Aktenzeichen M 9 K 16.3738
Leitsatz
Maßgeblich für die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots gem. § 11 Abs. 2 und 3 AufenthG sind die Kriterien der prognostischen Einschätzung, wie lange das Verhalten des Betroffenen das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr zu tragen vermag, einer Relativierung dieser Prognose anhand höherrangiger Rechtsnormen, am Zweck der Ermächtigung, an den persönlichen Umständen des Einzelfalls sowie die Einhaltung der gesetzlichen Grenzen des Ermessens. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
Über die Klage konnte entscheiden werden, obwohl für die Klägerseite niemand an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hat, da in der Ladung vom 7. Februar 2017 darauf hingewiesen wurde. Der Bevollmächtigte des Klägers hat am Vortag telefonisch mitgeteilt, dass er an der mündlichen Verhandlung nicht teilnehme.
Die Klage hat keinen Erfolg. Der Bescheid vom 28. Juli 2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, §§ 113, 114 VwGO.
Nach § 11 Abs. 1 AufenthG gilt für einen Ausländer, der ausgewiesen oder abgeschoben wurde, ein Einreise- und Aufenthaltsverbot, dessen Dauer von Amts wegen nach pflichtgemäßem Ermessen zu befristen ist, § 11 Abs. 2 und Abs. 3 AufenthG. Die für die Bestimmung der Länge der Sperrfrist maßgeblichen Kriterien der prognostischen Einschätzung, wie lange das Verhalten des Betroffenen das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr zu tragen vermag, einer Relativierung dieser Prognose anhand höherrangiger Rechtsnormen, am Zweck der Ermächtigung, an den persönlichen Umständen des Einzelfalles sowie die Einhaltung der gesetzlichen Grenzen des Ermessens werden im Rahmen des § 114 VwGO gerichtlich überprüft (BayVGH, B.v. 12.7.2016 – 10 B 14.1854).
Unter Berücksichtigung der Vorgeschichte und der zunehmenden Kriminalisierung des Klägers, die zuletzt darin gipfelte, dass er die Personen bedrohte, die sich um ihn kümmern, bestehen gegen die vorgenommene Befristung keine rechtlichen Bedenken. Die Beklagte hat in ihrer Befristungsentscheidung nicht nur umfangreich die auf Tatsachen beruhende Prognoseentscheidung weiterer Straftaten gegen die Unversehrtheit des Lebens und der Gesundheit begründet und damit zutreffend eine erhebliche Wiederholungsgefahr bejaht. Sie hat auch umfangreich die Umstände des Einzelfalles berücksichtigt, insbesondere anhand höherrangigen Rechts das Interesse des Klägers als im Bundesgebiet geborener faktischer Inländer. Sie hat dem Umstand, dass der Kläger ärztliche und fachärztliche Atteste über seinen psychischen Gesundheitszustand vorlegte, das angemessene Gewicht eingeräumt. Ermessensfehler sind nicht erkennbar, § 114 VwGO. Auf die ausführliche Begründung des Bescheids wird Bezug genommen.
Rechtliche Bedenken gegen die Abschiebung als solche bestehen nicht und wurden klägerseits auch nicht vorgetragen. Der Kläger ist Wiederholungsstraftäter und vollziehbar ausreisepflichtig. Er hat keinen gültigen Pass, so dass eine Überwachung nach § 58 Abs. 3 Nr. 5 AufenthG erforderlich war. Von einer Androhung der Abschiebung unter erneuter Fristsetzung konnte nach § 59 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3, § 77 AufenthG abgesehen werden. Der Kläger wurde wiederholt u.a. durch die Grenzübertrittsbescheinigungen vom 13. Juni 2016 und vom 11. Juli 2016 sowie im Zusammenhang mit der Duldungsvereinbarung auf seine Ausreisepflicht hingewiesen. Aufgrund der entsprechenden Bescheide und der verwaltungsgerichtlichen Urteile war seine Ausreisepflicht bestätigt, so dass auch deshalb von einer erneuten Abschiebungsandrohung abgesehen werden durfte, § 59 Abs. 1 Satz 3 AufenthG. Im Übrigen erfüllen die aktenkundigen Drohungen und sein Vortrag, er sei jetzt Salafist, nach Auffassung des Gerichts die Voraussetzungen des § 59 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AufenthG. Da die freiwillige Ausreise nicht gesichert war, bedurfte der Vollzug der Abschiebung der Überwachung, § 58 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 AufenthG. Die behauptete Suizidalität und die ärztlichen und fachärztlichen psychiatrischen Stellungnahmen sind vor dem Hintergrund der Drohungen des Klägers mit islamistisch motivierten Gewalttaten als Salafist zu relativieren und begründen auch ansonsten keine Abschiebungshindernisse, sondern sind durch intensive Betreuung bei der Durchführung der Abschiebung zu berücksichtigen.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 VwGO abzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 f. ZPO.