Verwaltungsrecht

Untersuchungsanordnung im Zurruhesetzungsverfahren nicht isoliert angreifbar

Aktenzeichen  6 CE 19.942

Datum:
7.6.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 13801
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 44 Abs. 1 u. 6, § 44a S. 1 u. 2§ 123 Abs. 1 S. 1 u. Abs. 3
BBG § 48 Abs. 1 S. 2
PostPersRG § 1 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Eine Untersuchungsanordnung zur Feststellung der Dienstfähigkeit eines Beamten im Rahmen eines Zurruhesetzungsverfahrens ist nicht isoliert angreifbar, sondern – falls der Beamte der Anordnung nicht folgt – nur im Rahmen des Verfahrens gegen die nachfolgende Zurruhesetzungsverfügung (inzidenter) gerichtlich überprüfbar (Anschluss an BVerwG BeckRS 2019, 6003). (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die generelle Zulassung eines Zusammenschlusses von Ärztinnen und Ärzten als Gutachter hält sich im Rahmen des § 48 Abs. 1 S. 2 BBG; einer namentlichen Bezeichnung durch die oberste Dienstbehörde bei der Zulassung bedarf es nicht. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 21 E 18.5407 2019-04-10 Ent VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 10. April 2019 – M 21 E 18.5407 – wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller steht als Beamter im Dienst der Antragsgegnerin und ist bei der D. T. AG (DTAG) beschäftigt. Nachdem er seit dem 10. April 2018 ununterbrochen dienstunfähig erkrankt und einer ersten Untersuchungsanordnung zur Prüfung der Dienstfähigkeit nicht gefolgt war, ordnete die DTAG mit Schreiben vom 25. Oktober 2018 zur Prüfung des Vorliegens einer dauernden Dienstunfähigkeit – erneut – eine sozialmedizinische Untersuchung gemäß § 48 BBG bei dem beauftragten Betriebsarzt, BAD Zentrum M., Dr. A., an.
Nachdem der Antragsteller erfolglos die Rücknahme der Untersuchungsanordnung gefordert hatte, beantragte er beim Verwaltungsgericht, ihn vorläufig bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens von der Verpflichtung der Durchführung einer betriebsärztlichen Untersuchung freizustellen. Das Verwaltungsgericht hat diesen Antrag mit Beschluss vom 10. April 2019 abgelehnt und zur Begründung ausgeführt: Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO sei zwar zulässig, aber unbegründet. Denn die Untersuchungsanordnung sei formell und materiell rechtmäßig.
Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Rechtsschutzziel weiter und macht insbesondere geltend, der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sei trotz der neuesten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, B.v. 14.3.2019 – 2 VR 5.18 -) zulässig und entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts auch in der Sache begründet, weil die angeordnete Untersuchung durch die B.A.D. GmbH und dort durch eine nicht vom Vorstand der DTAG konkret bestimmte Ärztin erfolgen solle.
II.
Die zulässige Beschwerde des Antragstellers hat keinen Erfolg.
Die fristgerecht dargelegten Beschwerdegründe rechtfertigen es nicht, dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (§ 123 VwGO) unter Abänderung des erstinstanzlichen Beschlusses zu entsprechen. Die ablehnende Entscheidung des Verwaltungsgerichts ist im Ergebnis schon deshalb richtig, weil der Antrag gemäß § 44a VwGO unzulässig ist (1.). Er wäre im Übrigen auch unbegründet, weil dem Antragsteller aus den zutreffenden Erwägungen im angegriffenen Beschluss kein Anordnungsanspruch zur Seite steht (2.).
1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist gemäß § 44a VwGO unzulässig.
Nach Satz 1 dieser Vorschrift können Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden; das gilt gemäß Satz 2 nicht, wenn behördliche Verfahrenshandlungen vollstreckt werden können oder gegen einen Nichtbeteiligten ergehen.
Eine Untersuchungsanordnung nach § 44 Abs. 1 und 6 BBG, wie sie hier in Streit steht, ist lediglich ein erster Schritt in einem gestuften Verfahren, das bei Feststellung der Dienstunfähigkeit mit der Zurruhesetzung endet, mithin eine behördliche Verfahrenshandlung, die nach dem Grundsatz des § 44a Satz 1 VwGO nicht Gegenstand eines isolierten Rechtsbehelfs sein kann. Sie ist nicht vollstreckbar im Sinn des Verwaltungsvollstreckungsrechts, weshalb eine Ausnahme von dieser Regel nach Satz 2 dem Wortlaut nach nicht in Betracht kommt.
Der Senat ist in seiner bisherigen Spruchpraxis gleichwohl in einem erweiterten Verständnis der in § 44a Satz 2 VwGO geregelten Ausnahme – in Übereinstimmung mit der überwiegenden Rechtsprechung – von der Statthaftigkeit eines Antrags nach § 123 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 VwGO ausgegangen, weil die Möglichkeit besteht, dass die Nichtbefolgung einer Untersuchungsanordnung als gemischt dienstlich-persönliche Weisung an den Beamten mit disziplinarischen Mitteln geahndet wird (etwa BayVGH, B.v. 2.2.2016 – 6 CE 15.2591 – RiA 20017, 172; B.v. 14.1.2014 – 6 CE 13.2352 – juris Rn. 8 m.w.N.). An dieser Rechtsprechung wird nicht mehr festgehalten. Denn das Bundesverwaltungsgericht hat mit Beschluss vom 14. März 2019 – 2 VR 5.18 – mit überzeugenden Erwägungen entschieden, dass eine Untersuchungsanordnung zur Feststellung der Dienstfähigkeit eines Beamten im Rahmen eines Zurruhesetzungsverfahrens nicht isoliert angreifbar, sondern – falls der Beamte der Anordnung nicht folgt – nur im Rahmen des (Eil- oder Klage-)Verfahrens gegen die nachfolgende Zurruhesetzungsverfügung (inzidenter) gerichtlich überprüfbar ist.
Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts erfordert Art. 19 Abs. 4 GG auch unter dem Gesichtspunkt der möglichen disziplinarrechtlichen Sanktion keine isolierte (und vorläufige) Rechtsschutzmöglichkeit gegen eine Untersuchungsanordnung nach § 44 Abs. 1 und 6 BBG (BVerwG, B.v. 14.3.2019 – 2 VR 5.18 – juris Rn. 25 ff.). Denn die Wirkungen der Untersuchungsanordnung kommen einer Vollstreckbarkeit nach den Verwaltungsvollstreckungsgesetzen nicht so nahe, dass der Ausschluss isolierten Rechtsschutzes unzumutbar ist. Dem Beamten droht auch bei Nichtbefolgung der Untersuchungsanordnung in der Praxis nicht ernsthaft eine Disziplinarmaßnahme; es handelt sich im Regelfall um eine nur theoretische Möglichkeit. Kommt es im Einzelfall gleichwohl zu einem Disziplinarverfahren, wäre die Frage der Rechtmäßigkeit der Untersuchungsanordnung im Rahmen der Maßnahmebemessung nach § 13 BDG zu prüfen und würde die Rechtswidrigkeit der Untersuchungsanordnung regelmäßig die Sanktionslosigkeit ihrer Nichtbefolgung zur Folge haben. Rechtliche oder faktische Nachteile schon durch die Einleitung eines Disziplinarverfahrens sind ohnehin unbeachtlich; auch sonst hat ein Beamter keine Rechtsschutzmöglichkeit gegen die bloße Einleitung eines Disziplinarverfahrens. Auch der Aspekt der Grundrechtsrelevanz der ärztlichen Untersuchung erfordert keinen isolierten (und vorläufigen) Rechtsschutz gegen die Untersuchungsanordnung. Denn wenn der Beamte sich der angeordneten Untersuchung nicht unterzieht, drohen ihm keine unzumutbaren Nachteile (BVerwG, B.v. 14.3.2019 – 2 VR 5.18 – juris Rn. 32 ff.).
Der Senat schließt sich diesen Erwägungen an, der die Beschwerde nichts Durchgreifenden entgegensetzt.
2. Die Beschwerde müsste im Übrigen aber auch in der Sache ohne Erfolg bleiben.
Das Verwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Untersuchungsanordnung vom 25. Oktober 2018 weder formell- noch materiell-rechtlichen Bedenken begegnet. Mit der Beschwerde wendet der Antragsteller ein, der Vorstand der DTAG hätte auf der Grundlage von § 1 Abs. 2 PostPersRG, § 48 Abs. 1 Satz 2 BBG nicht generell „die Ärztinnen und Ärzte“ der B.A.D. GmbH mit der Fertigung von Gutachten beauftragen und es damit dieser GmbH überlassen dürfen, welche Person die Untersuchung und Begutachtung im einzelnen Fall durchführt. Diese Rüge geht schon deshalb fehl, weil im Fall des Antragstellers der begutachtende Arzt Dr. A. nicht etwa durch die B.A.D. GmbH ausgewählt, sondern durch die DTAG in der Untersuchungsanordnung (durch Bezugnahme auf den beigefügten Untersuchungsauftrag) bestimmt wurde. Abgesehen davon hält sich die generelle Zulassung der Ärztinnen und Ärzte der B.A.D. GmbH als Gutachter im Rahmen des § 48 Abs. 1 Satz 2 BBG (vgl. OVG Münster, B.v. 4.9.2014 – 1 B 807/14 – juris Rn. 6 ff.; B.v. 19.4.2016 – 1 B 307/16 – juris Rn. 28); einer namentlichen Bezeichnung durch die oberste Dienstbehörde bei der Zulassung bedarf es nicht.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 und 2 VwGO (und Nr. 1.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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