Beklagten. Bereits aus dem Schreiben des Ehemanns der Klägerin an den Beitragsservice des Beklagten vom 13. August 2018, auf das das Verwaltungsgericht ebenfalls ausdrücklich hingewiesen hat, ergibt sich aus dem Hinweis, die Wohnung in M. werde als Zweitwohnsitz genutzt, sinngemäß, dass die Klägerin Inhaberin der dortigen Wohnung ist. Wie das Verwaltungsgericht im Tatbestand der angegriffenen Entscheidung zusammenfassend ausführt, gab die Klägerin zudem in der Klagebegründung vom 28. Dezember 2019 (Bl. 4 der VG-Akte) an, neben ihrer Hauptwohnung in W. eine Nebenwohnung in M., L. Str., zu haben, für die sie bis zum Jahr 2013 von der Zahlung der Rundfunkgebühren wegen ihrer Behinderung befreit war. Sie habe ab 2013 „für beide, dem Beitragsservice seit Jahren bekannte Wohnungen unter der Beitragsnummer 308 399 760 den jeweils ermäßigten Rundfunkbeitrag“ gezahlt. „Aufgrund der damals bestehenden Unsicherheiten hinsichtlich des neuen Rundfunkbeitrags“ habe sie „den Beitragsservice darauf hingewiesen“, dass sie „künftig alle Zahlungen unter dem Vorbehalt der Rückforderung leiste“. Ab 2013 seien „alle Zahlungen“ von ihr „stets pünktlich unter eben diesem Vorbehalt erbracht“ worden. Zudem führte die Klägerin aus, dass „unter der Beitragsnummer 308 399 760 … seit nunmehr 15 Jahren zwei Wohnungen, die Wohnung in W. (Hauptwohnung) und die Wohnung in M. (Nebenwohnung) geführt und seit 2013 für beide Wohnungen der ermäßigte Beitragssatz erhoben und bezahlt“ worden sei. „Dass ich Inhaber dieser beiden Wohnungen bin, wird im Widerspruchsbescheid ausdrücklich bestätigt“.
Den Ausführungen der Klägerin im Verfahren ist somit eindeutig zu entnehmen, dass sie 2013 und auch im streitgegenständlichen Zeitraum Inhaberin der Wohnung in M. war. Zudem hat der bevollmächtigte Sohn der Klägerin in der mündlichen Verhandlung angegeben, die Wohnung stehe im Eigentum seiner Eltern je zu ½, sei im streitgegenständlichen Zeitraum und auch heute nicht vermietet, werde tageweise genutzt und es könne durchaus vorkommen, dass in der Wohnung – wenn auch nur wegen der Tätigkeit „Verwaltung von Wohnungen in M.“ – übernachtet werde.
(2) Mit dem erstmals im Zulassungsverfahren vorgetragenen Einwand der Klägerin, sie sei bereits deshalb nicht als Inhaberin der M. Wohnung rundfunkbeitragspflichtig, weil sie dort nicht gemeldet sei, werden ernstliche Zweifel nicht aufgezeigt. Ob die im Jahre 2005 erfolgte Abmeldung aus der M. Wohnung unter Umgehung melderechtlicher Bestimmungen und ggf. zur Vermeidung der zum 1. Januar 2006 durch den M. Stadtrat eingeführten Zweitwohnungssteuer erfolgte, kann vorliegend dahinstehen. Auf ihre fehlende Anmeldung in M. kann sich die Klägerin nicht berufen.
Die Rundfunkbeitragspflicht entsteht nach dem Rundfunkbeitragsstaatsvertrag unmittelbar kraft Gesetzes (vgl. BVerwG, U.v. 9.12.2019 – 6 C 20.18 – NVwZ-RR 2020, 510 Rn. 14). Da hinsichtlich der Wohnung in M., L. Str., deren Eigenschaft als Wohnung im rundfunkbeitragsrechtlichen Sinn (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 1 RBStV) nicht zweifelhaft ist, kommt es für die Wohnungseigenschaft der Raumeinheit nicht darauf an, ob sie tatsächlich bewohnt wird (vgl. BVerwG, B.v, 27.7.2017 – 6 BV 45.17 – juris Rn. 4). Ein Bewohnen entsprechend § 2 Abs. 2 Satz 1 RBStV liegt immer dann vor, wenn jemand eine hierfür geeignete Wohnung zu Wohnzwecken nutzt. Entscheidend ist dabei die Wohnnutzung als solche. Es kommt nicht darauf an, wieviel Zeit die Person in der Wohnung verbringt. Auch eine gelegentliche oder seltene Wohnnutzung ist ein Bewohnen im Sinne der Vorschrift. Eine Wohnung wird im Ergebnis immer schon dann im Sinne des § 2 Abs. 2 Satz 1 RBStV von einer Person selbst bewohnt, wenn diese – wie dies bei der Klägerin nach den Angaben ihres Sohnes der Fall ist – die Wohnung jederzeit zum tatsächlichen Wohnen nutzen kann, weil sie die hierfür erforderliche Verfügungsgewalt über die Wohnung innehat (BVerwG, U.v. 9.12.2019 – 6 C 20.18 – NVwZ-RR 2020, 510 Rn.18). Da die Klägerin somit nicht nachgewiesen hat, dass sie die M. Wohnung tatsächlich nicht im Sinne des § 2 Abs. 2 Satz 1 RBStV selbst bewohnt, ist sie deren Inhaberin (vgl. zur Beweislastverteilung: BVerwG, U.v. 9.12.2019 a.a.O. Rn. 17). Offenbleiben kann, ob sich die Rundfunkbeitragspflicht für die M. Wohnung wegen § 14 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 RBStV auch aus dem Hinweis der Klägerin ergibt, dass sie bereits vor 2013 für die Wohnung in M. dem Grunde nach rundfunkgebührenpflichtig war.
(3) Mit ihrem Einwand, das Verwaltungsgericht argumentiere unpräzise, wenn es ausführe, es lägen Anhaltspunkte vor, dass es sich bei der Wohnung in M. um eine Zweitwohnung handele, werden ebenfalls keine ernstlichen Zweifel aufgezeigt. Ob es Anhaltspunkte dafür gibt, dass die Wohnung der Klägerin in M. eine Zweitwohnung ist, ist für die Frage der Rechtmäßigkeit der streitgegenständlichen Festsetzungsbescheide ohne Relevanz. Die Klägerin war zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung des Beklagten (Bekanntgabe des Widerspruchsbescheids vom 2.12.2019) nicht von der Rundfunkbeitragspflicht für eine Zweitwohnung befreit, da der Beklagten einen Befreiungsbescheid für diesen Zeitraum nicht erlassen hatte (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 9.12.2019 – 6 C 20.18 – NVwZ-RR 2020, 510 Rn. 19 m.w.N.; U.v. 30.10.2019 – 6 C 10.18 – BVerwGE 167, 20 Rn. 12 ff.).
2. Soweit das Verwaltungsgericht die isolierte Anfechtungsklage gegen den Bescheid des Beklagten vom 4. Dezember 2019 abgewiesen hat, sind ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen verwaltungsgerichtlichen Urteils bereits nicht im Sinne von § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO dargelegt.
Ist ein Urteil – wie vorliegend in Bezug auf den Streitgegenstand „Bescheid des Beklagten vom 4. Dezember 2019“ – auf mehrere selbständig tragende Begründungen gestützt, so setzt die Zulassung der Berufung voraus, dass in Bezug auf jede dieser Begründungen ein Zulassungsgrund vorliegt (stRspr, vgl. BVerwG, B.v. 20.12.2016 – 3 B 38.16 u.a. – NVwZ-RR 2017, 266; BayVGH, B.v. 1.7.2019 – 14 ZB 18.1542 – juris Rn. 7 m.w.N.). Ist der geltend gemachte Zulassungsgrund nur bezüglich einer Begründung gegeben, kann diese Begründung nämlich hinweg gedacht werden, ohne dass sich der Ausgang des Verfahrens ändert (vgl. BVerwG, B.v. 27.8.2013 – 4 B 39.13 – BauR 2013, 2011 Rn. 2). Dem genügt das Zulassungsvorbringen der Klägerin nicht. Es fehlt an jeglicher Auseinandersetzung mit den tragenden Feststellungen des Verwaltungsgerichts, die isolierte Anfechtungsklage gegen den Bescheid des Beklagten vom 4. Dezember 2019 sei bereits unzulässig (vgl. UA Rn. 34 bis 41). Somit kann dahinstehen, ob die Klägerin mit den wenigen Ausführungen, die ausdrücklich das Thema „Befreiung“ zum Gegenstand haben (vgl. S. 3 Mitte), Zulassungsgründe hinsichtlich der weiteren selbständig tragenden Begründung des Verwaltungsgerichts, die Klage sei auch unbegründet, weil zudem kein Anspruch auf die – nach richtiger Auslegung des Beklagten – konkludent beantragte Befreiung bestehe (vgl. UA Rn. 42 bis 49), den Darlegungsanforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechend aufzeigt.
II.
Die von der Klägerin gerügte Verletzung rechtlichen Gehörs (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO, § 103 Abs. 1 GG) führt ebenfalls nicht zur Zulassung der Berufung.
Das rechtliche Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) ist sowohl ein prozessuales Grundrecht als auch ein rechtsstaatliches konstitutives Verfahrensprinzip, das mit der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG in funktionalem Zusammenhang steht. Es sichert den Beteiligten ein Recht auf Information, Äußerung und Berücksichtigung mit der Folge, dass sie ihr Verhalten eigenbestimmt und situationsspezifisch gestalten können, insbesondere, dass sie mit ihren Ausführungen und Anträgen gehört werden (BVerfG, B.v. 30.4.2003 – 1 PBvU 1/02 – BVerfGE 107, 395/409). Es verpflichtet die Gerichte, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen, jedoch nicht, ihnen in der Sache zu folgen. Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet die Gerichte zudem nicht, jedes Vorbringen der Beteiligten in den Entscheidungsgründen des Urteils ausdrücklich zu bescheiden.
1. Die Klägerin rügt unter ausdrücklicher Bezugnahme auf Randnummer 61 der angegriffenen Entscheidung, das Verwaltungsgericht habe nicht zur Kenntnis genommen und nicht in Erwägung gezogen, dass in der mündlichen Verhandlung vorgetragen worden sei, dass die „Eltern“ keinen Zweitwohnsitz hätten und die Wohnung in M. nicht als Zweitwohnsitz genutzt werde. Angesichts dessen könne das Verwaltungsgericht nicht „formulieren“, dass es Anhaltspunkte dafür gäbe, dass die Wohnung eine „Zweitwohnung der Klägerin“ sei.
2. Mit diesem Vorbringen wird kein entscheidungserheblicher Gehörsverstoß aufgezeigt. Unabhängig davon, dass das Verwaltungsgericht im Tatbestand des angegriffenen Urteils ausdrücklich auf den durch den Sohn der Klägerin in der mündlichen Verhandlung erfolgten Sachvortrag verwiesen und insoweit auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung Bezug genommen hat, legt die Zulassungsbegründung nicht dar, warum es – trotz der Einschätzung des Verwaltungsgerichts, dass sich die Rundfunkbeitragspflicht der Klägerin für die Wohnung in M. aus § 2 Abs. 1 RBStV ergibt und trotz fehlendem Befreiungsbescheid des Beklagten (vgl. BVerwG, U.v. 9.12.2019 – 6 C 20.18 – NVwZ-RR 2020, 510 Rn. 19 m.w.N.; U.v. 30.10.2019 – 6 C 10.18 – BVerwGE 167, 20 Rn. 12 ff.) – im Zusammenhang mit der Rechtmäßigkeit der streitgegenständlichen Bescheide entscheidungserheblich war, ob die Wohnung in M. im streitgegenständlichen Zeitraum als Zweitwohnung genutzt wurde.
Ob das Verwaltungsgericht dem Vortrag eines Beteiligten die richtige Bedeutung beimisst und die richtigen Folgerungen daraus zieht, ist im Übrigen keine Frage des rechtlichen Gehörs, sondern der Tatsachen- und Beweiswürdigung nach § 108 Abs. 1 VwGO (vgl. BVerfG, B.v. 7.12.2006 – 2 BvR 722/06 – juris Rn. 23 m.w.N.), die regelmäßig dem materiellen Recht zuzuordnen ist. In Randnummer 61 des angegriffenen Urteils geht es nicht um die Rundfunkbeitragspflicht der Klägerin als solche, sondern erkennbar darum, ob sie eine Befreiung für die M. Wohnung beanspruchen kann. Dies ergibt sich bereits aus den Formulierungen „zwar“ und „da aber“, den Hinweis auf den „maßgeblichen Zweitpunkt der Bekanntgabe des Widerspruchsbescheids“ sowie auf die Bezugnahme auf die Ausführungen unter I. und II.
Kosten: § 154 Abs. 2 VwGO
Streitwertfestsetzung: § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 Satz 1 VwGO 


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