Verwaltungsrecht

Anordnung eines ärztlichen Gutachtens zur Fahreignung zur Klärung des Betäumungsmittelkonsums

Aktenzeichen  11 ZB 17.1691

Datum:
28.8.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 21846
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
FeV § 11 Abs. 8 S. 1, § 14 Abs. 1 S. 2

 

Leitsatz

Eine Gutachtensanordnung gem. § 14 Abs. 1 S. 2 FeV setzt grundsätzlich keine über den Besitz hinausgehenden Anhaltspunkte für eine Einnahme voraus (vgl. OVG Münster NZV 2002, 427). Dabei muss der Besitz konkret nachgewiesen sein (vgl. BayVGH BeckRS 2011, 33325 Rn. 10). (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

Au 7 K 16.1615 2017-07-19 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger wendet sich gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis der Klasse B einschließlich Unterklassen.
Mit rechtskräftigem Strafbefehl vom 8. Mai 2015 verurteilte das Amtsgericht Kaufbeuren den Kläger wegen vorsätzlichen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in drei Fällen. Dem lag zugrunde, dass er am 8. März 2015 mehreren Personen Ecstasy und LSD angeboten hatte. Bei der Durchsuchung seiner Wohnung am 8. März 2015 fand die Polizei mehrere Feinwaagen, ein Aufzuchtschema (Zucht, Pflege, Düngung) von Cannabis und ca. 5 g Cannabissamen.
Daraufhin forderte die Fahrerlaubnisbehörde des Landratsamtes Ostallgäu den Kläger zweimal auf, ein Gutachten sowie andere Nachweise beizubringen, und entzog ihm mit Bescheiden vom 8. Januar 2016 und 13. Mai 2016, die später wieder aufgehoben wurden, die Fahrerlaubnis.
Mit Schreiben vom 27. Juli 2016 forderte sie den Kläger erneut auf, ein Gutachten eines Arztes in einer Begutachtungsstelle für Fahreignung mit einer Haaranalyse zur Klärung seines Konsumverhaltens bis zum 26. September 2016 vorzulegen, und stützte dies auf die dem Strafbefehl vom 8. Mai 2015 zugrunde liegende Tat und die bei der anschließenden Wohnungsdurchsuchung vorgefundenen Gegenstände. Es sei erwiesen, dass der Kläger im Besitz einer Ecstasy-Tablette gewesen sei. Der Besitz von geringen Mengen stelle ein Indiz für den Eigenkonsum dar. Das Gutachten habe folgende Frage zu klären: „Nimmt der Kläger Betäubungsmittel im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes oder andere psychoaktiv wirkende Stoffe ein, die die Fahreignung nach Anlage 4 zur FeV infrage stellen?“
Da der Kläger kein Gutachten vorlegte, entzog ihm die Fahrerlaubnisbehörde nach Anhörung mit Bescheid vom 31. Oktober 2016 auf der Grundlage von § 11 Abs. 8 FeV die Fahrerlaubnis und ordnete unter Androhung eines Zwangsgelds die Abgabe des Führerscheins innerhalb von fünf Tagen nach Zustellung des Bescheids sowie die sofortige Vollziehung des Bescheids an.
Hiergegen ließ der Kläger Klage erheben und einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutz stellen, den das Verwaltungsgericht Augsburg mit Beschluss vom 9. Dezember 2016 (Au 7 S 16.1616) ablehnte. Die Beschwerde des Klägers wies der Senat mit Beschluss vom 20. Februar 2017 (11 CS 16.2605) zurück. Die Klage wies das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 19. Juli 2017 im Wesentlichen mit der Begründung ab, die Fahrerlaubnis habe gemäß § 11 Abs. 8 FeV entzogen werden dürfen, weil die Gutachtensanordnung formell und materiell rechtmäßig gewesen sei. Insbesondere sei die Fragestellung an den durch den Drogenbesitz entstandenen Eignungszweifeln ausgerichtet. Nach § 11 Abs. 2, § 14 Abs. 1 Satz 2 FeV könne die Beibringung eines Gutachtens angeordnet werden, wenn der Betreffende – wie hier unstreitig der Kläger – Betäubungsmittel besessen habe. Dass im Strafverfahren aus rechtlichen Gründen lediglich das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln, nicht aber der Drogenkonsum eine Rolle gespielt habe, erlaube nicht den Schluss, dass ein Drogenkonsum des Klägers ausgeschlossen sei. In Anbetracht der bei der Hausdurchsuchung aufgefundenen Gegenstände, der geringen Menge an Ecstasy in seinem Besitz und der Angabe in der mündlichen Verhandlung, er habe die bei ihm aufgefundene Ecstasy-Tablette zum Eigenkonsum erhalten, sich aber anders entschieden, lägen auch keine besonderen Umstände vor, aufgrund derer der Eigenkonsum auszuschließen sei. Nur in diesem Falle aber hätte die Behörde auf die Abklärung des Konsumverhaltens verzichten müssen. Sie habe ihr Ermessen, wenn auch knapp, ordnungsgemäß ausgeübt. Schließlich sei auch nicht zu beanstanden, dass die Gutachtensordnung erst mehr als ein Jahr nach dem ihr zugrundeliegenden Vorfall erfolgt sei, da der Verdacht des Drogenkonsums zwischenzeitlich nicht entfallen sei, sondern die vorherigen Gutachtensanordnungen lediglich aus formellen Gründen aufgehoben worden seien.
Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung macht der Kläger unter Schilderung des Verfahrenslaufs ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils geltend. Der Beklagte gehe in dem streitgegenständlichen Entziehungsbescheid wieder nicht auf die streitentscheidende Thematik des Betäubungsmittelbesitzes ausschließlich zum Verkauf ein. Das Übergehen wesentlichen Sachvortrags dokumentiere, dass sich der Beklagte mit den Einwänden des Klägers nicht befasst habe und die Anhörung faktisch unterblieben sei. Weiter treffe der behördliche Vorwurf des Amphetaminbesitzes nicht zu. Hierzu sei der Kläger auch nie angehört worden. Die Voraussetzungen für die Anordnung des ärztlichen Gutachtens hätten nicht vorgelegen. Aufgrund der strafgerichtlichen Verurteilung stehe fest, dass der Kläger das Betäubungsmittel nur zum Handeln und nicht zum etwaigen Konsum besessen habe, so dass der Sachverhalt keine Eignungszweifel begründen könne. Der Kläger habe den ganzen Abend versucht, die eine bei ihm gefundene Ecstasy-Tablette an verschiedene Personen zu verkaufen. Dass diese einmal für LSD, einmal für Ecstasy gehalten worden sei, bedeute im Hinblick darauf, dass die potentiellen Käufer die Drogen nur vom Hörensagen kennen würden, nicht, dass der Kläger verschiedene Drogen angeboten habe, wie der Beklagte und das Gericht vermuteten. Hinsichtlich der Menge gehandelter Drogen würden über den strafgerichtlich festgestellten Sachverhalt hinaus Vermutungen angestellt. Aus dem ungeschickten Umgang mit der Droge in der Diskothek sei vielmehr auf fehlende Erfahrung im Umgang mit Drogen zu schließen, was gegen den Eigenkonsum spreche. Auch aus den bei der Hausdurchsuchung gefundenen Gegenständen könnten keine Schlussfolgerungen zum Nachteil des Klägers gezogen werden. Der Besitz von Cannabis gebe keinen Anlass zu Eignungszweifeln. Eine Feinwaage lasse eher auf einen Händler schließen als auf einen Konsumenten, da letzterer bereits eine bestimmte Menge kaufe. Auch ein Aufzuchtschema und die aufgefundene Menge an Cannabissamen deuteten auf eine professionelle Anlage hin. Zudem sei die gebotene Ermessensausübung weder erkennbar noch habe sie stattgefunden. Die Zweifel an der Fahreignung beruhten ausschließlich auf dem Besitz harter Drogen zu Verkaufszwecken. Außerdem sei die Gutachtensanordnung unverhältnismäßig. Der Kläger habe sich seit dem abgeurteilten Vorfall rund 18 Monate unauffällig im Straßenverkehr bewegt, bevor ihm die Fahrerlaubnis entzogen worden sei. Da er die Ecstasy-Tablette nicht geschluckt habe, um die Beweislage zu erschweren, sei die Wahrscheinlichkeit, dass er etwas konsumiert habe, sehr gering. Außerdem sei die Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung. Streitentscheidend und damit klärungsbedürftig sei hier die Frage, inwieweit das Verwaltungsgericht dem vom Strafgericht festgestellten Sachverhalt noch eigene Annahmen und Vermutungen hinzufügen dürfe, um dadurch die Rechtmäßigkeit einer Gutachtens- bzw. Verwaltungsanordnung zu begründen. In diesem Zusammenhang sei weiter zu klären, wie gefestigt Erkenntnisse sein müssten und ob Annahmen von Laien die Vermutungen der Verwaltungsbehörde stützen könnten bzw. wie vage diese sein dürften.
Der Beklagte tritt dem Zulassungsantrag unter Verweis auf die Gründe des erstinstanzlichen Urteils und des angefochtenen Bescheids entgegen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und auf die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
Die geltend gemachten Zulassungsgründe, auf deren Prüfung der Senat beschränkt ist (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO), sind nicht hinreichend dargelegt (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) bzw. liegen nicht vor (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).
1. Aus dem Vorbringen des Klägers ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), da er weder einen tragenden Rechtssatz der angefochtenen Entscheidung noch eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt hat (vgl. BVerfG, B.v. 21.12.2009 – 1 BvR 812/09 – NJW 2010, 1062/1063; B.v. 16.7.2013 – 1 BvR 3057/11 – BVerfGE 134, 106/118).
Ein Anhörungsmangel im Verwaltungsverfahren ist vorliegend nicht erkennbar. Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG verpflichtet die Behörde zwar, das Vorbringen des Betroffenen zur Kenntnis zu nehmen und bei ihrer Entscheidung ernsthaft in Erwägung zu ziehen, nicht jedoch ihm in der Sache zu folgen (vgl. BVerwG v. 17.8.1982 – 1 C 22.81 – BVerwGE 66, 111 = juris Rn. 18; Kallerhoff/Mayen in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 28 Rn. 38). Auch besteht keine Pflicht zur Auseinandersetzung in der Begründung des Verwaltungsakts (Kallerhoff/Mayen, a.a.O.). Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Behörde, wie die Gerichte, den ihnen unterbreiteten Vortrag zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen haben, auch wenn sie im Ergebnis dem tatsächlichen Vorbringen nicht gefolgt ist. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs ist deshalb grundsätzlich nur dann anzunehmen, wenn sich aus besonderen Umständen und der Begründung des eingreifenden Verwaltungsakt deutlich ergibt, dass die Behörde dieser Pflicht nicht nachgekommen ist, was z.B. dann der Fall sein kann, wenn die Behörde den wesentlichen Kern neuen Tatsachenvorbringens insgesamt außer Betracht lässt (Kallerhoff/Mayen, a.a.O. m.w.N.). Dies ist hier nicht der Fall. Dass das Landratsamt das klägerische Vorbringen zur Kenntnis genommen hat, ergibt sich schon aus dessen Wiedergabe im Rahmen der Sachverhaltsdarstellung in den Gründen des Bescheids. Mit der Wendung „trotz der Einwände des Betroffenen“ in der rechtlichen Würdigung hat es zum Ausdruck gebracht, dass es jenen nicht folgt. Wegen des langen Zeitraums, der seit dem zugrundeliegenden Vorfall vergangen ist, hat das Landratsamt auf die Rechtsprechung und das Fehlen von Ausschlussfristen verwiesen. Weiter hat es an seiner Rechtsauffassung festgehalten (Bescheid, Seite 4 unten), dass dem nachgewiesenen Besitz einer geringen Menge harter Drogen indizielle Wirkung für den Eigenkonsum zukomme. Nachdem dem Kläger wegen desselben Lebenssachverhalts bereits zweimal die Fahrerlaubnis entzogen worden war und die Behörde zuletzt in ihrer Klageerwiderung vom 8. Juni 2016 (Bl. 166 der Behördenakte) ausführlich zu den streitigen aus dem Strafbefehl vom 8. Mai 2015 zu ziehenden Schlussfolgerungen in tatsächlicher Hinsicht und zur Argumentation des Klägers Stellung genommen hatte, war im Übrigen bereits klar, dass und weshalb sie seinen Einwänden nicht folgte bzw. folgen würde. Eine weitere Auseinandersetzung in dem angegriffenen Bescheid war damit nicht erforderlich.
Auch führt der Umstand, dass in der rechtlichen Würdigung des Bescheids mehrmals von Amphetaminbesitz die Rede war, aus den bereits im Beschwerdeverfahren (11 CS 16.2605) dargelegten Gründen nicht zur formellen oder materiellen Rechtswidrigkeit des Bescheids. Danach ist die Fahrerlaubnisbehörde insoweit zum einen von einem richtigen, in dem Strafbefehl festgestellten Sachverhalt ausgegangen, nämlich vom Besitz einer Ecstasy-Tablette, in der ein Wirkstoffgehalt von 60 mg MDMA enthalten war, das zur Gruppe der dem Betäubungsmittelgesetz unterliegenden Amphetamine gehört (vgl. Anlage I zu § 1 Abs. 1 BtMG). Zum andern war die konkrete Art der sog. harten Droge im Besitz des Klägers für die Anordnung des Gutachtens und die Entziehung der Fahrerlaubnis rechtlich nicht ausschlaggebend.
Weiter ist nicht zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht die Gutachtensanordnung als materiell rechtmäßig erachtet hat. Nach der in § 14 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr vom 13. Dezember 2010 (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV, BGBl S. 1980), vor Bescheiderlass zuletzt geändert durch Verordnung vom 21. Dezember 2016 (BGBl S. 3083), enthaltenen gesetzgeberischen Wertung kann der widerrechtliche Betäubungsmittelbesitz ein Hinweis auf die Einnahme von Betäubungsmitteln sein. Dabei muss der Besitz konkret nachgewiesen sein (BayVGH, B.v. 31.5.2011 – 11 CS 11.459 – juris Rn. 10 m.w.N.; Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 44. Aufl. 2017, § 14 FeV Rn. 17). Eine Gutachtensanordnung gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 FeV setzt grundsätzlich keine über den Besitz hinausgehenden Anhaltspunkte für eine Einnahme voraus (OVG NW, B.v. 22.11.2001 – 19 B 814/01 – NZV 2002, 427 = juris Rn. 10; Dauer, a.a.O.). Allerdings ist die Anordnung nach der Rechtsprechung ausnahmsweise dann nicht ermessensgerecht, wenn besondere Umstände einen Betäubungsmittelkonsum des Fahrerlaubnisinhabers ausschließen, etwa weil sie dafür sprechen, dass er mit Betäubungsmitteln ausschließlich Handel getrieben hat (vgl. BVerwG, B.v. 12.1.1999 – 3 B 145.98 – juris Rn. 3; B.v. 30.12.1999 – 3 B 150.99 – NZV 2000, 345 = juris Rn. 4).
Dies ist hier indes nicht der Fall. Die vom Kläger angeführten Umstände, die nach seiner Einschätzung dafür sprechen, dass er ausschließlich mit Betäubungsmitteln gehandelt hat, sind nicht eindeutig und schließen einen Eigenkonsum deshalb nicht aus. Aufgrund der Feststellungen des Strafgerichts, wonach er in drei Fällen mit Betäubungsmitteln, nämlich mit „LSD“, „Ecstasy und LSD“ und einer „Ecstasy-Tablette“, gehandelt hat, steht lediglich fest, dass er die in seinem Besitz befindliche, zum Verkauf angebotene Ecstasy-Tablette (zuletzt) nicht konsumieren wollte. Hiervon ist das Verwaltungsgericht im Rahmen der Prüfung, ob die einzige tatbestandliche Voraussetzung des § 14 Abs. 1 Satz 2 FeV, nämlich der Betäubungsmittelbesitz, gegeben ist, auch ausgegangen. Damit war aber noch keine – für die Fahreignung maßgebliche – negative Feststellung verbunden, dass eine Betäubungsmitteleinnahme des Klägers ausgeschlossen ist. Wie er unwidersprochen in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht eingeräumt hat, hat er die Ecstasy-Tablette zum Eigenkonsum erhalten und sich erst danach entschlossen, diese zu verkaufen. Da regelmäßig nicht davon auszugehen ist, dass sich ein derartiger „Erhalt“ ohne oder gegen den Willen des Betreffenden vollzieht, und der Kläger auch nichts dergleichen geltend gemacht hat, stand hiermit zumindest im Raum, dass er Betäubungsmittel auch zum eigenen Konsum erwirbt. Die geringe Menge spricht ebenfalls dafür (OVG NW, B.v. 22.11.2001 – 19 B 814/01 – NZV 2002, 427 = juris Rn. 20; BayVGH, B.v. 18.10.1999 – 11 CS 99.617 – juris Rn. 33 m.w.N.). Zudem fehlte von der Tablette nach dem Ergebnis der polizeilichen Ermittlungen im Zeitpunkt des Verkaufsversuchs ein großer Teil, dessen Verbleib ungeklärt blieb. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht zu Recht darauf hingewiesen, dass aus strafrechtlicher Sicht für den Strafrichter kein Anlass bestand, sich mit einem etwaigen Eigenkonsum des Klägers zu befassen, so dass aus dem Fehlen dahingehender Feststellungen keine für den Kläger günstigen Schlüsse gezogen werden können.
Auf die im Strafbefehl festgestellten Verkaufsangebote von „LSD“ und „Ecstasy und LSD“ hat das Verwaltungsgericht in seiner Urteilsbegründung nicht abgestellt, so dass die diesbezüglichen Einwände ins Leere gehen. Abgesehen davon treffen sie auch nicht zu. Weder das Gericht noch der Beklagte haben Vermutungen über vom Kläger gehandelte oder eingenommene Betäubungsmittel oder deren Menge angestellt oder sich Annahmen von Laien zu eigen gemacht. Die Fahrerlaubnisbehörde hat insoweit lediglich die strafgerichtlichen Feststellungen wiedergegeben. Die Darstellung des Klägers im Zulassungsantrag, er habe bei allen drei Verkaufsgesprächen dieselbe Ecstasy-Tablette angeboten, ergibt sich nicht aus dem rechtskräftigen Strafbefehl, an dem er sich festhalten lassen muss (§ 410 Abs. 3 StPO), nachdem er seinen Einspruch auf den Straffolgenausspruch beschränkt hat. Vor dem Hintergrund der Zeugenaussage auf Blatt 14 der Behördenakte, der Kläger sei auf die Zeugin zugekommen und habe sie gefragt, ob sie LSD kaufen wolle, handelt es sich auch um eine wenig nachvollziehbare Behauptung.
Neben dem Betäubungsmittelbesitz hat die Fahrerlaubnisbehörde ihre Gutachtensanordnung noch auf die Ergebnisse der Wohnungsdurchsuchung gestützt, welche ebenfalls nicht Gegenstand des Strafbefehls waren. Wie bereits im Beschwerdeverfahren dargelegt, teilt der Senat die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die aufgefundenen Gegenstände, insbesondere das Aufzuchtschema für Cannabis und der Cannabissamen, den Verdacht des Eigenkonsums nicht ausschließen. Hieraus ist zumindest zu schließen, dass der Kläger sich über die bei ihm aufgefundene Ecstasy-Tablette hinaus weitere Betäubungsmittel verschaffen wollte. Insofern ist nicht entscheidend, dass die Gegenstände auch im Rahmen des Betäubungsmittelhandels eingesetzt werden bzw. hierfür dienen können.
Ebenso wenig lassen sich den subjektiven Wertungen des Klägers wie einem „ungeschickten Umgang mit der Droge in der Diskothek“ und der angeblich fehlenden Erfahrung im Umgang mit Drogen belastbare Anhaltspunkte für den Ausschluss eines Eigenkonsums entnehmen.
Auch soweit der Kläger geltend macht, die Fahrerlaubnisbehörde habe bei der Gutachtensanordnung nicht erkennbar bzw. kein Ermessen ausgeübt, trifft dies nicht zu. Zunächst ergibt sich aus den Gründen des Bescheids, dass der Behörde bewusst war, dass ihr bei der Entscheidung Ermessen zustand. Der zweimaligen Wiedergabe des Gesetzeswortlauts („kann“) schlossen sich längere Erwägungen an, wonach sie sich aufgrund des Besitzes einer harten Droge in einer für den Eigenkonsum typischen Einheit zur Anordnung des Gutachtens entschlossen hat. Da besondere Umstände, die einen Eigenkonsum ausgeschlossen erscheinen ließen, fehlten und sich aus der Gutachtensanordnung selbst ergibt, dass die Fahreignungszweifel auch auf den Ergebnissen der Wohnungsdurchsuchung beruhten, ist dies als ausreichend anzusehen.
Schließlich ist die Anordnung, ein ärztliches Gutachten beizubringen, auch nicht im Hinblick auf die seit der strafgerichtlich abgeurteilten Tat vergangene Zeit unverhältnismäßig. Der hier bestehende Verdacht eines Eigenkonsums, der nach Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV die Fahreignung entfallen lässt, wird nicht dadurch ausgeräumt, dass der Betäubungsmittelbesitz rund eineinhalb Jahre vor dem Entzug der Fahrerlaubnis festgestellt worden ist. Das ist kein Zeitraum, bei dem davon ausgegangen werden könnte, dass die Gefahr nicht mehr besteht (vgl. BayVGH, B.v. 24.11.2016 – 11 CS 16.1827 – juris Rn. 20). Durch die zweimalige Aufhebung des Fahrerlaubnisentziehungsbescheids ist auch kein schutzwürdiges Vertrauen entstanden, dass die Behörde die Maßnahme – in formell und materiell ordnungsgemäßer Weise – nicht wieder ergreift (BayVGH, B.v. 20.2.2017 – 11 CS 16.2605 – juris Rn. 19). Eine sicherheitsrechtlich erforderliche Maßnahme in Ausübung der Schutzpflicht des Staates (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) wird durch bloßen Zeitablauf auch nicht unverhältnismäßig (vgl. BayVGH, a.a.O. Rn. 20) und zwar unabhängig davon, ob der Kläger im Straßenverkehr negativ aufgefallen ist oder nicht.
2. Ebenso wenig ist die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen, da die den aufgeworfenen Fragen zugrunde liegenden Annahmen lediglich behauptet wurden, aber nicht zutreffen und die Fragen damit nicht entscheidungserheblich sind. Bei der Prüfung, ob Betäubungsmittelbesitz gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 FeV gegeben ist, ist das Verwaltungsgericht von dem Sachverhalt ausgegangen, den das Strafgericht festgestellt hat, und hat zugrunde gelegt, dass der Kläger im Besitz einer Ecstasy-Tablette war, die er zum Verkauf angeboten hat. Die weitere Frage, ob die Umstände des Einzelfalls die behördliche Ermessensentscheidung tragen, weil sie den Verdacht eines Betäubungsmittelkonsums des Klägers nicht ausschließen, war, wie bereits dargelegt, nicht Gegenstand des Strafverfahrens, so dass das Verwaltungsgericht insofern auch nicht von strafgerichtlichen Feststellungen abgewichen ist. Da für eine auf § 14 Abs. 1 Satz 2 FeV – anders als für eine auf § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV – gestützte Gutachtensanordnung eine Feststellung von Anhaltspunkten für die Einnahme von Betäubungsmitteln des Fahrerlaubnisinhabers nicht vorausgesetzt wird, war dies vorliegend nicht entscheidungserheblich. Somit brauchte das Verwaltungsgericht insoweit keine Vermutungen anzustellen und hat dies auch nicht getan. Im Übrigen entzieht sich die Bewertung der Einzelfallumstände einer grundsätzlichen Klärung, weil sich hierzu keine verallgemeinerungsfähigen Vorgaben machen lassen.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 1, 2 GKG i.V.m. der Empfehlung in Nr. 46.3 des Streitwertkatalogs in der Fassung der am 31. Mai/1. Juni 2012 und am 18. Juli 2013 beschlossenen Änderungen.
4. Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
5. Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angegriffene Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

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