Verwaltungsrecht

Abtrennung, übereinstimmende Erledigungserklärungen, billiges Ermessen, fehlendes Fortsetzungsfeststellungsinteresse, fehlendes Rechtsschutzbedürfnis

Aktenzeichen  W 10 K 17.1458

Datum:
21.10.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 27192
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 92 Abs. 3 S. 1, § 93 S. 1, § 113 Abs. 1 S. 4, § 161 Abs. 2 S. 1
TKG § 68 Abs. 3 S. 8, S. 9
BayStrWG Art. 42 Abs. 1 S. 1, S. 6, Abs. 3

 

Leitsatz

1. Eine Wiederholungsgefahr als Grundlage für ein Fortsetzungsfeststellungsinteresses  setzt voraus, dass auch in Zukunft unter im wesentlichen unveränderten Umständen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein gleichartiger (unterstellt rechtswidriger) Verwaltungsakt erlassen wird. Dies ist hier zu verneinen, da der   Verwaltungsakt aufgrund der  fehlenden sachlichen Zuständigkeit aufgehoben wurde. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Fortsetzungsfeststellungsklage beschränkt sich auf die Feststellung, dass ein Verwaltungsakt rechtswidrig war und den Kläger in seinen Rechten verletzte. Es kann damit nicht die Feststellung der Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsaktes aus einem bestimmten Grund erreicht werden (st.Rspr., vgl. BVerwG BeckRS 2009, 42328). (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
3. Da sich mit der Umstellung der Anfechtungs- in eine Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 264 ZPO nicht der Streitgegenstand ändert, sondern das Klagebegehren der Rechtswidrigkeitsfeststellung in dem der Anfechtungsklage enthalten ist und hinter diesem zurückbleibt kann mit der Fortsetzungsfeststellungsklage nicht im Ergebnis eine weitergehende Prüfung des Gerichtes beansprucht werden, als sie in einem Anfechtungsprozess erfolgt wäre.  (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Von dem Verfahren Az.: W 10 K 17.1458 wird der mit schriftlichen Erklärungen der Beteiligten übereinstimmend für erledigt erklärte Verfahrensteil (Klageanträge 1, 2 und 5 im Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 17. Mai 2018) abgetrennt und unter dem Az.: W 10 K 19.1408 fortgesetzt.
II. Das Verfahren Az.: W 10 K 19.1408 wird eingestellt.
III. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
IV. Der Streitwert wird für das Verfahren W 10 K 17.1458 bis zur Abtrennung auf 5.000,00 EUR, für das Verfahren W 10 K 19.1408 nach der Abtrennung auf 3.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klägerin wandte sich mit ihrer Klage vom 15. Dezember 2017, damaliges Az.: W 4 K 17.1458, gegen belastende Nebenbestimmungen im Bescheid des Staatlichen Bauamtes Würzburg vom 7. November 2017, zugestellt am 15. November 2017, mit welchem ihr die Zustimmung zur Benutzung der Staats straße 2303 für die Verlegung einer neuen Telekommunikationslinie erteilt wurde.
Die Klägerin beantragte zunächst die Aufhebung der Nebenbestimmungen in den Ziffern 2, 3, 3 [gemeint wohl: 4], 5 und 6 der „sonstigen Vereinbarungen“ des Datenblattes über die Mitbenutzung von Straßeneigentum durch Telekommunikationslinien in der damaligen Fassung, welche der Beklagte standardmäßig – wie auch im vorliegenden Fall – als Nebenbestimmungen in den Zustimmungsbescheid gemäß § 68 Abs. 3 des Telekommunikationsgesetzes – TKG – aufgenommen hat.
Nachdem der Beklagte seinen Zustimmungsbescheid wegen sachlicher Unzuständigkeit aufgehoben hatte, da nicht er, sondern die Gemeinde G. die Straßenbaulastträgerin der streitgegenständlichen Ortsdurchfahrt ist, beantragte die Klägerin anstelle des ursprünglichen Klageantrags nunmehr die Feststellung, dass die oben genannten Nebenbestimmungen rechtswidrig waren.
Mit Schriftsatz vom 11. Dezember 2018 teilte der Beklagte mit, dass die früheren Ziffern 2 und 6 des Datenblattes nach dessen Überarbeitung künftig keine Verwendung mehr fänden und die Ziffer 3 künftig in einer überarbeiteten Fassung verwendet werde. Daraufhin erklärte die Klägerin mit Schriftsatz vom 12. Februar 2019 den Rechtsstreit hinsichtlich der genannten Nebenbestimmungen (Klageanträge 1, 2 und 5) in der Hauptsache für erledigt.
Der Beklagte stimmte der Teilerledigterklärung mit Schriftsatz vom 22. Februar 2019 zu.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtssowie der vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
1. Die Abtrennung des unter Ziffer I. genannten Verfahrensteils beruht auf § 93 Satz 1 VwGO. Sie ist wegen der Erledigung dieses Verfahrensteils sachgerecht, da auf diese Weise das Verfahren hinsichtlich des erledigten Verfahrensteils eingestellt und insoweit bereits vorab über die Kosten entschieden werden kann, ohne dass damit die Endentscheidung im nicht erledigten Verfahrensteil belastet wird.
2. Da Beteiligten die Hauptsache mit schriftlichen Erklärungen vom 12. Februar 2019 und 22. Februar 2019 in dem unter Ziffer I. genannten Umfang übereinstimmend für erledigt erklärt haben, war das Verfahren insoweit in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen.
3. Ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt, so entscheidet das Gericht – außer in den Fällen des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO – gemäß § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens. Der bisherige Sachund Streitstand ist dabei zu berücksichtigen.
Billigem Ermessen entspricht es hier, der Klägerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, weil die Klage im maßgeblichen Zeitpunkt unzulässig war.
a) Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt für die Erfolgsaussichten der erledigten Klage, welche im Falle der übereinstimmenden Erledigungserklärung gemäß § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO grundsätzlich ausschlaggebend für die allein noch zutreffende Kostenlastentscheidung sind, ist der Zeitpunkt unmittelbar vor dem Eintritt des Ereignisses, an welches die Beteiligten ihre Erledigungserklärungen knüpfen, mag dieses tatsächlich zu einer Erledigung geführt haben oder nicht (Neumann/Schaks in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 161 Rn. 83; Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019, § 161 Rn. 16). Maßgeblich ist mithin, wer im Rechtsstreit ohne das erledigende Ereignis voraussichtlich obsiegt hätte (Clausing in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Februar 2019, § 161 Rn. 23). Abzustellen ist damit im vorliegenden Falle auf den Zeitpunkt der (erstmaligen) gleichmäßigen Verwendung des überarbeiteten Datenblatts durch den Beklagten, welches die angefochtenen Bestimmungen in den (bisherigen) Ziffern 2 und 6 der sonstigen Vereinbarungen nicht mehr enthält. Dies war unstreitig (jedenfalls) mit dem vorgelegten Bescheid des Beklagten vom 23. November 2018 (hinsichtlich der Staats straße 511 (O* …*) Landesgrenze – K* … – G* …*) der Fall.
b) In diesem Zeitpunkt war die Klage bereits unzulässig.
Die Klägerin hat ihre ursprüngliche Anfechtungsklage nach Erledigung der angegriffenen Nebenbestimmungen gemäß § 68 Abs. 3 Satz 8, 9 des Telekommunikationsgesetzes (TKG) in Verbindung mit Art. 36 Abs. 1 Alt. 1, 2 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (BayVwVfG), welche selbstständig anfechtbare Teilmaßnahmen darstellen (vgl. BVerwG, U.v. 22.11.2000 – 11 C 2.00 – juris) durch Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheides (vgl. Art. 43 Abs. 2 BayVwVfG) in eine Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO umgestellt (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 264 ZPO).
Dieser Klage fehlte jedoch das berechtigte Feststellungsinteresse (Fortsetzungsfeststellungsinteresse) bzw. auch das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis.
aa) Als Grundlage eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses der Klägerin kommt vorliegend nur die Wiederholungsgefahr in Betracht. Diese setzt voraus, dass der Beklagte auch in Zukunft unter im wesentlichen unveränderten Umständen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit einen gleichartigen (unterstellt rechtswidrigen) Verwaltungsakt erlassen wird (Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 113 Rn. 133 m.w.N.). Dies ist hier zu verneinen, da die Rechtswidrigkeit des aufgehobenen Zustimmungsbescheides auf der fehlenden sachlichen Zuständigkeit des Beklagten für die Straßenbaulast an der konkreten Ortsdurchfahrt gemäß Art. 42 Abs. 1 Satz 1, 6 des Bayerischen Straßen- und Wegegesetzes (BayStrWG) beruhte. Dieser Umstand war auch der Grund für die Aufhebung und damit die Erledigung des Verwaltungsaktes. Insoweit fehlt es aber an der hinreichenden Wiederholungswahrscheinlichkeit, da die Straßenbaulast an der Ortsdurchfahrt einer Staats straße insbesondere bei Gemeinden mit maximal 25.000 Einwohnern von den Umständen des konkreten Einzelfalles, insbesondere dem Bestehen einer Baulastübernahme gemäß Art. 42 Abs. 1 Satz 6 BayStrWG oder bei Geh- bzw. Radwegen eines Falles des Art. 42 Abs. 3 BayStrWG, abhängt.
bb) Hingegen kann die Klägerin mit ihrer Fortsetzungsfeststellungsklage nicht beanspruchen, dass das Gericht in eine Prüfung der materiellen Rechtmäßigkeit der angefochtenen Nebenbestimmungen eintritt, weil es darauf auch im ursprünglichen Anfechtungsprozess (bei Hinwegdenken der Bescheidsaufhebung durch den Beklagten) nicht angekommen wäre. Die Fortsetzungsfeststellungsklage beschränkt sich auf die Feststellung, dass ein Verwaltungsakt rechtswidrig war und den Kläger in seinen Rechten verletzte (vgl. Rennert in Eyermann, VwGO, § 121 Rn. 25). Mit der Fortsetzungsfeststellungsklage kann jedoch nicht die Feststellung der Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsaktes aus einem bestimmten Grund erreicht werden (st.Rspr., vgl. BVerwG, B.v. 5.9.1984 – 1 WB 131.82 – juris Rn. 33; B.v. 11.11.2009 – 6 B 22.09 – beck-online; Decker in Posser/Wolff, Beck´scher Onlinekommentar VwGO, Stand 1.7.2019, § 113 Rn. 88.1). Denn der Sinn und Zweck der Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO besteht darin, den Kläger nicht infolge der Erledigung seines Anfechtungsbegehrens um die Früchte seiner bisherigen Prozessführung zu bringen (vgl. BVerwG, U.v. 18.12.2014 – 8 B 47.14 – juris Rn. 16). Im vorliegenden Fall hätten sich bei Hinwegdenken des erledigenden Ereignisses (Aufhebung des Zustimmungsbescheides durch den Beklagten) die Vorteile der bisherigen Prozessführung der Klägerin jedoch darin erschöpft, dass der angefochtene Bescheid voraussichtlich wegen fehlender sachlicher Zuständigkeit des Beklagten und damit formeller Rechtswidrigkeit aufgehoben worden wäre (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO); auf die Frage, ob einzelne Nebenbestimmungen materiell rechtmäßig waren, wäre es nicht mehr angekommen. Auch greift im vorliegenden Fall die Überlegung nicht, dass die Fortsetzungsfeststellungsklage die prozessökonomische Klärung präjudizieller Rechtsfragen in einem bereits anhängigen Prozess ermöglichen soll (BVerwG a.a.O.), denn die Frage der materiellen Rechtswidrigkeit der angefochtenen Nebenbestimmungen würde sich aus den genannten Gründen nicht stellen. Da sich mit der Umstellung der Anfechtungsin eine Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 264 ZPO nicht der Streitgegenstand ändert, sondern das Klagebegehren der Rechtswidrigkeitsfeststellung in dem der Anfechtungsklage (Aufhebung des Verwaltungsakts) enthalten ist und hinter diesem zurückbleibt (Riese in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 113 Rn. 109; Decker in Posser/Wolff, Beck´scher Onlinekommentar VwGO, § 113 Rn. 81.1), kann mit der Fortsetzungsfeststellungsklage nicht im Ergebnis eine weitergehende Prüfung des Gerichtes beansprucht werden, als sie in einem Anfechtungsprozess erfolgt wäre. Dem entspricht es, dass die Rechtskraft eines Fortsetzungsfeststellungsurteils lediglich die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes umfasst hätte (Clausing in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 121 Rn. 89), nicht aber den konkreten Rechtswidrigkeitsgrund. Dieser ergibt sich vielmehr aus den Gründen des Urteils, welche selbst aber nicht in Rechtskraft erwachsen.
cc) Unter diesen Umständen fehlt es der Klage auch am erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis, weil die Klägerin ihre Rechtsstellung in einem Fortsetzungsfeststellungsprozess nicht verbessern kann (vgl. Riese in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 113 Rn. 150 m.V.a. BVerwG, U.v. 18.12.2014 – 8 B 47.14 – juris Rn. 19). Denn der angefochtene Bescheid wurde vom Beklagten wegen fehlender sachlicher Unzuständigkeit aufgehoben; ein weitergehender Vorteil, welcher der Klägerin aus der Feststellung der Rechtswidrigkeit desselben erwachsen könnte, ist nicht ersichtlich (vgl. oben zur fehlenden Wiederholungsgefahr).
4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 in Verbindung mit § 52 Abs. 2 GKG.


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