Aktenzeichen Au 6 M 17.33373
BGB BGB § 362, § 412
RVG RVG § 11, §§ 45 ff., § 59 Abs. 1
Leitsatz
1 Der Kostenerstattungsanspruch gegen den unterlegenen Prozessgegner ist grundsätzlich getrennt vom privatrechtlichen Anspruch auf Kostenfestsetzung des Rechtsanwalts gegenüber seinem Mandanten und vom öffentlich-rechtlichen Vergütungsanspruch des beigeordneten Rechtsanwalts gegen die Staatskasse (Verweis auf BayVGH BeckRS 2017, 114802). (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
2 Der prozessuale Kostenerstattungsanspruch gegen den unterlegenen Prozessgegner und der öffentlich-rechtliche Vergütungsanspruch des beigeordneten Rechtsanwalts sind allerdings insoweit miteinander verschränkt, als der Erstattungsanspruch des obsiegenden Beteiligten auf die Staatskasse übergeht, soweit diese den Vergütungsanspruch des mit Prozesskostenhilfegewährung beigeordneten Bevollmächtigten befriedigt hat. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
3 Da der prozessuale Kostenerstattungsanspruch grundsätzlich nur die Wahlanwaltsvergütung für einen Bevollmächtigten umfasst, ist der Kostenerstattungsanspruch gegen den Prozessgegner um den Teilbetrag zu kürzen, der durch Vorausleistungen der Staatskasse an frühere Bevollmächtigte aufgrund deren Erfüllungswirkung bereits erloschen ist. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Erinnerung wird zurückgewiesen.
II. Die Antragsteller haben die Kosten des gerichtsgebührenfreien Erinnerungsverfahrens als Gesamtschuldner zu tragen.
Gründe
Die zulässige Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten des Verwaltungsgerichts vom 16. Mai 2017 ist unbegründet.
I.
Der gegenwärtige zeitlich dritte Bevollmächtigte der Antragsteller begehrt die Festsetzung der ihnen von der im Klageverfahren (Au 6 K 16.31003) unterlegenen Antragsgegnerin zu erstattenden Verfahrenskosten in gesetzlicher Höhe und wendet sich gegen einen vom Urkundsbeamten vorgenommenen Abzug für von der Staatskasse an den ersten Bevollmächtigten geleistete Vorschüsse auf Prozesskostenhilfe.
Die Antragsteller haben im Klageverfahren insgesamt drei Bevollmächtigte zeitlich nacheinander beigeordnet erhalten:
Ihr erster Bevollmächtigte bestellte sich mit Klagerhebung und wurde den Antragstellern und dem Kläger im Parallelverfahren (Au 6 K 16.30998; Ehemann/Vater der Antragsteller) unter Gewährung von Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 25. Juli 2016 beigeordnet. Später begehrte er die Aufhebung seiner Beiordnung.
Der zweite Bevollmächtigte wurde den Antragstellern mit Beschluss vom 22. September 2016 mit Wirkung ab Zustellung dieses Beschlusses beigeordnet. Er legte später das Mandat nieder.
Der dritte Bevollmächtigte wurde den Antragstellern mit Beschluss vom 30. November 2016 mit Wirkung ab Zustellung dieses Beschlusses beigeordnet. Die Beiordnung wurde darauf begrenzt, dass Mehrkosten, die sich aus den Wechseln der Beigeordneten seit dem bewilligenden Beschluss vom 25. Juli 2016 ergeben, nicht erstattungsfähig sind.
Mit Urteil vom 18. Januar 2017 (Au 6 K 16.31003) obsiegten die Antragsteller teilweise; von den Kosten des Verfahrens wurden der Beklagten drei Viertel überbürdet.
Der erste Bevollmächtigte erhielt als beigeordneter Bevollmächtigter einen Betrag von 379,23 Euro als Vergütung aus der Prozesskostenhilfe von der Staatskasse. Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 12. April 2017, der Beklagten zugestellt am 18. April 2017 und von ihr nicht angegriffen, stellte der Kostenbeamte einen Übergang eines Teilbetrags von 284,42 Euro auf die Staatskasse nach § 59 Abs. 1 RVG fest.
Der Erinnerungsführer als dritter Bevollmächtigter beantragte mit Antrag vom 10. März 2017 Kostenfestsetzung für die Antragsteller gegen die Antragsgegnerin in Höhe von 1.104,20 Euro (3/4 aus 1.237,20 Euro zzgl. Umsatzsteuer).
Mit streitgegenständlichem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 16. Mai 2017, dem Bevollmächtigten zugestellt am 22. Mai 2017, setzte der Urkundsbeamte des Verwaltungsgerichts die den Antragstellern zu erstattenden Kosten unter Abzug des an den ersten Bevollmächtigten geleisteten und auf die Staatskasse übergeleiteten Erstattungsbetrags aus der Prozesskostenhilfe in Höhe von 284,42 Euro auf 819,78 Euro fest.
Am 30. Mai 2017 beantragten die Antragsteller
die Entscheidung des Gerichts.
Sie machen geltend, ihr prozessualer Kostenerstattungsanspruch sei unabhängig von einer etwaigen Erstattung und Überleitung im Prozesskostenhilfeerfahren, die sich allenfalls dort auswirke. Der Bevollmächtigte mache hier jedoch die gesetzliche Vergütung und nicht eine Vergütung aus der Prozesskostenhilfe geltend.
Der Urkundsbeamte des Verwaltungsgerichts half der Erinnerung nicht ab und legte sie dem Gericht zur Entscheidung vor.
Die Antragsgegnerin äußerte sich nicht.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Gerichtsakten.
II.
Die zulässige Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 16. Mai 2017 ist unbegründet, weil der vom Urkundsbeamten des Verwaltungsgerichts vorgenommene Abzug in Höhe von 284,42 Euro für an den ersten Bevollmächtigten von der Staatskasse geleistete und auf sie übergeleitete Vergütung nicht rechtswidrig ist.
Über die Erinnerung entscheidet der Einzelrichter, dem die Kammer mit Beschluss vom 20. Juli 2016 den Rechtsstreit in der Hauptsache (Au 6 K 16.31003) zur Entscheidung übertragen hatte.
1. Die Erinnerung ist zulässig (§ 164, § 165 Satz 2, § 151 VwGO), insbesondere fristgerecht innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe des Kostenfestsetzungsbeschlusses eingelegt (Zustellung am 22.5.2017; Einlegung am 30.5.2017).
2. Die Erinnerung ist unbegründet, denn die Antragsteller haben nur einen um den Abzugsbetrag gekürzten Anspruch auf Kostenerstattung gegen die Antragsgegnerin, da ihr Kostenerstattungsanspruch in Höhe des Abzugsbetrages bereits durch Erfüllung (§ 362 i.V.m. § 412 BGB) erloschen ist.
Der Bevollmächtigte der Antragsteller macht für sie einen Kostenerstattungsanspruch nach § 164 i.V.m. § 162 Abs. 2 VwGO geltend. Dieser prozessuale Anspruch nach § 164 VwGO i.V.m. §§ 103 ff. gegen den unterlegenen Prozessgegner ist grundsätzlich getrennt vom privatrechtlichen Anspruch auf Kostenfestsetzung gegenüber dem Mandanten nach § 11 RVG und auch getrennt vom öffentlich-rechtlichen Vergütungsanspruch nach §§ 45 ff. RVG des beigeordneten Rechtsanwalts gegen die Staatskasse (vgl. BayVGH, B.v. 6.6.2017 – 10 C 14.1645 – Rn. 28 ff. m.w.N.).
Allerdings sind der prozessuale Kostenerstattungsanspruch nach § 164 VwGO i.V.m. §§ 103 ff. gegen den unterlegenen Prozessgegner und der öffentlich-rechtliche Vergütungsanspruch nach §§ 45 ff. RVG des beigeordneten Rechtsanwalts gegen die Staatskasse über § 59 Abs. 1 RVG miteinander verschränkt. Soweit die Staatskasse den Vergütungsanspruch des mit Prozesskostenhilfegewährung beigeordneten Bevollmächtigten bereits befriedigt hat, geht der Erstattungsanspruch des obsiegenden Beteiligten auf die Staatskasse über (§ 59 Abs. 1 Satz 1 RVG). Dies ist hier der Fall.
Hier hat der erste Bevollmächtigte der Antragsteller am 31. Oktober 2016 einen Vergütungsanspruch aus Prozesskostenhilfe geltend gemacht und in Höhe von 379,23 Euro auch erhalten. Im Umfang eines Teilbetrags von 284,42 Euro ist dieser prozessuale Kostenerstattungsanspruch der Antragsteller gegen die Antragsgegnerin als unterlegenen Prozessgegner auf die Staatskasse übergegangen. Die Staatskasse wiederum hat diesen Betrag von der Antragsgegnerin erstattet erhalten.
Als nun der dritte Bevollmächtigte den Anspruch der Antragsteller auf Kostenerstattung gegen die Antragsgegnerin unter Ansatz der Vergütung für einen Wahlanwalt in Höhe von 1.104,20 Euro geltend machte, war dieser Anspruch durch die Vorausleistung der Staatskasse, den Forderungsübergang und die Zahlung der Antragsgegnerin teilweise erfüllt und erloschen (§ 362 i.V.m. § 412 BGB). Da der prozessuale Kostenerstattungsanspruch – wie hier – grundsätzlich nur die Wahlanwaltsvergütung für einen Bevollmächtigten umfasst, haben die Antragsteller nur einen um den bereits erfüllten Teilbetrag gekürzten Anspruch auf Kostenerstattung gegen die Antragsgegnerin. Der Übergang wird hier auch nicht entgegen § 59 Abs. 1 Satz 2 RVG zum Nachteil des Rechtsanwalts geltend gemacht, denn die Summe der bereits gezahlten und der im angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss festgesetzten Beträge entspricht dem Gesamtbetrag der Wahlanwaltsvergütung eines Bevollmächtigten.
3. Die Erinnerung ist daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2, § 159 VwGO zurückzuweisen; Gerichtsgebühren werden nicht erhoben (vgl. Happ in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2016, § 165 Rn. 10).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG), denn der umfassende Beschwerdeausschluss gilt für alle Nebenverfahren zu asylrechtlichen Streitigkeiten (vgl. schon BayVGH, B.v. 9.7.1997 – 19 C 97.32334 – juris; VGH BW, B.v. 2.9.2011 – A 12 S 2451/11 – juris Rn. 1 jeweils zur Vorgängernorm des § 80 AsylVfG; OVR NRW, B.v. 9.5.2016 – 1 E 298/16.A – juris rn.4 ff. m.w.N. zu § 80 AsylG).