Aktenzeichen AN 4 E 16.30148
VwGO VwGO § 123 Abs. 1
Leitsatz
Wird angebotener Wohnraum aus sachfremden Erwägungen abgelehnt, so fehlt einem Antrag auf Erlass einer einsteiligen Anordnung mit dem Ziel der Vermittlung einer sauberen Unterkunft mit eigener Kochgelegenheit das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
2. Der Antrag wird abgelehnt.
3. Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden keine erhoben.
Gründe
I.
Die Antragsteller sind aserbaidschanische Staatsangehörige und befinden sich im laufenden Asylverfahren. Mit Bescheid vom 12. August 2015 wies die Regierung von … die Antragsteller in eine dezentrale Unterbringung in der Gemeinde … zu.
Die Antragstellerin zu 1) leidet an einer Leberzirrhose im Stadium Child C bei chronischer Hepatitis B und D. Sie ist für eine Lebertransplantation vorgemerkt. Ausweislich ärztlicher Mitteilung des Universitätsklinikums … vom 27. November 2015 befindet sich die Erkrankung im Endstadium. Es besteht ein erheblich erhöhtes Infektionsrisiko, weshalb aus ärztlicher Sicht eine möglichst abgetrennte Unterbringung der Antragsteller empfohlen wird. Mit ärztlichem Attest des Universitätsklinikums … vom 18. Dezember 2015 wird ein deutlich reduzierter Allgemeinzustand der Patientin festgestellt. Das Attest legt dar, dass die Patientin vor der anstehenden Transplantation ihr Gewicht halten müsse. Nach Auskunft der Antragstellerin zu 1) komme sie mit der aktuellen Nahrungsversorgung in der Gemeinschaftsküche nicht zurecht. In dem Attest wird daher gebeten, der Antragstellerin zu 1) eine eigene Kochmöglichkeit zur separaten Zubereitung ihrer Mahlzeiten zu ermöglichen.
Mit Bescheid vom 12. Januar 2016 hob der Antragsgegner die Zuweisung der Antragsteller auf (Ziffer 1). In Ziffer 2 wurde ihnen die Erlaubnis erteilt ab dem 15. Januar 2016 in eine Privatwohnung zu ziehen. Aufgrund der Krankheit der Antragstellerin zu 1) werde den Antragstellern auf Grundlage des Art. 4 Abs. 6 AufnG der Auszug aus der Unterkunft gestattet. Auf den Inhalt des Bescheides wird ergänzend Bezug genommen.
Die Antragsteller sind in der Folgezeit nicht ausgezogen. Die Gemeinde … teilte den Antragstellern mit Schreiben vom 9. Februar 2016 mit, dass es keine verfügbaren Wohnungen im Besitz der Gemeinde … gäbe und dass man derzeit versuche mit Hilfe des Helfernetzes die Unterbringung der Familie in einer Privatwohnung zu realisieren.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 16. Februar 2016, bei Gericht eingegangen am 17. Februar 2016, beantragen die Antragsteller den Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen den Landkreis …. Die Antragsteller beantragen:
den Antragsgegner – hilfsweise die Regierung – im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Antragsteller in eine Asylbewerberunterkunft mit abgeschlossenem Wohnraum und eigener Kochgelegenheit umzuverteilen
und hilfsweise
den Antragsgegner – hilfsweise die Regierung – zu verpflichten den Antrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu verbescheiden.
Den Antragstellern wird Prozesskostenhilfe unter Beiordnung der Unterfertigten bewilligt.
Zur Begründung wurde vorgetragen, dass am 29. Dezember 2015 die Umverteilung beantragt worden sei und bisher keine Entscheidung ergangen sei. Zwar hätte der Bescheid vom 12. Januar 2016 den Auszug aus der Gemeinschaftsunterkunft gestattet. Dies sei jedoch zeitnah wenig hilfreich, da privater Wohnraum oder Familienangehörige mit Unterbringungsmöglichkeiten nicht zur Verfügung stünden. Ferner sei der Auszugsgenehmigung keine Mietkosten- und Kautionskostenübernahmezusicherung beigefügt, so dass den Antragstellern nicht bekannt sei, zu welchen Konditionen sie sich in privatem Wohnraum anmieten dürften. Ohne eine solche Zusicherung könne dem Vermieter die Kostenübernahme nicht nachgewiesen werden. Der Antragstellerin zu 1) entstünden bei Vorenthalten dieser Leistungen zur Sicherung des aktuellen, grundlegenden Lebensbedarfs unzumutbare und auch anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen im Sinne der Verletzung des Art. 1 GG, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr rückwirkend beseitigt werden könnten. Stünde eine Leber zur Verfügung, müsse die Antragstellerin über einen hinreichenden körperlichen Zustand verfügen. Darüber hinaus bestünde Infektionsrisiko. Die Umverteilung der Antragstellerin zu 1) alleine verbiete sich mit Rücksicht auf die minderjährigen Kinder. Die Antragstellerin zu 4) werde als Großmutter der Kinder zur Betreuung benötigt.
Der Antragsgegner nimmt mit Schreiben vom 7. März 2016 Stellung. Die Antragsteller hätten zum 1. März 2016 in die Gemeinschaftsunterkunft … verlegt werden sollen. Die Antragstellerin zu 4) sei mit Schreiben vom 24. Februar 2016 über die bevorstehende Umverteilung informiert worden. Die Antragstellerin zu 1) hätte sich zu diesem Zeitpunkt bereits in der Klinik befunden. Die Antragstellerin zu 4) ließe über die Unterkunftsverwaltung mitteilen, dass die Familie die abgeschlossene Wohnung in der Gemeinschaftsunterkunft … nicht beziehen werde. … läge zu weit weg und die Wohnung sei zu klein. Ferner sähen die Betten ungemütlich aus und das Gebäude sei ihr nicht modern genug. Der Antragsgegner sei damit seiner Pflicht nachgekommen.
Mit weiterem Schreiben vom 7. März 2016, bei Gericht eingegangen am 8. März 2016, ergänzen die Antragsteller ihren Vortrag. Die Antragstellerin zu 4) hätte Bedenken hinsichtlich der Verkehrsanbindung der Unterkunft in … gehabt, die ein mehrmaliges Umsteigen für die Fahrt nach … erforderlich mache. Hier bestünde noch weiterer Beratungsbedarf. Darüber hinaus hätte der ehrenamtliche Helferkreis in …die Kinderbetreuung im Notfall organisiert, falls die Antragstellerin zu 4) ihre Tochter im Krankenhaus besuche. Dies müsse in …erst noch organisiert werden. Unter einem Fragezeichen stünde, was die Antragstellerin zu 4) zur Unterkunft in … gesagt haben soll bzw. in welcher Sprache die Unterhaltung stattgefunden hätte. Zum anderen würde in anderen Fällen der Zuweisung auch nicht nach den Befindlichkeiten der Betroffenen gefragt werden. Im Fokus stünde allein das gesundheitliche Interesse der Antragstellerin zu 1). Die Antragstellerin zu 4) würde einen Umzug nach …Stadt begrüßen.
Der Antragsgegner nimmt erneut Stellung mit Schreiben vom 14. März 2016. Der Antragsgegner sähe bereits kein Rechtsschutzbedürfnis, da er versuche dem Wunsch der Antragsteller nachzukommen. Das Scheitern der Bemühungen sei unstrittig auf die Antragsteller zurückzuführen. Die Unterkunft in … läge 10 Minuten vom Bahnhof … und zwei Minuten von der nächsten Bushaltestelle entfernt. Aus Sicht des Antragsgegners erschiene es sinnvoll, die Antragsteller bei der Auswahl der Unterkunft zu beteiligen. Die Antragstellerin zu 1) befände sich nach Wissen des Antragsgegners nach wie vor im Krankenhaus.
Im Antragsschreiben wurde der Landkreis …und hilfsweise die Regierung von … als Antragsgegner benannt. Nach richterlichem Hinweis, nach dem richtiger Antragsgegner für die Umverteilungsfrage der Freistaat Bayern sein dürfte, wurde mit Schreiben vom 7. März 2016 der Antrag neu formuliert und beantragt, statt der bislang als hilfsweisen Antragsgegnerseite bzw. Beizuladenden Regierung von … den Freistaat Bayern als Rechtsträger zu nennen/berichtigen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag ist unzulässig. Es fehlt bereits das Rechtsschutzbedürfnis. Der Bescheid des Landratsamts … vom 12. Januar 2016 hat dem Begehren der Antragstellerin zu 1) hinreichend Rechnung getragen. Durch die Aufhebung der Wohnpflicht hatten die Antragsteller die Möglichkeit sich auf dem freien Wohnungsmarkt nach einer geeigneten sauberen Unterkunft mit eigener Kochgelegenheit umzusehen.
1.
Einem Antragsteller fehlt das Rechtsschutzbedürfnis, wenn das mit dem Antrag verfolgte Ziel auf einfachere oder näher liegende Weise erreicht werden kann (Kopp /Schenke, Kommentar zur Verwaltungsgerichtsordnung 20. A. 2014, Vorb. zu § 40 VwGO, Rn. 48). Im konkreten Fall liegt es auf der Hand, dass die Antragsteller sich – ggf. mit Hilfe ihres anwaltlichen Interessenvertreters – selbst geeigneten Wohnraum suchen.
Das Begehren der Antragsteller ist gerichtet auf eine gerichtliche Regelungsanordnung nach § 123 VwGO. Den Antragstellern soll sauberer Wohnraum mit einer eigenen Kochgelegenheit zur Verfügung gestellt werden. Dabei kommen verschiedene anspruchsbegründende Normen aus den asylrechtlichen Ausführungsvorschriften in Betracht. Unabhängig von der konkreten anspruchsbegründenden Norm, geht es um die Durchsetzung eines übergeordneten grundrechtlichen Leistungs- und Schutzanspruchs der Antragstellerin zu 1) aus Art. 2 Abs. 2 GG, die aufgrund ihres Gesundheitszustandes auf sauberen Wohnraum mit eigener Kochgelegenheit angewiesen ist. Dies wurde durch die ärztlichen Mitteilungen hinreichend nachgewiesen.
Zur Durchsetzung dieses Schutzanspruchs haben sich die Antragsteller mit Erfolg an den Freistaat Bayern gerichtet, der mit Bescheid vom 12. Januar 2016 die Wohnpflicht aufgehoben hat. Die Antragsteller hatten damit die Möglichkeit sich auf dem freien Wohnungsmarkt nach geeignetem Wohnraum umzusehen. Die Erstattung eines angemessenen Aufwands hierfür ist durch die entsprechenden Vorschriften des Asylbewerberleistungsgesetzes bzw. der hierzu ergangenen Ausführungsvorschriften gesichert. Die Einzelheiten hätten mit dem Freistaat Bayern geklärt werden müssen.
Das Gericht verkennt dabei nicht, dass der Wohnungsmarkt gerade für Asylsuchende derzeit grundsätzlich schwierig ist. Aus dem anwaltlichen Vortrag ergibt sich jedoch nicht, dass die Antragsteller überhaupt auf dem freien Wohnungsmarkt gesucht haben. Das folgt schon aus dem Hinweis auf die Unkenntnis über die Mietkonditionen. Die Stellungnahme der Gemeinde … ist als Nachweis für eine anderweitig erschöpfende Wohnungssuche allein schon deswegen nicht ausreichend, da die Antragsteller für ihre Suche nicht auf das Gebiet der Gemeinde … angewiesen sind. Das ergibt sich aus dem Bescheid vom 12. Januar 2016.
2.
Auch mit einem zusätzlichen Blick auf eine mögliche Dringlichkeit besteht kein Rechtsschutzbedürfnis. Eine solche Dringlichkeit könnte etwa dann angenommen werden, wenn das Zuwarten auf verfügbaren Wohnraum zu viel Zeit in Anspruch nehmen würde. Die Antragstellerin zu 1), um deren gesundheitlichen Schutzanspruch es geht, befindet sich derzeit im Krankenhaus, so dass allein deswegen keine Dringlichkeit gegeben ist. Aus diesem Grund würde es im Übrigen derzeit auch an einem Anordnungsgrund fehlen.
Darüber hinaus hat der Freistaat Bayern den Antragstellern geeigneten Wohnraum angeboten. Die Antragsteller haben den Wohnraum aufgrund sachfremder Erwägungen abgelehnt. Wird der Vortrag der anwaltlichen Vertreterin zugrunde gelegt, war für die Ablehnung die Verkehrsanbindung maßgeblich. Diese ist für den Gesundheitsschutz der Antragstellerin zu 1) aber nicht ausschlaggebend. Allein schon aufgrund dieses Umstandes können sich die Antragsteller derzeit nicht widerspruchsfrei auf Dringlichkeit berufen.
3.
Damit war der Antrag abzulehnen. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 83b AsylG, § 154 Abs. 1 VwGO.
Der Antrag auf Prozesskostenhilfe war abzulehnen, da der Antrag keine Erfolgsaussichten hatte, §§ 166 VwGO, 114 ZPO.
Dieser Beschluss ist nach § 80 AsylG unanfechtbar.