Aktenzeichen 082 O 4497/16
EG-FGV § 6 Abs. 1 S. 1, § 25 Abs. 2, § 27 Abs. 1
RL 2007/46/EG Art. 3 Nr. 5, Art. 26 Abs. 1
Leitsatz
1 § 27 Abs. 1 EG-FGV ist ein Verbotsgesetz im Sinne von § 134 BGB. (redaktioneller Leitsatz)
2 Auch wenn § 27 Abs. 1 EG-FGV dem Wortlaut nach auf „neue“ Fahrzeuge abstellt, greift die Regelung auch bei der Veräußerung eines gebrauchten Fahrzeugs. Das Wort „neu“ ist so zu verstehen, dass es sich auf solche Fahrzeuge bezieht, die nach Inkrafttreten der EG-FGV und damit der Verpflichtung zur Ausstellung einer Übereinstimmungsbescheinigung hergestellt werden und dass Fahrzeuge, die vor Inkrafttreten der Regelung hergestellt wurden, hiervon nicht erfasst sind. (Rn. 62) (redaktioneller Leitsatz)
3 Es fehlt an einer gültigen Übereinstimmungsbescheinigung, wenn das Fahrzeug, für das sie ausgestellt ist, tatsächlich nicht dem genehmigten Typ entspricht. (Rn. 65) (redaktioneller Leitsatz)
4 Der Verstoß gegen das § 27 Abs. 1 EG-FGV führt zur Nichtigkeit der auf den Abschluss des Kaufvertrages gerichteten Willenserklärungen. (Rn. 92) (redaktioneller Leitsatz)
5 Selbst wenn es nur auf die formelle Gültigkeit der EG-Übereinstimmungsbescheinigung ankäme, läge in der Erteilung einer materiell unrichtigen EG-Übereinstimmungsbescheinigung jedenfalls ein ebenfalls nach § 134 BGB verbotenes Umgehungsgeschäft. Das Umgehungsgeschäft würde aufgrund der oben genannten Erwägungen ebenfalls zur Nichtigkeit des Kaufvertrages führen. (Rn. 115) (redaktioneller Leitsatz)
6 § 6 Abs. 1 S. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV sind Schutzgesetze im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB. (Rn. 122 – 124) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, an den Kläger 15.215,11 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 31.01.2017 zu bezahlen Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Pkw VW Passat 2,0 l TDI, FIN: (…).
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 2) verpflichtet ist, dem Kläger Schadensersatz zu bezahlen für Schäden, die aus dem Einbau einer Software mit Umschaltlogik in das Fahrzeug Pkw VW Passat 2,0 l TDI, FIN: (…) durch die Beklagte zu 2) resultieren.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Von den Gerichtskosten tragen der Kläger 27%, die Beklagte zu 1) 29% und die Beklagte zu 2) 44%. Von den außergerichtlichen Kosten des Klägers tragen die Beklagte zu 1) 29% und die Beklagte zu 2) 44%. Von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) trägt der Kläger 49%. Im Übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten zu 1) durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leisten.
Gründe
I.
Die Klage ist zulässig.
1) Das Landgericht Augsburg ist gemäß § 1 ZPO i.V.m. §§ 71 Abs. 1, 23 GVG sachlich und gemäß §§ 29, 32 ZPO örtlich zuständig.
2) Der gegen die Beklagte zu 1) gerichtete Antrag, der die Höhe des von dem Kläger im Rahmen der Rückabwicklung zu zahlenden Nutzungsersatzes offen lässt, ist nicht wegen mangelnder Bestimmtheit gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO unzulässig. Ein Klageantrag ist grundsätzlich hinreichend bestimmt, wenn er den erhobenen Anspruch durch Bezifferung oder gegenständliche Beschreibung so konkret bezeichnet, dass der Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis klar abgegrenzt ist, Inhalt und Umfang der materiellen Rechtskraft der begehrten Entscheidung erkennbar sind, das Risiko des Unterliegens des Klägers nicht durch vermeidbare Ungenauigkeit auf den Beklagten abgewälzt, eine etwaige Zwangsvollstreckung nicht mit einer Fortsetzung des Streits im Vollstreckungsverfahren belastet wird. Ein Antrag ist der Auslegung zugänglich, bei der Auslegung ist auch die Klagebegründung heranzuziehen (vgl. Zöller/Greger, ZPO, § 253, Rn. 13, m.w.N.). Vorliegend hatte der Kläger ein begründetes Interesse daran, die Höhe des Nutzungsersatzes offen zu lassen, da dieser anderenfalls permanent im Rechtsstreit hätte angepasst werden müssen, wenn sich der Kilometerstand des weiter genutztes Fahrzeugs veränderte. Der Kläger hat die für das Gericht wichtigen Berechnungsgrundlagen Kaufpreis, Gesamtlaufleistung und Kilometerstand im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung genannt, so dass sein Begehr hinreichend bestimmt war. Ein Nachteil für die Beklagte zu 1) entstand aus der Offenlassung des Nutzungsersatzes nicht, da der Kläger die Rückzahlung des gesamten Kaufpreises beantragte, während er den Nutzungsersatz nur als Zug-um-Zug-Forderung berücksichtigte, so dass der Gesamtkaufpreis den Streitwert bestimmte und ein mögliches Unterliegen des Klägers gerade nicht auf die Beklagte zu 1) abgewälzt wurde (siehe hierzu die Begründung zur Kostenentscheidung unter III. 1)
3) Auch der gegen die Beklagte zu 2) gerichtete Feststellungsantrag ist zulässig. Das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse hat der Kläger substantiiert und nachvollziehbar vorgetragen. Wenngleich ein Großteil der von ihm benannten Schäden dann nicht entsteht, wenn er sein eigentliches Ziel der Rückabwicklung des Kaufvertrages verfolgt (z.B. Minderwert, Kosten und Schäden nach Software-Update), sind jedenfalls die möglichen Kosten der Rechtsverfolgung gegenüber dem Kraftfahrtbundesamt und der Zulassungsstelle gegen eine drohende Betriebsuntersagung aufgrund Nichtaufspielens des Software-Updates geeignet, das Feststellungsinteresse zu begründen.
Der Antrag scheitert daher insgesamt auch nicht am Vorrang der Leistungsklage gegenüber der Feststellungsklage. Zwar gibt der Kläger an, dass er von der Beklagten zu 2) ebenfalls vornehmlich die Rückabwicklung des Kaufvertrages begehre. Hierzu könnte er ohne Weiteres einen entsprechenden Leistungsantrag stellen. Eine Teilung der Zulässigkeit eines einheitlichen Feststellungsantrags in einzelne Schäden, die auf demselben Haftungsereignis beruhen, ist jedoch nicht möglich. Befindet sich der Schaden zur Zeit der Klageerhebung noch in der Fortentwicklung, so ist Feststellungsklage insgesamt zulässig, auch wenn der Anspruch bereits teilweise beziffert werden könnte (Zöller/Greger, ZPO, § 256, Rn. 7a, 8 m.w.N.).
II.
Die Klage ist in den Hauptanträgen überwiegend, im Übrigen jedoch unbegründet.
1) Der Kläger hat gegen die Beklagte zu 1) einen Anspruch auf Rückabwicklung des Pkw-Kaufvertrages und damit Rückzahlung des Kaufpreises gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB, abzüglich einer von ihm ebenfalls gemäß § 818 Abs. 1, Abs. 2 BGB an die Beklagte zu 1) herauszugebenden Nutzungsentschädigung.
a) Die Beklagte zu 1) hat den Kaufpreis ohne rechtlichen Grund auf Kosten des Klägers erlangt, da der zugrunde liegende Kaufvertrag wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot gemäß § 134 BGB nichtig ist.
Durch Abschluss des Kaufvertrages wurde gegen das Verbot des § 27 Abs. 1 EG-FGV verstoßen, wonach neue Fahrzeuge, für die eine Übereinstimmungsbescheinigung nach Anhang IX der Richtlinie 2007/46/EG vorgeschrieben ist, im Inland zur Verwendung im Straßenverkehr nur feilgeboten, veräußert oder in den Verkehr gebracht werden dürfen, wenn sie mit einer gültigen Übereinstimmungsbescheinigung versehen sind. Dies hat die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts zur Folge.
aa) § 27 Abs. 1 EG-FGV ist ein Verbotsgesetz im Sinne von § 134 BGB.
Verbotsgesetz kann neben einem formellen Gesetz auch eine Rechtsverordnung sein. Ein Verbot enthält eine Vorschrift dann, wenn sie eine nach unserer Rechtsordnung grundsätzlich mögliche rechtsgeschäftliche Regelung untersagt. Verbotsgesetze betreffen damit Rechtsgeschäfte, die der Betroffene vornehmen kann, aber nicht darf (Palandt/Ellenberger, § 134, Rn. 2, 5).
Vorliegend legt § 27 Abs. 1 EG-FGV eindeutig fest, dass ein Fahrzeug nur veräußert werden darf, wenn es mit einer gültigen Übereinstimmungsbescheinigung versehen ist.
Hierbei handelt es sich auch nicht um eine von einem Verbot i.S.d. § 134 BGB abzugrenzende bloße Ordnungsvorschrift.
Ob ein Verbotsgesetz oder nur eine Ordnungsvorschrift vorliegt, kann selten dem von dem Gesetzgeber verwendeten Wortlaut entnommen werden, da dieser häufig für beide Arten von Normen die gleichen Formulierungen („kann nicht“, „darf nicht“, „soll nicht“) verwendet (vgl. MüKo/Armbrüster BGB, § 134, Rn. 43 ff.). Die Formulierung „darf nicht“ ist für die Auslegung daher unergiebig (BGH NJW 1992, 2021).
Vielmehr ist die Auslegung der Vorschrift nach ihrem Sinn und Zweck entscheidend. Um eine bloße Ordnungsvorschrift handelt es sich dann, wenn die Norm lediglich die äußeren Umstände eines sonst seinem Inhalt nach unbedenklichen Rechtsgeschäfts aus Gründen rein ordnungspolitischer Art missbilligt (BGH a.a.O.).
Die Übereinstimmungsbescheinigung hat nicht nur eine rein ordnungspolitische Funktion als ein dem Fahrzeug beizulegendes Dokument.
Gemäß der Gründe der ursprünglichen Richtlinie 70/156/EWG des Rates vom 06. Februar 1970 soll die Einführung eines gemeinschaftlichen Verfahrens für die Betriebserlaubnis für jeden Fahrzeugtyp es jedem Mitgliedstaat ermöglichen festzustellen, ob jeder Fahrzeugtyp den in den Einzelrichtlinien vorgesehenen und auf dem Betriebserlaubnisbogen angegebenen Kontrollen unterworfen wurde. Gemäß Art. 3 Nr. 5 RiLi 2007/46/EG ist „EG-Typgenehmigung“ das Verfahren, nach dem ein Mitgliedstaat bescheinigt, dass ein Typ eines Fahrzeugs… den einschlägigen Verwaltungsvorschriften und technischen Anforderungen dieser Richtlinie und der in Anhang IV oder XI aufgeführten Rechtsakte entspricht. Es wird also eine umfassende Überprüfung der Einhaltung sämtlicher gesetzlicher Anforderungen an Fahrzeuge durchgeführt.
Weiter wird in den Gründen der RL 70/156/EWG ausgeführt, dass es dann den Herstellern ermöglicht werden soll, eine Übereinstimmungsbescheinigung für alle Fahrzeuge auszustellen, die dem genehmigten Typ entsprechen; ein mit dieser Bescheinigung versehenes Fahrzeug hat dann in allen Mitgliedstaaten als mit ihrer Gesetzgebung übereinstimmend zu gelten. Hierdurch sollen Hemmnisse für die Errichtung und das reibungslose Funktionieren des Gemeinsamen Marktes verringert oder sogar beseitigt werden.
Gemäß Art. 26 Abs. 1 RL 2007/46/EG gestatten die Mitgliedstaaten die Zulassung von Fahrzeugen nur dann, wenn sie mit einer gültigen Übereinstimmungsbescheinigung versehen sind. Gemäß § 6 Abs. 3 FZV ist dementsprechend bei der erstmaligen Zulassung eines Fahrzeugs in Deutschland der Nachweis, dass das Fahrzeug einem Typ entspricht, für den eine EG-Typgenehmigung vorliegt, durch Vorlage der Übereinstimmungsbescheinigung zu führen.
Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass ein Mitgliedstaat die Zulassung eines Fahrzeugs, das mit einer gültigen EG-Übereinstimmungsbescheinigung versehen ist, nur dann verweigern kann, wenn er feststellt, dass es die Sicherheit des Straßenverkehrs gefährdet. Neben diesem ganz spezifischen Fall sei keine Möglichkeit vorgesehen, die Zulassung von Neufahrzeugen, die mit einer gültigen EG-Übereinstimmungsbescheinigung versehen sind, zu verweigern (EuGH vom 29.05.1997, Az. C-329/95).
Die EG-Übereinstimmungsbescheinigung hat damit eine ganz besondere Bedeutung. Sie führt dazu, dass die Mitgliedstaaten von der (nochmaligen) Prüfung der Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften – etwa im Hinblick auf die Einhaltung technischer, gesundheits- und umweltschützender Normen – vor der Zulassung eines jeden Fahrzeugs befreit werden, aber auch weitere Anforderungen an die Zulassung nicht stellen dürfen. Die EG-Übereinstimmungsbescheinigung hat daher eine besondere Vertrauenswirkung. Bei ihrer Vorlage darf und muss darauf vertraut werden, dass das zuzulassende Fahrzeug einem Typ entspricht, bezüglich dessen die Einhaltung sämtlicher Normen überprüft und bestätigt wurde.
Dementsprechend legt die Verordnung zur Zulassung von Fahrzeugen zum Straßenverkehr die Voraussetzungen der Zulassung wie folgt fest: Gemäß § 3 Abs. 1 S. 2 FZV wird die Zulassung für ein Fahrzeug auf Antrag erteilt, wenn das Fahrzeug dem genehmigten Typ entspricht. Gemäß § 6 Abs. 3 S. 1 FZV ist bei erstmaliger Zulassung der Nachweis, dass das Fahrzeug einem Typ entspricht, für den eine EG-Typgenehmigung vorliegt, durch Vorlage der Übereinstimmungsbescheinigung zu führen.
Die Übereinstimmungsbescheinigung ersetzt damit für die Entscheidung einer Behörde über das Vorliegen oder Nichtvorliegen der Voraussetzungen einer Zulassung die Einzelfallprüfung der Vorschriftsmäßigkeit des jeweiligen Kraftfahrzeugs. Aufgrund dieser Ersetzungsfunktion handelt es sich nicht nur um ein ordnungspolitisches Dokument. (vgl. inzident BGH NJW 1968, 2286 zu einem Verstoß gegen die Anmeldungs- und Registrierungspflicht eines Arzneimittels beim Bundesgesundheitsamt gemäß § 20 AMG: „Diese Vorschrift bezweckt aber … lediglich, den Gesundheitsbehörden, die die Arzneimittel und deren Vertrieb zu überwachen haben… einen Überblick über die in den Verkehr gebrachten Arzneifertigwaren zu verschaffen. Die Registrierung eines Arzneimittels hängt nicht von einer vorhergehenden staatlichen Prüfung auf Wirksamkeit oder Unschädlichkeit ab. Daher handelt es sich bei einem Verstoß gegen § 20 AMG lediglich um typisches Verwaltungsunrecht.“) bb))
Gegen dieses Verbotsgesetz wurde durch den Abschluss des Kaufvertrages zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1) auch verstoßen, da die Beklagte zu 1) an den Kläger ein Fahrzeug ohne gültige Übereinstimmungsbescheinigung veräußert hat.
(1) Zwar stellt § 27 Abs. 1 EG-FGV dem Wortlaut nach ausdrücklich auf „neue“ Fahrzeuge ab, so dass angenommen werden könnte, dass die Regelung bei der Veräußerung eines gebrauchten Fahrzeugs – wie vorliegend – nicht greift. Das Wort „neu“ ist jedoch so zu verstehen, dass es sich auf solche Fahrzeuge bezieht, die nach Inkrafttreten der EG-FGV und damit der Verpflichtung zur Ausstellung einer Übereinstimmungsbescheinigung hergestellt werden, dass Fahrzeuge, die vor Inkrafttreten der Regelung hergestellt wurden, hiervon nicht erfasst sind.
Dieses Verständnis des Wortlauts ergibt sich auch aus dem Sinn und Zweck der Regelung. Denn anderenfalls könnte die Regelung, indem ein Fahrzeug zunächst ohne gültige Übereinstimmungsbescheinigung veräußert wird, dann jedoch als „Gebrauchtwagen“ gleich weiter veräußert wird, einfach umgangen werden.
Getragen wird dieses Verständnis auch von der Hinstorie des Wortlautes einer anderen Norm der Richtlinie. Während eine der ursprünglichen Versionen noch folgenden Wortlaut hatte: „Jeder Mitgliedstaat ermöglicht die Zulassung bzw. gestattet den Verkauf oder das Inverkehrbringen von neuen Fahrzeugen … dann und nur dann, wenn sie mit einer gültigen Übereinstimmungsbescheinigung versehen sind.“ (Art. 7 Abs. 1 der RL 92/53/EWG des Rates vom 18. Juni 1992), ist in der Fassung der RL 2007/46/EG vom 05. September 2007 das Wort „neu“ nicht mehr enthalten. Hierbei handelt es sich nicht um einen Fehler in der deutschen Version der Richtlinie, denn auch in der französischen Version fehlt das Wort „nouveau“ und in der englischen Version das Wort „new“.
(2) Bei Abschluss des Kaufvertrages war das streitgegenständliche Fahrzeug nicht mit einer gültigen Übereinstimmungsbescheinigung versehen. Die übergebene Übereinstimmungsbescheinigung war nicht „gültig“ im Sinne der Norm. Gültig ist eine Übereinstimmungsbescheinigung nur dann, wenn das Fahrzeug, für das sie ausgestellt ist, tatsächlich dem genehmigten Typ entspricht. Das ist vorliegend jedoch nicht der Fall.
(a.A. LG Braunschweig vom 31.08.2017, Az. 3 O 21/17, mit vielen Argumenten)
(a) Der Begriff der Gültigkeit wird im Gesetz nicht definiert. Es bedarf daher einer Auslegung nach Wortlaut, Regelungszusammenhang, Sinn und Zweck, insbesondere auch unter Heranziehung der der EG-FGV zugrundeliegenden Richtlinie, deren Umsetzung sie dient.
(aa) Im allgemeinen und rechtlichen Sprachgebrauch bedeutet Gültigkeit: Wirksamkeit, In-Kraft-Sein. Da es sich bei der EG-Übereinstimmungsbescheinigung um ein privates Dokument des Herstellers handelt, bedarf es keines besonderen Wirksamkeits-Aktes, so dass der Wortlaut selbst nicht weiterhilft. Insbesondere kann es nicht reichen, dass der Hersteller überhaupt eine EG-Übereinstimmungsbescheinigung ausgestellt und übergeben hat, die damit wirksam ist. Denn dann bedürfte es des Zusatzes „gültig“ nicht, es würde reichen, wenn verlangt wird, dass eine Übereinstimmungsbescheinigung beigefügt wird. Der Begriff „gültig“ hat damit über die Erteilung selbst hinausgehende Bedeutung.
(bb) Eine Übereinstimmungsbescheinigung ist ein Dokument, das bescheinigt, dass eine Übereinstimmung vorliegt. Fehlt es tatsächlich an der Übereinstimmung, kann eine Übereinstimmung aber auch nicht bescheinigt werden. Eine Übereinstimmungsbescheinigung, die gültig ist, obwohl es tatsächlich an einer Übereinstimmung fehlt, ist ein dialektisches Absurdum.
(cc) Insofern die Beklagte zu 2) hierzu ausführt, Art. 26 Abs. 1 RL 2007/46/EG verweise für die „Gültigkeit“ auf die Voraussetzungen des Art. 18 RL 2007/46/EG und damit nur auf die dort genannten formellen Anforderungen wie zum Beispiel die Sprache (Abs. 2), die Fälschungssicherheit (Abs. 3), die Vollständigkeit (Abs. 4), die Überschriften (Abs. 5, 6), ist festzustellen, dass hiermit auch auf Abs. 1 verwiesen wird. Dort wird verlangt, dass der Hersteller einem Fahrzeug eine Übereinstimmungsbescheinigung beifügt, das in Übereinstimmung mit dem genehmigten Typ hergestellt wurde. Daraus lässt sich ebenso gut entnehmen, dass eine Übereinstimmungsbescheinigung nur dann beigefügt werden darf, wenn ein Fahrzeug in Übereinstimmung mit dem genehmigten Typ hergestellt wurde, so dass es auch durch die Verweisung auf dieses materielle Kriterium ankommt.
(dd) Maßgeblich ist auf den Zweck der Vorschrift abzustellen. Entgegen der Ansicht der Beklagten kann es nicht genügen, auf die formelle Gültigkeit abzustellen, das heißt darauf, dass die EG-Übereinstimmungsbescheinigung den an sie anzulegenden formellen Vorgaben entspricht und in hinreichender Weise auf eine wirksame EG-Typgenehmigung verweist. Vielmehr kommt es nach dem Zweck und der Bedeutung der EG-Übereinstimmungsbescheinigung darauf an, dass diese auch materiell, das heißt inhaltlich richtig ist, jedenfalls insoweit als in ihr wahrheitsgemäß die Übereinstimmung des Einzelfahrzeugs mit dem genehmigten Typ erklärt wird. Die Beklagte zu 2) führt hierzu selbst aus, der Zweck der Übereinstimmungsbescheinigung bestehe darin, einen für die Zulassungsbehörde nachvollziehbaren Zusammenhang zwischen dem konkreten Fahrzeug und einer existenten EG-Typgenehmigung herzustellen. An diesem Zusammenhang fehlt es indes, wenn das konkrete Fahrzeug gerade nicht dem genehmigten Typ entspricht. In diesem Fall kann die Übereinstimmungsbescheinigung die o.g. Wirkung der Ersetzung einer Einzelfallprüfung der Zulassungsbehörde nicht erfüllen.
(ee) Wäre die Übereinstimmungsbescheinigung immer gültig, auch wenn sie materiell unrichtig ist, hätte ein privates Unternehmen – der Hersteller – es in der Hand, die Voraussetzungen für einen behördlichen Rechtsakt – die Zulassung durch die Zulassungsstelle – nach Belieben zu schaffen. Erst wenn ein anderer behördlicher Akt durch das Kraftfahrtbundesamt hinzukäme, würde die Macht des privaten Unternehmens wieder eingeschränkt. Die Stärkung des Einflusses privater Unternehmen auf das Zulassungsverfahren war jedoch nicht Zweck des Erlasses der Richtlinie, sondern eine Vereinfachung des Zulassungsverfahrens. Die Einzelprüfung der Gesetzmäßigkeit jedes Fahrzeugs durch die Zulassungsstelle sollte durch ein einmaliges Prüfverfahren ersetzt werden, dessen Ergebnisse nur aufgrund der Vertrauenswirkung der Übereinstimmungsbescheinigung für sämtliche Einzelfahrzeuge als richtig zugrunde gelegt werden sollten. Die Ersetzung des einzelnen behördlichen Prüfverfahrens durch ein einmaliges beispielhaftes Prüfverfahren kann jedoch nur dann gelten, wenn es sich tatsächlich um ein Fahrzeug mit identischer Herstellung handelt. Anderenfalls läge es im Verantwortungsbereich des Herstellers als privates Unternehmen, durch fahrlässig oder vorsätzlich unrichtige Übereinstimmungsbescheinigungen über die Zulassungsfähigkeit eines Fahrzeugs zu bestimmen. Die Auslagerung hoheitlicher Aufgaben und Prüfungen war jedoch gerade nicht Sinn und Zweck der Schaffung des Systems der EG-Typengenehmigung/Übereinstimmungsbescheinigung.
(ff) Diese besondere, beweisrechtliche Bedeutung der Übereinstimmungsbescheinigung hat der Gesetzgeber dadurch unterstrichen, dass gemäß § 6 Abs. 1 S. 1 EG-FGV die Übereinstimmungsbescheinigung fälschungssicher sein muss. Art. 18 Abs. 3 RiLi 2007/46/EG stellt hierzu klar, dass zu diesem Zweck das Papier entweder durch farbige grafische Darstellungen oder das Herstellerzeichen als Wasserzeichen geschützt sein muss.
Es muss daher dafür Sorge getragen werden, dass nicht durch einen Dritten eine „falsche“ Übereinstimmungsbescheinigung hergestellt werden kann. Aus dieser ausdrücklichen Vorsorge ergibt sich jedoch gerade der Gedanke des Gesetzgebers, unter allen Umständen eine falsche Übereinstimmungsbescheinigung aus dem Rechtsverkehr herauszuhalten. Nichts anderes darf daher gelten, wenn eine Übereinstimmungsbescheinigung von Anfang an unrichtig ist.
(gg) Auch aus der durch den Gesetzgeber vorgenommen Sanktionierung ergibt sich diese Auslegung. Die Zugrundelegung allein formeller Kriterien zur Bestimmung der Gültigkeit der Übereinstimmungsbescheinigung würde dazu führen, dass gemäß § 37 Abs. 1 EG-FGV ordnungswidrig handelt, wer die Übereinstimmungsbescheinigung unvollständig ausfüllt (Art. 18 Abs. 4 RiLi) oder das Herstellerzeichen nicht als Wasserzeichen aufbringt (Art. 18 Abs. 3 RiLi), wohingegen für die Ausstellung einer Übereinstimmungsbescheinigung für ein Fahrzeug, das tatsächlich nicht dem genehmigten Typ entspricht, keinerlei hoheitliche Sanktionierung vorgesehen ist, obwohl die hierdurch verursachten Folgen u.a. für Verkehr und Umwelt gravierender sind. Die von Art. 46 RiLi geforderte wirksame und abschreckende Sanktionierung von Verstößen gegen die Richtlinie würde dann vollständig unterbleiben.
(hh) Die Annahme der Ungültigkeit der Übereinstimmungsbescheinigung bei materiellem Fehlen der Übereinstimmung steht auch nicht in Widerspruch zu den möglichen Rechtsinstrumenten des § 25 Abs. 2, 3 EG-FGV, wonach das Kraftfahrtbundesamt zur Gewährleistung der Vorschriftsmäßigkeit auch bereits im Verkehr befindlicher Fahrzeuge nachträglich Nebenbestimmungen anordnen oder die Typengenehmigung ganz oder teilweise widerrufen oder zurücknehmen kann, wenn Fahrzeuge mit einer Übereinstimmungsbescheinigung nicht mit dem genehmigten Typ übereinstimmen. Hierbei handelt es sich um hoheitliche Maßnahmen, die sich jedoch nur gegen den Hersteller richten und nur für Typengenehmigungen gelten. So legt § 25 Abs. 2, 3 EG-FGV nur Maßnahmen bzgl. des gesamten Typs bis hin zu Widerruf oder Zurücknahme der Typengenehmigung, also für sämtliche dem Typ nach Angaben des Herstellers unterfallende Fahrzeuge fest.
Demgegenüber kann die Übereinstimmungsbescheinigung aber auch nur bzgl. einzelner oder einer Gruppe von Fahrzeugen unrichtig sein, die abweichend von der Mehrzahl der zum Typ gehörenden Fahrzeuge produziert wurden Eine Maßnahme bei Abweichung nur einzelner Fahrzeuge, bzgl. derer eine nachträgliche Nebenbestimmung nicht möglich oder ausreichend ist, enthält § 25 Abs. 3 EG-FGV nicht. Zwingende Rückschlüsse auf die Gültigkeit der Übereinstimmungsbescheinigung können daher nicht gezogen werden.
(ii) Aus dem Wortlaut der § 25 EG-FGV, Art. 30 Abs. 1 RL 2007/46/EG ergibt sich auch ein Weiteres:
Während § 27 Abs. 1 EG-FGV und Art. 26 Abs. 1 RL 2007/46/EG für Feilbieten, Veräußerung und In-Verkehr-Bringen bzw. Zulassung, Verkauf und Inbetriebnahme eines Fahrzeugs eine „gültige Übereinstimmungsbescheinigung“ verlangen, stellen die Maßnahmevorschriften der § 25 EG-FGV und Art. 30 Abs. 1 RL 2007/46/EG auf Fahrzeuge ab, die mit einer „Übereinstimmungsbescheinigung“ versehen sind. Würde für die Gültigkeit allein auf formelle Kriterien abgestellt, hätte in diesen Normen auch der Begriff der „gültigen Übereinstimmungsbescheinigung“ verwendet werden müssen. Indem die Normen im Falle der Nichtübereinstimmung auf den Begriff „gültig“ verzichten, kann der Umkehrschluss gezogen werden, dass im Falle der Nichtübereinstimmung die Fahrzeuge gerade nicht mit einer „gültigen Übereinstimmungsbescheinigung“ versehen sind.
(b) Insbesondere ergibt sich aus dieser Lesart nicht – wie die Beklagte zu 2) anführt – dass die Gültigkeit der Übereinstimmungsbescheinigung davon abhinge, ob das betreffende Fahrzeug in jeder Hinsicht alle in Betracht kommenden rechtlichen Vorgaben einhält. Dieses Verständnis ginge tatsächlich zu weit. Sondern es kommt darauf an, ob das einzelne Fahrzeug tatsächlich dem genehmigten Typ entspricht, für den bereits ein umfassendes Prüfverfahren durchgeführt worden ist. Denn dann können die Prüfergebnisse auch für das einzelne Fahrzeug zugrunde gelegt werden. Es wird daher so gestellt, als habe es selbst das Prüfverfahren mit der Feststellung der Einhaltung aller gesetzlichen Vorschriften durchlaufen.
(c) Das streitgegenständliche Fahrzeug entspricht dem genehmigten Typ nicht.
(aa) Für die Entscheidung kann dahinstehen, welche Fahrzeuge bei der Überprüfung der Übereinstimmung einander gegenüberzustellen sind; ob es das von der Beklagten zu 2) als „fiktiver Idealgegenstand“ bezeichnete Fahrzeug entsprechend der Beschreibungsmappe oder allein das konkret zur Prüfung vorgestellte Fahrzeugmuster ist, auf dessen Bedeutung die Beklagte zu 2) sich beruft. Denn das streitgegenständliche Fahrzeug entspricht auch nicht dem überprüften Fahrzeug, da es in seinem Abgasrückführungsverhalten von dem getesteten Fahrzeug abweicht.
Gemäß der Verordnung (EG) Nr. 692/2008 der Kommission vom 18. Juli 2008 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) war die Beklagte zu 2) als Herstellerin verpflichtet, der Genehmigungsbehörde Angaben zur Arbeitsweise des Abgasrückführungssystems (AGR) zu machen; diese Angaben müssen auch eine Beschreibung etwaiger Auswirkungen auf die Emissionen enthalten, Art. 3 Nr. 9 Abs. 3, Abs. 4 VO (EG) Nr. 692/2008.
Das Muster des Beschreibungsbogens gemäß der Anlage 3 der Verordnung enthält dementsprechend auch folgenden Inhalt:
Lufteinblasung: ja/nein
3.2.12.2.3.1. Art (Selbstansaugung, Luftpumpe usw.): … … Abgasrückführung: ja/nein
3.2.12.2.4.1. Kennwerte (Durchflussmenge usw.): … …
3.2.12.2.4.2. Kühlsystem: ja/nein
Die Arbeitsweise des Abgasrückführungssystems ist damit relevanter Gegenstand im Verfahren zur Erteilung der EG-Typgenehmigung.
Indem die Beklagte zu 2) ein Fahrzeug vorgeführt hat, das Abgase in einem bestimmten Umfang in den Motor zurückführt, tatsächlich jedoch Fahrzeuge ausgeliefert hat, die eine geringere Abgasrückführung durchführen, stimmen die Fahrzeuge in diesem Punkt gerade nicht miteinander überein. Insbesondere kommt es nicht darauf an, ob die Software mit „Umschaltlogik“ in beiden Fahrzeugen installiert ist. Denn diese ist nur die Ursache, nicht jedoch der relevante Gegenstand der Abweichung. Hätte die Beklagte zu 2) ursprünglich ausschließlich die Software im Modus 1 installiert und das Fahrzeug so vorgeführt und genehmigen lassen, später jedoch in den hergestellten Fahrzeugen eine andere Software mit dem Modus 0 installiert, so dass die Abgasrückführung verschieden ist, stände außerfrage, dass die Fahrzeuge in diesem Punkt nicht übereinstimmen. Nichts anderes kann daher gelten, wenn die Beklagte zu 2) bereits beide Software-Varianten im vorgeführten Fahrzeug installiert hat, aufgrund der „Umschaltlogik“ jedoch im Prüfverfahren nur die ihr günstige Software-Variante aktiv ist.
(bb) Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass das Kraftfahrtbundesamt mit Bescheid vom 15.10.2015 gegenüber der Beklagten zu 2) für die betroffenen Fahrzeuge nachträglich eine Nebenbestimmung zur EG-Typgenehmigung angeordnet hat.
Die von der Beklagten zu 2) vorgetragene Lesart, damit gehe das Kraftfahrtbundesamt davon aus, dass die betroffenen Fahrzeuge dem genehmigten Typ entsprechen, widerspricht dem Wortlaut des Gesetzes. Vielmehr ergibt sich daraus das Gegenteil.
Zwar heißt es in dem Bescheid wortwörtlich: „Zur Gewährleistung der Vorschriftsmäßigkeit von mit dieser Typgenehmigung … genehmigten, auch bereits im Verkehr befindlichen, Fahrzeugen… sind die unzulässigen Abschalteinrichtungen … zu entfernen. Dazu sind geeignete Maßnahmen zur Wiederherstellung der Vorschriftsmäßigkeit der Fahrzeuge … zu ergreifen…“
Jedoch erfolgt die Anordnung ausdrücklich gemäß § 25 Abs. 2 EG-FGV.
§ 25 Abs. 2 EG-FGV ist in der Folge des Abs. 1 zu lesen. Dieser regelt, dass das Kraftfahrtbundesamt erforderliche Maßnahmen anordnen kann, um die Übereinstimmung der Produktion mit dem genehmigten Typ sicherzustellen, wenn es feststellt, dass Fahrzeuge nicht mit dem genehmigten Typ übereinstimmen. Regelungsgegenstand ist dort also die Produktion des Herstellers und bezieht sich auf in der Zukunft herzustellende Fahrzeuge. Abs. 2 legt dies zugrunde und regelt, was mit Fahrzeugen geschehen soll, die bereits im Verkehr befindlich sind. Dementsprechend kann das Kraftfahrtbundesamt zur Gewährleistung der Vorschriftsmäßigkeit auch bereits im Verkehr befindlicher Fahrzeuge nachträglich Nebenbestimmungen anordnen. Die Vorschriftsmäßigkeit ist im Sinne des Abs. 1 zu lesen, nämlich dass die bereits im Verkehr befindlichen Fahrzeuge nicht mit dem genehmigten Typ übereinstimmen. Als letzte Folge sieht Abs. 3 Nr. 1 vor, dass das Kraftfahrtbundesamt die Typgenehmigung ganz oder teilweise widerrufen oder zurücknehmen kann, wenn festgestellt wird, dass Fahrzeuge mit Übereinstimmungsbescheinigung nicht mit dem genehmigten Typ übereinstimmen.
Die ganze Norm stellt also darauf ab, dass Fahrzeuge nicht mit dem genehmigten Typ übereinstimmen. Gerade hiervon ist das Kraftfahrtbundesamt bei Erlass seines Bescheides gemäß § 25 Abs. 2 EG-FGV ausgegangen.
d) Der Verstoß gegen das Verbotsgesetz führt zur Nichtigkeit der auf den Abschluss des Kaufvertrages gerichteten Willenserklärungen. Die Nichtigkeit tritt gemäß § 134 BGB ein, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.
(1) Die Frage, ob der in einem Rechtsgeschäft liegende Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot nach § 134 BGB zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts führt, ist, wenn eine ausdrückliche Regelung fehlt, nach Sinn und Zweck der jeweiligen Verbotsvorschrift zu beantworten. Entscheidend ist, ob das Gesetz sich nicht nur gegen den Abschluss des Rechtsgeschäfts wendet, sondern auch gegen seine privatrechtliche Wirksamkeit und damit gegen seinen wirtschaftlichen Erfolg. Der Umstand, dass eine Handlung unter Strafe gestellt oder als Ordnungswidrigkeit mit einer Buße bedroht ist, bewirkt dabei nicht unabweislich die Nichtigkeit des bürgerlich-rechtlichen Geschäfts. Vielmehr sind für jede einzelne Vorschrift Normrichtung und Normzweck zu ermitteln und zu werten.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind Verträge, durch deren Abschluss beide Vertragspartner ein gesetzliches Verbot verletzen, im allgemeinen nichtig. Eine für alle Beteiligten geltende Straf- oder Bußgeldandrohung gibt einen gewichtigen Hinweis darauf, dass die Rechtsordnung einem das Verbot missachtenden Vertrag die Wirksamkeit versagen will. Betrifft das Verbot hingegen nur eine der vertragschließenden Parteien, so ist ein solcher Vertrag in der Regel wirksam. Der Bundesgerichtshof hat andererseits schon wiederholt Rechtsgeschäfte auch dann als nichtig angesehen, wenn sich das Verbot nur gegen einen der Partner richtete, falls es nämlich mit dem Sinn und Zweck des Verbotsgesetzes unvereinbar wäre, die durch das Rechtsgeschäft getroffene rechtliche Regelung hinzunehmen und bestehen zu lassen.
(BGH NJW 1992, 2021)
Dies zugrundegelegt, können aus der Sanktionierung der Veräußerung ohne gültige Übereinstimmungsbescheinigung gemäß § 37 EG-FGV als Ordnungswidrigkeit keine besonderen Schlüsse gezogen werden; ebensowenig daraus, dass das Gesetz nur die Veräußerung durch den Verkäufer, jedoch nicht den Ankauf durch den Käufer verbietet.
Es ist daher wieder auf den Sinn und Zweck des Verbots abzustellen.
(a) Wie oben bereits ausführlich dargestellt, ist der Zweck der Übereinstimmungsbescheinigung die Ersetzung eines behördlichen Verfahrens zur Prüfung der Einhaltung gesetzlicher Bestimmungen für jedes Einzelfahrzeug. Die Übereinstimmungsbescheinigung hat gemäß § 6 Abs. 3 S. 1,§ 3 S. 2 FZV die Beweiswirkung, dass das zuzulassende Fahrzeug mit einem genehmigten Typ übereinstimmt und dass dieser genehmigte Typ wiederum sämtliche gesetzliche Bestimmungen eingehalten hat. Aufgrund der sich hieraus ergebenden öffentlich-rechtlichen Wirkung der Übereinstimmungsbescheinigung müssen auch privatrechtliche Geschäfte von den Folgen eines Verstoßes erfasst sein.
(b) Die zwingende Nichtigkeit ergibt sich überdies aus dem Zweck der durch das System Typengenehmigung/Übereinstimmungsbescheinigung überprüften Normen. Im Rahmen des Genehmigungsverfahrens wird insbesondere auch die Einhaltung von Vorschriften geprüft, die auf hohe Verkehrssicherheit, hohen Gesundheits- und Umweltschutz abzielen (Erwägungsgrund (3) RL 2007/46/EG). Geschützt werden durch die Sicherstellung der Vorschriftsmäßigkeit eines Fahrzeugs vor dessen Zulassung insbesondere auch Dritte und allgemeine Rechtsgüter. Zu deren Schutz ist es zwingend erforderlich, das Rechtsgeschäfte über Fahrzeuge, bei denen die Einhaltung dieser Schutznormen nicht hinreichend geprüft wurde, unterbleiben. (vgl. für die Nichtigkeit eines Vertrags über die Lieferung von Geräten, die elektromagnetische Störungen verursachen können und ohne Konformitätsbescheinigung geliefert werden: LG Karlsruhe NJW-RR 1999, 1284, da die Norm verhindern wolle, dass Dritte beim Betrieb durch eine elektromagnetische Unverträglichkeit beeinträchtigt werden)
(c) Dass die Normen zur Übereinstimmungsbescheinigung zwingend einzuhalten sind und bei Verstößen keinerlei positive Rechtswirkungen mehr entfalten dürfen, ergibt sich insbesondere aus Art. 46 RiLi 2007/46/EG, demgemäß die Mitgliedstaaten Sanktionen festlegen, die bei Verstößen gegen diese Richtlinie anzuwenden sind. Diese Sanktionen müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein.
Die Norm ist Ausprägung des allgemeinen europarechtlichen „effet-utile“-Grundsatzes. Demnach haben Gerichte im Rahmen der ihr obliegenden Gesetzesauslegung unionsrechtliche Vorschriften oder nationale Vorschriften, die zur Umsetzung von Unionsrecht dienen, die Vorschriften so zu interpretieren, dass sie ihren Regelungszweck in der Rechtswirklichkeit praktisch erreichen.
Vor allem den nationalen Gerichten obliegt es nämlich, den Rechtsschutz zu gewährleisten, der sich für den Einzelnen aus den gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen ergibt, und deren volle Wirkung sicherzustellen. Dies gilt umso mehr, wenn das nationale Gericht mit einem Rechtsstreit über die Anwendung innerstaatlicher Rechtsvorschriften befasst ist, die speziell zur Umsetzung einer Richtlinie erlassen wurden, die dem Einzelnen Rechte verleihen soll. Das Gericht hat in Anbetracht des Artikels 249 Absatz 3 EG davon auszugehen, dass der Staat, wenn er von dem ihm durch diese Bestimmung eingeräumten Gestaltungsspielraum Gebrauch gemacht hat, die Absicht hatte, den sich aus der betreffenden Richtlinie ergebenden Verpflichtungen in vollem Umfang nachzukommen. Das Gebot einer gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung des nationalen Rechts ist dem EG-Vertrag immanent, da dem nationalen Gericht dadurch ermöglicht wird, im Rahmen seiner Zuständigkeit die volle Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts zu gewährleisten, wenn es über den bei ihm anhängigen Rechtsstreit entscheidet. Dieser vom Gemeinschaftsrecht aufgestellte Grundsatz der gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung des nationalen Rechts betrifft zwar in erster Linie die zur Umsetzung der fraglichen Richtlinie erlassenen innerstaatlichen Bestimmungen, beschränkt sich jedoch nicht auf die Auslegung dieser Bestimmungen, sondern verlangt, dass das nationale Gericht das gesamte nationale Recht berücksichtigt, um zu beurteilen, inwieweit es so angewendet werden kann, dass es nicht zu einem der Richtlinie widersprechenden Ergebnis führt. Ermöglicht es das nationale Recht durch die Anwendung seiner Auslegungsmethoden, eine innerstaatliche Bestimmung unter bestimmten Umständen so auszulegen, dass eine Kollision mit einer anderen Norm innerstaatlichen Rechts vermieden wird, oder die Reichweite dieser Bestimmung zu diesem Zweck einzuschränken und sie nur insoweit anzuwenden, als sie mit dieser Norm vereinbar ist, so ist das nationale Gericht verpflichtet, die gleichen Methoden anzuwenden, um das von der Richtlinie verfolgte Ziel zu erreichen (EuGH NJW 2004, 3547).
Das Gericht hat daher auch bei der Auslegung der Vorschriften der EG-FGV und der Frage, welche Rechtsfolgen bei Verstößen eintreten, darauf zu achten, das im Ergebnis der Rechtsanwendung die Normen des Europarechts die höchstmögliche Geltung entfalten können. Dieser höchstmöglichen Geltung kommt es am nächsten, wenn von der grundsätzlichen Nichtigkeitsfolge des § 134 BGB nicht abgewichen wird, so dass zivilrechtliche Verträge, die der Vorgabe der Richtlinie 2007/46/EG der Veräußerung nicht ohne gültige Übereinstimmungsbescheinigung entgegenstehen, keine rechtlichen oder tatsächlichen Wirkungen entfalten.
d) Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass infolge der Nichtigkeit gerade derjenige Nachteile zu erleiden hat, den die Norm schützen soll. Wie unten noch dargestellt werden wird, schützen die Vorschriften zur Übereinstimmungsbescheinigung auch den Käufer: Indem er ein Fahrzeug mit gültiger Übereinstimmungsbescheinigung erwirbt, kann er darauf vertrauen, dass dieses sämtlichen Vorschriften genügt und damit ohne Weiteres zulassungsfähig ist.
Die Gesetzesanwendung des Gerichts führt nicht dazu, dass nun tausende von Fahrzeugkäufern befürchten müssten, dass ihre Kaufverträge rückabgewickelt werden.
Zunächst bleibt es den Kaufvertragsparteien überlassen, die Nichtigkeit überhaupt einander gegenüber zivilrechtlich geltend zu machen. Im Falle der Nichtigkeit haben die Parteien lediglich das Erlangte herauszugeben, der Käufer also den Nutzungsersatz für die Nutzung des Fahrzeugs. Weitere Nachteile entstehen ihm nicht, insbesondere ist es ihm aufgrund des großen Marktes für Pkw leicht möglich, ein neues Fahrzeug anzuschaffen.
Demgegenüber wäre der mögliche Schaden für den Käufer ohne die Nichtigkeitsfolge größer. Obwohl er auf die Richtigkeit der Übereinstimmungsbescheinigung vertrauen durfte, würde er mit den Risiken der Unrichtigkeit belastet. Sollte das Kraftfahrtbundesamt nicht die Möglichkeit der Wiederherstellung der Übereinstimmung durch eine nachträgliche Nebenbestimmung haben, droht gemäß § 25 Abs. 3 EG-FGV der Widerruf oder die Rücknahme der EG-Typgenehmigung. Das Fahrzeug würde seine Zulassungsfähigkeit verlieren, ohne dass der Käufer hierauf irgendeinen Einfluss nehmen könnte. Wären Gewährleistungsansprüche verjährt und Schadensersatzansprüche z.B. wegen fehlender Möglichkeit des Nachweises von Verschulden nicht begründet oder durchsetzbar, würde er mit dem Verlust der Nutzungsmöglichkeit eines Fahrzeugs belastet, für das er einen nicht unerheblichen Teil seines Vermögens eingesetzt hat. Diese Verlagerung des Risikos vom Hersteller, der die Fahrzeugentwicklung, das Prüfverfahren und die Herstellung voll in der Hand hat, auf den Endabnehmer wäre unbillig. Daher ist es sachgerecht, wenn das Fahrzeug im Rahmen der Rückabwicklung in der Lieferkette zu demjenigen zurückgelangt, der das Fahrzeug hergestellt und in den Verkehr gebracht hat und die Änderung des Fahrzeugs entsprechend der nachträglichen Nebenbestimmungen durchführen kann. Das so geänderte Fahrzeug kann er dann mit gültiger Übereinstimmungsbescheinigung wieder veräußern.
(e) Die Ungültigkeit der Übereinstimmungsbescheinigung führt auch nicht nur zu einer schwebenden Wirksamkeit oder Unwirksamkeit des Kaufvertrages, so lange die Möglichkeit besteht, dass die Gültigkeit durch eine nachträgliche Nebenbestimmung gemäß § 25 Abs. 2 EG-FGV und entsprechende Änderungen an dem Fahrzeug wiederhergestellt wird.
Denn dadurch würde für zu lange Zeit ein unsicherer Rechtszustand hergestellt (vorliegend ist von der Feststellung der Software bis zum Beginn der Durchführung des Updates über ein Jahr vergangen), der erhebliche weitere Probleme zur Folge haben könnte (z.B. Kosten von Reparaturen, Zerstörung des Fahrzeugs durch einen Unfall, beabsichtigte Weiterveräußerung des Fahrzeugs). Wegen der o.g. Risikoverteilung zwischen Käufer/Verkäufer/Hersteller kann dies dem Käufer nicht zugemutet werden.
(2) Die Berufung des Klägers auf die Nichtigkeit ist auch nicht wegen des allgemeinen, aus § 242 BGB abgeleiteten Grundsatzes von Treu und Glauben ausgeschlossen. Dies wäre dann der Fall, wenn die Gültigkeit der Übereinstimmung durch eine einfache Maßnahme an dem Fahrzeug wiederhergestellt werden könnte. In diesem Fall könnte es unbillig sein, wenn der Käufer, der das Fahrzeug so wie gewollt gekauft und erhalten hat, sich aus anderen Motiven auf die Nichtigkeit beruft, während der Grund der Nichtigkeit ohne Weiteres beseitigt werden könnte.
Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall. Zwar tragen die Beklagten vor, es sei möglich, die Übereinstimmung und die Einhaltung der gesetzlichen Abgaswerte durch das Aufspielen eines Software-Updates mit einem Zeitaufwand von 30 Minuten wiederherzustellen. Demgegenüber trägt der Kläger jedoch substantiiert und unter Berufung auf namhafte Quellen (Wolfgang Eifler, Inhaber des Lehrstuhls für Verbrennungsmotoren in der Fakultät für Maschinenbau der Ruhr-Universität Bochum; Reif, Abgastechnik für Dieselmotoren; Prof. David E. Foster, Phil und Jean Myers, Prof. emer. des Engine Research Center der University of Wisconsin-Madison, Anlage R14; Klage des Generalstaatsanwalts von New York; italienische Verbraucherorganisation; ADAC; „Auto Motor und Sport“ Umfrage der „Wirtschaftswoche“ „Focus Online“ Forum www.motor-talk.de, Detlef Moszicke, Chef des Bundesverbands der freien Werktstätten in Deutschland) vor, das Update würde zu den von ihm benannten Nachteilen führen. Auch wenn das Gericht diese Berichte nicht für beweisrechtlich relevant hält, ergibt sich aus diesen jedoch die nachvollziehbare und objektiv begründete Befürchtung des Klägers, das Software-Update werde nicht ohne Nachteile für sein Fahrzeug sein.
Eine vollständige Überprüfung der Richtigkeit der jeweiligen Parteivorträge ist dem Gericht nicht möglich. Bei den von dem Kläger vorgetragenen Nachteilen handelt es sich auch um solche, die erst nach einer längeren Nutzung des Fahrzeugs nach dem Update entstehen. Die Durchführung einer derartigen Dauerbelastung im Rahmen der Erholung eines Sachverständigengutachtens, in dem das Fahren von mehreren tausend Kilometern simuliert würde, vermindert jedoch den Wert des Fahrzeugs erheblich. Wenn ein Gutachten dann zu dem Ergebnis kommt, dass die von dem Kläger vorgetragenen Nachteile nicht entstehen, würde dieser unangemessen belastet.
Die wissenschaftliche Überprüfung der Entstehung von Nachteilen ohne Durchführung eines tatsächlichen Tests am konkreten Fahrzeug ist nicht möglich, da die Terminsbevollmächtigte der Beklagten zu 2) im Termin angegeben hat, dass die Beklagte zu 2) den konkreten Inhalt der Software nicht herausgaben kann und will, da es sich um ein zu umfangreiches und unverständliches digitales Dokument handele und die Beklagte zu 2) anderenfalls Betriebsgeheimnisse offenlegen würde.
Ist die Überprüfung der Einfachheit der Wiederherstellung der Gültigkeit aber nicht ohne Weiteres möglich, besteht kein Grund dafür, zulasten des Klägers von der grundsätzlichen Nichtigkeitsfolge abzusehen.
(3) Auf die Kenntnis der Parteien von dem Verbot oder der Erfüllung dessen Voraussetzungen kommt es nach § 134 BGB nicht an.
b) Für den Fall, dass es tatsächlich nur auf die formelle Gültigkeit der EG-Übereinstimmungsbescheinigung ankäme, läge in der Erteilung einer materiell unrichtigen EG-Übereinstimmungsbescheinigung jedenfalls ein ebenfalls nach § 134 BGB verbotenes Umgehungsgeschäft. Indem mithilfe einer formell gültigen EG-Übereinstimmungsbescheinigung ein Fahrzeug in den Verkehr gebracht wird, das keinem bisher geprüften und genehmigten Typ entspricht, würde das zwingende Erfordernis des Durchlaufens eines EG-Typengenehmigungsverfahrens für Fahrzeuge gemäß § 3 Abs. 1 FZV, § 3 EG-FGV, Art. 4, 8, 11 RL 2007/46/EG, in dem die Einhaltung zwingender technischer, gesundheits- und umweltschützender Vorschriften überprüft wird, für dieses Fahrzeug umgangen. Das Umgehungsgeschäft würde aufgrund der oben genannten Erwägungen ebenfalls zur Nichtigkeit des Kaufvertrages führen. (vgl. zum Umgehungsgeschäft MüKo/Armbrüster BGB, Rn. 11 ff., Fn. 73 m.w.N. zur Umgehung von Qualifikationsanforderungen und Genehmigungspflichten) c))
Aufgrund der Nichtigkeit der auf den Abschluss des Kaufvertrages gerichteten Willenserklärungen des Klägers und der Beklagten zu 1) haben die Parteien den Kaufpreis und das Fahrzeug ohne rechtlichen Grund erlangt und sind jeweils zur Herausgabe verpflichtet, § 812 Abs. 1 S. 1 BGB. Überdies hat der Kläger durch die Benutzung des Fahrzeugs Gebrauchsvorteile an diesem erlangt, deren Wert er der Beklagten zu 1) gemäß § 818 Abs. 1 BGB zu ersetzen hat.
Das Fahrzeug wurde ausweislich des als Anlage vorgelegten Kaufvertrages mit einem Kilometerstand von 10.000 km übergeben. Im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung betrug der Kilometerstand 131.494 km.
Das Gericht schätzt die Gesamtkilometerleistung des Fahrzeugs gemäß § 287 Abs. 1 S. 1 ZPO auf 250.000 km. Die Parteien haben hierzu keinerlei substantiierte Angaben gemacht. Wenngleich – wie der Terminsvertreter des Klägers aufgrund eigener Erfahrung mit einem VW Passat Diesel 2,0 l angegeben hat – eine Fahrleistung auch bis zu 400.000 km möglich ist, ist für die Schätzung von einer durchschnittlichen Nutzungsdauer auszugehen. Zwar können entsprechende Fahrzeuge auch bei einem Kilometerstand von 250.000 km noch zu einem Wert von 3.000 bis 4.000 € verkauft werden, wenn sie sich in einem guten Erhaltungszustand befinden. Die Regel ist dies jedoch nicht. Überwiegend werden Fahrzeuge mit einer Fahrleistung über 250.000 km nicht mehr genutzt, sondern zu einem geringen Preis zur Gebrauchtteileverwertung oder Verwendung im Ausland verkauft, da bei dann erforderlichen Reparaturarbeiten die Kostentragung dem Eigentümer wirtschaftlich nicht mehr sinnvoll erscheint.
Daraus ergibt sich ein von dem Kläger an die Beklagte zu 1) zu zahlender Nutzungsersatz in Höhe von 14.384,89 € (121.494 / 250.000 x 29.600).
Die Berücksichtigung des Nutzungsersatzes erfolgt jedoch nicht nur im Rahmen der Zug-um-Zug-Verurteilung, sondern dieser ist nach der für die Rückabwicklung gegenseitiger Verträge im Bereicherungsrecht geltenden Saldotheorie bereits von dem Kaufpreisrückzahlungsanspruch des Klägers abzuziehen. Ergeben sich aus §§ 812 Abs. 1, 818 BGB einzelne Zahlungsansprüche der Beteiligten, so sind diese von vornherein miteinander zu verrechnen. Es steht dann nur demjenigen ein Anspruch auf Zahlung zu, bei dem nach der Verrechnung ein Überschuss verbleibt (vgl. Palandt/Sprau, § 818, Rn. 47-50).
2) Der Anspruch auf Zahlung von Verzugszinsen besteht ab Rechtshängigkeit der Klage gemäß §§ 286 Abs. 1 S. 2, 288 Abs. 1 BGB. Tatsachenvortrag zu einem früheren Verzugsbeginn ist durch den Kläger nicht erfolgt. Insbesondere stellt das erstmalige Anfechtungs-/Rücktrittsschreiben unter Fristsetzung zur Rückabwicklung nicht bereits eine Mahnung im Sinne des § 286 Abs. 1 S. 1 BGB dar.
3) Der Kläger hat gegen die Beklagte zu 2) einen Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 6 Abs. 1 S. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV, §§ 276, 166 Abs. 1 analog BGB, da sie schuldhaft gegen ein Schutzgesetz verstoßen hat.
a) Gemäß § 6 Abs. 1 EG-FGV hat der Inhaber der EG-Typgenehmigung für jedes dem genehmigten Typ entsprechende Fahrzeug eine Übereinstimmungsbescheinigung nach Artikel 18 in Verbindung mit Anhang IX der Richtlinie 2007/46/EG auszustellen und dem Fahrzeug beizufügen. Gemäß § 27 Abs. 1 EG-FGV dürfen neue Fahrzeuge im Inland nur zur Verwendung im Straßenverkehr feilgeboten und veräußert werden, wenn sie mit einer gültigen Übereinstimmungsbescheinigung versehen sind.
Diese Normen sind Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB. Schutzgesetz ist jede Rechtsnorm – also auch eine Verordnung -, die nach Zweck und Inhalt zumindest auch dazu dienen soll, den Einzelnen gegen die Verletzung eines bestimmten Rechtsguts zu schützen. Bei Ge- und Verboten müssen das geschützte Interesse, die Art seiner Verletzung und der Kreis der geschützten Personen hinreichend bestimmt sein. Es kommt nicht auf die Wirkung, sondern auf Inhalt und Zweck des Gesetzes an sowie darauf, ob der Gesetzgeber bei Erlass gerade einen Rechtsschutz, wie er wegen der behaupteten Verletzung in Anspruch genommen wird, zugunsten von Einzelpersonen intendiert hat. Dass die Rechtsnorm nach daneben oder sogar in erster Linie das Interesse der Allgemeinheit im Auge hat, schadet nicht, solange der Schutz des Einzelnen nicht nur bloßer Reflex der Norm ist. Die Schaffung eines individuellen Schadensersatzanspruchs muss zumindest im Rahmen des haftpflichtrechtlichen Gesamtsystems sinnvoll und tragbar erscheinen. Ob dies der Fall ist, ist durch umfassende Würdigung des gesamten Regelungszusammenhangs der Norm zu entscheiden (vgl. Palandt/Sprau, § 823, Rn. 57, 58 m.w.N.).
Zur Herleitung des Schutzzwecks einer Norm, die erkennbar der Umsetzung einer europarechtlichen Richtlinie dient, sind insbesondere auch Text und Gründe der Richtlinie heranzuziehen.
Gemäß Art. 1 RL 2007/46/EG schafft die Richtlinie einen harmonisierten Rahmen mit den Verwaltungsvorschriften und allgemeinen technischen Anforderungen für die Genehmigung aller in ihren Geltungsbereich fallender Neufahrzeuge und der zur Verwendung in diesen Fahrzeugen bestimmten Systeme, Bauteile und selbständigen technischen Einheiten; damit sollen ihre Zulassung, ihr Verkauf und ihre Inbetriebnahme in der Gemeinschaft erleichtert werden. Gemäß Ziffer 2) der Erwägungsgründe sollten im Interesse der Verwirklichung und des Funktionierens des Binnenmarktes der Gemeinschaft die Genehmigungssysteme der Mitgliedstaaten durch ein gemeinschaftliches Genehmigungsverfahren ersetzt werden.
Gemäß Art. 26 Abs. 1 RL 2007/46/EG gestatten die Mitgliedstaaten die Zulassung, den Verkauf oder die Inbetriebnahme von Fahrzeugen nur dann, wenn sie mit einer gültigen Übereinstimmungsbescheinigung nach Artikel 18 versehen sind.
Gemäß der o.g. Entscheidung des EuGH hat ein europäischer Bürger bei Vorliegen der Typgenehmigung und einer gültigen Übereinstimmungsbescheinigung gegenüber der Zulassungsstelle eines Mitgliedsstaates einen Anspruch auf Zulassung des Fahrzeuges ohne das Erfordernis der Erfüllung weiterer Kriterien oder Überprüfungen. Insbesondere der Kauf und die Zulassung eines in einem anderen Mitgliedstaat hergestellten Fahrzeuges werden durch das System der EG-Typgenehmigung und der EG-Übereinstimmungsbescheinigung erleichtert. Diese Erleichterung trifft nicht den Binnenmarkt als übergeordnetes allgemeines Ziel und den Bürger nur reflexhaft.
Die Schutzwirkung für den einzelnen Käufer wurde durch die Verordnung (EG) Nr. 385/2009 der Kommission vom 07. Mai 2009 zur Ersetzung des Anhangs IX der Richtlinie 2007/46/EG ausdrücklich erklärt. In deren Erwägungsgründen heißt es: „Die Übereinstimmungsbescheinigung … stellt eine dem Käufer des Fahrzeugs ausgehändigte offizielle Erklärung dar, dass ein bestimmtes Fahrzeug gemäß den Anforderungen der Gemeinschaftsvorschriften für die Typgenehmigung gebaut worden ist. Es ist sicherzustellen, dass die Angaben auf der Übereinstimmungsbescheinigung für die beteiligten Verbraucher und Wirtschaftsteilnehmer verständlich sind. Das Muster der Übereinstimmungsbescheinigung sollte alle technischen Angaben enthalten, die die Behörden der Mitgliedstaaten brauchen, um die Inbetriebnahme von Fahrzeugen zu ermöglichen. … Die technischen Daten in der Übereinstimmungsbescheinigung eignen sich als Information für die Zulassung. Um die Verwaltungslasten für die europäischen Bürger … zu verringern, sollte die Übereinstimmungsbescheinigung auch alle gemäß der Richtlinie 1999/37/EG erforderlichen Informationen enthalten.“
Unmittelbarer Zweck der Übereinstimmungsbescheinigung selbst ist damit nicht der Schutz der Umwelt oder anderer allgemeiner Ziele, die im EG-Typgenehmigungsverfahren überprüft werden, sondern neben der Erleichterung des behördlichen Zulassungsverfahrens und damit hoheitlichen Handelns vor allem auch die Ermöglichung des freien Warenverkehrs, indem Käufer von Fahrzeugen, die in Mitgliedstaaten der Europäischen Union hergestellt bzw. gekauft wurden, darauf vertrauen können, dass dieses Fahrzeug aufgrund des einheitlichen Prüfverfahrens in jedem Mitgliedstaat zugelassen werden wird. Hiermit wird gerade der einzelne Käufer, der auf die Gültigkeit der Übereinstimmungsbescheinigung vertraut, geschützt.
(a.A. LG Braunschweig, a.a.O., mit vielen Argumenten, jedoch ohne Einbeziehung der Verordnung (EG) Nr. 385/2009)
b) Wie oben bereits ausgeführt, hat die Beklagte zu 2) gegen die o.g. Normen verstoßen, indem sie dem streitgegenständlichen Fahrzeug bei Feilbieten und Veräußerung keine gültige Übereinstimmungsbescheinigung beigefügt hat, obwohl es tatsächlich nicht dem genehmigten Typ entspricht.
c) Gemäß § 823 Abs. 2 S. 2 BGB tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein. Verschulden besteht bei Vorsatz oder Fahrlässigkeit, § 276 Abs. 1 S. 1 BGB.
Die Beklagte zu 2) handelte mindestens fahrlässig, da sie als juristische Person so zu behandeln ist, als habe sie trotz Kenntnis von der Installation der Software in dem streitgegenständlichen Fahrzeug und damit von der Abweichung vom genehmigten Typ die Übereinstimmungsbescheinigung ausgestellt.
Hierbei kommen die Grundsätze der Wissenszusammenrechnung gemäß § 166 Abs. 1 BGB analog zum Tragen.
Größere Betriebe dürfen durch die mit stärkerer Arbeitsteilung verbundene Wissensaufspaltung nicht begünstigt werden. Der Gläubiger einer juristischen Person darf nicht schlechter gestellt werden, als wenn er es nur mit einer einzigen natürlichen Person zu tun hätte. Hätte vorliegend eine Einzelperson die Fahrzeuge hergestellt, eine Typengenehmigung erlangt und dann die unrichtige Übereinstimmungsbescheinigung erstellt, stünde es außerfrage, dass diese den durch ihr Verhalten entstandenen Schaden zu ersetzen hat. Das Risiko der Wissensaufteilung soll derjenige tragen, der sie veranlasst hat und durch zweckmäßige Organisation beherrschen kann. Eine am Rechtsverkehr teilnehmende Organisation muss so organisiert sein, dass Informationen, deren Relevanz für andere Personen innerhalb dieser Organisation bei den konkret Wissenden erkennbar ist, tatsächlich an jene Personen weitergegeben werden. Umgekehrt muss sichergestellt sein, dass ggf. nach erkennbar anderswo in der Organisation vorhandenen und für den eigenen Bereich wesentlichen Informationen nachgefragt werde.
Daher ist einer juristischen Person das von einem ihrer Mitarbeiter im Rahmen seiner für die juristische Person erlangte Wissen dann als eigenes Wissen zuzurechnen, wenn es typischerweise aktenmäßig festgehalten wird und für einen späteren Akt wieder abgerufen werden muss, das heißt wenn für denjenigen Menschen, für den die Zurechnung gelten soll, wenigstens eine reale Möglichkeit, aber auch ein Anlass bestand, sich das Wissen in der konkreten Situation zu beschaffen. Die Kenntnis der juristischen Person ergibt sich dann daraus, dass sie das Aktenwissen besitzt und seine Nutzung nicht in ihrem Belieben steht, sondern normativen Verkehrsschutz-Anforderungen unterliegt. Die Verantwortung für das einmal erlangte Wissen schließt die Verpflichtung ein, seine Verfügbarkeit zu organisieren. Kommt die juristische Person dieser Rechtspflicht nicht nach, muss sie sich materiell-rechtlich so behandeln lassen, als habe sie von der Information Kenntnis. (vgl. u.a. BGH, NJW 1996, 1339))
Vorliegend war die Beklagte zu 2) zur Organisation eines Informationsaustauschs zwischen den beteiligten Personen verpflichtet, d.h. zwischen den Entwicklern des Motors und der Motorsteuergerätesoftware, die bereits im Zeitpunkt der Entwicklung die Einhaltung der gesetzlichen Grenzwerte zum Stickoxidausstoß als Ziel im Auge hatten; den Personen, die das Fahrzeug zum Prüfverfahren der EG-Typgenehmigung vorstellten; und den Personen, die in der Folge die Übereinstimmungsbescheinigung erteilten. Die Entwickler hätten die die Prüfung herbeiführenden Personen über die tatsächliche Beschaffenheit und die Voraussetzungen, unter denen die relevanten Grenzwerte einzuhalten sind, informieren müssen – während die anderen jeweils sämtliche relevanten Informationen über die Beschaffenheit des Fahrzeugs und die Möglichkeiten der Einhaltung der Grenzwerte hätten bei den Entwicklern abrufen müssen. Wer die Übereinstimmungsbescheinigung ausgestellt hat wiederum hätte sich darüber informieren müssen, ob das jeweilige Einzelfahrzeug tatsächlich dem genehmigten Typ entspricht.
d) Welcher konkrete Schaden dem Kläger durch die Schutzgesetzverletzung kausal entstanden ist, und ob dieser jeweils dem Schutzbereich der Norm unterfällt, hat aufgrund des Feststellungsantrags des Klägers allein zum Haftungsgrund dahingestellt zu bleiben.
Hierbei wird jedoch unerheblich sein, dass dem Kläger die Übereinstimmungsbescheinigung tatsächlich erst nach Abschluss des Kaufvertrages übergeben wurde, denn jedenfalls wird im Rahmen des Abschlusses eines Pkw-Kaufvertrages der Händler immer konkludent miterklären, dass das Fahrzeug grundsätzlich über die Voraussetzungen einer Zulassung und damit des Vorliegens einer gültigen Übereinstimmungsbescheinigung verfügt, und der Käufer hierauf vertrauen.
Auch wenn die Beklagte zu 2) die Übereinstimmungsbescheinigung nicht unmittelbar an den Kläger übergeben hat, so war sie nach dem Wissen der Beklagten zu 2) letztlich für diesen bestimmt, so dass jedenfalls die Voraussetzungen einer zum Ersatz führenden mittelbaren Schädigung vorliegen.
4) Der Antrag auf Feststellung des Annahmeverzugs gemäß § 293 BGB ist unbegründet. Der Kläger hat keinerlei Lebenssachverhalt vorgetragen, dass er der Beklagten zu 1) die Rückgewähr des streitgegenständlichen Fahrzeugs tatsächlich gemäß § 294 BGB oder wörtlich gemäß § 295 BGB angeboten hätte.
5) Der Kläger hat gegen die Beklagten keine Ansprüche auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten.
a) Gegen die Beklagte zu 1) hat der Kläger unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten für das Schreiben vom 07.07.2016.
aa) Die Kosten stellen keine zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen dar, die die Beklagte zu 2) als Verkäuferin eines mangelhaften Fahrzeugs gemäß § 439 Abs. 2 BGB zu tragen hätte. Es kann dahinstehen, ob die Kosten der Geltendmachung der Mängelrechte hiervon überhaupt erfasst sind, denn jedenfalls hat der Kläger mit dem Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten die Anfechtung bzw. den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt. Damit und im Rahmen dieses Verfahrens hat er ausdrücklich erklärt, dass er an dem Kaufvertrag nicht festhalten will. Eine Nacherfüllung verlangt er gerade nicht. Damit kann er sich jedoch auch nicht auf § 439 BGB berufen, der nach Überschrift und Inhalt ausschließlich die sich aus dem Nacherfüllungsanspruch ergebenden Rechte und Pflichten der Kauvertragsparteien regelt.
bb) Der Kläger kann die Kosten auch nicht als Schadensersatzposition gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB geltend machen. Denn er hat gegen die Beklagte zu 1) keinen Anspruch auf Schadensersatz. Sämtliche in Betracht kommende Normen §§ 311, 241 Abs. 2 BGB, §§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. UWG, §§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB, § 826 BGB (vorvertragliche Pflichtverletzung, unlauterer Wettbewerb, Betrug, vorsätzliche sittenwidrige Schädigung wegen falscher Information über den tatsächlichen NOx-Ausstoß, die Umweltfreundlichkeit des Fahrzeugs, die Installation einer Abschalteinrichtung) sowie §§ 280 Abs. 1, 281, 433, 434 BGB (Schadensersatz wegen Lieferung einer mangelhaften Sache) setzen ein Verschulden/Vertretenmüssen des Anspruchsgegners voraus. Dies ist vorliegend nicht gegeben.
(1) Unstreitig hatte die Beklagte zu 1) von der Installation der Software keine Kenntnis. Ein eigenes Verschulden/Vertretenmüssen scheidet daher aus.
(2) Ihr wird aber auch nicht ein etwaiges Verschulden, insbesondere die Kenntnis der Beklagten zu 2) zugerechnet.
(a) Insofern kann dahinstehen, ob die Beklagte zu 1) tatsächlich über eine Zwischengesellschaft ein 100%-iges Tochterunternehmen der Beklagten zu 2) ist. Denn eine Wissenszurechnung zweier juristischer Personen im Rahmen eines Konzerns findet nur ausnahmsweise unter engen Voraussetzungen statt, die hier nicht vorliegen. Die von dem Kläger pauschal vorgetragene „gesellschaftsrechtliche Zurechnung“ gibt es nicht.
Aufgrund des Trennungsprinzips bildet jede rechtlich selbständige Konzerngesellschaft eine selbständige Haftungseinheit. Ein Durchgriff von einer Tochterauf die Muttergesellschaft und umgekehrt kommt daher nur in seltenen Ausnahmefällen in Betracht. Durch eine voraussetzungslose konzernweite Pauschalzurechnung würde die rechtliche Separierung sonst vollständig aufgelöst. Vielmehr bedarf es besonderer Umstände, die bei wertender Beurteilung abweichend von dem Grundsatz der Trennung unter Berücksichtigung der Interessenlage aller Beteiligten eine Wissenszurechnung rechtfertigen.
Eine Zurechnung könnte ausnahmsweise in folgenden Fällen möglich sein:
– wenn die Wahrnehmung der Aufgaben der juristischen Person so organisiert ist, dass ein Teil ihres Aufgabenbereichs auf eine selbständige juristische Einheit ausgegliedert ist, die Tochtergesellschaft also Aufgaben wahrnimmt, deren Wahrnehmung grundsätzlich der Muttergesellschaft obliegen, so dass nur eine rein formale Trennung vorliegt, während eine einheitliche unternehmerische Planung erfolgt und Leitungsmacht gegenüber der Tochtergesellschaft tatsächlich ausgeübt wird
– wenn bei gebührender Konzernorganisation entsprechende Informationen der einen an die andere Gesellschaft gelangt wären
– wenn beide Gesellschaften nach außen als funktionale Einheit auftreten
– bei missbräuchlicher Ausnutzung der Organisationsstruktur des Konzerns, um gerade dadurch die Haftung für in einer Gesellschaft vorhandenes Wissen oder Handeln ausschließen zu können (vgl. Emmerich, JuS 2011, 651, Hüffer/Koch, AktG, § 78, Rn. 29, MüKo/Schubert, BGB, § 166, Rn. 61 f., Spindler, AktG, § 78, Rn. 99, BGH, NJW 2001, 359))
Diese Voraussetzungen lassen sich schon aufgrund des klägerischen Vortrags nicht feststellen.
Da die Beklagte zu 2) Fahrzeuge herstellt, die dann über eine Vielzahl verschiedener Autohändler vertrieben werden, liegt keine Ausgliederung eines ihr eigentlich obliegenden Aufgabenbereichs vor.
Ein Auftreten als funktionale Einheit liegt ebenfalls nicht vor. Hierfür wäre erforderlich, dass ein Käufer sie derart als zusammengehörig ansehen durfte. Auch wenn die Beklagte zu 1) vielfach das Logo der Beklagten zu 2) und deren Prospekte verwendet, ist im allgemeinen Rechtsverkehr bekannt, dass Hersteller und Verkäufer eines Fahrzeuges voneinander getrennte Unternehmen sind. Dies ergibt sich schon aus der Bezeichnung als „Vertragshändler“. Denn daraus wird ersichtlich, dass der Händler einen bestimmten Vertrag mit dem Hersteller abgeschlossen hat. Eines solchen Vertrages bedürfte es nicht, wenn der Händler nur unselbständiger Teil des Herstellers wäre.
Die zwischen den Beklagten bestehenden Vereinbarungen des Vertragshändlervertrages und die sich daraus ergebenden Machtverhältnisse sind dem Außenstehenden unbekannt. Hieraus kann daher keine ausnahmsweise Zurechnung aufgrund des Verkehrsschutzes hergeleitet werden.
(2) Eine Zurechnung fremden Wissens allein aufgrund einer engen Bindung an eine andere Person (Vertragshändlervertrag) gibt es nicht.
b) Bezüglich der Beklagten zu 2) hat der Kläger schon gar keine vorgerichtliche Tätigkeit seiner Prozessbevollmächtigten vorgetragen, für die eine Rechtsanwaltsvergütung zu zahlen wäre.
III.
1) Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1 S. 1 ZPO. Das Gericht hatte die Kostentragung der Parteien aufgrund ihres Obsiegens und Unterliegens im Verhältnis zum Gesamtstreitwert sowie im Verhältnis des Klägers zu den einzelnen Streitgenossen zu ermitteln.
Da die gegen die Beklagten gerichteten Klageanträge wirtschaftlich identisch waren, da der Kläger gegen beide vornehmlich die Rückabwicklung des Kaufvertrages begehrt, hat das Gericht in der mündlichen Verhandlung mit Zustimmung der Parteien den Streitwert insgesamt auf 29.600,00 € festgelegt. Da der Kläger gegenüber der Beklagten zu 2) nur einen Feststellungsantrag verfolgt, war bzgl. dieses Teils ein Abschlag von 20% zu machen, so dass im Verhältnis des Klägers zur Beklagten zu 2) ein Streitwert von 23.680,00 € anzusetzen war.
a) Der für die Ermittlung der Kostentragungspflicht der Gerichtskosten maßgebliche fiktive Streitwert beträgt somit 53.280,00 € (29.600 + 23.680).
Im Verhältnis hierzu ist der Kläger mit 14.384,89 €, die Beklagte zu 1) mit 15.215,11 und die Beklagte zu 2) mit 23.680,00 € unterlegen, so dass sie die Gerichtskosten im Umfang von 27%, 29% und 44% zu tragen haben.
b) Im Verhältnis des Klägers zu den einzelnen Streitgenossen ist der Kläger gegenüber der Beklagten zu 1) mit 14.384,89 € bei einem Streitwert von 29.600,00 € unterlegen, so dass er 49% der außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) zu tragen hat, während die Beklagte zu 1) entsprechend der Ausführungen unter Ziffer 1) 29% der Kosten des Klägers trägt.
Gegenüber der Beklagten zu 2) hat der Kläger in vollem Umfang obsiegt, so dass die Beklagte zu 2) entsprechend der Ausführungen unter Ziffer 1) 44% seiner Kosten zu tragen hat. Ihre eigenen außergerichtlichen Kosten hat die Beklagte zu 2) selbst zu tragen, da sie in ihrem Prozessrechtsverhältnis voll unterlegen ist.
2) Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht für den Kläger gemäß § 709 ZPO und für die Beklagte zu 1) gemäß §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.