Baurecht

Nachbarklage gegen Baugenehmigung und Abwägungsmängel des zugrundeliegenden Bebauungsplans

Aktenzeichen  15 ZB 17.2447

Datum:
9.2.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 2999
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 1 Abs. 7, § 31 Abs. 2
BayBO Art. 68

 

Leitsatz

Ein Mangel des Abwägungsergebnisses bei einer Änderung des Bebauungsplans liegt nicht schon dann vor, wenn ein verspätet geltend gemachter etwaiger Abwägungsmangel auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen ist. Er ist vielmehr erst dann gegeben, wenn eine fehlerfreie Nachholung der Abwägung schlechterdings nicht zum selben Ergebnis führen könnte, weil anderenfalls der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten Belangen in einer Weise vorgenommen würde, der zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht.  (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RN 6 K 16.2004 2017-09-26 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 10.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klägerin wendet sich gegen eine dem Beigeladenen vom Landratsamt erteilte Baugenehmigung (Bescheid vom 15.12.2016 über „Neubau eines Einfamilienhauses mit Einliegerwohnung“).
Das Verwaltungsgericht Regensburg hat die auf Aufhebung des Baugenehmigungsbescheids gerichtete Klage mit Urteil vom 26. September 2017 abgewiesen. Die Baugenehmigung verletze die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Festsetzungen des der Baugenehmigung zu Grunde liegenden Bebauungsplans, von denen das Landratsamt Befreiungen (§ 31 Abs. 2 BauGB) erteilt habe, seien nicht nachbarschützend. Das Bauvorhaben des Beigeladenen verstoße auch nicht gegen das Gebot der Rücksichtnahme. Wegen der Einzelheiten wird auf das Urteil Bezug genommen.
Mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung macht die Klägerin im Wesentlichen unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens geltend, an der Richtigkeit des Urteils bestünden ernstliche Zweifel (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Die Rechtssache weise außerdem besondere rechtliche und tatsächliche Schwierigkeiten auf und habe grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 und 3 VwGO). Der im Jahr 2001 geänderte Bebauungsplan, welcher der Baugenehmigung zu Grunde liege und nunmehr die Bebauung des Nachbargrundstücks mit einem Einfamilienhaus anstelle des früher vorgesehenen Doppelhauses ermögliche und außerdem andere Baugrenzen als bisher festsetze, sei unwirksam, weil die Änderung des Bebauungsplans die Klägerin unzumutbar beeinträchtige und deshalb ein Mangel des Abwägungsergebnisses vorliege. Außerdem seien entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts die Festsetzungen des Bebauungsplans, von denen eine Befreiung erteilt worden sei, insbesondere bezüglich der Traufbzw. Wandhöhe und dem Verbot einer Stützmauer, nachbarschützend, da diese dem Schutz der jeweiligen Nachbarn vor einem „übermäßigen Baukörper“ dienten. Jedenfalls sei das Gebot der Rücksichtnahme verletzt, weil die Klägerin durch das Bauvorhaben unzumutbar beeinträchtigt werde. Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz der Bevollmächtigten der Klägerin vom 11. Januar 2018 verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die von der Klägerin geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.
1. An der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts bestehen keine ernstlichen Zweifel (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Die Klägerin wird durch die Genehmigung des Bauvorhabens des Beigeladenen nicht in ihren Rechten verletzt. Der Senat folgt den ausführlichen Gründen des angefochtenen Urteils und nimmt hierauf Bezug (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Lediglich ergänzend ist zu bemerken:
Der von der Klägerin geltend gemachte Mangel des Abwägungsergebnisses bei der im Jahr 2001 erfolgten Änderung des Bebauungsplans liegt nicht schon dann vor, wenn ein verspätet geltend gemachter etwaiger Abwägungsmangel (hier: die angebliche Verkennung der Belange der Klägerin beim Abwägungsvorgang) auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen ist. Er ist vielmehr erst dann gegeben, wenn eine fehlerfreie Nachholung der Abwägung schlechterdings nicht zum selben Ergebnis führen könnte, weil anderenfalls der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten Belangen in einer Weise vorgenommen würde, der zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht; die Grenzen der planerischen Gestaltungsfreiheit müssen überschritten sein (vgl. BayVGH, B.v. 12.5.2015 – 15 N 13.2533 – juris Rn. 46 m.w.N). Das Verwaltungsgericht geht in seiner angefochtenen Entscheidung allerdings zu Recht davon aus, dass ein derartiger Mangel des Abwägungsergebnisses weder erkennbar ist noch von der Klägerin hinreichend substantiiert dargelegt wurde.
Ebenso wenig ist die rechtliche Bewertung des Verwaltungsgerichts zu beanstanden, dass die streitgegenständlichen Festsetzungen des Bebauungsplans, von denen eine Befreiung erteilt worden ist, nicht nachbarschützend sind, weil sich weder aus dem Wortlaut der Festsetzungen noch aus der Begründung zum Bebauungsplan der Wille der planenden Gemeinde ergibt, durch diese Festsetzungen (zumindest auch) die jeweiligen Grundstücksnachbarn in ihren Rechten schützen zu wollen. Diese rechtliche Bewertung wird von der Klägerin ebenfalls nicht substantiiert in Zweifel gezogen.
Schließlich tritt die Klägerin auch der Wertung des Verwaltungsgerichts, das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme werde durch das Bauvorhaben nicht verletzt, lediglich mit ihrer eigenen Einschätzung, das Bauvorhaben habe eine „erdrückende Wirkung“, entgegen, ohne jedoch die vom Verwaltungsgericht gegebene Begründung damit ernstlich in Zweifel ziehen zu können.
2. Die Rechtssache weist nach alledem – unbeschadet dessen, dass die Klägerin dies auch nicht hinreichend dargelegt hat – weder besondere rechtliche oder tatsächliche Schwierigkeiten auf noch hat sie grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 und 3 VwGO).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten billigerweise selbst, weil er sich im Zulassungsverfahren keinem eigenen Kostenrisiko aussetzt und kein Grund ersichtlich ist, der es gebieten würde, seine außergerichtlichen Kosten ausnahmsweise als erstattungsfähig anzusehen (vgl. § 162 Abs. 3 VwGO). Die Streitwertfestsetzung für das Zulassungsverfahren ergibt sich aus § 47 Abs. 3 und § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der 2013 aktualisierten Fassung (abgedruckt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, Anhang) und entspricht der Streitwertfestsetzung im erstinstanzlichen Verfahren.
4. Dieser Beschluss, mit dem die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig wird (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO), ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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