Verwaltungsrecht

Erledigung einer Nutzungsuntersagung durch Räumung der Wohneinheit

Aktenzeichen  M 9 K 18.5489

Datum:
28.8.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 20290
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayVwVfG Art. 43 Abs. 2 Alt. 5
VwGO § 113 Abs. 1 S. 4
LStVG Art. 9 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Vage Ausführungen, die nicht über die Nennung von Schlagworten hinausgehen, reichen zur Darlegung eines berechtigten Interesses nicht aus. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Verhaltensverantwortlichkeit hängt nicht entschiedend von der rechtlichen Qualifikation als „Letztvermieter” ab; auch als permanent im Wege eines Geschäftsmodells auftretender „Letztvermittler“ wird fortgesetzt die Gefahrengrenze überschritten und die zweckfremde Nutzung somit bestimmend und unmittelbar verursacht. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage ist bereits unzulässig (1.), im Übrigen unbegründet (2.).
1. Die zulässigerweise geänderte Klage ist unzulässig.
Die Nutzungsuntersagung, Ziff. 1 des Bescheids, hat sich wegen Fortfalls der Zugriffsmöglichkeit inhaltlich erledigt, sog. Wirksamkeitsverlust auf andere Weise, Art. 43 Abs. 2 Var. 5 BayVwVfG (vgl. nur VG München, U.v. 18.10.2017 – M 9 K 16.5977 – juris). Wie aus den Ermittlungsergebnissen der Beklagten hervorgeht, wurde die Wohnung nicht nur durch den (Haupt-) Mieter gekündigt (Bl. 49 f. d. BA), sondern auch insgesamt geräumt (Bl. 68 d. BA). Die danach notwendige Umstellung des Klageantrags für sich genommen ist zulässig. Sie ist nach § 173 Satz 1 VwGO i.V. m. § 264 Nr. 2 ZPO und damit nicht als Klageänderung zu beurteilen (Schoch u.a., VwGO, Stand: 36. EL Februar 2019, § 113 Rn. 109); das Gericht prüft die Erledigung des Verwaltungsakts von Amts wegen (Schoch u.a., a.a.O., Rn. 114), weswegen auch die – lediglich innerprozessuale – Bedingung kein Problem darstellt.
Die Fortsetzungsfeststellungsklage, § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO, ist aber unzulässig. Die Umstände, aus denen sich das berechtigte Interesse an der begehrten Feststellung ergeben soll, wurden bereits nicht hinreichend dargelegt (a). Weiter ist weder eine konkrete Wiederholungsgefahr (b) noch eine Wiederholungsgefahr „im weiteren Sinn“ (c) tatsächlich gegeben, soweit dem Gericht auf Basis des rudimentären klägerischen Vortrags eine Bewertung möglich ist.
a) Die allein genannte und bestenfalls in Betracht kommende Fallgruppe „Wiederholungsgefahr“ setzt die konkrete bzw. hinreichend bestimmte Gefahr voraus, dass künftig ein vergleichbarer Verwaltungsakt erlassen bzw. ein begehrter Verwaltungsakt erneut abgelehnt wird. Die nur vage Möglichkeit einer Wiederholung reicht ebenso wenig aus wie der Wunsch nach einer Klärung abstrakter Rechtsfragen. Außerdem müssen die für die Beurteilung maßgeblichen rechtlichen und tatsächlichen Umstände im Wesentlichen unverändert fortbestehen, damit der Kläger von der nachträglichen Feststellung der Rechtswidrigkeit profitieren kann. Hierzu reichen vage Angaben des Klägers oder allein die nicht auszuschließende Möglichkeit einer Wiederholung nicht aus, sondern es müssen konkrete Anhaltspunkte für eine Wiederholung geltend gemacht werden und vorliegen (zum Ganzen Schoch u.a., a.a.O., § 113 Rn. 126). Das Verwaltungsgericht hat das Bestehen eines berechtigten Interesses zwar grundsätzlich von Amts wegen zu ermitteln, § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Der Kläger muss allerdings im Rahmen der gebotenen Mitwirkung diejenigen Umstände darlegen, aus denen sich sein Feststellungsinteresse ergibt. Bietet sich dem Verwaltungsgericht insoweit keinerlei Anhaltspunkt, kann es die Fortsetzungsfeststellungsklage ohne weitere Aufklärung als unzulässig abweisen (statt aller Schoch u.a., a.a.O., Rn. 122).
Vorliegend fehlt es schon an irgendeiner inhaltlichen Angabe des Klägers dazu, woraus sich die konkrete bzw. hinreichend bestimmte Gefahr ergeben soll, dass künftig ein vergleichbarer Verwaltungsakt erlassen wird. Es ist bereits unklar, ob sich die angebliche konkrete Wiederholungsgefahr auf das streitgegenständliche Objekt beziehen soll oder auf seine gerichtsbekannte (Vermittler-) Tätigkeit insgesamt. Derart vage Ausführungen, die nicht über die Nennung von Schlagworten hinausgehen, reichen zur Darlegung eines berechtigten Interesses nicht aus (vgl. zur Notwendigkeit einer hinreichenden Darlegung auch Fehling u.a., Verwaltungsrecht, Stand: 4. Auflage 2016, § 113 VwGO Rn. 99).
b) Es fehlt, von der unzureichenden Darlegung abgesehen, auch an der geforderten konkreten Wiederholungsgefahr, soweit dem Gericht auf Basis des rudimentären Vortrags eine Bewertung möglich ist. Hinsichtlich des Bescheidobjekts bestehen die rechtlichen und tatsächlichen Umstände nicht im Wesentlichen unverändert fort. Der Kläger hat die Zugriffsmöglichkeit auf die Wohnung verloren, seine Stellung ist im Vergleich zu der eines jeden anderen Bürgers nicht herausgehoben (dazu auch schon VG München, U.v. 18.10.2017 – M 9 K 16.5977 – juris). Es ist mithin weder dargelegt noch ersichtlich, inwiefern er von der nachträglichen Feststellung der Rechtswidrigkeit profitieren bzw. um die „Früchte“ der bisherigen Prozessführung gebracht werden könnte (dazu auch BVerwG, B.v. 5.1.2012 − 8 B 62/11 – NVwZ 2012, 510, 511). Allein die Möglichkeit, die Wohnung irgendwann eventuell wieder anzumieten – direkt oder über den Bruder -, reicht nicht aus, um die begehrte Feststellung verlangen zu können.
c) Eine sog. Wiederholungsgefahr „im weiteren Sinn“ ist von vorn herein nicht anzuerkennen. Nach dem klägerischen Vortrag liegt es nahe, dass er mit seiner Befürchtung, ein vergleichbarer Bescheid könne ergehen, auf andere von ihm angemietete oder vermittelte Wohneinheiten und letztlich auf seine Vermittlertätigkeit abzielt. Mit dem so verstandenen Vortrag vermag er aber ebenso wenig durchzudringen, da in jedem Einzelfall zu entscheiden ist, ob – bspw. – der Kläger als Handlungsstörer in Betracht kommt, wobei jeweils auf das konkrete Objekt abzustellen ist (vgl. BayVGH, B.v. 15.5.2017 – 12 ZB 17.497 – Umdruck).
2. Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist im Übrigen auch unbegründet. Der Verwaltungsakt ist nicht rechtswidrig gewesen, § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO.
Die Wohneinheit wurde durch den Kläger als Handlungsstörer, Art. 9 Abs. 1 LStVG, zweckfremd zu Zwecken der Fremdenbeherbergung genutzt, Art. 1 Satz 2 Nr. 3 des Zweckentfremdungsgesetzes (ZwEWG) vom 10. Dezember 2007 (GVBl. S. 864, BayRS 2330-11-B), zuletzt geändert durch Gesetz vom 19. Juni 2017 (GVBl. S. 182), § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 der Satzung der Antragsgegnerin über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum (ZeS) vom 5. Dezember 2017, bekanntgemacht am 11. Dezember 2017 (MüABl. S. 494), wie aus den dokumentierten Nachforschungen der Beklagten zweifelsfrei hervorgeht. Es wird auf die im Bescheid im Einzelnen aufgeführten Ortsermittlungen, insbesondere auf die unter Bl. 33 und 43 d. BA zu findenden Ermittlungsberichte Bezug genommen. Schlüsse auf die Untermieterstellung des Klägers konnten bereits vor Bescheiderlass gezogen werden (vgl. Bl. 27 d. BA). Die Verhaltensverantwortlichkeit des Klägers hängt von dieser rechtlichen Qualifikation („Letztvermieter“) aber ohnehin nicht entscheidend ab; auch als permanent im Wege seines Geschäftsmodells auftretender „Letztvermittler“ überschreitet er fortgesetzt die Gefahrengrenze und verursacht die zweckfremde Nutzung somit bestimmend und unmittelbar.
Das Gericht geht dabei wie die Beklagte davon aus, dass der Name M. AL-MAS… – andere Schreibweisen M. ALMAS… oder auch M. AL MAS… – ein Pseudonym des Klägers ist. Dies ergibt sich – von Erkenntnissen aus anderen Verfahren abgesehen, verwiesen wird bspw. auf M 9 K 18.3836 und auf M 9 K 19.50 – nicht zuletzt auch im konkreten Fall bspw. aus den Aussagen des am 18. Oktober 2018 angetroffenen Nutzers. Dieser gab an, die Wohneinheit von einem Hr. M. AL-MAS… zur Verfügung gestellt bekommen zu haben, legte zum Nachweis dessen aber nur eine vom Kläger unterzeichnete Reservierungsbestätigung und dessen Visitenkarte vor. Gerade angesichts der Nationalität bzw. des Migrationshintergrunds des Klägers (Bl. 44 d. BA: österreichisch, ägyptisch) und der von der Beklagten dargelegten kulturellen Tradition, Menschen mit Bezug auf ihre Herkunft zu benennen („der Ägypter“ oder auch „ägyptisch“), ist davon auszugehen, dass der Kläger und der von den Endnutzern benannte M. AL-MAS… ein und dieselbe Person sind.
Die auf Art. 3 Abs. 2 ZwEWG i.V. m. § 13 Abs. 1 und 2 ZeS gestützte Anordnung war demnach rechtmäßig.
Die in Ziff. 2 des Bescheids gesetzte Erfüllungsfrist für die Nutzungsaufgabe ist zwar kurz, anhand der Erfahrungen der Behörde mit dem Kläger und seinem Geschäftsmodell aber berechtigt und damit nicht nur angesichts dessen, dass die Nutzungsuntersagung eine Unterlassungsverpflichtung darstellt, zumutbar, Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG. Unabhängig davon hätte sie auch jederzeit verlängert werden können, Art. 31 Abs. 7 BayVwVfG (vgl. auch Giehl u.a., Verwaltungsverfahrensrecht in Bayern, Stand: 44. Aktualisierung 2019, Art. 36, Erl. II. 2). Auch insofern war der Bescheid also rechtmäßig; dies umso mehr, als die Frage, ob eine zumutbare Erfüllungsfrist gesetzt wurde, doch vor allem erst auf der vollstreckungsrechtlichen Ebene eine Rolle spielt (vgl. nur BayVGH, B.v. 11.7.2001 – 1 ZB 01.1255 – NVwZ-RR 2002, 608, 609). Die Beklagte erklärte aber ohnehin, angesichts der Räumung bzw. Rückgabe der Wohnung keinen Antrag auf Ersatzzwangshaft mehr zu stellen – womit auch Art. 37 Abs. 4 Satz 1 VwZVG Genüge getan ist.
Die Kostenentscheidung fußt auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V. m. §§ 708 ff. ZPO.


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