Miet- und Wohnungseigentumsrecht

5 C 228/21 WEG

Aktenzeichen  5 C 228/21 WEG

Datum:
27.10.2021
Fundstelle:
ZMR – 2022, 161
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Sonthofen
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Die unter TOP 7 a. Unterpunkt bb. (Wahl des ersten, zweiten, dritten und vierten Verwaltungsbeiratsmitglieds) der Eigentümerversammlung vom 27.03.2021 der Wohnungseigentümergemeinschaft …, gefassten Beschlüsse werden für ungültig erklärt.
2. Es wird festgestellt, dass der unter TOP 7 a. Unterpunkt bb. (Wahl des fünften Verwaltungsbeiratsmitglieds, Herr …) der Eigentümerversammlung vom 27.03.2021 der Wohnungseigentümergemeinschaft …, gefasste Beschluss nichtig ist.
3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 5.000,00 € festgesetzt.

Gründe

Die Klage hat vollumfänglich erfolgt. Sie ist zulässig und begründet.
I. Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das Amtsgericht Sonthofen gemäß § 43 Nr. 4 WEG, §§ 23 Nr. 2c, 71 Abs. 1 GVG sachlich sowie örtlich zur Entscheidung zuständig.
II. Die Klage ist vollumfänglich begründet.
1. Die Fristen des § 45 WEG wurden eingehalten.
Die vollständig begründete Anfechtungsklage hinsichtlich der Beschlüsse der am 27.03.2021 erfolgten Eigentümerversammlung ging bereits am 08.04.2021 per Fax und am 09.04.2021 schriftlich, damit innerhalb der Monatsfrist des § 45 Hs. 1 WEG, beim zuständigen Amtsgericht Sonthofen ein.
2. Die unter TOP 7 a. Unterpunkt bb. gefassten Beschlüsse über die Wahl des ersten, zweiten, dritten und vierten Verwaltungsbeiratsmitglieds sind ungültig.
a) Gemäß § 29 Abs. 1 WEG n.F. beschließen die Wohnungseigentümer nunmehr selbst über die Anzahl der Mitglieder des Verwaltungsbeirates. Dieser muss nun nicht mehr aus exakt drei Verwaltungsbeiräte bestehen, vielmehr können sich die Wohnungseigentümer entscheiden, mehr oder weniger Verwaltungsbeiräte zu bestellen (vgl. etwas Hügel/Elzer, DNot 2021, S. 3 ff. (S. 33), Greiner in: BeckOGK, WEG, § 29 Rn. 9), was durch einen Grundsatzbeschluss geschehen kann (vgl. Greiner a.a.O.).
Vorliegend lag mit dem Beschlussantrag des Klägers vom 24.03.2021 ein solcher Grundsatzbeschluss im Entwurf vor. Nach Auffassung des Gerichts ist vor der Wahl des Verwaltungsbeirates denklogisch und zwingend über die entsprechende Anzahl der Beiratsmitglieder zu beschließen. Andernfalls ist völlig unklar, wie viele Kandidaten tatsächlich gewählt werden können und wie vieler Abstimmungen (jedenfalls bei einer nicht verblockten Wahl) es hierfür bedarf. Ist die Anzahl der Verwaltungsbeiratsmitglieder per Beschluss vorgegeben, wird exakt diese Anzahl gewählt. Andernfalls besteht das Gremium aus so vielen Personen, wie gewählt wurden, vgl. Greiner a.a.O.
Zwar wurde im Rahmen der verfahrensgegenständlichen Eigentümerversammlung engagiert über die Anzahl des zu wählenden Verwaltungsbeirates diskutiert, aber lediglich über den Antrag, welcher die Begrenzung auf genau drei Verwaltungsbeiräte vorsah, abgestimmt. Eine Abstimmung über den einzigen schriftlichen und bereits vor Eigentümerversammlung vorliegenden Beschlussantrag des Klägers ist jedoch gerade nicht erfolgt.
Das Gericht ist der Auffassung, dass der Kläger gerade durch die Schriftlichkeit und Frühzeitigkeit seines Beschlussantrags sowie seiner erheblichen Proteste im Rahmen der Eigentümerversammlung deutlich zum Ausdruck gebracht hat, dass über seinen Antrag – und zwar in dessen konkreten Ausgestaltung – abgestimmt werden muss. Dabei ist das Recht, konkrete Anträge zur Beschlussfassung zu stellen, Ausprägung des Teilnahmerechts der Wohnungseigentümer, Bärmann, WEG, 14. Aufl. 2018, § 24 Rn. 63. „Der Kläger hat als einer der Eigentümer der streitgegenständlichen Wohnungseigentümergemeinschaft ein Recht darauf, dass seine Anträge, sofern sie rechtzeitig vor der Versammlung gestellt werden, auf der Versammlung erörtert werden und darüber – wenn nicht aus sachlich gerechtfertigten Gründen eine Abstimmung nicht erfolgen kann oder soll – auch abgestimmt wird. “ (LG Dortmund, ZWE 2015, 371 ff. [373]). Damit wurde vorliegend in das Kernrecht des Klägers als Eigentümer, Anträge auf der Eigentümerversammlung zu stellen und darüber abstimmen zu lassen, eingegriffen, in dem der konkrete Antrag des Klägers nicht verbeschieden wurde.
b) Einen Sachgrund von der Abstimmung über den Antrag des Klägers abzusehen gab es vorliegend gerade nicht. Anders als die Beklagte ist das Gericht der Auffassung, dass mit der Ablehnung der Begrenzung der Mitglieder des Beirats auf konkret drei gerade noch keine Entscheidung über den Antrag des Klägers, welcher eine Mitgliederanzahl von einer bis maximal drei Personen vorsah, getroffen wurde. Anders verhielte es sich nur, wenn die konkrete Begrenzung auf drei Mitglieder tatsächlich angenommen und damit fixiert worden wäre. Dann hätte sich eine Abstimmung über den Beschlussantrag des Klägers und die insofern flexible Untergrenze der zu wählenden Mitglieder des Verwaltungsbeirates erübrigt.
Da aber die beiden genannten Beschlussanträge eben gerade im Hinblick auf die Untergrenze der zu wählenden Mitglieder des Verwaltungsbeirates divergieren, handelt es sich insofern beim Antrag des Klägers um ein aliud, welches zur Abstimmung gebracht hätte werden müssen.
c) Nachdem der Kläger und seine Ehefrau samt den von ihnen vertretenen Stimmen für den Beschlussantrag des Klägers gestimmt hätten, ist nicht auszuschließen, dass der Beschlussentwurf des Klägers im Rahmen der Eigentümerversammlung angenommen worden wäre. Dann aber wären maximal drei Verwaltungsbeiratsmitglieder zu wählen gewesen, was wiederum nicht ausschließbar auf das Abstimmungsverhalten der einzelnen Eigentümer im Rahmen der einzelnen Wahlgänge und damit das Wahlergebnis durchgeschlagen hätte können.
Damit entsprach die Wahl der einzelnen Beiratsmitglieder nicht ordnungsgemäßer Verwaltung und erfolgte unter Verletzung des Beschlussantragsrechtes und damit des mitgliedschaftlichen Teilnahmerechtes des Klägers, sodass die Beschlüsse unter TOP 7 a. Unterpunkt bb. für ungültig zu erklären waren.
3. Der unter TOP 7 a. Unterpunkt bb. gefasste Beschluss über die Wahl des fünften Verwaltungsbeiratsmitgliedes ist nichtig.
Die Wahl des fünften Verwaltungsbeiratsmitgliedes war offensichtlich rechtswidrig.
a) Dies ergibt sich bereits auf den ersten Blick aus der Definition des Wortes „Wahl“. Nach dem Duden definiert sich „Wahl“ als „Möglichkeit der Entscheidung; das Sichentscheiden zwischen zwei oder mehreren Möglichkeiten“. Vorliegend jedoch hatten die Eigentümer im Rahmen der Wahl des fünften Verwaltungsbeiratsmitgliedes lediglich die Möglichkeit mit „Ja“ zu stimmen bzw. sich der Wahl zu enthalten. Wer sich jedoch der Stimme enthält, will – aus welchen Motiven auch immer – weder ein zustimmendes noch ein ablehnendes Votum, sondern seine Unentschiedenheit bekunden. Er will auf die Beschlussfassung nicht anders einwirken, als wenn er der Versammlung ferngeblieben wäre oder sich vor der Abstimmung entfernt hätte. Der objektive Erklärungswert der Stimmenthaltung gebietet es daher, wenn gesetzlich nichts anderes geregelt ist, diese bei der Errechnung der Stimmenmehrheit nicht mitzuzählen (BGH NJW-RR 2019, 1102 Rn. 8). Damit entschied vorliegend lediglich das Abstimmungsergebnis derjenigen, die sich mit einem „Ja“ bzw. einem Kreuz für den letzten zur Wahl stehenden Kandidaten an der Wahl beteiligt hatten, da die Nein-Stimmen des Klägers und seiner Frau sowie der von ihnen vertretenen natürlichen und juristischen Personen gänzlich unberücksichtigt blieben. Eine echte Wahl im Sinne von mindestens einer Alternativen gab es somit bei der Wahl des fünften Verwaltungsbeiratsmitgliedes nicht, weswegen der ihr nachfolgende Beschluss nichtig ist.
b) Er erfolgte im Übrigen in Verkennung des Urteils des Bundesgerichtshofs vom 18.01.2019. Darin stellt der BGH erneut fest, dass der Grundsatz, dass eine Wahl mit Stimmenmehrheit erfolgen muss, nicht beeinträchtigt werden darf, da er ein elementares Recht der Wohnungseigentümer darstellt.
Zwar besteht danach selbstverständlich die Möglichkeit, dass bei mehreren Kandidaten eine Wahl dadurch erfolgen kann, dass jeder nur eine Ja-Stimme hat und dass derjenige Kandidat gewählt ist, der die meisten Ja-Stimmen auf sich vereinigt. Bei der Bestimmung der Mehrheit allein entscheidend ist somit, ob die abgegebenen Ja-Stimmen die Nein-Stimmen überwiegen (BGH NJW-RR2019, 1102 Rn. 8).
Vorliegend stand im fünften Wahlgang lediglich noch eine Person zur Wahl, sodass hier eine Wahl allein durch Abgabe einer Ja-Stimmen nicht möglich war. Ein solches Vorgehen torpediert sämtliche Wahlprinzipien, mithin auch die gesamten wohnungseigentumsrechtlichen Grundsätze. So könnte doch bei dieser Vorgehensweise die Bestimmung des Verwaltungsbeirates allein durch eine einzige Ja-Stimmen erfolgen, selbst wenn diese nur auf einen minimalen Bruchteil der Wohnungseigentümer entfiele und sämtliche übrigen Wohnungseigentümer gegen die Wahl des entsprechenden Kandidaten wären.
Im Hinblick auf diese grobe Verkennung allgemeiner Wahlprinzipien und die Verletzung elementarer wohnungseigentumsrechtlichen Grundsätze war der Beschluss hinsichtlich der Wahl des fünften Verwaltungsbeiratsmitgliedes für nichtig zu erklären.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
IV. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit richtet sich nach §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO, da vorliegend lediglich die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist.
V. Der Streitwert war gem. § 49 GKG festzusetzen.
Danach ist grundsätzlich das objektive Gesamtinteresse aller Wohnungseigentümer an der Entscheidung für die Festsetzung des Streitwerts maßgeblich.
Vorliegend war über die Gültigkeit/Nichtigkeit einer Verwaltungsbeiratswahl zu entscheiden. Dabei ist das Interesse der Wohnungseigentümer an der Entscheidung über einen solchen Beschluss unter Berücksichtigung der Bedeutung der Verwaltungsbeiratsaufgaben und der Größe der Wohnungseigentümergemeinschaft zu schätzen, Toussaint, in: BeckOK Kostenrecht, § 49 GKG Rn. 27. Hiernach war vorliegend von einem Streitwert in Höhe von 1.000 € je Verwaltungsbeiratsmitglied auszugehen, vgl. etwa LG Nürnberg-Fürth NJOZ 2011, 655 (657); LG Frankfurt a. M. WuM 2018, 317= BeckRS 2018, 3977 Rn. 4.


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