Aktenzeichen 29 U 4650/15
Leitsatz
Jeder Rechtsunterworfene hat seine Verpflichtungen zu erfüllen ohne dafür ein gesondertes Entgelt zu verlangen. Ein Anspruch auf Ersatz anfallender Kosten besteht nur dann, wenn dies im Gesetz vorgesehen ist. Ist das nicht der Fall, können entstandene Kosten nicht auf Dritte abgewälzt werden, indem Pflichten in Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu individuellen Dienstleistungen gegenüber Vertragspartnern erklärt werden. (red. LS Shanti Viktoria Sadacharam)
Verfahrensgang
12 O 3995/15 2015-11-12 Endurteil LGMUENCHENI LG München I
Tenor
I.
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts München I vom 12. November 2015 aufgehoben.
II.
Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unterlassen, nachfolgende oder mit diesen inhaltsgleiche Bestimmungen in Verträge über kombinierte Leistungen von Dienstleistungen eines Intemetanschlusses und eines Festnetztelefonanschlusses mit Verbrauchern einzubeziehen, sowie sich auf die Bestimmungen bei der Abwicklung derartiger Verträge, geschlossen nach dem 1. April 1977, zu berufen:
Rechnung in Papierform: Pauschale je Rechnung31,50 €
3) Pro erstellter Rechnung. Ihre Rechnung stellen wir Ihnen kostenlos in elektronischer Form im Kundenportal unter www.k…de/portal zur Verfügung.
III.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
IV.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
II. Die zulässige Berufung hat Erfolg.
Dem Kläger steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus §§1,3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 4 UKIaG zu, weil die angegriffene Klausel nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam ist.
1. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die angegriffene Klausel kontrollfähig.
Zwar sind nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB solche Bestimmungen von der Inhaltskontrolle ausgenommen, die Art und Umfang der vertraglichen Hauptleistungspflicht und die hierfür zu zahlende Vergütung unmittelbar regeln (Leistungsbeschreibungen und Preisvereinbarungen); nach dem im Bürgerlichen Recht geltenden Grundsatz der Privatautonomie ist es den Vertragsparteien im Allgemeinen freigestellt, Leistung und Gegenleistung zu bestimmen, und mangels gesetzlicher Vorgaben fehlt es insoweit regelmäßig auch an einem Kontrollmaßstab. Demgegenüber unterliegen solche (Preisneben-)Abreden der Inhaltskontrolle, die sich zwar mittelbar auf Preis und Leistung auswirken, diese aber nicht ausschließlich festlegen, und bestehende Rechtsvorschriften, insbesondere Regelungen des dispositiven Gesetzesrechts, ergänzen oder von diesen abweichen (vgl. BGH NJW2015, 328 Tz. 37).
Bei der genannten Klausel handelt es sich um eine derartige Preisnebenabrede. Sie regelt nicht die für die Telekommunikationsdienstleistungen zu zahlenden Preise selbst. Vielmehr ist ihr Gegenstand das Entgelt für ein von der Beklagten angebotenes Nebenprodukt, das nach dem Konzept der Verträge, nach dem die Rechnungen grundsätzlich nur elektronisch abrufbar erteilt werden, lediglich als Ausnahme anfällt. Das eröffnet die Möglichkeit der Inhaltskontrolle (vgl. BGH NJW2015, 328 Tz. 38).
2. Die angegriffene Klausel verstößt gegen § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB und ist daher unwirksam.
Zu den wesentlichen Grundgedanken des dispositiven Rechts gehört, dass jeder Rechtsunterworfene seine Verpflichtungen zu erfüllen hat, ohne dafür ein gesondertes Entgelt verlangen zu können. Ein Anspruch auf Ersatz anfallender Kosten besteht nur dann, wenn dies im Gesetz vorgesehen ist. Ist das nicht der Fall, können entstandene Kosten nicht auf Dritte abgewälzt werden, indem Pflichten in Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu individuellen Dienstleistungen gegenüber Vertragspartnern erklärt werden. Jede Entgeltregelung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die sich nicht auf eine auf rechtsgeschäftlicher Grundlage für den einzelnen Kunden erbrachte (Haupt- oder Nebenleistung stützt, sondern Aufwendungen für die Erfüllung eigener Pflichten oder für Zwecke des Verwenders abzuwälzen versucht, stellt eine Abweichung von Rechtsvorschriften dar und verstößt deshalb gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Darüber hinaus indiziert die Unvereinbarkeit einer Klausel mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung eine gegen Treu und Glauben verstoßende unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB (vgl. BGH NJW 2015, 328 Tz. 39 m. w. N.).
Die Beklagte ist verpflichtet, ihren Kunden Rechnungen in Papierform zu erteilen (vgl. dazu BGH NJW 2015, 328 Tz. 40) und kann daher hierfür kein gesondertes Entgelt verlangen. Die Beklagte stellt ihren Kunden Rechnungen unentgeltlich allerdings nur in elektronischer Form zur Verfügung. Wünscht der Kunde die Rechnung in Papierform, erhebt die Beklagte hierfür ein pauschales Entgelt in Höhe von 1,50 € je Rechnung. Darin liegt ein Verstoß gegen § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB, da der private „elektronische Rechtsverkehr” derzeit noch nicht als allgemein üblich angesehen werden kann (vgl. zuletzt BGH NJOZ 2016, 261 Tz. 9). Auch wenn mit den streitgegenständlichen Verträgen kombinierte Leistungen (Internet-anschluss und Festnetztelefonanschluss) zur Verfügung gestellt werden, kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Nutzer seinen privaten Rechtsverkehr im Wesentlichen über das Internet abwickelt. Dies wird allenfalls indiziert, wenn der Kunde einen reinen „Online-Tarif wählt, so dass davon auszugehen ist, dass er seinen privaten Rechtsverkehr soweit möglich über das Internet abwickelt (BGH a. a. O.). Dies ist hier allerdings nicht der Fall, denn im Streitfall können die von der Beklagten angebotenen Verträge mit der angegriffenen Klausel auch in Ladengeschäften abgeschlossen werden.
III. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 711, §713 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und auch die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Rechtssache erfordert, wie die Ausführungen unter II. zeigen, lediglich die Anwendung gesicherter Rechtsprechungsgrundsätze auf den Einzelfall.