Verwaltungsrecht

Kein Anspruch auf Feststellung von Abschiebungsverboten

Aktenzeichen  Au 4 K 18.31135

Datum:
16.4.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 15937
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
VwGO § 84 Abs. 4

 

Leitsatz

1. Eine Entzündung der Rachenschleimhaut begründet kein krankheitsbedingtes Abschiebungsverbot nach Sierra Leone. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
2.  Es ist Aufgabe des jeweiligen Klägers, relevante Unterlagen über seinen Gesundheitszustand rechtzeitig vorzulegen und auch, sich bei entsprechendem Bedarf rechtzeitig in medizinische Behandlung zu begeben, um entsprechende Unterlagen zu erlangen. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Über die Klage konnte trotz Ausbleibens der Beklagten in der mündlichen Verhandlung entschieden werden, da die Beteiligten mit der Ladung hierauf hingewiesen wurden (§ 102 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
Der Antrag auf mündliche Verhandlung ist zulässig, insbesondere fristgerecht gestellt (§ 84 Abs. 2 Ziffer 2 VwGO, § 78 Abs. 7 AsylG).
Die Klage ist unbegründet. Das Bundesamt lehnte den Asylantrag zu Recht ab und der Kläger hat keinen Anspruch auf die Feststellung von Abschiebungsverboten. Der Bescheid des Bundesamtes vom 7. Juni 2018 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Der Kläger hat später, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, nichts vorgebracht, was zu einer günstigen Beurteilung seines Begehrens führen, der Klage insoweit mithin zu einem Erfolg verhelfen könnte.
Hinsichtlich der Entscheidungsgründe folgt das Gericht in vollem Umfang der Begründung des in dieser Sache ergangenen Gerichtsbescheids vom 25. Februar 2019 und sieht von einer weiteren Darstellung ab (§ 84 Abs. 4 VwGO). Lediglich ergänzend wird Folgendes ausgeführt:
1. Der Kläger machte in der mündlichen Verhandlung gänzlich andere Angaben als vor dem Bundesamt, was sein Vorbringen sehr unglaubhaft und ihn unglaubwürdig erscheinen lässt. Kern des Vorbringens gegenüber dem Bundesamt, war dass dem Kläger aufgrund seiner Homosexualität in Sierra Leone eine Verfolgung drohe. Im Rahmen der informatorischen Anhörung durch das Gericht sagte der Kläger hingegen, dass er nicht homosexuell sei und nie eine Beziehung mit einem Mann gehabt habe. Insofern würde eine befürchtete Verfolgung wegen Homosexualität in Sierra Leone denklogisch ausscheiden. Doch selbst wenn der Kläger homosexuell wäre, droht ihm deswegen keine asylrelevante Verfolgung in seinem Heimatland. Insofern wird den Ausführungen im Gerichtsbescheid gefolgt.
2. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung von Abschiebungsverboten.
Ergänzend zu den Ausführungen im Gerichtsbescheid, gilt dies auch für ein krankheitsbedingtes Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von einer Abschiebung abgesehen werden, wenn im Zielstaat für den Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden (§ 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG). Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist (§ 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG). Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist (§ 60 Abs. 7 Satz 4 AufenthG). Das Tatbestandsmerkmal der Erheblichkeit der zu erwartenden Gefährdungssituation ist aber nur dann gegeben, wenn der Eintritt der Gefahr eine bedeutende Rechtsgutbeeinträchtigung nach sich zieht. Von einer abschiebungsschutzrelevanten Verschlechterung des Gesundheitszustands kann nicht schon dann gesprochen werden, wenn lediglich eine Heilung eines Krankheitszustandes des Ausländers im Abschiebungsfall nicht zu erwarten ist. Eine solche Gefahr ist auch nicht schon bei jeder befürchteten ungünsti gen Entwicklung des Gesundheitszustands anzunehmen, sondern nur, wenn außergewöhnlich schwere körperliche und psychische Schäden alsbald nach der Einreise des Betroffenen in den Zielstaat drohen. Das Abschiebungsverbot dient nämlich nicht dazu, dem ausreisepflichtigen erkrankten Ausländer die Heilung seiner Erkrankung im Rahmen des sozialen Systems der Bundesrepublik Deutschland zu eröffnen; vielmehr stellt es allein den Schutz vor einer gravierenden Beeinträchtigung von Leib und Leben sicher.
Zwar legte die Klägerbevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung diverse Medikamente und Unterlagen vor. Es ist nach derzeitiger Würdigung der Unterlagen bei einer Rückkehr des Klägers in sein Herkunftsland nicht mit einer erheblichen oder sogar lebensbedrohlichen Verschlechterung des Gesundheitszustandes zu rechnen. Ein Abschiebungsverbot liegt nur dann vor, wenn im Falle einer etwaigen Nichtbehandlung alsbald nach der Ankunft im Zielland der Abschiebung wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern würde.
Die vorgelegte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nennt als Diagnose Pharyngitis. Dabei handelt es sich um eine Entzündung der Rachenschleimhaut. Dies erklärt auch die Rezepte über Dolodobendan (Anwendungsgebiet: Entzündungen der Mundschleimhaut), Ibuprofen (Schmerzmittel) und Pantoprazol (Anwendungsgebiet: u.a. Magengeschwür). Hierbei handelt es sich in der Regel um eine vorübergehende Krankheit, die keine nennenswerten Komplikationen hervorruft und rasch abheilt. Anhaltspunkte, dass es sich vorliegend bei der Entzündung der Rachenschleimhaut um eine Ausprägung der Krankheit handeln soll, bei der bei einer Rückkehr des Klägers in sein Herkunftsland mit einer erheblichen oder sogar lebensbedrohlichen Verschlechterung des Gesundheitszustandes zu rechnen wäre, sind nicht ersichtlich. Dementsprechend weist die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigt einen voraussichtlichen Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit von gerade einmal vier Tagen auf.
Die in der mündlichen Verhandlung gezeigten Medikamente Dominal und Mirtazapin dienen zwar in der Regel der Behandlung von psychomototorischer Unruhe und Erregungszuständen bei psychiatrischen Erkrankungen bzw. der Behandlung depressiver Erkrankungen. Allerdings wurden lediglich diese Medikamente und Bestätigungen des Bezirkskrankenhauses … über zwei Termine vorgelegt. Atteste, aus denen hervorgeht, dass bei einer Rückkehr des Klägers in sein Herkunftsland mit einer erheblichen oder sogar lebensbedrohlichen Verschlechterung des Gesundheitszustandes zu rechnen wäre, wurden nicht vorgelegt. Das Gericht war aufgrund seiner Amtsermittlungspflicht auch nicht dazu verpflichtet, selbst weitere Nachforschungen anzustellen. Die Amtsermittlungspflicht des Gerichts wird durch die Mitwirkungspflichten des Klägers ergänzt und begrenzt. Es ist Aufgabe des Klägers, relevante Unterlagen über seinen Gesundheitszustand rechtzeitig vorzulegen und auch, sich bei entsprechendem Bedarf rechtzeitig in medizinische Behandlung zu begeben, um Unterlagen zu erlangen. Die Klägerbevollmächtigte gab selbst an, dass eine psychologische bzw. psychiatrische Behandlung längst hätte erfolgen müssen.
Ohnehin besteht nach Auskunft des Auswärtigen Amtes an das Verwaltungsgericht Aachen vom 21. Februar 2007 in Freetown die Möglichkeit, die Behandlung von posttraumatischen Belastungsstörungen durchführen zu lassen. Antidepressiva oder Neuroleptika wie Dominal bzw. vergleichbare Medikamente sind vorhanden und verfügbar. Allerdings besteht die Möglichkeit, diese Behandlung bei Mittellosigkeit in Anspruch nehmen zu können, faktisch nicht. Im Glossar Islamische Länder, Band 17 Sierra Leone, des Informationszentrums Asyl und Migration aus Mai 2010 wird zudem ausgeführt, dass die World Health Organisation (WHO) Sierra Leone beim Ausbau der Kapazitäten zur Behandlung von psychischen Erkrankungen unterstützt. Verschiedene Hilfsorganisationen haben Projekte zur psychischen Behandlung, so in Freetown und in Kailahun. Die Projekte werden von der WHO koordiniert. Durch traditionelle Heiler erfolgt eine Begleitung mit Schwerpunkt auf der sozialen Reintegration der Patienten in ihre soziale Gruppe.
Der Kläger gab an, dass seine Mutter sowie eine Schwester weiterhin in Sierra Leone leben. Beim Bundesamt erwähnte er zudem zwei Tanten und einen Onkel. Der Kläger verfügt also über einen familiären Anschluss. Durch familiäre Unterstützung sowie seine ehemalige Tätigkeit als Schuhverkäufer könnte er die notwendigen finanziellen Mittel für eine Behandlung in Sierra Leone erwirtschaften.
Die Klage war daher vollumfänglich abzuweisen.
Die Kostenentscheidung für das gerichtliche Verfahren folgt aus § 154 VwGO, § 83b AsylG. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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