Aktenzeichen 13a ZB 18.32929
AsylG § 10 Abs. 1, § 10 Abs. 2 S. 4
EMRK Art. 3
Leitsatz
Nach § 10 Abs. 1 AsylG ist es allein Pflicht des Asylbewerbers und nicht diejenige der Ausländerbehörde oder des Bundesamts, jede Änderung der Anschrift mitzuteilen. Verletzt dieser seine Vorsorgepflichten, muss er damit rechnen und hinnehmen, dass ihn behördliche oder gerichtliche Mitteilungen tatsächlich nicht erreichen, ohne dass er sich hierauf berufen kann, weil die Zustellung nach § 10 Abs. 2 Satz 4 AsylG fingiert wird.
Verfahrensgang
Au 5 K 17.31192 2018-10-01 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das am 22. Oktober 2018 zugestellte Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 1. Oktober 2018 ist bereits unzulässig, weil er nicht innerhalb der Antragsfrist gestellt wurde (§ 78 Abs. 4 Satz 1 AsylG).
Der Kläger hat mit Telefax vom 9. November 2018 beim Verwaltungsgericht die Zulassung der Berufung und für den Fall des Fristbeginns mit der Zustellung des Urteils an den Kläger unter der alten Anschrift in W. am 6. Oktober 2018 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Er sei mit Bescheid des Landratsamts O. vom 6. Juni 2018 nach L. umverteilt worden. Eine entsprechende Mitteilung an das Verwaltungsgericht sei weder durch das Landratsamt noch über die Zentrale Ausländerbehörde noch über die Beklagte erfolgt. Das Verwaltungsgericht habe an die alte Adresse zugestellt, von der die Postzustellungsurkunde unter dem Datum 6. Oktober 2018 als unzustellbar zurückgekommen sei. An seinem jetzigen Wohnort in L. sei das Urteil am 26. Oktober 2018 zugestellt worden, nachdem das Verwaltungsgericht eher zufällig durch einen Anruf von seiner Seite am 22. Oktober 2018 von der Umverteilung Kenntnis erlangt habe.
Nach § 78 Abs. 4 AsylG ist die Zulassung der Berufung innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils zu beantragen (Satz 1). Mit der beim Verwaltungsgericht am 9. November 2018 per Fax eingegangenen Antragsschrift hat der Kläger nicht innerhalb der Ein-Monats-Frist die Zulassung der Berufung beantragt (§ 78 Abs. 4 Satz 1 und 2 AsylG). Maßgeblich für den Fristlauf ist im Hinblick auf die Zustellungsregelungen des § 10 AsylG die erste (erfolglose) Zustellung in W., auch wenn die Sendung von dort als unzustellbar zurückgekommen ist (§ 10 Abs. 2 Satz 4 AsylG). Gemäß § 10 Abs. 1 AsylG hat der Ausländer während der Dauer des Asylverfahrens vorzusorgen, dass ihn Mitteilungen der angerufenen Gerichte stets erreichen können; insbesondere hat er jeden Wechsel seiner Anschrift den genannten Stellen unverzüglich anzuzeigen. Zustellungen unter der letzten Anschrift, die dem Gericht bekannt ist, muss er nach § 10 Abs. 2 Satz 1 AsylG gegen sich gelten lassen, wenn er für das Verfahren weder einen Bevollmächtigten bestellt noch einen Empfangsberechtigten benannt hat oder diesen nicht zugestellt werden kann. Das ist hier der Fall, weil der Kläger zwar bei Klageerhebung durch eine Bevollmächtigte vertreten war, das Mandatsverhältnis aber nach der Mittelung an das Verwaltungsgericht vom 27. September 2018 im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung schon beendet war. Dem Verwaltungsgericht war die neue Anschrift des Klägers nicht bekannt, auch nicht durch die Mitteilung einer öffentlichen Stelle im Sinn von § 10 Abs. 2 Satz 2 AsylG. Nach § 10 Abs. 2 Satz 4 AsylG gilt die Zustellung mit der Aufgabe zur Post als bewirkt, selbst wenn die Sendung – wie hier – als unzustellbar zurückkommt. Ist danach der Bekanntgabeerfolg eingetreten, sind weitere Bekanntgaben – hier die zweite Zustellung am 26. Oktober 2018 – rechtlich unerheblich (Preisner in BeckOK Ausländerrecht, Stand 1.11.2018, § 10 AsylG Rn. 25 mit Verweis auf OVG RhPf, B.v. 10.7.2002 – 10 A 10438/02 – AuAS 2002, 250). Eine entsprechende Belehrung des Klägers gemäß § 10 Abs. 7 AsylG ist ausweislich der vorgelegten Akte erfolgt (BAMF-Akte S. 8 ff.). Mit dem Eingang der Antragsschrift am 9. November 2018 war der Antrag daher verfristet.
Dem Kläger ist auch nicht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 60 VwGO zu gewähren, weil er nicht ohne Verschulden verhindert war, die Frist für den Antrag auf Zulassung der Berufung nach § 78 Abs. 4 AsylG einzuhalten. In § 10 Abs. 1 AsylG ist explizit eine Vorsorgepflicht des Asylbewerbers statuiert. Es ist allein seine Pflicht und nicht diejenige der Ausländerbehörde oder des Bundesamts, jede Änderung der Anschrift mitzuteilen. Verletzt der Asylbewerber seine Vorsorgepflichten, muss er damit rechnen und hinnehmen, dass ihn behördliche oder gerichtliche Mitteilungen tatsächlich nicht erreichen, ohne dass er sich hierauf berufen kann, weil die Zustellung nach § 10 Abs. 2 Satz 4 AsylG fingiert wird (siehe hierzu Preisner in BeckOK, a.a.O., § 10 AsylG Rn. 15; Bruns in Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, § 10 AsylG Rn. 27 ff.). Abgesehen davon ist anerkannt, dass allgemein dann, wenn sich im Einzelfall aus einer Rechtsvorschrift eine Pflicht ergibt, Vorsorge für eine Zustellung zu treffen, der Betroffene nach dem Grundsatz von Treu und Glauben sich jedenfalls dann auf eine mangelhafte oder unwirksame Zustellung nicht berufen kann, wenn er diese zielgerichtet vereitelt hat (Preisner in BeckOK, a.a.O. § 10 AsylG Rn. 25 unter Verweis auf BVerwG, U.v. 29.6.1990 – 8 C 22.89 – NVwZ 1991, 73).
Im Hinblick auf die ergänzende Darlegung von Zulassungsgründen im Schriftsatz des Klägers vom 16. November 2018 sei darauf hingewiesen, dass in der Rechtsprechung des Senats, auf die sich das Verwaltungsgericht bezieht, geklärt ist, dass für ganz Afghanistan derzeit die Voraussetzungen einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG nicht vorliegen. Auch führt die Lage in Afghanistan nicht dazu, dass eine Abschiebung ohne weiteres eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und subsidiärer Schutz nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG oder ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG anzunehmen wäre (BayVGH, B.v. 8.11.2017 – 13a ZB 17.30615 – juris; B.v. 11.4.2017 – 13a ZB 17.30294 – juris unter Bezugnahme auf U.v. 12.2.2015 – 13a B 14.30309 – juris und Verweis auf BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – NVwZ 2013, 1167). Auch in Bezug auf § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist geklärt, dass für aus dem europäischen Ausland zurückkehrende afghanische Staatsangehörige angesichts der aktuellen Auskunftslage im Allgemeinen derzeit weiterhin nicht von einer extremen Gefahrenlage auszugehen ist, die zu einem Abschiebungsverbot in entsprechender Anwendung von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG führen würde (BayVGH, B.v. 8.11.2017 – 13a ZB 17.30615 – juris; B.v. 19.6.2017 – 13a ZB 17.30400 – juris; B.v. 4.1.2017 – 13a ZB 16.30600 – juris; U.v. 12.2.2015 – 13a B 14.30309 – juris; U.v. 30.1.2014 – 13a B 13.30279 – juris; siehe zum Ganzen: BayVGH, B.v. 16.5.2018 – 13a ZB 18.30387; B.v. 13.3.2018 – 13a ZB 18.30047). Der Zulassungsantrag setzt sich damit nicht auseinander und gibt deshalb keinen Anlass, insoweit in eine erneute Überprüfung einzutreten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.