IT- und Medienrecht

Abwasserabgabe; Überschreitung des Überwachungswertes; keine Beweislastumkehr

Aktenzeichen  9 A 14/20 MD

Datum:
31.3.2022
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG Magdeburg 9. Kammer
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:VGMAGDE:2022:0331.9A14.20MD.00
Normen:
§ 3 Abs 1 AbwAG
§ 4 Abs 1 AbwAG
§ 6 Abs 1 S 2 AbwAG
§ 98 VwGO
§ 418 Abs 1 ZPO
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Spruchkörper:
undefined

Leitsatz

1. Ein über die Auswertung der Überwachung gefertigtes Messprotokoll stellt eine öffentliche Urkunde im Sinne von § 98 VwGO, §§ 415 Abs. 1, 418 Abs. 1 ZPO dar, die den vollen Beweis der darin bezeugten Tatsachen begründet. Hiervon werden neben den Angaben über die Art der Probenahme auch die im Wege der Analyse gewonnenen Schadstoffkonzentrationen erfasst. Ein Messprotokoll enthält bei verständiger Würdigung auch die Aussage, dass die Messung fehlerfrei erfolgt ist.2. Für den Fall, dass dem Messprotokoll nicht unterschriebene Anlagen beigefügt sind, die zwar die ausstellende Behörde erkennen lassen, aber gesonderte Willenserklärungen darstellen, erfüllen diese Anlagen die Voraussetzungen einer öffentlichen Urkunde auch dann, wenn sie nicht unterschrieben sind.3. Eine Beweisvereitelung kann u.a. darin bestehen, dass Abwasserproben trotz erhöhter Messwerte (weit) vor Ablauf der möglichen Aufbewahrungsfrist vernichtet werden. Das insoweitige Handeln eines Dritten muss sich die abgabenerhebende Behörde grundsätzlich zurechnen lassen.4. Eine undifferenzierte Beweislastumkehr kann nicht generelle Rechtsfolge einer schuldhaften Beweisvereitelung sein. Vielmehr geht es bei der Beweisvereitelung um die Bewältigung der besonderen Umstände des Einzelfalles, sodass das Spektrum der erfassten tatsächlichen Umstände – von leicht fahrlässigem Verhalten bis hin zu zielgerichtetem, absichtlichem Vorgehen – in die die rechtliche Bewertung einzuordnen ist.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird auf 322.210,21 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Höhe der Abwasserabgabe für das Veranlagungsjahr 2017.
Die Klägerin betreibt am Standort ihres Kartoffelverarbeitungswerkes in Oschersleben eine betriebliche Kläranlage.
Auf der Grundlage der wasserrechtlichen Erlaubnis vom 13.10.1992 i. d. F. des 4. Änderungsbescheides vom 09.02.2016 leitet die Klägerin ihr biologisch behandeltes Produktionsabwasser aus dieser Kläranlage in den Lehnertsgraben ein. Dabei darf angesichts der Festsetzungen des Erlaubnisbescheides im Hinblick auf den Parameter „Chemischer Sauerstoffbedarf“ (CSB) ein Überwachungswert von 130 mg/l nicht überschritten werden. Für den Parameter Phosphor (P) wurde festgelegt, dass bei einer Abwassermenge bis zu 1.500m3/d ein Überwachungswert von 4 mg/l gilt sowie bei einer Abwassermenge größer als 1.500m3/d ein Überwachungswert von 2 mg/l. Die Jahresschmutzwassermenge wurde auf 710.000,00 m3/a festgelegt. Eine behördliche Untersuchung zum Zwecke der Prüfung der Einhaltung der Überwachungswerte könne bis zu sechsmal pro Jahr stattfinden.
Im Rahmen der behördlichen Gewässerüberwachung nahm der Landesbetrieb für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft Sachsen-Anhalt (LHW) am 12.01.2017 um 10.40 Uhr durch zwei Mitarbeiter, Herrn W. und Herrn J., eine Probe des Abwassers der Klägerin am Ablauf der Abwassereinleitung. Während der Probenahme war auch die Laborantin der Klägerin, Frau M., anwesend, der ausweislich des Probennahmenprotokolls eine Vergleichsprobe übergeben wurde.
Ausweislich des Analysenprotokolls, welcher dem Analysebericht vom 01.02.2017 als Anlage beigefügt ist betrug der Messwert für CSB 524 mg/l sowie der Messwert für P 6,6 mg/l. Die Analyse der Vergleichsprobe durch die Klägerin selbst ergab einen CSB-Messwert 127 mg/l und einen Phosphor-Messwert von 0,65 mg/l, wobei die Klägerin am selben Tag bereits um 6 Uhr im Rahmen ihrer Eigenüberwachung eine Probe entnommen hatte, die ausweislich des Betriebstagesbuchs der Klägerin Messwerte von 122 mg/l CSB sowie 1,51 mg/l Phosphor ergeben hatte.
Am 16. und 17.01.2017 wurden die Restproben für die Bestimmung von CSB und P durch den LHW außer der eingefrorenen Teilprobe für den biochemischen Sauerstoffbedarf (BSB) vernichtet.
Nachdem die Mitarbeiterin der unteren Wasserbehörde des Landkreises Börde, Frau B. R., die Leiterin der klägerischen Kläranlage, Frau Y. H., über die hohen Messwerte der behördlichen Probeentnahmen zunächst telefonisch unterrichtet hatte, forderte der Landkreis Börde sie mit Schreiben vom 18.01.2017 auf, die Ursachen für die Überschreitung zu ermitteln sowie die zur Einhaltung der Überwachungswerte notwendigen Maßnahmen durchzuführen und dies dem Landkreis Börde bis zum 01.02.2017 mitzuteilen.
Mit Schreiben vom 30.01.2017 teilte die Klägerin dem Landkreis Börde unter Hinweis auf die eigenen Messergebnisse (127 mg/l CSB und 0,65 mg/l Phosphor) mit, dass sämtliche Probenflaschen mit der gleichen Wasserprobe befüllt worden und die Messergebnisse der behördlichen Beprobung nicht nachvollziehbar seien. Es habe für die Klägerin keine Veranlassung bestanden, der unteren Wasserbehörde eine Abweichung mitzuteilen. Das Ablaufwasser habe am Tag der Beprobung eine leicht trübe/gelbliche Färbung und eine leichte Schwimmschlammdecke aufgewiesen, die sich auf der Nachklärung mit einem kurzzeitigen Schlammauf- bzw. Schlammabtrieb gebildet habe, sei aber ansonsten einwandfrei gewesen. Bei den von der Behörde ermittelten Werten hätte die Klägerin die Kläranlage nicht weiterbetrieben, sondern unverzüglich entsprechende Maßnahmen ergriffen, um diesen entgegenzuwirken.
Der Landkreis Börde unterrichtete sowohl den LHW als auch den Beklagten mit Schreiben vom 06.02.2017 über die Stellungnahme der Klägerin. Dem Beklagten teilte er ferner mit, dass die klägerische Stellungnahme auch an das Labor „zwecks Überprüfung“ gesandt werde.
Der LHW teilte dem Beklagten mit Schreiben vom 06.03.2017 mit, dass die nach den Vorgaben des Qualitätsmanagementsystems durchgeführte Fehleranalyse keine Fehler ergeben habe. Eine Probenverwechselung könne ausgeschlossen werden.
Im Rahmen einer weiteren behördlichen Kontrolle am 27.04.2017 wurde am Ablauf der klägerischen Kläranlage ein CSB-Wert von 156 mg/l festgestellt.
Mit Schreiben vom 18.02.2019 gab der Beklagte der Klägerin Gelegenheit zur Stellungnahme hinsichtlich der beabsichtigten Festsetzung der Abwasserabgabe für das Veranlagungsjahr 2017. Nachdem diese ihre Einwände erneut vorgebracht hatte, blieb die Erörterung verschiedener Einigungsmöglichkeiten zwischen den Beteiligten ohne Erfolg.
Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 16.07.2019 setzte der Beklagte gegenüber der Klägerin für das Veranlagungsjahr 2017 eine Abwasserabgabe in Höhe von 334.915,66 € fest. Die Ermittlung der Zahl der Schadeinheiten sowie der Abgabenhöhe ergebe sich aus den Anlagen A, B und C, die Bestandteil des Bescheides seien. Der Abwasserabgabe in Bezug auf den Parameter CSB in Höhe von 266.306,23 € legte der Beklagte insgesamt 7.440,80 Schadeinheiten (bestehend aus einer Vorbelastung von 1.846,00 Schadeinheiten und 5.594,80 erhöhten Schadeinheiten) bei einem Abgabesatz von 35,79 € zugrunde. Für den Schadstoff P setzte der Beklagte eine Abwasserabgabe in Höhe 55.903,98 € ausgehend von insgesamt 1.562 Schadeinheiten angesichts des höchsten gemessenen Wertes von 6,6 mg/l fest.
Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin am 13.08.2019 Klage erhoben. Sie führt zur Begründung aus, die der Festsetzung der Abwasserabgabe zugrunde gelegten behördlichen Messergebnisse der Probe vom 12.01.2017 seien nicht zutreffend, soweit sie den Parameter CSB und P betreffen. Der Beklagte könne mit den fraglichen Messergebnissen seine Darlegungs- und Beweislast im Hinblick die auf Festsetzung der Abwasserabgabe nicht erfüllen. Die im Rahmen der Analyse der behördlichen Probe ermittelten CSB- und P-Werte würden nicht lediglich schlichte Überwachungswertüberschreitungen darstellen. Vielmehr handele es sich um außergewöhnlich hohe Werte, die in erheblichem Maße von den früher und auch später üblicherweise auftretenden Werten abweichen.
Die Höhe der behördlichen Messergebnisse ließen sich mit keinerlei Umständen oder Ereignissen, die den Betrieb der Kläranlage betreffen, erklären. Insbesondere sei keine Änderung, Wartung oder erkennbare Störung der Kläranlage erfolgt. Vielmehr sei der Anlagenbetrieb am 12.01.2017 stabil gewesen. Bei der von dem LHW gemessenen Höhe an Schadstoffwerten wäre ein Anlagenbetrieb allenfalls eingeschränkt möglich gewesen. Hätte tatsächlich insgesamt ein ähnlich hoher CSB-Wert vorgelegen, hätte dies schon bei einer einfachen Sichtkontrolle bemerkt werden müssen. Zu Demonstrationszwecken habe die Klägerin ein Gemisch von Wasser mit einem CSB-Wert von 700 mg/l erstellt, welches stark getrübt sei (Anlage K5).
Da sowohl die Probe aus der Eigenüberwachung der Klägerin am gleichen Tage um 6 Uhr morgens sowie die Vergleichsprobe der Klägerin, die aus demselben Homogenisierungsgefäß wie die behördliche Probe entnommen wurde, deutlich geringere CSB- und P-Werte aufweisen würde, liege es nahe, dass bei der behördlichen Probeentnahme oder -analyse Fehler unterlaufen seien. Verschiedene Fehlerquellen seien möglich. Es bestehe die Vermutung, dass die beiden Probennehmer möglicherweise (noch) nicht über die erforderliche Erfahrung verfügt haben könnten. Eine der häufigsten Fehlerquellen sei insoweit die Verunreinigung der Probe durch sachgemäßes Handeln der Probenehmer. So komme in Betracht, dass entweder das Schöpfgefäß, der Homogenisierungsbehälter oder die Flaschen, in die die Proben abgeführt worden seien, verunreinigt gewesen sein könnten. Da die Beprobung erst um 11:00 Uhr stattgefunden habe, liege es nahe, dass die Mitarbeiter des LHW am fraglichen Beprobungstag noch weitere Kläranlagen beprobt hätten. Insoweit könne vermutet werden, dass Schöpfgefäß und Homogenisierungsbehälter einschließlich Hahn mehrfach verwendet worden seien. Ebenfalls nicht ausgeschlossen werden könne eine Verunreinigung der Probe durch Einflüsse von außen, z.B. Kraftstoffabgase, Kosmetika, Reinigungsmittel. Darüber hinaus sei denkbar, dass beim Schöpfen des Wassers keine von der Fracht her repräsentative Menge entnommen worden sei. Es komme in Betracht, dass bei der Entnahme der Gewässerprobe eine größere Menge organisches Material aufgenommen wurde. Sofern die Vermutung stimmen sollte, dass bei der Probenentnahme ein Teil einer Schwimmschlammdecke aufgenommen worden sei, würde sich hier die Frage stellen, inwieweit es sich überhaupt noch um eine repräsentative Probenentnahme handeln könne. Repräsentativ könne eine Probe allenfalls sein, wenn die Schwimmschlammdecke in demselben Verhältnis mit dem sonstigen Wasser aufgenommen worden wäre, indem sich Schwimmschlamm und Wasser auch im Ablauf insgesamt verhalten haben. Eine derartige Dosierung werde kaum möglich sein. Nach den Ausführungen der Beklagten liege es vielmehr näher, dass bei der Probenentnahme möglicherweise ausschließlich die Schwimmschlamm aufgenommen worden sei. Ferner könnten Fehler beim Rühren allein schon zur Bildung eines Bodensatzes geführt haben. Schließlich sei ebenfalls nicht ausgeschlossen, dass bei der Analyse der behördlichen Proben beim LHW Fehler gemacht worden seien. Auch hier sei nicht ausgeschlossen, dass verunreinigte Geräte oder Gefäße verwendet worden seien oder ein nicht zugelassenes Verfahren angewendet worden. Ein ordnungsgemäßes Vorgehen bei der Weitergabe der Probe an den LHW, deren Analyse sowie der Lagerung der Probe werde bestritten.
Darüber hinaus seien die vom LHW in Bezug auf CSB ermittelten Werte in mehrfacher Hinsicht widersprüchlich. Dies werde anhand der Tabelle 2 aufgezeigt. Das darin ersichtliche Verhältnis von Trübung und CSB Wert spreche deutlich dagegen, dass das Beprobungsergebnis zutreffend sein könne (vgl. im Einzelnen Bl. 70 Rs. d. A.). Ebenfalls widersprüchlich sei das Verhältnis des CSB-Wertes vom 12.01.2017 zum Wert suspendierender Stoffe. Auch dieser stehe in einem engen Verhältnis zur Trübung des Wassers (vgl. im Einzelnen Bl. 71 d. A.).
Mit der Begründung des hier angegriffenen Bescheides komme der Beklagte seiner Nachweispflicht in Bezug auf die Frage, ob ein Überwachungswert nicht eingehalten sei, nicht nach. Vielmehr würden die im Rahmen der behördlichen Beprobung ermittelten Werte im Hinblick auf die von der Klägerseite vorgetragenen Aspekte keine ausreichende Beweiskraft besitzen. Hinsichtlich der gemessenen CSB und P-Werte könne sich der Beklagte nicht auf die Wirkungen einer öffentlichen Urkunde gemäß § 98 VwGO, § 415 Abs. 2 ZPO berufen. Voraussetzung dafür sei unter anderem, dass das Schriftstück die ausstellende Behörde erkennen lasse, unterschrieben, signiert bzw. gestempelt sei. Die hier maßgeblichen Werte seien aber nicht im unterzeichneten Analysebericht genannt, sondern lediglich in dem als bloße Anlage beigefügten „Analyseprotokoll“. Die Anlage selbst sei weder signiert noch unterzeichnet. Selbst wenn man auf einen Zusammenhang der Anlage mit ersten Seite abstellen wolle, ergebe sich aus diesem Zusammenhang nicht, wer die Analyse vorgenommen habe. Wegen der scharfen Rechtswirkungen einer Einordnung eines Dokuments als öffentliche Urkunde müssten die entsprechenden Vorschriften äußerst restriktiv ausgelegt werden.
Im Rahmen der somit gebotenen freien Beweiswürdigung habe das Gericht auch den Umstand zu berücksichtigen, dass der Beklagte die streitgegenständliche Probe in Kenntnis der Streitigkeit bereits vernichtet habe, bevor diese zur weiteren Aufklärung eingesetzt werden konnte. Den Beklagten sei eine Beweisvereitelung im Sinne des §§ 444 ZPO vorzuwerfen. Die Originalprobe sei zuvor keiner erneuten Untersuchung unterzogen worden, obwohl dies ohne weiteres möglich gewesen wäre. Die Klägerin selbst habe sich umfangreich bemüht, dem ungewöhnlichen Ergebnis der behördlichen Probennahme auf den Grund zu gehen. Sie habe die externe Ingenieurgesellschaft C. GmbH mit Untersuchungen und technischen Berechnungen beauftragt. Das Ingenieurbüro sei zu dem Ergebnis gekommen, dass sich die Klägerin an sämtliche Standards für Mess- und Analyseverfahren gehalten habe. Weder der Landkreis noch der LHW konnten die gemessene Überschreitung erklären.
Es sei klarzustellen, dass die Klägerin nicht von sich aus zwei Wochen tatenlos zugewartet habe bis sie sich bei der unter Wasserbehörde meldete. Vielmehr sei die Klägerin erst mit Schreiben vom 18.01.2017 überhaupt darüber informiert worden, dass sich ungewöhnlich hohe CSB- und P-Werte gezeigt hätten. Die untere Wasserbehörde habe in diesem Schreiben eine Frist zur Stellungnahme bis zum 01.02.2017 gesetzt. Angesichts dieser Fristsetzung habe die Klägerin keinen Grund zur Annahme gehabt, dass von Seiten des Beklagten währenddessen vollendete Tatsachen geschaffen werden würden.
Der Beklagte müsse sich zudem als diejenige Behörde, die den mit Rechtswirkungen nach außen ausgestalteten Abgabenbescheid erlassen habe, auch die Handlungen der anderen Behörden zurechnen lassen. Es könne nicht zulasten der Klägerin angeführt werden, dass mehrere Behörden gemeinsam gehandelt und sich dabei Informationen untereinander möglicherweise nicht rechtzeitig übermittelt hatten.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 16.07.2019 aufzuheben, soweit er die Abwasserabgabe im Veranlagungsjahr 2017 für den Schadstoff CSB und den Schadstoff Phosphor betrifft und auf der Messung vom 12.01.2017 beruht.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung macht er geltend, die von der Klägerin gegen das Ergebnis der behördlichen Überwachung vom 12.01.2017 erhobenen Einwände seien unzutreffend und würden nicht durchgreifen. Die gewonnenen Messergebnisse seien richtig und könnten uneingeschränkt für die Berechnung der Abwasserabgabenhöhe herangezogen werden.
Der Analysebericht vom 01.02.2017 stelle eine öffentliche Urkunde im Sinne von § 98 VwGO, §§ 415 Abs. 1, 418 Abs. 1 ZPO dar, die den vollen Beweis der darin bezeugten Tatsachen begründe. Zwar sei ein Gegenbeweis zulässig, jedoch trage die Klägerin keine Beweise vor, die ein falsch ermitteltes Messergebnis bezeugen würden. Die Einwände der Klägerin würden sich in bloßen Behauptungen und unsubstantiierten Vermutungen erschöpfen.
Die Beprobung und Analyse durch den insoweit beauftragten Gewässerkundlichen Landesdienst (GLD) des LHW seien ordnungsgemäß erfolgt. Es gebe keinerlei Hinweise auf Fehler bei der Ermittlung und Weitergabe der Messwerte. Dies sei durch den GLD als Ergebnis einer Überprüfung nach dem Qualitätsmanagementsystem des LHW mit Schreiben vom 06.03.2017 bestätigt worden.
Der Vortrag der Klägerin, die Probe stimme nicht mit der Vergleichsprobe zur selben Zeit und mit der Eigenüberwachung am Morgen des 12.01.2017 überein, sei nicht zum Gegenbeweis geeignet. Wie von der Klägerin selbst vorgetragen, würden regelmäßig keine gleichen Werte bei den Messungen erzielt werden. Zudem sei die im Rahmen der Eigenüberwachung genommene Probe nicht aussagekräftig, da die Probe um 6 Uhr und somit erheblich vor dem maßgeblichen Zeitpunkt der Probenentnahme durch den GLD erfolgt sei. Für die Vergleichsprobe sei nicht ersichtlich, warum den ermittelten Messergebnissen eine höhere Richtigkeitsgewähr zukommen solle, als demjenigen des Beklagten. Das Abwasserabgabengesetz stelle allein auf die staatliche Überwachung ab.
Bei der Probenentnahme war die Mitarbeiterin der Klägerin, Frau H. M., zugegen die auf dem infrage stehenden Protokoll die Entgegennahme der Vergleichsprobe mit ihrer Unterschrift bestätigt habe. Auf wahrnehmbare Mängel bei der Probenentnahme habe die Mitarbeiterin nicht hingewiesen.
Angesichts der geschilderten Gesamtumstände (Schlammauf- und Schlammabtrieb) seien die Ergebnisse der behördlichen Überwachung dahingehend zu bewerten, dass am 12.01.2017 der Betrieb der Kläranlage der Klägerin gestört gewesen sei. Die dahinterliegenden Ursachen einer möglichen Störung seien dem Beklagten nicht bekannt, zumal dieser Umstand für die Abgabenfestsetzung in der Regel auch unbeachtlich sei. Aus den Angaben der Klägerin in ihrer Stellungnahme vom 30.01.2017 ergebe sich, dass an diesem Tag kein ordnungsgemäßer und einwandfreier Kläranlagenbetrieb stattgefunden habe und es belege, dass ein Anlagenbetrieb durchaus trotz offensichtlicher Betriebsstörungen möglich sei. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass sich Teile des aufgetriebenen Schwimmschlamms in der Zwischenzeit (zwischen 6:00 Uhr und 10:30 Uhr) im Übrigen Abwasser gelöst und so die erhöhten Messwerte zumindest mitverursacht haben. Dies spreche allerdings nicht gegen die Verwertbarkeit der ordnungsgemäß gewonnenen Proben.
Entgegen der Ansicht der Klägerin habe der Beklagte keine Beweise fahrlässig vernichtet. Zunächst sei festzustellen, dass es seitens des Beklagten schon gar nicht zu einer Vernichtung von Beweismitteln gekommen sein könne, da der Beklagte für die Beprobung und Analyse nicht zuständig sei. Probeentnahmen und Abwasseruntersuchungen würden durch das Labor des LHW im Auftrag der zuständigen Wasserbehörde durchgeführt.
Ergänzend werde darauf hingewiesen, dass es nicht zu einem unsachgemäßen Umgang mit den streitgegenständlichen Abwasserproben im Labor des LHW gekommen sei. Die (konservierte) Restprobe für Phosphor werde nach erfolgter Analyse nur dann aufgehoben, wenn die Analyse aufgrund von Qualitätsabweichungen oder Grenzüberschreitungen wiederholt werden müsse. In der Prüfanweisung sei festgelegt, dass von Abwasserproben grundsätzlich Doppeltbestimmungen durchzuführen seien und bei Grenzwertüberschreitungen die Analyse an einem anderen Messtag (innerhalb der Konservierungszeit) zu wiederholen sei. Die Probe werde erst verworfen, wenn alle Qualitätskriterien erfüllt seien. Die Aufbewahrung erfolge jedoch nur bis zur maximal zulässigen Konservierungszeit von vier Wochen. Entsprechendes gelte für Proben zur Bestimmung des CSB Wertes. Auch im Umgang mit der streitgegenständlichen Probe vom 12.01.2017 seien die dargestellten Verfahrensregeln eingehalten worden. Die Kontrolle der AQS-Maßnahmen habe keine Abweichungen ergeben. Da sämtliche Qualitätskriterien eingehalten worden seien, habe es keine Notwendigkeit für erneute Analysen gegeben. Ergänzend sei ferner darauf hinzuweisen, dass selbst wenn noch Probenmaterial vorhanden gewesen wäre, am 09.02.2017 für alle in der Probe bestimmten Parameter die jeweils zulässige Aufbewahrungszeit bereits abgelaufen gewesen sei und keine Nachweise mehr hätten durchgeführt werden dürfen.
Soweit die Klägerin behauptet, es sei für den vorliegenden Rechtsstreit unerheblich, wenn mehrere Behörden im Rahmen der ihnen zugewiesenen Zuständigkeiten tätig gewesen seien, so sei dies insbesondere für den erhobenen Vorwurf der Beweisvereitelung unzutreffend. Die Einleiterüberwachung erfolge durch den LHW für die zuständige Wasserbehörde. Der LHW analysiere die Probe und informiere die jeweils zuständige Behörde über die Überschreitung von Messwerten. Der Beklagte sei von dem LHW ebenfalls über die Messwerte informiert worden. Die zuständige Wasserbehörde fordere im Folgenden den Abwassereinleiter auf, die Ursachen zu ermitteln, die notwendigen Gegenmaßnahmen durchzuführen und ihr diese mitzuteilen. Dieses Schreiben an die Klägerin sei noch am 18.01.2017 durch die untere Wasserbehörde erstellt worden. Ausdrücklich müsse an dieser Stelle erwähnt werden, dass es den beteiligten Wasserbehörden wie auch dem LHW zu diesem Zeitpunkt nicht bewusst gewesen sei, dass es Abweichungen zu den Ergebnissen der Eigenüberwachung gegeben habe. Erst mit Schreiben vom 30.01.2017 sei die untere Wasserbehörde über die Abweichungen seitens der Klägerin informiert worden. Eine Eilbedürftigkeit habe das eigene Verhalten der Klägerin nicht offensichtlich erkennen lassen. Die Stellungnahme der Klägerin vom 30.01.2017 wurde seitens der unteren Wasserbehörde am 06.02.2017 an den Beklagten weitergeleitet. Zu diesem Zeitpunkt habe der Beklagte zum ersten Mal überhaupt Kenntnis davon erhalten, dass die Klägerin die ihr übersandten Überwachungsergebnisse infrage stelle. Die E-Mail der unteren Wasserbehörde vom 06.02.2017 habe überdies den Hinweis enthalten, dass die Stellungnahme der Klägerin an das Labor „zwecks Überprüfung“ gesandt werde. Eine Handlungsnotwendigkeit habe sich daraus für den Beklagten nicht ergeben. Es liege auch kein schuldhaftes Verhalten der unteren Wasserbehörde vor. Die Mitarbeiterin der unteren Wasserbehörde habe ohne Zeitverzug den Beklagten und den LHW über das am 31.01.2017 nach Dienstschluss eingegangene Schreiben der Klägerin vom 30.01.2017 informiert.
Im Anschluss an die mündliche Verhandlung vom 27.09.2021 hat das Gericht den Beteiligten zur einvernehmlichen Beilegung des Rechtsstreites gemäß § 106 Satz 2 VwGO einen Vergleich vorgeschlagen, den der Beklagte abgelehnt hat. Sodann hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 04.11.2021 sowie der Beklagte mit Schriftsatz vom 01.11.2021 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakte sowie den beigezogenen Verwaltungsvorgang des Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe

I.
Die zulässige Klage, über die die Kammer im Einverständnis der Beteiligten gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte, ist nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Aufhebung der Abwasserabgabe für die Parameter CSB und Phosphor. Der Abwasserabgabebescheid vom 16.07.2019 ist insoweit rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1.
Nach § 1 Satz 1 AbwAG ist für das Einleiten von Abwasser in ein Gewässer im Sinne von § 3 Nr. 1-3 WHG eine Abwasserabgabe zu entrichten. Die Klägerin hat in dem hier maßgeblichen Veranlagungsjahr 2017 unstreitig Abwasser in den Lehnertsgraben eingeleitet, sodass sie als Einleiterin im Sinne von § 9 Abs. 1 AbwAG abgabepflichtig ist.
2.
Die festgesetzte Abwasserabgabe ist auch der Höhe nach rechtmäßig.
Die Abwasserabgabe beträgt vorliegend für den Parameter CSB 266.306,23 € sowie für den Schadstoff Phosphor 55.903,98 €. Sie berechnet sich auf der Grundlage der §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1, 9 Abs. 4, 5 AbwAG. Das AG AbwAG LSA enthält hierzu keine eigenen Regelungen.
Die Abwasserabgabe richtet sich gemäß § 3 Abs. 1 AbwAG nach der Schädlichkeit des Abwassers, die unter Zugrundelegung unter anderem der oxidierbaren Stoffe nach der Anlage zu diesem Gesetz in Schadeinheiten bestimmt wird. Die Ermittlung der Zahl der Schadeinheiten zugrunde zu legende Schadstofffracht errechnet sich grundsätzlich gemäß § 4 Abs. 1 AbwAG nach den Festlegungen des die Abwassereinleitung zulassenden Bescheides (sog. Bescheidverfahren). Gemäß § 6 Abs. 1 S. 1 und 2 AbwAG hat, soweit – wie hier unstreitig hinsichtlich des Parameters Phosphor – die zur Ermittlung der Schadeinheiten erforderlichen Festlegungen nicht in einem Bescheid nach § 4 Abs. 1 enthalten bzw. zur Überwachung geeignet sind, der Einleiter spätestens einen Monat vor Beginn des Veranlagungszeitraums gegenüber der zuständigen Behörde zu erklären, welche für die Ermittlung der Schadeinheiten maßgebenden Überwachungswerte er im Veranlagungszeitraum einhalten wird. Kommt der Einleiter der Verpflichtung nach Satz 1 – wie hier – nicht nach, ist der Ermittlung der Schadeinheiten jeweils das höchste Messergebnis aus der behördlichen Überwachung zugrunde zu legen.
Eine Erhöhung der Abwasserabgabe kommt als Sanktion in Betracht, wenn die für die Schadparameter in der Einleitungserlaubnis festgesetzten Werte nicht eingehalten werden. Ergibt die Überwachung, dass ein der Abgabenberechnung zugrunde zu legender Überwachungswert im Veranlagungszeitraum nicht eingehalten ist und auch nicht als eingehalten gilt, wird die Zahl der Schadstoffeinheiten erhöht (§ 4 Abs. 4 Satz 2 AbwAG). So bestimmt § 4 Abs. 4 Satz 4 AbwAG i. V. m. Satz 1, 2 und 3 AbwAG, dass sich die Erhöhung der Schadeinheit nach dem Vomhundertsatz richtet, um den der höchste gemessene Einzelwert den Überwachungswert überschreitet. Wird dabei der Überwachungswert einmal nicht eingehalten, so bestimmt sich die Erhöhung nach der Hälfte des Vomhundertsatzes, wird die Überwachungswert mehrfach nicht eingehalten, nach dem vollen Vomhundertsatz.
Nach § 4 Abs. 4 Satz 1 AbwAG ist die Einhaltung der Einleitungsbestimmungen im Rahmen der Gewässerüberwachung nach den wasserrechtlichen Vorschriften durch staatliche oder staatlich anerkannte Stellen zu überwachen.
Gemäß § 9 Abs. 4 AbwAG beträgt der Abgabesatz ab dem Jahr 2002 je Schadeinheit 35,79 €.
a)
Vor diesem Hintergrund hat der Beklagte seiner Berechnung für den Parameter CSB zutreffend unter Berücksichtigung einer Vorbelastung von 1.846,00 Schadeinheiten und 5.594,80 erhöhten Schadeinheiten insgesamt 7.440,80 Schadeinheiten zugrunde gelegt. Diese Zahl hat er multipliziert mit dem Abgabesatz von 35,79 € und hat folgerichtig eine Abwasserabgabe von 266.306,23 € für den Parameter CSB berechnet.
Entsprechendes gilt im Hinblick auf Höhe der Abwasserabgabe für den Parameter Phosphor, deren Ermittlung auf § 6 Abs. 1 S. 1 und 2 AbwAG beruht. Die – von der Klägerin unbestrittene – Annahme des Beklagten, dass die Festlegung von zwei unterschiedlichen Überwachungswerten für den Parameter Phosphor im 4. Änderungsbescheid vom 09.02.2016 mangels hinreichender Bestimmtheit unwirksam ist, begegnet keinen rechtlichen Bedenken, sodass die zur Ermittlung der Schadeinheiten erforderlichen Festlegungen nicht im Sinne des § 6 Abs. 1 AbwAG in einem Bescheid nach § 4 Abs. 1 enthalten sind und mangels entsprechender Erklärung der Klägerin das höchste Messergebnis aus der behördlichen Überwachung zugrunde zu legen ist. Ausgehend von insgesamt 1.562 Schadeinheiten ist der Beklagte in rechtlich nicht zu beanstandender Weise zu einer Abwasserabgabe in Höhe von 55.903,98 € für den Parameter Phosphor gelangt.
b)
Die vorstehend bezeichneten und der Festsetzung der Abwasserabgabe zugrunde gelegten Schadstoffeinheiten hat der Beklagte (aa) zum einen für den Parameter Phosphor gemäß § 6 Abs. 1 S. 1 und 2 AbwAG aus dem höchsten gemessenen Wert von 6,6 mg/l ermittelt und zum anderen im Hinblick auf den Parameter CSB die Zahl der Schadstoffeinheiten gemäß § 4 Abs. 4 Satz 2 AbwAG erhöht, da der in der wasserrechtlichen Erlaubnis vom 30.10.1992 i. d. F. des 4. Änderungsbescheides vom 09.02.2016 festgesetzte zulässige Grenzwert von 130 mg/l überschritten wurde und (bb) auch nicht als eingehalten gilt.
aa)
Maßgebend für die Berechnung der Schadeinheiten war in Bezug auf den Parameter Phosphor der höchste gemessene Wert von 6,6 mg/l. Im Hinblick auf den Parameter CSB hat der Beklagte zu Recht gemäß § 4 Abs. 4 S. 4 AbwAG eine zweimalige Überschreitung des in der wasserrechtlichen Erlaubnis vom 30.10.1992 i. d. F. des 4. Änderungsbescheides vom 09.02.2016 festgesetzten zulässige Grenzwertes angesichts des am 12.01.2017 gemessenen Wertes von 524 mg/l und des am 27.04.2017 ermittelten Wertes von 156 mg/l angenommen.
Diese Messergebnisse sind verwertbar.
(1)
Die Abgabentatbestände des § 4 Abs. 4 Satz 2 AbwAG und des § 6 Abs. 1 S. 1 und 2 AbwAG sind nur erfüllt, wenn die Nichteinhaltung eines Überwachungswerts durch eine ordnungsgemäße, d. h. abgaberechtlich verwertbare Messung nachgewiesen wird (BVerwG, U. v. 09.08.2011 – 7 C 10.11 -, juris, Rn. 32; U. v. 31.08.2005 – 9 C 3.04 -, juris, Rn. 24). Dies ist nur dann der Fall, wenn die Untersuchung der Abwasserprobe mit all ihren Randbedingungen (z. B. Probenahme u.a.) dem zwingend anzuwendenden Verfahren entspricht (BayVGH, U. v. 07.02.2020 – 8 B 18.2212 -, juris, Rn. 19).
Der Beklagte hat das zutreffende Analyseverfahren angewandt. Das anzuwendende Analyseverfahren bestimmt sich nach dem in der Anlage zu § 3 AbwAG geregelten Verfahren zur Bestimmung der Schädlichkeit des Abwassers. Diese verweist für CSB auf Nr. 303 sowie hinsichtlich des Parameters Phosphor auf die Nr. 108 der Anlage „Analysen- und Messverfahren” zur Abwasserverordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 17.06.2004. Darin ist wiederum bestimmt, dass insoweit für Phosphor die DIN EN 6878 (Ausgabe September 2004) mit der Maßgabe Aufschluss nach Abschnitt 7.4 sowie für CSB DIN 38409-H41 (Ausgabe Dezember 1980) anzuwenden ist. Anhand dieser Vorschriften wurden die Proben vom 12.01.2017 analysiert, wie sich aus dem eingereichten Analysenprotokoll als Anlage zum Analysebericht des LHW vom 01.02.2017 ergibt.
(2)
Die Klägerin kann die Richtigkeit der von dem LHW im Rahmen dieser gesetzlich vorgesehenen Verfahren ermittelten Messergebnisse nicht mit Erfolg angreifen.
Der über die Auswertung der Messung vom 12.01.2017 gefertigte Analysenbericht vom 01.02.2017, aus dem der Beklagte die Messwerte übernommen hat, stellt eine öffentliche Urkunde im Sinne von § 98 VwGO, §§ 415 Abs. 1, 418 Abs. 1 ZPO dar, die den vollen Beweis der darin bezeugten Tatsachen begründet (s. BVerwG, U. v. 15.01.2002 –  9 C 4.01 –, juris, Rn. 38). Hiervon werden neben den Angaben über die Art der Probenahme auch die im Wege der Analyse gewonnenen Schadstoffkonzentrationen erfasst. Ein Messprotokoll enthält bei verständiger Würdigung auch die Aussage, dass die Messung fehlerfrei erfolgt ist. Denn es ist ausreichend, dass sich ein bestimmter Urkundeninhalt durch Auslegung ermitteln lässt. Die Protokollierung von Messungen und Messergebnissen hat nur dann einen nachvollziehbaren Sinn, wenn zugleich die Ordnungsgemäßheit der Probenahme bescheinigt wird (vgl. VG Halle, U. v. 31.05.2018 – 4 A 527/16 –, juris, Rn. 35; VG Düsseldorf, U. v. 09.08.2012 – 8 K 8037/10 –, juris).
Zwar hat die Qualifizierung des Messprotokolls/ Analysenberichts als öffentliche Urkunde zur Folge, dass der Inhalt der Urkunde den vollen Beweis für die darin bezeugten Tatsachen begründet (§§ 98 VwGO, 418 Abs. 1 ZPO). Gemäß §§ 98 VwGO, 418 Abs. 2 ZPO ist allerdings der Gegenbeweis zulässig. Dieser ist aber nur dann erbracht, wenn das Gericht vom Gegenteil des Urkundeninhalts überzeugt ist. Die bloße Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs genügt nicht (vgl. BVerwG, U. v. 15.01.2002, a. a. O.).
Soweit die Klägerin meint, der Beklagte könne sich hinsichtlich der CSB- und P-Werte nicht auf die Wirkungen einer öffentlichen Urkunde berufen, da es sich bei dem Analysenprotokoll lediglich um eine nicht unterschriebene Anlage des Analysenberichts handele, dringt sie damit nicht durch. Der Analysenbericht stellt nebst seinen Anlagen in Gestalt des Analysenprotokolls und des Probennahmenprotokolls eine öffentliche Urkunde gemäß § 98 VwGO, § 415 Abs. 1 ZPO dar. Danach begründen Urkunden, die von einer öffentlichen Behörde innerhalb der Grenzen ihrer Amtsbefugnisse oder von einer mit öffentlichem Glauben versehenen Person innerhalb des ihr zugewiesenen Geschäftskreises in der vorgeschriebenen Form aufgenommen sind (öffentliche Urkunden), wenn sie über eine vor der Behörde oder der Urkundsperson abgegebene Erklärung errichtet sind, vollen Beweis des durch die Behörde oder die Urkundsperson beurkundeten Vorganges. Der Analysenbericht nebst Anlagen wurde von dem LHW im Rahmen seiner Amtsbefugnisse erstellt und ist von der Bearbeiterin, Frau H. B., unterzeichnet worden. Dass die Anlagen selbst nicht erneut von der Bearbeiterin unterzeichnet worden, steht der Annahme einer Eigenschaft als öffentliche Gesamturkunde nicht entgegen. Einerseits werden in dem unterzeichneten Analysebericht die dazugehörigen Anlagen (Analyseprotokoll und Probennahmeprotokoll) ausdrücklich bezeichnet. Es besteht mithin kein Zweifel daran, dass diese ebenfalls von der Willenserklärung der unterzeichnenden Person erfasst sind und sich die Urkundswirkung auch auf die Anlagen erstrecken soll. Selbst für den Fall, dass die Anlagen gesonderte, von dem Anaylsenbericht gänzlich unabhängige Willenserklärungen darstellen, erfüllen diese die Voraussetzungen für die Annahme einer öffentlichen Urkunde. Auch die Anlagen lassen den LHW als ausstellende Behörde innerhalb des ihm zugewiesenen Geschäftskreises erkennen. Einer (weiteren) Unterschrift der Bearbeiterin bedurfte es insofern nicht. Für den Begriff der Urkunde ist es ohne Bedeutung, ob der Aussteller unterschrieben hat, sofern nur seine Urheberschaft sonst dargetan ist (s. Rudsilie, in: Schoch/ Schneider, VwGO, Kommentar, § 98, Rn. 189, Stand: 02/2021). Dies zeigt sich z. B. daran, dass sowohl der gerichtliche als auch der behördliche Eingangsstempel als öffentliche Zeugnisurkunden im Sinne des § 98 VwGO i. V. m. § 415 ZPO angesehen werden (vgl. OVG Weimar, B. v. 02.11.1994 – 2 EO 42/94 –, juris) Die Unterschrift eines Behördenmitarbeiters ist vielmehr nur dann Voraussetzung für das Vorliegen einer öffentlichen Urkunde, wenn das Unterschriftserfordernis durch eine zwingende Formvorschrift für die jeweilige Urkundenart gesetzlich normiert ist. Eine derartige zwingende Formvorschrift besteht für Urkunden wie dem hier gegenständlichen Analyseprotokoll indes nicht.
Entgegen der Ansicht der Klägerin erstreckt sich die Beweiskraft des Analysenberichts als öffentliche Urkunde nicht lediglich auf das Ob, Wann und Wie der Messung mit der Folge, dass die Richtigkeit des Messergebnisses nicht durch das Probennahmeprotokoll bewiesen werden könne. Wie dargestellt, erstreckt sich die Beweiskraft des Protokolls nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auf den Inhalt der Urkunde. Der Analysebericht beinhaltet vorliegend sowohl das Analysenprotokoll als auch das Probennahmeprotokoll als Anlagen. Gegenstand des Analysenprotokolls sind auch die von dem Beklagten herangezogenen Messwerte für CSB und P, sodass diese von der Beweiskraft des Analyseberichts umfasst werden. Denn auch die Angaben über die Schadstoffkonzentrationen sind “Tatsachen” im Sinne von § 98 VwGO i.V.m. § 418 Abs. 1 ZPO.
(3)
Kann sich der Beklagte demnach angesichts der Beweiskraft des Protokolls als öffentliche Urkunde auf vollen Beweis der darin bezeugten Tatsachen berufen (§§ 98 VwGO, 418 Abs. 1 ZPO) und verbleibt der Klägerin lediglich die Möglichkeit der Gegenbeweisführung, ist vorliegend auch keine Modifizierung dieser Beweislastregelung vorzunehmen.
Insoweit ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, dass eine schuldhafte Beweisvereitelung seitens der beklagten Behörde in entsprechender Anwendung von § 444 ZPO (vgl. § 98 VwGO) zu einer Beweislastumkehr zugunsten des in Beweisnot geratenen Klägers führen kann. Ihre Grundlage findet die Beweislastumkehr im Rechtsstaatsprinzip, vgl. Art. 20 Abs. 3 GG, und im Gebot der Gewährung wirksamen Rechtsschutzes, vgl. Art. 19 Abs. 4 GG (s. BVerwG, B. v. 22.10.1992 – 3 B 26.92 –, juris, Rn. 14).
Vorliegend kommt dem Verhalten des Beklagten zwar in gewissem Maße ein beweisvereitelnder Charakter zu (a). Dieses erreicht indes nicht den Grad eines Verschuldens, welches die Annahme einer Beweislastumkehr rechtfertigen würde (b).
(a)
In Anwendung des Rechtsgedankens aus §§ 427, 441 Abs. 3 Satz 3, 444, 446, 453 Abs. 2, 454 Abs. 1 ZPO und § 242 BGB liegt eine Beweisvereitelung vor, wenn eine Partei ihrem beweispflichtigen Gegner die Beweisführung schuldhaft erschwert oder unmöglich macht. Dies kann vorprozessual oder während des Prozesses durch gezielte oder fahrlässige Handlungen geschehen, mit denen bereits vorhandene Beweismittel vernichtet oder vorenthalten werden. Das Verschulden muss sich dabei sowohl auf die Zerstörung oder Entziehung des Beweisobjekts als auch auf die Beseitigung seiner Beweisfunktion beziehen, also darauf, die Beweislage des Gegners in einem gegenwärtigen oder künftigen Prozess nachteilig zu beeinflussen (vgl. BGH, U. v. 23.11.2005 – VIII ZR 43/05 – juris, Rn. 23). Der Rechtsgedanke des § 444 ZPO geht dahin, zu verhindern, dass eine Lücke in der Beweisführung, die die nicht beweispflichtige Partei verschuldet hat, ohne weiteres und in jedem Fall nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen der beweispflichtigen Partei zur Last fällt (BVerwG, U. v. 18.2.2003 – 6 B 10/03 – juris, Rn. 6).
Gemessen an diesen Maßstäben hat der Beklagte die am 12.01.2017 zur Ermittlung des CSB- und Phosphorwertes entnommenen Proben im Hinblick auf die im Nachgang eingeschränkten Beweisführungsmöglichkeiten der Klägerin in vorwerfbarer Weise vernichtet und somit fahrlässig deren Beweisführung vereitelt.
Unstreitig wurden die Proben für die Analyse des CSB-Wertes und des Phosphor-Wertes durch den LHW am 16. und 17.01.2017 vernichtet, bevor die Klägerin über das Ergebnis der behördlichen Messung durch den Landkreis Börde als untere Wasserbehörde mit Schreiben vom 18.01.2017 (offiziell) unterrichtet wurde. Mit der zu diesem Zeitpunkt erfolgten Vernichtung der Proben hat der LHW bzw. der Beklagte (s.u.) seine objektive Sorgfaltspflicht verletzt. Es hätte ihm bereits aufgrund der exorbitanten Höhe der Messergebnisse oblegen, die Proben jedenfalls bis zum Ablauf der zulässigen Konservierungszeit von vier Wochen aufzubewahren. Aus welchen Gründen eine derart frühe Vernichtung der Proben stattgefunden hat, obwohl die zulässige Konservierungszeit bei weitem noch nicht abgelaufen war, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Vielmehr hätte es sich gerade dem LHW als jene fachliche Institution, die stets mit der Probenahme sowie Analyse der Messergebnisse betraut ist, auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass ihm die Vergleichswerte der Klägerin nicht bekannt waren, aufdrängen müssen, dass es sich bei den ermittelten Werten um außergewöhnlich hohe Werte handelt, die in erheblichem Maße von den üblicherweise auftretenden Werten abweichen. Allein dieser Umstand hätte den LHW zur Aufbewahrung der Proben innerhalb der Konservierungszeit veranlassen müssen. Im Übrigen dürfte es insoweit auch zu den einzuhaltenden Qualitätsstandards gehören, der analysierenden Stelle Kenntnis hinsichtlich der Überwachungswerte zu verschaffen.
Die Sorgfaltspflichtverletzung des LHW ist dem Beklagten auch zuzurechnen. Denn als abgabenerhebende Behörde muss auch der Beklagte sicherstellen, dass die Ergebnisse der behördlichen Messung abgabenrechtlich verwertbar sind. Weder das von dem LHW vorgenommene Probe- und Analyseverfahren noch das von dem Landkreis Börde durchgeführte ordnungsrechtliche Verwaltungsverfahren im Hinblick auf die mit dem Erlaubnisbescheid vom 13.10.1992 i. d. F. des 4. Änderungsbescheides vom 09.02.2016 vorgesehene Kontrolle der Einhaltung der festgesetzten zulässigen Einleitwerte kann von der Abwasserabgabenerhebung gänzlich isoliert betrachtet werden. Vielmehr besteht angesichts des Umstands, dass der Beklagte die Werte der behördlichen Messungen seiner Abgabenerhebung zugrunde legt, eine rechtliche Verknüpfung zwischen dem wasserrechtlichen Verwaltungsverfahren der Ordnungsbehörde und der Festsetzung und Erhebung der Abwasserabgabe durch den Beklagten, die insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Einheitlichkeit der Verwaltung eine entsprechende Verhaltenszurechnung erfordert. Entgegen der Ansicht des Beklagten ist es demnach rechtlich unbeachtlich, dass der Landkreis Börde als untere Wasserbehörde den Beklagten erst mit Schreiben vom 06.02.2021 über die hohen Messwerte und die entsprechende Stellungnahme der Klägerin unterrichtet hat. Mithin hat der Beklagte, will er Messwerte verwerten, auch sicherzustellen, dass derartige Fälle besonderen Qualitätsstandards genügen.
Eine andere rechtliche Bewertung rechtfertig insofern auch nicht der Umstand, dass der Klägerin eine Vergleichsprobe zur Verfügung gestellt und ihr damit die Möglichkeit eingeräumt worden war, die behördlichen Messergebnisse im Wege eigener Messungen zu überprüfen. Denn die behördlichen Proben waren im Zeitpunkt der Mitteilung der behördlichen Messergebnisse mit Schreiben vom 18.01.2017 an die Klägerin bereits vernichtet. Selbst für den Fall, dass – wie die Klägerin selbst vorträgt – die Mitarbeiterin des Landkreises Börde, Frau B. R., die Leiterin der klägerischen Klägeranlage, Frau Y. H., über die hohen Messwerte der behördlichen Probeentnahmen bereits zuvor telefonisch unterrichtet hatte, lässt dies die dem Beklagten zuzurechnende Sorgfaltspflichtverletzung nicht entfallen. Die Aufbewahrungspflicht des LHW resultiert allein aus den von ihm als Fachbehörde festgestellten exorbitant hohen Werten und besteht gänzlich unabhängig von etwaigen Rügeobliegenheiten der Klägerin.
(b)
Aus der fahrlässigen Beweisvereitelung des Beklagten resultiert vorliegend indes keine Beweislastumkehr zugunsten der Klägerin.
Eine undifferenzierte Beweislastumkehr kann nicht generelle Rechtsfolge einer schuldhaften Beweisvereitelung sein. Vielmehr geht es bei der Beweisvereitelung um die Bewältigung der besonderen Umstände des Einzelfalles, sodass das Spektrum der erfassten tatsächlichen Umstände – von leicht fahrlässigem Verhalten bis hin zu zielgerichtetem, absichtlichem Vorgehen – in die rechtliche Bewertung einzuordnen ist (vgl. dazu Sodan/ Ziekow, VwGO Kommentar, 5. Aufl., 2018, § 108, Rn. 159 f.). Zwar kommt eine Beweislastumkehr nicht nur bei vorsätzlicher, sondern auch bei lediglich fahrlässiger Beweisvereitelung in Betracht, etwa dann, wenn für denjenigen, der einen später als Beweismittel benötigten Gegenstand vernichtet oder vernichten lässt, bereits vor der Vernichtung erkennbar ist, dass dieser einmal eine Beweisfunktion haben kann. Auch bei Verstößen gegen die Pflicht zur ordnungsgemäßen und vollständigen Aktenführung ist in der Rechtsprechung eine Umkehr der Beweislast anerkannt (BayVGH, B. v. 23.08.2010 – 7 ZB 10.1489 – juris, Rn. 16 m. w. N.; vgl. zur möglichen Änderung der Beweislastverteilung BVerwG, U. v. 18.12.1987 – 7 C 49/87 –; B. v. 22.10.1992 – 3 B 26/92 –; U. v. 30.09.1971 – VIII V 114.70 –, alle zitiert nach juris).
Vor diesem Hintergrund rechtfertigt das Maß der Beweisvereitelung des Beklagten unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalles jedoch nicht die Annahme einer Beweislastumkehr.
Dem Beklagten ist nur ein leicht fahrlässiger Pflichtverstoß anzulasten. Zwar mag zu Lasten des Beklagten sprechen, dass dem LHW bereits im Zeitpunkt der Vernichtung der Probe bewusst gewesen sein muss, dass seinem in dem Analysebericht vom 01.02.2017 verzeichneten Analyseergebnis eine besondere Beweisfunktion zukommt, sodass auch die Probe selbst – solange sie innerhalb der Konservierungszeit verwertbar war – ein Beweismittel von beachtlicher Bedeutung darstellt. Gleichwohl hat der LHW im Rahmen der Probenanalyse sämtliche Anforderungen des Qualitätsmanagementsystems einhalten. Diese sehen bei Grenzwertüberschreitungen für den Schadstoff Phosphor eine Wiederholung der Analyse an einem anderen Messtag vor sowie für CSB das Ansetzen zwei verschiedener Verdünnungen jeweils mit Doppelbestimmungen und die Bildung eines Mittelwertes aus einer Verdünnungsstufe. Demnach ist der Beklagte seiner Pflicht zur Einhaltung verschiedener Qualitätsstandards zum Zwecke der Erzielung korrekter Analyseergebnisse nachgekommen, sodass der fahrlässige Verstoß gegen die – hier allein aus den besonderen Umständen des Einzelfalles resultierende – Aufbewahrungspflicht keine derart erhebliche Sorgfaltspflichtverletzung darstellt, die im Wege der Beweislastumkehr einen schwerwiegenden Eingriff in die gesetzliche Risikozuweisung rechtfertigen würde.
(4)
Aber selbst Vorstehendes unbeachtet gelassen, ergibt sich auch im Rahmen einer sodann gemäß § 108 Abs. 1 VwGO vorzunehmenden freien Beweiswürdigung eine Fehlerhaftigkeit der der Abwasserabgabe zugrunde gelegten Messwerte des Beklagten nicht zur Überzeugung des Gerichts, was zudem gegen den von der Klägerin ansonsten zu erbringenden Gegenbeweis spricht.
(a)
Soweit die Klägerin verschiedene mögliche Fehler sowohl bei der Probenahme als auch bei der Analyse der Messwerte benennt, beschränkt sich ihr Vortrag auf bloße Mutmaßungen.
Im Einzelnen:
Der Umstand, dass die mit der Probenahme am 12.01.2017 betrauten Mitarbeiter des LHW, Herr W. und Herr J., bisher nicht bzw. nur einmal im Betrieb der Klägerin tätig wurden, rechtfertigt nicht die Annahme einer unzureichenden Qualifikation dieser Mitarbeiter. Hinreichend konkrete Umstände, die einen entsprechenden Rückschluss zuließen, trägt die Klägerin nicht vor.
Hinsichtlich einer möglichen Verunreinigung der Gerätschaften sowie einer Verunreinigung der Probe durch äußere Einflüsse benennt die Klägerin ebenfalls keine Tatsachen, die auf eine entsprechende Fehlerquelle schließen lassen könnten. Auch die Klägerin vermutet lediglich, dass das Schöpfgefäß sowie der Homogenisierungsbehälter durch vorherige Probenahmen verunreinigt gewesen sein könnten, weil die Beprobung (ggf. im Anschluss an Beprobungen in anderen Unternehmen) erst um 11 Uhr stattfand.
Auch ein unsachgemäßes Verfahren bei der Probennahme hat die Klägerin nicht hinreichend substantiiert dargelegt. Vielmehr führt die Klägerin allenfalls denkbare Fehler beim Schöpfen des Wassers (keine repräsentative Menge, ggf. Aufnahme einer größeren Menge organischen Materials) oder beim Rühren des Wassers auf. Im Übrigen war unstreitig die Laborantin der Klägerin, Frau H. M., während der Probenahme anwesend und hat die Entgegennahme der Vergleichsprobe mit ihrer Unterschrift bestätigt. Sofern der fachkundigen Mitarbeiterin der Klägerin entsprechende Verfahrensfehler aufgefallen wären, wäre von ihr zu erwarten gewesen, diese sogleich zu protokollieren. Dass Frau M. bis zum diesem Zeitpunkt entsprechende Feststellungen getroffen hat, die auf Fehler während der Probenahme schließen lassen könnten, trägt die Klägerin bereits selbst nicht vor. Zudem dürften sich die vorstehenden Aspekte auch auf die der Klägerin übergebenen Vergleichsprobe ausgewirkt haben, hinsichtlich derer sich die Klägerin jedoch auf wesentlich geringere Analyseergebnisse beruft.
Soweit die Klägerin geltend macht, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass bei der Analyse der behördlichen Proben beim LHW Fehler gemacht wurden, belegt sie dies ungeachtet der von dem Beklagten insoweit in das Verfahren eingeführten Aspekte und Unterlagen ebenfalls nicht mit Tatsachen.
Entgegen der Ansicht der Klägerin ist weder ein Widerspruch zu den früheren Messergebnissen noch zu von der Klägerin ausweislich des Betriebstagebuchs ermittelten Messwerten anhand ihrer ebenfalls am 12.01.2017 um 6 Uhr entnommenen Eigenprobe und der Analyse der ihr übergebenen Vergleichsproben geeignet, ein unzutreffendes behördliches Beprobungsergebnis zu begründen. Vielmehr ist der von der Klägerin dargestellten Tabelle 2 (Bl. 66 Rs. d. A.) zu entnehmen, dass die ermittelten Werte stets schwanken und unterschiedlich ausgeprägte Ausreißer des CSB-Wertes wie z.B. 104 am 10.02.2014, 263 am 25.03.2014, 125 am 31.03.2015, 156 am 27.04.2017 und 177 am 04.10.2018 nicht unüblich sind. Auch unter Einbeziehung weiterer Paramater wie die Trübung der Probe und des Wertes suspendierender Stoffe am Tag der streitgegenständlichen Probenahme („getrübte“ Probe und suspendierende Stoffe von 280 mg/l) stellen die von der Klägerin in Bezug genommenen Fälle (25.03.2014: „stark getrübte“ Probe bei einem CSB-Wert von 263 und suspendierende Stoffe von 230 mg/l, 15.07.2015: „getrübte“ Probe bei einem CSB-Wert von 96 und suspendierende Stoffe von 71 mg/l) keine hinreichend substantiierten Anhaltspunkte für eine Fehlerhaftigkeit der von dem Beklagten zugrunde gelegten Werte dar.
Dies gilt auch unter Berücksichtigung der von der Klägerin ermittelten Messwerte anhand ihrer ebenfalls am 12.01.2017 um 6 Uhr entnommenen Eigenprobe und der Analyse der ihr übergebenen Vergleichsproben. Insoweit ist die um 6 Uhr entnommen Eigenprobe der Klägerin angesichts der zeitlichen Verzögerung zur behördlichen Probenahme nicht geeignet, die von dem Beklagten ermittelten Werte in Frage zu stellen. Die Proben sind bereits nicht vergleichbar. Aber auch die von der Klägerin aus der Vergleichsprobe ermittelten Werte begründen keine hinreichenden Zweifel an den Messwerten des Beklagten. Zwar weichen diese erheblich von den Messwerten der behördlichen Überwachung ab. Die Gesamtumstände der Messung vom 12.01.2017 sprechen indes vielmehr für die Annahme, dass die von dem Beklagten ermittelten Werte den Schadstoffgehalt des klägerischen Abwassers im Zeitpunkt der Entnahme zutreffend wiedergeben. Denn unstreitig befand sich am Tag der Beprobung auf dem leicht trüb/gelblich gefärbten Abwasser der Klägerin eine Schwimmschlammdecke, die sich auf der Nachklärung mit einem kurzzeitigen Schlammauf- bzw. Schlammabtrieb gebildet hatte. Soweit demnach bereits nach dem klägerischen Vortrag am Tag der Probenahme Probleme bei der Absetzung der Nachklärung bestanden, ist es hinreichend wahrscheinlich, dass sich der nicht ausreichend abgesetzte, schadstoffhaltige Klärschlamm, der im Normalfall in der Kläranlage verbleibt bzw. nach Klärung des Abwassers abgezogen und entsorgt wird, nach wie vor in dem Abwasser der Klägerin befand. Als Folge der schlechten Absetzung in der Nachklärung ist der hoch schadstoffhaltige Klärschlamm mit hoher Wahrscheinlichkeit mit dem Abwasser abgetrieben bzw. hat im Abwasser zu einer nachhaltigen Veränderung seiner stofflichen Zusammensetzung geführt, was die hohen CSB- sowie Phosphorwerte an der Einleitstelle wiederspiegeln. Es steht angesichts dieser Umstände zur Überzeugung des Gerichts fest, dass sich die Reinigungsleistung der klägerischen Kläranlage an dem Tag der Probenahme deutlich verschlechtert hatte und dies mit einer Erhöhung der Schadstoffwerte des Abwassers der Klägerin einherging.
(b)
Das Gericht war insofern auch nicht gehalten den schriftsätzlichen Beweisanregungen der Klägerin nachzugehen.
Soweit die Klägerin zum Beweis der Tatsache, dass der Anlagenbetrieb im Zeitraum vor und während der Messung am 12.01.2017 stabil verlief, keine Wartungs- oder sonstige Maßnahmen an der Anlage vorgenommen wurden und keine Betriebsstörung erkennbar war, die Vernehmung der Leiterin der Kläranlage, Frau Y. H., als Zeugin beantragt, bedarf es dieser Beweiserhebung nicht. Zwar stellt der Beklagte den ordnungsgemäßen Betrieb der Kläranlage am 12.01.2017 in Abrede, indem er auf die Stellungnahme der Klägerin vom 30.01.2017 verweist. Auf die Frage des störungsfreien Betriebs der Kläranlage kommt es indes nicht entscheidungserheblich an. Auch wenn ein – von der Klägerin unverschuldeter – Störfall eingetreten wäre, sind dessen Folgen nach der Rechtsprechung des OVG LSA dem jeweiligen Einleiter dennoch abwasserabgabenrechtlich zurechenbar. Der Einleiter hat es regelmäßig in der Hand, durch Vorsorgemaßnahmen die Entstehung von Störfällen zu verhindern oder zumindest ihr Ausmaß in Grenzen zu halten. Auch soweit dies für den Einleiter im Einzelfall nicht möglich sein sollte, bleibt er abwasserrechtlich „Verursacher“ der Gewässerschädigung und muss ggf. finanziellen Rückgriff auf den für den Störfall letztlich Verantwortlichen nehmen, um den ihm durch die Abgabenerhöhung entstandenen Schaden auszugleichen. Die gesetzliche Lösung dient im Zusammenhang der Gesamtregelung der Effektivität der Abwasserabgabe als Flankierungsinstrument zur Sicherung des wasserrechtlichen Vollzugs, indem sie den Anreiz für die Einleiter deutlich erhöht, weitgehende Vorsorge zur Verhinderung von Störfällen zu treffen. Sie ist demnach geeignet und erforderlich, um das mit der Abwasserabgabe verbundene Lenkungsziel effektiv zu erreichen (vgl. OVG LSA, B. v. 16.07.2021 – 4 L 84/20 – juris, Rn. 38).
Der Antrag der Klägerin, zum Beweis der Richtigkeit des Vorgehens bei der Beprobung im Rahmen der Eigenüberwachung und bei der Analyse der Vergleichsprobe ein Sachverständigengutachten einzuholen, ist ebenfalls abzulehnen. Der Beklagte bestreitet dies nicht. Darüber hinaus kann dahinstehen, ob die Entnahme sowie Analyse der Vergleichsprobe der Klägerin ordnungsgemäß erfolgt ist. Selbst für jenen unterstellten Fall, rechtfertigen die klägerischen Ergebnisse der Analyse der Vergleichsprobe – wie dargestellt – nicht die Annahme einer Fehlerhaftigkeit der behördlichen Messergebnisse.
Sofern die Klägerin ferner (wörtlich) beantragt, zum Beweis der Frage, ob die von ihr benannten Fehlerquellen bezüglich der Probennahme und Analyse zu dem hier streitgegenständlichen extremen Abweichen der behördlichen Probe von der Eigenprobe und der Vergleichsprobe führen können, ein Sachverständigengutachten einzuholen, ist der Antrag bereits unzulässig. Es handelt sich um eine reine Sachverhaltsausforschung, da die Klägerin – wie dargestellt – die möglichen Fehlerquellen lediglich benennt, ohne ihre Behauptung mit weiteren Tatsachen hinreichend zu substantiieren.
Entsprechendes gilt für den Antrag der Klägerin, durch Sachverständigengutachten Beweis zu der Frage zu erheben, dass die von ihr aufgezeigten Widersprüche belegen, dass die am 12.01.2017 ermittelten Werte für CSB nicht zutreffend sind. Die Klägerin hat entsprechende Widersprüche in den vergangenen behördlichen Messungen nicht hinreichend substantiiert. Vielmehr schwanken die behördlichen Messergebnisse auch unter Berücksichtigung des jeweiligen Verhältnisses zur Trübung der Probe und dem Wert der suspendierenden Stoffe stets mit unterschiedlich stark ausgeprägten Ausreißern.
Der Ablehnung unterliegt ferner der Antrag der Klägerin, zum Beweis der Frage, dass auch die Mitarbeiter des Landkreises Börde die Ergebnisse der Probe vom 12.01.2017 für unerklärlich hielten, durch Vernehmung der Zeugin Frau B. R.. Der Umstand wird von dem Beklagten nicht bestritten. Ferner ist die Einschätzung der Mitarbeiterin des Landkreises Börde auch im Rahmen einer Gesamtbetrachtung nach § 180 Abs. 1 VwGO nicht entscheidungserheblich.
Die Klägerin führt ferner aus, sie bestreite die Behauptung des Beklagten, dass sich aus der noch vorhandenen Teilprobe keine Rückschlüsse auf die Höhe der CSB- und P-Werte ziehen lassen. Nach Rücksprache mit Experten des für die Überprüfung der Proben der Klägerin beauftragten Unternehmens Aquaconsult könne eine ordnungsgemäß konservierte und homogenisierte Probe auch noch zur Ermittlung von CSB genutzt werden. Soweit die Klägerin „hierzu die Erhebung des Beweises durch Sachverständigengutachten“ beantragt, ist der Antrag bereits nicht hinreichend bestimmt, da die Beweistatsache nicht konkret benannt wird. Ferner geht der Antrag der Klägerin ins Leere. Entgegen der klägerischen Ausführungen hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 22.09.2020 (Bl. 251 Bd. I d. A.) ausgeführt, dass im Zeitpunkt der Vernichtung der streitgegenständlichen CSB- und P-Proben nur noch eine eingefrorene Teilprobe zur BSB-Bestimmung vorhanden war, die indes am 08.02.2017 vernichtet wurde.
bb)
Die ordnungsgemäß ermittelten CSB-Werte gelten auch nicht nach der sogenannten Vier-aus-Fünf-Regel gemäß § 6 Abs. 1 S. 1 AbwV als eingehalten. Danach gilt, wenn ein nach dieser Verordnung einzuhaltender oder in der wasserrechtlichen Zulassung festgesetzter Wert nach dem Ergebnis einer Überprüfung im Rahmen der staatlichen Überwachung nicht eingehalten wird, dennoch als eingehalten, wenn die Ergebnisse dieser und der vier vorausgegangenen staatlichen Überprüfungen in vier Fällen den jeweils maßgebenden Wert nicht überschreiten und kein Ergebnis den Wert um mehr als 100 Prozent übersteigt. Der ermittelte CSB-Wert von 524 mg/l übersteigt den zugelassenen Wert von 130mg/l indes um mehr als 100 %.
c)
Die Erhöhung der Schadeinheiten für CSB beträgt daher 303,08 % (524 mg/l – 130 mg/l = 394 mg/l / 130 mg/l = 303,08), was zu einer erhöhten Schadeinheit von 5.594,80 (1.846 * 303 / 100) führt. Summiert mit der normalen Schadeinheit von 1.846 sowie anschließend multipliziert mit dem gesetzlichen Abgabesatz von 35,79 € ergibt sich die festgesetzte Abwasserabgabe in Höhe von 266.306,23 €.
Soweit für den Parameter P gemäß Anlage 3 zu § 3 AbwAG eine Schadeinheit einer Messeinheit von 3 kg entspricht, war angesichts des höchsten gemessenen Wertes von 6,6 mg/l von insgesamt 1.562 Schadeinheiten auszugehen, was multipliziert mit dem Abgabesatz von 35,79 € die festgesetzte Abwasserabgabe von 55.903,98 € ergibt.
d)
Eine Ermäßigung der Abgabe um die Hälfte kann vorliegend nicht erfolgen. Eine Ermäßigung nach § 9 Abs. 5 Satz 1 AbwAG kommt nicht in Betracht. Danach ermäßigt sich der Abgabesatz nach Absatz 4 um die Hälfte für die Schadeinheiten, die nicht vermieden werden, obwohl (1.) der Inhalt eines Bescheides nach § 4 Abs. 1 oder die Erklärung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 mindestens den von der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates festgelegten Anforderungen nach § 7 a des Wasserhaushaltsgesetzes entspricht und (2.) die von der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates festgelegten Anforderungen nach § 7 a des Wasserhaushaltsgesetzes im Veranlagungszeitraum eingehalten werden.
Soweit das Abwasser der Klägerin in den Anwendungsbereich des Anhangs 8 der AbwV (Kartoffelverarbeitung) fällt, welche als Mindestanforderung für CSB einen Wert von 150 mg/l vorsieht, die Klägerin diesen Wert indes sowohl am 12.01.2017 als auch am 27.04.2017 überschritten hat und der Wert auch nicht als eingehalten gilt, liegen die Voraussetzungen für eine Ermäßigung der Abwasserabgabe nicht vor.
Für den Parameter P kann ebenfalls keine Ermäßigung erfolgen, da § 9 Abs. 5 AbwAG die Fälle des § 6 Abs. 1 S. 2 AbwAG bereits nach seinem Wortlaut nicht erfasst.
II.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 S.1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Rechtsgrundlage in § 167 VwGO i. V. m. § 709 Satz 2 ZPO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 3 GKG.


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