Aktenzeichen M 17 M 17.46968
Leitsatz
1 Der nach § 162 Abs. 2 S. 3 VwGO zugunsten der Behörde vorgesehene Rückgriff auf die Geltendmachung eines Pauschhöchstbetrages als Auslagenersatz anstelle der Geltendmachung und des Nachweises der Einzelauslagen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen ändert nichts an der Tatsache, dass für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen tatsächlich (notwendige) Aufwendungen im Rahmen des Prozessverfahrens seitens der Behörde stattgefunden haben müssen. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
2 Eine Übersendung der Kostennote im Klageverfahren kann einen Anspruch auf Festsetzung der Pauschale ebenso wenig begründen wie der Antrag auf Entscheidung des Gerichts im Erinnerungsverfahren, da nach § 162 Abs. 1 VwGO die Aufwendungen während des eigentlichen Prozessverfahrens angefallen sein müssen (VG München BeckRS 2018, 32289). (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Erinnerung wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Erinnerungsverfahrens.
Gründe
I.
Mit Urteil vom 6. April 2017 (M 17 K 16.35657) hat das Verwaltungsgericht München den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 28. November 2016 in den Nrn. 3 bis 6 aufgehoben und die Antragstellerin verpflichtet, den Antragsgegnern subsidiären Schutz zuzuerkennen, den Antragsgegnern zu 1) und 4) jedoch erst zu dem Zeitpunkt, in dem die Zuerkennung subsidiären Schutzes der Antragsgegner zu 2) und 3) rechtskräftig geworden ist; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Die Kosten hat das Gericht den Antragsgegnern und der Antragstellerin jeweils zur Hälfte auferlegt. Im Klageverfahren hat das Bundesamt lediglich die elektronische Asylakte übermittelt, sich aber ansonsten nicht geäußert.
Auf Kostenausgleichsantrag der Antragsgegner erging am 11. Juli 2017 Kostenfestsetzungsbeschluss, in dem die den Antragsgegnern im Klageverfahren entstandenen notwendigen Aufwendungen auf 1.380,40 € festgesetzt wurden, sodass die Antragstellerin 1/2 = 690,20 € zu tragen hat. Aufwendungen der Antragstellerin wurden nicht angesetzt.
Hiergegen beantragte die Antragstellerin am 14. Juli 2017 die Entscheidung des Gerichts. Es wurde beantragt, Postauslagen entsprechend § 162 Abs. 2 Satz 3 VwGO in Höhe von 20,- € zu berücksichtigen. Zur Begründung wurde mit Schreiben vom 27. Juli 2017 vorgetragen, dass die allgemeine Prozesserklärung vom 27. Juni 2017 dem nicht entgegenstehe, da sich diese nicht auf den Kostenausgleich nach § 106 ZPO, sondern nur auf Kostenfestsetzungsanträge nach § 104 ZPO, mithin nur auf Klageverfahren beziehe, in denen das Bundesamt vollständig obsiege. Der Begriff der Telekommunikationsdienstleistung umfasse sowohl Telefon, Fax als auch E-Mail und somit auch die Übersendung der Akte auf elektronischem Wege.
Die Urkundsbeamtin half dem Antrag nicht ab und legte den Vorgang dem Gericht am 2. August 2017 zur Entscheidung vor. Voraussetzung für die Pauschale sei, dass der Behörde im jeweiligen Verfahren tatsächlich Kosten für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen entstanden seien. In der Gerichtsakte befinde sich weder ein Schreiben der Antragstellerin noch ein Hinweis auf entsprechende Dienstleistungen. Es sei lediglich die Akte auf elektronischem Weg über das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) übersandt worden. Das EGVP stehe den Nutzern kostenfrei zur Verfügung. Tatsächliche Kosten, die die Entstehung der Pauschale nach Nr. 7002 RVG rechtfertigen würden, seien der Antragstellerin nicht entstanden.
Die Parteien erhielten hierzu Gelegenheit zur Stellungnahme. Mit Schreiben vom 14. September 2017 wiederholte die Antragstellerin ihr Vorbringen und führte ergänzend aus, dass Hintergrund der Geltendmachung der Postpauschale bei Verfahren mit Kostenteilung sei, dass beim Kostenausgleich die Kosten beider Parteien ohne zusätzlichen Aufwand miteinander verrechnet werden könnten, während beim reinen Obsiegen die Kosten direkt beim Verfahrensgegner angefordert werden müssten, was durch die dafür entstehenden Sach- und Personalkosten bei Beträgen von 20,- € für die Postpauschale im Regelfall unwirtschaftlich sei. Auch die elektronische Bearbeitung von Verwaltungsvorgängen verursache Ausgaben/Kosten (Gehalt der Mitarbeiter, technische Ausstattung, Sachausgaben, Miete, Anschaffung, Strom etc.), die gerade in die Postauslagen entsprechend § 162 Abs. 2 Satz 3 VwGO einflössen und auch die Übersendung des Prozesskostenausgleichs, die Erinnerung und die Stellungnahme erfolgten postalisch, sodass damit Porti entstünden. Zudem habe auch das Verwaltungsgericht München in der Vergangenheit in einigen Kostenfestsetzungsbeschlüssen (KFB vom 11.07.2017 – M 13 K 16.34383; KFB vom 17.07.2017 – M 11 K 15.30823; KFB vom 31.07.2017 – M 22 K 15.50902) die Postauslagen des Bundesamtes berücksichtigt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten in diesem Verfahren und im Verfahren M 17 K 16.35657 verwiesen.
II.
Die innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe des Kostenfestsetzungsbeschlusses erhobene, statthafte (§ 165 Satz 2 i.V.m. § 151 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO) Kostenerinnerung, über die der auch für die Hauptsache zuständige Einzelrichter zur Entscheidung berufen ist (vgl. BVerwG, B.v. 14.2.1996 – 11 VR 40/95 – juris Rn. 2; BayVGH, B.v. 03.12.2003 – 1 N 01.1845 – juris Rn. 9 ff.), ist zulässig, aber unbegründet.
Die Urkundsbeamtin hat die Festsetzung der Pauschale für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen i.H.v. 20,- € zu Recht abgelehnt.
Die Antragstellerin hat keinen Anspruch auf eine Pauschale für Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen nach Nr. 7002 des Vergütungsverzeichnisses zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (VV RVG). Nach § 162 Abs. 2 Satz 3 VwGO können Behörden den Höchstsatz der Pauschale nur „an Stelle ihrer tatsächlich notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen“ fordern. Auch nach Nr. 7002 Abs. 1 VV RVG besteht der Anspruch auf die erhöhte Pauschale nur „an Stelle der tatsächlichen Auslagen nach Nummer 7001“. Der nach § 162 Abs. 2 Satz 3 VwGO zugunsten der Behörde vorgesehene Rückgriff auf die Geltendmachung eines Pauschhöchstbetrages als Auslagenersatz anstelle der Geltendmachung und des Nachweises der Einzelauslagen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen ändert nichts an der Tatsache, dass für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen tatsächlich (notwendige) Aufwendungen im Rahmen des Prozessverfahrens seitens der Behörde stattgefunden haben müssen. Die Behörde wird lediglich von der Verpflichtung, Einzelnachweise für die jeweiligen Aufwendungen zu erbringen, entbunden (vgl. a. VG München, B.v. 4.1.2018 – M 24 M 17.48673 m.w.N.).
Das Bundesamt hatte hier aber mangels Äußerung im Klageverfahren keine Aufwendungen oder Auslagen. Während des Erkenntnisverfahrens erfolgte kein postalischer Schriftverkehr an das Gericht. Die Behördenakte des Bundesamtes wurde nicht mit Hilfe eines Postdienstleisters (unter Entgeltaufwendung) an das Gericht übermittelt. Eine Übersendung der Kostennote im Klageverfahren kann einen Anspruch auf Festsetzung der Pauschale ebenso wenig begründen wie der Antrag auf Entscheidung des Gerichts im Erinnerungsverfahren. Denn gemäß § 162 Abs. 1 VwGO müssen die Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig gewesen sein. Die Beschränkung auf die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung bewirkt, dass die Aufwendungen während des eigentlichen Prozessverfahrens, hier also des Klageverfahrens, angefallen sein müssen (vgl. a. VG München, B.v. 4.1.2018 – M 24 M 17.48673). Innerbehördliche Betriebs- und Personalkosten, d.h. allgemeine Geschäftskosten des Behördenbetriebs, sind keine Aufwendungen für tatsächlich entstandene Kosten für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen. Bei Behörden sind Generalkosten, die allgemein mit der Prozessführung verbunden sind, nicht zu erstatten (vgl. VG München, B.v. 9.1.2018 – M 17 M 17.47881; B.v. 9.1.2018 – M 19 M 17.48581; B.v. 2.1.2018 – M 19 M 17.49875; B.v. 5.1.2018 – M 24 M 17.46144; B.v. 4.1.2018 – M 24 M 17.48673; Schmidt in Eyermann, VwGO, Kommentar 14. Aufl. 2014, § 162 Rn. 7; Gerold/Schmidt, RVG Kommentar, 23. Auflage, Vorb. 7 VV RVG Rn. 10).
Auch eine Gebühr nach Nr. 7000 Nr. 2 VV RVG kann die Antragstellerin nicht geltend machen, weil sich juristische Personen des öffentlichen Rechts auf diese Dokumentenpauschale nicht berufen können (vgl. § 1 RVG; VG München, B.v. 2.1.2018 – M 19 M 17.49875; SG Fulda, B.v. 4.4.2016 – S 4 SF 45/15 E – juris Rn. 18).
Darauf, dass andere Kostenbeamte des Verwaltungsgerichts die Pauschale für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen i.H.v. 20,- € festsetzten, kann die Antragstellerin ihre Erinnerung mit Erfolg stützen, da es im Rahmen des Gleichbehandlungsgrundsatzes „keine Gleichheit im Unrecht“ geben darf. Die vorschriftskonforme Handhabung einer Vorschrift für die Zukunft verletzt keine schützenswerte, das Vertrauen auf ihren Bestand rechtfertigende Rechtsposition des Betroffenen (vgl. Jarass/Pieroth, GG, 13. Auflage 2014, Rn. 36 zu Art. 3 m.w.N; Dürig/Scholz in Maunz/Dürig, Grundgesetz, Stand 2013, Art. 3 Abs. 1 GG Rn. 179; BVerfG, B.v. 17.1.1979 – 1 BvL 25/77 – juris Rn. 59; BVerwG, B.v. 22.4.1995 – 4 B 55/95 – juris Rn. 4 m.w.N.; BVerwG, U.v. 26.2.1993 – 8 C 20/92 – juris Rn. 14 m.w.N.; BayVGH, U.v. 13.12.2010 – 14 BV 08.1982 – juris Rn. 59; BayVGH, B.v. 30.9.2014 – 9 ZB 11.1119 – juris Rn. 6).
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei (§ 83b AsylG).
Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylG unanfechtbar (vgl. VGH BW, B.v. 28.2.2017 – A 2 S 271/17 – juris Rn. 3).