Kosten- und Gebührenrecht

Keine Terminsgebühr bei nicht erfolgter mündlicher Verhandlung im Asylverfahren

Aktenzeichen  M 19 M 17.49440

Datum:
4.12.2017
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 143172
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
RVG Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 2 VV

 

Leitsatz

Eine Terminsgebühr nach Nr. 3104 der Anlage 1 VV RVG entsteht für den Kläger nicht bei einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid, mit welcher dieser vollständigt obsiegt. In diesem Fall ist mangels Beschwer kein Antrag auf mündliche Verhandlung zulässig (Anschluss an VG Wiesbaden BeckRS 2017, 127198). (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Kostenerinnerung wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Das Gericht hat mit Gerichtsbescheid vom 10. August 2017, rechtskräftig seit 7. September 2017, im Verfahren M 19 K 17.41022 den Antragsgegner verurteilt, dem Antragsteller die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen. Der Antragsteller hat im Verfahren M 19 K 17.41022 somit vollständig obsiegt.
Mit Kostenfestsetzungsantrag vom 24. August 2017 beantrage der Antragsteller u.a. die Festsetzung von 1,2 Terminsgebühr in Höhe von 363,60 Euro. Die Urkundsbeamtin des Verwaltungsgerichts teilte dem Antragsteller mit Schreiben vom 1. September 2017 mit, dass die Terminsgebühr nicht in Ansatz gebracht werden könne, da zwar ein Gerichtsbescheid ergangen sei, aufgrund des vollständigen Obsiegens in der Hauptsache aber mangels Bestehens eines Rechtsschutzbedürfnisses kein Antrag auf mündliche Verhandlung hätte gestellt werden können (Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 2 Anlage 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (VV RVG)).
Der Antragsteller führte hierzu mit Schriftsatz vom 15. September 2017 aus, es sei widersinnig, dem Rechtsanwalt im Falle des Unterliegens die Terminsgebühr zuzusprechen, im Falle des Obsiegens jedoch nicht. Nach den Motiven zum zweiten Kostenmodernisierungsgesetz zu Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 2 VV RVG komme es darauf an, ob gegen den Gerichtsbescheid die mündliche Verhandlung zulässig sei. Dies sei hier der Fall.
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin des Verwaltungsgerichts vom 9. November 2017 wurden die zu erstattenden Aufwendungen in Höhe von insgesamt 492,54 Euro festgesetzt. Dabei kam eine 1,3 Verfahrensgebühr sowie eine Auslagenpauschale zum Ansatz. Die beantragte 1,2 Terminsgebühr wurde nicht festgesetzt. Zur Begründung wurde auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Schleswig vom 13. November 2015 – 12 A 30/15 – juris verwiesen.
Am 16 November 2017 beantragte der Antragsteller hiergegen die Entscheidung des Gerichts. Zur Begründung nahm er Bezug auf seine Ausführungen im Schriftsatz vom 15. September 2017.
Die Urkundsbeamtin des Verwaltungsgerichts hat der Erinnerung nicht abgeholfen und den Fall dem Gericht zur Entscheidung vorgelegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten dieses Verfahrens und des Verfahrens M 19 K 17.41022 Bezug genommen.
II.
Die zulässige Erinnerung (§ 165 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – i.V.m. § 151 VwGO) ist zulässig, aber nicht begründet.
Die Urkundsbeamtin hat im Kostenfestsetzungsbeschluss vom 9. November 2017 zu Recht eine fiktive Terminsgebühr (Nr. 3104 Anm. Abs. 1 Nr. 2 VV-RVG) nicht als eine dem Kläger erwachsene notwendige und zu erstattende Aufwendung festgesetzt.
Die Terminsgebühr nach Nr. 3104 der Anlage 1 VV RVG ist nicht entstanden.
Eine mündliche Verhandlung hat nicht stattgefunden. Ein Verzicht auf eine mündliche Verhandlung ist nicht erfolgt, so dass eine Terminsgebühr nicht nach Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 VV RVG angefallen ist.
Eine Terminsgebühr ist auch nicht nach Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 2 VV RVG entstanden. Nach dieser Vorschrift fällt eine Terminsgebühr auch dann an, wenn nach § 84 Abs. 1 Satz 1 VwGO durch Gerichtsbescheid entschieden wird und eine mündliche Verhandlung beantragt werden kann. Zwar ist hier durch Gerichtsbescheid entschieden worden. Da der Kläger aber obsiegt hat, konnte er mangels Beschwer in zulässiger Weise keine mündliche Verhandlung beantragen (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl. 2016, § 84 Rn. 37). Aus dem Wortlaut „beantragt werden kann“ folgt, dass der Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung auch zulässig sein muss. Wäre nämlich das Wort „kann“ hier im rein faktischen Sinne (und nicht im Sinne eines rechtlichen Dürfens) zu verstehen, könnte ausnahmslos in allen Fällen, in denen durch Gerichtsbescheid entschieden wurde, mündliche Verhandlung beantragt werden. Denn niemand ist gehindert, auch einen unzulässigen Antrag zu stellen. Bei einem solchen Verständnis der Norm wäre aber der letzte Halbsatz von Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 2 VV RVG ersichtlich überflüssig (vgl. insgesamt hierzu: VG Berlin, B.v. 7.9.2017 – 14 KE 29.17 – juris; VG Wiesbaden, B.v. 28.8.2017 – 3 O 359/17.WI.A – juris;). Eine Terminsgebühr nach Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 2 VV RVG fällt daher nicht an, wenn der betreffende Beteiligte – wie im vorliegenden Fall der Antragsteller – in dem durch Gerichtsbescheid beendeten Klageverfahren in vollem Umfang obsiegt hat und daher mangels erforderlicher Beschwer von vornherein einen Antrag auf mündliche Verhandlung in zulässiger Weise nicht stellen kann.
Die Erinnerung war danach zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 161 Abs. 1, § 154 VwGO. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei (§ 83b AsylG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).

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