Aktenzeichen 9 CS 16.2218
AGGlüStV Art. 9 Abs. 3, Art. 12
VwGO § 80 Abs. 5, § 146 Abs. 4 S. 6, § 152 Abs. 1, § 154 Abs. 2
BayVwVfG Art. 40
GlüStV § 24, § 25, § 29 Abs. 4
GKG § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2
Leitsatz
1. Behörden und Gerichte haben die in einem bindenden Bescheid getroffene Regelung als verbindlich hinzunehmen und ohne Prüfung der Rechtmäßigkeit ihrer Entscheidung zugrunde zu legen, soweit der Bescheid nicht selbst Gegenstand einer gerichtlichen Überprüfung ist. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
2. Es erscheint zweifelhaft, ob die in Art. 9 Abs. 3 Satz 1 AGGlüStV enthaltene glückspielrechtliche Mindestabstandsregelung für Spielhallen im Rahmen der bauplanungsrechtlichen Beurteilung Berücksichtigung finden kann. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
3. Es ist in der Regel nicht gerechtfertigt, ohne Hinzutreten besonderer Umstände eine ohne Genehmigung aufgenommene und nicht offensichtlich genehmigungsfähige Nutzung für die Dauer eines Rechtsstreits zu belassen und dadurch dem Nutzer faktisch die nur durch eine Baugenehmigung zu erlangende Rechtsstellung und damit gegenüber dem rechtstreuen Bürger einen nicht gerechtfertigten Vorteil zu verschaffen. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
AN 9 S 16.869 2016-10-10 Bes VGANSBACH VG Ansbach
Tenor
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. In Abänderung von Nr. 3 des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 10. Oktober 2016 wird der Streitwert für beide Instanzen auf jeweils 5.000 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin wendet sich gegen eine für sofort vollziehbar erklärte Verfügung der Antragsgegnerin vom 13. April 2016, mit der ihr u.a. die Nutzung der Räumlichkeiten im Erdgeschoss des Anwesens A* … * in Nürnberg, FlNr. … Gemarkung G* … als Wettbüro untersagt wurde.
Gegen den Bescheid vom 13. April 2016, in dem auch die von der Antragstellerin beantragte bauaufsichtliche Genehmigung für die Nutzungsänderung von einer Bankfiliale in eine Wettannahmestelle mit Sporttreff und Internetdienstleistung am genannten Standort abgelehnt worden ist (Nr. 1 des Bescheids), erhob die Antragstellerin Verpflichtungsklage zum Verwaltungsgericht, über die noch nicht entschieden ist. Ferner beantragte sie, die aufschiebende Wirkung ihrer Anfechtungsklage gegen die Nutzungsuntersagung (Nr. 2 des Bescheids) und die Zwangsgeldandrohung (Nr. 3 des Bescheids) anzuordnen.
Das Verwaltungsgericht hat diesen Antrag mit Beschluss vom 10. Oktober 2016 abgelehnt. Die untersagte Nutzung sei formell baurechtswidrig, da die Nutzungsänderung von einer Bankfiliale in ein Wettbüro, als die sich die derzeitige Nutzung der Räumlichkeiten darstelle, genehmigungspflichtig und die erforderliche Baugenehmigung nicht erteilt worden sei.
Die Nutzung als Wettbüro sei nicht offensichtlich genehmigungsfähig. Der Gebietscharakter der maßgeblich näheren Umgebung entspreche einem Kerngebiet gemäß § 7 BauNVO, in dem das Wettbüro als kerngebietstypische Vergnügungsstätte nach § 7 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO nach der Art der baulichen Nutzung grundsätzlich zulässig sei. Allerdings sei die nähere Umgebung des Vorhabenstandorts durch eine Konzentration von Vergnügungsstätten (Mehrfachspielhallen, Spielhallen und Wettbüros) gekennzeichnet. Eine Häufung von Vergnügungsstätten könne sich auch in einem Kerngebiet nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO als unzulässig erweisen. Die Ermessenserwägungen der Antragsgegnerin seien fehlerfrei und auch der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sei gewahrt. Künftige möglicherweise eintretende Veränderungen der Anzahl der Vergnügungsstätten im maßgeblichen Umgriff, auf die die Antragstellerin verweise, seien rein spekulativ und daher nicht geeignet, eine offensichtliche Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens zu belegen oder eine vom Regelfall abweichende Ermessensentscheidung zu rechtfertigen. Gerade unter Berücksichtigung der seit Jahren bestehenden illegalen Nutzung und auch unter Berücksichtigung einer zum 1. Juli 2017 eintretenden Änderung der Rechtslage im Hinblick auf Art. 9 Abs. 3 AGGlüStV, § 29 GlüStV sei ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung der Nutzungsuntersagung zu bejahen.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin. Der angefochtene Beschluss verkenne, dass die Nutzungsuntersagung jedenfalls deshalb ermessensfehlerhaft sei, weil sie den kurzfristig mit größter Wahrscheinlichkeit zu erwartenden Wegfall der Gründe, die aus Sicht der Antragsgegnerin derzeit noch einer Baugenehmigung entgegenstünden, ebenso übergehe, wie den Umstand, dass diese Gründe von der Antragsgegnerin pflichtwidrig durch eine Genehmigungspraxis herbeigeführt worden sei, die aus ihrer eigenen Sicht gegen § 15 Abs. 1 BauNVO verstoßen haben müsste. Das Verwaltungsgericht habe nicht berücksichtigt, dass die Antragsgegnerin die voraussichtliche baurechtliche Genehmigungsfähigkeit des Wettbüros ab dem 1. Juli 2017 aufgrund einer zu diesem Zeitpunkt eintretenden Änderung der glücksspielrechtlichen Rechtslage für Spielhallen, die eine aus städtebaulichen Gründen von ihr für erforderlich gehaltene Rückführung der Zahl der sich in der näheren Umgebung des Wettbüros faktisch befindlichen Vergnügungsstätten bewirken werde, in ihre Ermessensausübung hätte einfließen lassen müssen. Zu diesem Zeitpunkt würden mindestens vier der derzeit sechs in der näheren Umgebung sich befindlichen Spielhallen entweder freiwillig ihren Betrieb eingestellt haben oder aber diesbezügliche Anträge auf glücksspielrechtliche Erlaubnisse abgelehnt worden sein.
Soweit die Antragsgegnerin für alle Spielhallen in der näheren Umgebung des Wettbüros in den Monaten Dezember 2017 bis Februar 2018 auf den 30. Juni 2012 befristete glückspielrechtliche Erlaubnisse unter Befreiung von der Erfüllung des Mindestabstands erteilt habe, könne mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit von deren Rechtswidrigkeit ausgegangen werden. Auf jeden Fall werde aufgrund der Befristungen die derzeitige faktische Anzahl an Spielvergnügungsstätten spätestens ab dem Jahr 2021 sinken.
Bei der Durchsetzung der Nutzungsuntersagung ginge es letztlich darum, ein seit dem Jahr 2006 bestehendes Wettbüro zu schließen, nur weil es in der näheren Umgebung immer noch eine Häufung von Spielhallen gebe, die nach der Gesetzeslage längst hätten verschwinden müssen und deren Erlaubnisse größtenteils oder sogar rechtswidrig erteilt worden seien. Die Antragsgegnerin habe bis zum Erlass des angefochtenen Bescheids keine Notwendigkeit für ein Eingreifen gesehen. Eine vorübergehende Betriebsunterbrechung treffe die Antragstellerin außergewöhnlich hart.
Die Antragstellerin beantragt,
den Beschluss des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 10. Oktober 2016 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen die Ziffern 2 und 3 des Bescheids vom 13. April 2016 wiederherzustellen bzw. anzuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Das Verwaltungsgericht habe zutreffend entschieden. Das Vorhaben der Antragstellerin sei zu keinem Zeitpunkt offensichtlich genehmigungsfähig gewesen. Selbst wenn die vom Verwaltungsgericht berücksichtigten Spielhallen außerhalb des faktischen Kerngebiets außer Acht gelassen würden, sei für dieses Kerngebiet zwischen der Z* …straße und der G* … …straße, in dem das Vorhabengrundstück liege, noch eine städtebaulich unverträgliche Häufung durch die Spielhallen „A* … *“ und „A* … … … …“ anzunehmen.
Für alle im Tatbestand des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses genannten Spielhallen habe das Ordnungsamt der Antragsgegnerin in den Monaten Dezember 2017 bis Februar 2018 auf den 30. Juni 2021 befristete glückspielrechtliche Erlaubnisse unter Befreiung von der Erfüllung des Mindestabstands erteilt. Für die Bauaufsichtsbehörde der Antragsgegnerin habe keine Verpflichtung bestanden, zu irgendeinem Zeitpunkt die Rechtmäßigkeit dieser glückspielrechtlichen Erlaubnisse zu überprüfen. Alle genannten Spielhallen seien zudem im Besitz einer Baugenehmigung. Dessen ungeachtet werde die Antragsgegnerin die Situation „A* …“ weiterverfolgen. Der angefochtene Bescheid werde deshalb unter „Sachverhalt und Gründe“ nach dem letzten Absatz auf Seite 5 für die Zukunft wie folgt ergänzt: „Bei einer Auflassung von Spielhallennutzungen erfolgt eine erneute Prüfung der störenden Häufung, um zu klären, ob die Voraussetzungen für eine Nutzungsuntersagung weiterhin vorliegen.“
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Die von der Antragstellerin dargelegten Gründe, auf die die Prüfung des Senats im Beschwerdeverfahren beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen keine Abänderung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses.
1. Entgegen dem Beschwerdevorbringen ist das Verwaltungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass die angefochtene Nutzungsuntersagung zum Zeitpunkt seiner Entscheidung am 10. Oktober 2016 nicht als ermessensfehlerhaft anzusehen war. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der später zum 1. Juli 2017 eintretenden Änderung der Rechtslage im Hinblick auf die Befreiungs- und Ausnahmetatbestände des § 29 Abs. 4 GlüStV, Art. 9 Abs. 3 AGGlüStV.
a) Soweit sich die Antragstellerin darauf beruft, die Antragsgegnerin habe die gebietsunverträgliche Häufung von Vergnügungsstätten in der näheren Umgebung des Wettbürostandorts durch eine rechtswidrige Genehmigungspraxis selbst herbeigeführt, wird von ihr nicht in Frage gestellt, dass alle dort befindlichen Spielhallen – wie von der Antragsgegnerin vorgetragen – im Besitz einer Baugenehmigung sind. Diese Baugenehmigungen entfalten, so lange sie nicht aufgehoben sind, mit den in ihnen verbindlich mit Wirkung nach außen getroffenen Regelungen Bindungswirkung (vgl. BVerwG, B.v. 11.2.2016 – 4 B 1.16 – juris Rn. 4). Diese sog. Tatbestandswirkung gilt auch gegenüber einem Gericht, soweit der Bescheid nicht selbst Gegenstand einer gerichtlichen Überprüfung ist (vgl. BVerwG, B.v. 30.1.2003 – 4 CN 14.01 – juris Rn. 14). Daraus folgt, dass Behörden und Gerichte die in einem bindenden Bescheid getroffene Regelung als verbindlich hinzunehmen und ohne Prüfung der Rechtmäßigkeit ihrer Entscheidung zugrunde zu legen haben (vgl. BVerwG, U.v. 18.12.2019 – 1 C 34.18 – juris Rn. 24).
b) Soweit die Antragstellerin zunächst vorgetragen hat, die zukünftige Änderung der Rechtslage zum 1. Juli 2017 werde einen Wegfall von vier der sechs Spielhallen in der näheren Umgebung des Wettbürostandorts zur Folge haben, ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass solche künftigen, möglichen Veränderungen der Verhältnisse vor Ort rein spekulativ und daher nicht geeignet seien, eine vom Regelfall abweichende Ermessensentscheidung zu rechtfertigen. Dagegen ist im Ergebnis nichts zu erinnern.
Da die Nutzungsuntersagung nach Art. 76 Satz 2 BayBO nach Maßgabe des materiellen Rechts einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung darstellt, ist maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. BayVGH, B.v. 13.5.2016 – 9 ZB 13.1991 – juris Rn. 13 m.w.N.; B.v. 23.7.2018 – 15 ZB 17.1092 – juris Rn. 18 m.w.N.). Zum Zeitpunkt des Beschlusses des Verwaltungsgerichts war die von der Antragstellerin geltend gemachte Neuregelung des Glückspielrechts zum 1. Juli 2017 noch nicht in Kraft getreten und konnte deshalb noch keine rechtliche Bindungswirkung für die Ausübung des Ermessens durch die Antragsgegnerin entfalten (vgl. Art. 40 BayVwVfG).
Aus dem Verhältnismäßigkeitsgebot, das die Behörde als rechtliche Grenze des Ermessens beachten muss, ergibt sich ebenfalls keine Verpflichtung, die oben erwähnte zukünftige Neuregelung des Glückspielrechts zu berücksichtigen. Der Umstand, dass aufgrund der dortigen Regelungen zum Mindestabstand von Spielhallen, die bauplanungsrechtliche Erlaubnisfähigkeit des Wettbüros zukünftig möglicherweise günstiger zu beurteilen sein könnte, führt nicht zur Unverhältnismäßigkeit der Nutzungsuntersagung. Voraussetzung dafür wäre vielmehr, dass mit hinreichender Sicherheit davon auszugehen ist, dass die untersagte Nutzung nach einer für den Betroffenen durch die Rechtsänderung bewirkten günstigen Änderung der Verhältnisse materiell baurechtmäßig werden würde (vgl. BVerwG, U.v. 20.6.2013 – 8 C 46.12 – juris Rn. 42; B.v. 23.1.1989 – 4 B 132.88 – juris Rn. 6; U.v. 6.12.1985 – 4 C 23.83 und 4 C 24.83 – juris Rn. 10). Dafür lassen sich dem Beschwerdevorbringen keine Anhaltspunkte entnehmen.
Es erscheint bereits zweifelhaft, ob die in Art. 9 Abs. 3 Satz 1 AGGlüStV enthaltene glückspielrechtliche Mindestabstandsregelung für Spielhallen im Rahmen der bauplanungsrechtlichen Beurteilung überhaupt Berücksichtigung finden kann. Sie hat keine der Sicherung der städtebaulichen Entwicklung dienende Funktion, sondern vielmehr eine ausschließlich ordnungsrechtliche Zielsetzung mit Blick auf die Gefahren der Spielsucht und damit nicht die Aufgabe, städtebaulich konkurrierende Bodennutzungen zum Ausgleich zu bringen (vgl. OVG LSA, B.v. 24.2.2020 – 2 L 52/19 – juris Rn. 20; OVG Saarl, B.v. 30.11.2017 – 2 A 361/16 – juris Rn. 15; OVG NW, U.v. 11.7. 2017 – 2 A 470/15 – juris Rn. 72; OVG Berlin – Bbg, U.v. 6.10.2015 – 10 B 1.14 – juris Rn. 45).
Zudem bestand zum Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts für die Antragsgegnerin nach §§ 24, 25, 29 Abs. 4 GlüStV, Art. 12 AGGlüStV die rechtliche Möglichkeit, für die vorhandenen Spielhallen ab dem 1. Juli 2017 jeweils eine Befreiung vom Erfordernis der Einhaltung eines Mindestabstands für einen angemessenen Zeitraum zuzulassen. Dies ist im Übrigen auch nach dem Vorbringen der Antragsgegnerin für alle Spielhallen im Umfeld des Wettbürostandorts mit auf den 30. Juni 2021 befristeten glücksspielrechtlichen Erlaubnissen erfolgt. Soweit die Antragstellerin im Beschwerdeverfahren die Rechtswidrigkeit dieser Spielhallenerlaubnisse rügt, steht dem – ebenso wie oben hinsichtlich der jeweiligen Baugenehmigung ausgeführt wurde – die Tatbestandswirkung dieser wirksamen Erlaubnisse entgegen.
c) Zum jetzigen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats im Beschwerdeverfahren ist tatsächlich wie rechtlich ebenfalls nicht hinreichend sicher absehbar, dass vier der sechs Spielhallen in der näheren Umgebung des Wettbürostandorts nach dem 30. Juni 2021 schließen werden, zumal sich aus dem Beschwerdevorbringen keine Anhaltspunkte dafür ergeben, aus welchen Gründen die Zulassung von Ausnahmen durch die zuständige Erlaubnisbehörde von dem nach Art. 9 Abs. 3 Satz 1 AGGlüStV festgesetzten Mindestabstand zu anderen Spielhallen gemäß Art. 9 Abs. 3 Satz 2 AGGlüStV unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Umfeld des jeweiligen Standorts und der Lage des Einzelfalls ausgeschlossen sein sollten. Zudem dürfte nach diesem Zeitpunkt auch noch eine Auswahlentscheidung der Erlaubnisbehörde zwischen den verschiedenen Spielhallen, die diesen Mindestabstand unterschreiten, nach sachlich gerechtfertigten Gründen erforderlich werden (vgl. BayVerfG, E.v. 28.6.2013 – Vf. 10-VII-12 u.a. – juris Rn. 89, BVerfG, B.v. 7.3.2017 – 1 BvR 1314/12 u.a. – juris Rn. 182 ff.).
2. Soweit das Beschwerdevorbringen der Antragstellerin zusätzlich dahingehend verstanden werden kann, es fehle an einem besonderen öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung der Nutzungsuntersagung kann sie damit ebenfalls nicht durchdringen. Das Verwaltungsgericht hat insoweit darauf abgestellt, dass die Antragsgegnerin die sofortige Vollziehung unter anderem aus der Erwägung heraus angeordnet hat, demjenigen, der eine bauliche Anlage in illegaler Weise nutzt, den ungerechtfertigten Vorteil der zwischenzeitlichen Nutzung gegenüber einem gesetzestreuen Bauantragsteller zu entziehen. Dagegen ist nichts einzuwenden.
Für Nutzungsuntersagungen ist anerkannt, dass die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit in der Regel gerechtfertigt ist, wenn die Voraussetzungen des Art. 76 Satz 2 BayBO vorliegen (vgl. BayVGH, B.v. 7.4.2015 – 9 CS 15.394 – m.w.N.). Es ist in der Regel nicht gerechtfertigt, ohne Hinzutreten besonderer Umstände eine ohne Genehmigung aufgenommene und nicht offensichtlich genehmigungsfähige Nutzung für die Dauer des Rechtsstreits zu belassen und dadurch dem Nutzer faktisch die nur durch eine Baugenehmigung zu erlangende Rechtsstellung und damit gegenüber dem rechtstreuen Bürger einen nicht gerechtfertigten Vorteil zu verschaffen (vgl. Decker in Simon/Busse, BayBO, Stand: Dezember 2019, Art. 76, Rn. 349).
Der Hinweis der Antragstellerin, sie betreibe am Vorhabenstandort bereits seit dem 1. Februar 2006 ein Wettbüro, ändert daran nichts. Aus der langjährigen Existenz des Betriebs allein resultiert kein schützenswerter Vertrauenstatbestand. Auch die wirtschaftlichen Interessen der Antragstellerin müssen hinter dem öffentlichen Interesse an der Beendigung baurechtswidriger Zustände zurücktreten. Es ist Sache des Grundeigentümers bzw. Mieters, durch einen Bauantrag die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass sein Vorhaben den formellen und materiellen Anforderungen des Baurechts entspricht. Wenn sie gleichwohl die nicht genehmigte Nutzung aufgenommen haben, ist ihr Interesse am Erhalt der getätigten Investitionen nicht schutzwürdig (vgl. BayVGH, B.v. 22.10.2001 – 2 CS 01.2345 – juris Rn. 7; HessVGH, B.v. 27.1.2020 – 3 B 1864/19 – juris Rn. 38).
Wie sich den Verwaltungsakten der Antragsgegnerin entnehmen lässt, hat die Antragstellerin im Jahr 2006 nach ihren eigenen Angaben keinerlei Notwendigkeit gesehen, eine Baugenehmigung für ein Wettbüro zu beantragen, obwohl sie selbst von dessen bauplanungsrechtlicher Zulässigkeit zum damaligen Zeitpunkt ausgegangen ist. Erst am 13. September 2012 beantragte die Antragstellerin eine Baugenehmigung für die Nutzungsänderung von einer Bankfiliale in eine Wettannahmestelle mit Sporttreff und Internetdienstleistung sowie Errichtung von Werbeanlagen am Vorhabensstandort. Diesen Antrag hat die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 13. April 2016 abgelehnt, nachdem die Antragstellerin in der Zwischenzeit darum gebeten hatte, von einer Bescheidung des Bauantrags abzusehen, bis sie noch ausstehende Unterlagen zur Sicherstellung der (bauordnungsrechtlichen) Genehmigungsfähigkeit der Nutzungsänderung vorlegen würde. Aus den Verwaltungsakten ist ebenfalls ersichtlich, dass die Antragstellerin und andere Personen im Zeitraum zwischen den Jahren 2006 und 2012 verschiedene weitere Anträge für die Nutzung der Räumlichkeiten zu unterschiedlichen Zwecken gestellt und wieder zurückgezogen haben. Unter diesen Umständen kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Nutzung der Räumlichkeiten als Wettbüro bereits seit längerer Zeit unbeanstandet ausgeübt wurde (vgl. BayVGH, B.v. 23.8.2012 – 15 CS 12.130 – juris Rn. 13; B.v. 18.3.2013 – 1 CS 12.2720 – juris Rn. 9).
Wie obigen Ausführungen entnommen werden kann, steht schließlich auch der Einwand der Antragstellerin, der Spielhallenbetrieb werde bis zum 1. Juni 2017 und spätestens nach Ablauf der befristeten Befreiungen für die Spielhallen nach § 29 Abs. 4 GlüStV beendet sein, einem besonderen Vollzugsinteresse nicht entgegen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG. In Abänderung der Streitwertfestsetzung durch das Verwaltungsgericht war der Streitwert hier auf 5.000 Euro festzusetzen. Bei einer Nutzungsuntersagung für ein Wettbüro erachtet der Senat in Anlehnung an Nr. 9.4 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit im Regelfall einen Streitwert von 10.000 Euro für angemessen (vgl. BayVGH, B.v. 26.5.2020 – 9 B 17.710 – juris Rn. 60). Dies entspricht zudem der Höhe des angedrohten Zwangsgelds in Nr. 3 des angefochtenen Bescheids. Dieser Betrag war für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu halbieren (Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).