IT- und Medienrecht

Nichtigkeitsfeststellungsklage, Rundfunkbeitrag für eine Wohnung, Aufgabenwahrnehmung durch Beitragsservice

Aktenzeichen  M 6 K 19.5542

Datum:
25.1.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 1753
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 43 Abs. 1 Alt. 2
RBStV § 2 Abs. 1
RBStV § 10 Abs. 7

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen. 
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Über den Rechtsstreit konnte auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 21. Januar 2022 entschieden werden, obwohl der Beklagte nicht erschienen ist. Denn in der Ladung zur mündlichen Verhandlung wurde darauf hingewiesen, dass auch im Fall des Nichterscheinens der Beteiligten verhandelt und entschieden werden könne (§ 102 Abs. 2 VwGO). Der Beklagte wurde form- und fristgerecht geladen.
Die Klage hat keinen Erfolg und war vollumfänglich abzuweisen. Sie ist in Haupt- und Hilfsantrag unbegründet. Der streitgegenständliche Festsetzungsbescheid des Beklagten in Gestalt des Widerspruchsbescheids ist nicht nichtig (sogleich 1.), sondern rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO analog (sogleich 2.). Es war weder die Nichtigkeit festzustellen (§ 43 Abs. 1 Alt. 2 VwGO), noch – so wie hilfsweise beantragt – der Bescheid aufzuheben (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO).
1. Die Nichtigkeitsfeststellungsklage ist – soweit man diese (allein) aufgrund der Behauptung einer unrechtmäßigen Aufgabenübertragung, Verselbstständigung des Beitragsservice bzw. Zuständigkeitsanmaßung als zulässig erachtet – jedenfalls unbegründet.
Das Handeln des Beklagten durch die im Rahmen einer nichtrechtsfähigen öffentlich-rechtlichen Verwaltungsgemeinschaft betriebene Stelle der öffentlich-rechtlichen Landesrundfunkanstalten ist nicht zu beanstanden und stellt insbesondere keinen Nichtigkeitsgrund nach Art. 44 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwVfG dar. Die vom Kläger erhobenen Einwände greifen nicht durch.
Nach § 10 Abs. 5 RBStV werden rückständige Rundfunkbeiträge durch die zuständige Landesrundfunkanstalt festgesetzt.
Nach § 10 Abs. 7 RBStV i.V.m. § 2 der Satzung des Bayerischen Rundfunks über das Verfahren zur Leistung der Rundfunkbeiträge nimmt der Beitragsservice als die im Rahmen einer nicht rechtsfähigen öffentlich-rechtlichen Verwaltungsgemeinschaft betriebenen gemeinsamen Stelle der öffentlich-rechtlichen Landesrundfunkanstalten, die der jeweiligen Rundfunkanstalt zugewiesenen Aufgaben ganz oder teilweise für diese wahr. Bei dem Beitragsservice handelt es sich um eine Verwaltungsstelle, die für die jeweilige Landesrundfunkanstalt tätig wird, an die die Beiträge zu entrichten sind.
Demgemäß ist der Beitragsservice ein Teil der jeweiligen Rundfunkanstalt, der lediglich aus Zweckmäßigkeitsgründen aus dem normalen Betrieb und Sitz der jeweiligen Anstalt örtlich ausgelagert wurde. Daher werden Erklärungen des Beitragsservice im Namen und im Auftrag der jeweils zuständigen Rundfunkanstalt abgegeben (vgl. etwa VG Cottbus, Urteil vom 30.1.2020 – 6 K 2024/18; Sächsisches OVG, Beschluss vom 12. September 2016 – 3 B 166/16 – juris, Rn. 6; Sächsisches OVG, Beschluss vom 9. Juni 2015 – 3 B 136/15 -, juris). Dies ist auch aus den hier in Rede stehenden Bescheiden hinreichend ersichtlich.
Der Beklagte war als erlassende Behörde aus den Bescheiden erkennbar. Dies ergibt sich hinsichtlich des vom Kläger gerügten Widerspruchsbescheid bereits aus der Betreffzeile „Widerspruchsbescheid des Bayerischen Rundfunks“. Seine Verantwortlichkeit erhellt sich zudem aus der den Festsetzungsbescheid abschließenden Grußformel „Mit freundlichen Grüßen Bayerischer Rundfunk“. Die Grußformel befindet sich an der Stelle, an der für gewöhnlich die für den Inhalt des Schreibens verantwortlich zeichnende Person oder Institution aufgeführt ist (BGH, Beschluss vom 21. Oktober 2015 – 1 ZUB 6/15 -, juris Rn. 16). Zudem ist der Beklagte auch zutreffend in der Rechtsbehelfsbelehrungbenannt. Das Nichtvorhandensein eines zusätzlichen Logos des Beklagten auf dem Widerspruchsbescheid ist insoweit unschädlich.
Für die vom Kläger behauptet Verselbstständigung des Beitragsservice mitsamt unzulässiger Übertragung hoheitlicher Aufgaben zur eigenen Wahrnehmung auf die nichtrechtsfähige Verwaltungsstelle konnte weder der Kläger Belege, Nachweise oder Beispiele benennen, noch ist diese sonst ersichtlich. Anhaltspunkte für eine Aufgabenübertragung und dafür, dass der Beitragsservice nicht als Verwaltungsstelle für den Beklagten gehandelt hat, liegen nicht vor. Insbesondere ist auch das Handeln einer Angestellten, die im Briefkopf unter „Abteilung Recht und Personal“ des Beitragsservice aufgelistet ist, „im Auftrag“ für den Beklagten nach oben gesagtem insoweit gerade folgerichtig und nicht zu beanstanden.
2. Da die Klage im Hauptantrag ohne Erfolg blieb, ist über den Hilfsantrag zu entscheiden.
Der Beklagte setzte zu Recht Rundfunkbeiträge für die Wohnung des Klägers sowie einen Säumniszuschlag fest. Zur Begründung nimmt das Gericht zunächst Bezug auf die zutreffenden rechtlichen Ausführungen des Beklagten im Widerspruchsbescheid vom 1. Oktober 2019 und macht diese zum Gegenstand der Begründung der vorliegenden Entscheidung (§ 117 Abs. 5 VwGO). Lediglich ergänzend wird ausgeführt:
a. Rechtsgrundlage für die Erhebung des Rundfunkbeitrags ist seit 1. Januar 2013 der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag.
b. Als Inhaber einer Wohnung hat der Kläger für den hier maßgeblichen Zeitraum Rundfunkbeiträge zu zahlen. Im privaten Bereich ist nach § 2 Abs. 1 RBStV grundsätzlich für jede Wohnung von deren Inhaber ein Rundfunkbeitrag in Höhe von 17,50 EUR pro Monat zu entrichten. Inhaber einer Wohnung ist jede volljährige Person, die die Wohnung selbst bewohnt, § 2 Abs. 2 Satz 1 RBStV. Als Inhaber wird jede Person vermutet, die dort nach dem Melderecht gemeldet ist oder im Mietvertrag für die Wohnung als Mieter genannt ist, § 2 Abs. 2 Satz 2 RBStV. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung bestätigt, dass er im hier maßgeblichen Zeitraum an der im Bescheid genannten Adresse gewohnt hat.
c. Im Übrigen sind die Fragen hinsichtlich der Rechtmäßigkeit, insbesondere der Verfassungsmäßigkeit des Rundfunkbeitrags inzwischen höchstrichterlich geklärt (BVerwG, U.v. 18.3.2016 – 6 C 6/15; BVerfG, U.v. 18.7.2018 – 1 BvR 1675/16 u.a.; BGH, B.v. 26.7.2018 – I ZB 78/17; EuGH, U.v. 13.12.2018 – C. 492/17, zitiert jeweils nach juris). Dies betrifft auch und gerade die Ausgestaltung als Beitrag und die Anknüpfung der Beitragspflicht an das Innehaben einer Wohnung (vgl. BVerfG, U.v.18.7.2018 – 1 BvR 1675/16, juris Rn. 59 ff.). Das Gericht sieht keine Veranlassung hiervon abzuweichen.
d. Die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Festsetzung von Rundfunkbeiträgen durch den Beklagten in der erfolgten Höhe lagen hier vor. Auch die seitens des Klägers erhobenen weiteren Einwände gegen die Art und Weise der Festsetzung der Rundfunkbeiträge sind nicht durchgreifend. Nach § 10 Abs. 5 RBStV werden rückständige Rundfunkbeiträge durch die zuständige Landesrundfunkanstalt festgesetzt. Diese Voraussetzung liegt hier vor, da der Kläger mit der Zahlung seiner Rundfunkbeiträge für den hier festgesetzten Zeitraum – unstreitig – im Rückstand war. Auch handelte der Beklagte (s.o. 1.).
e. Auch die Festsetzung des Säumniszuschlags ist rechtlich nicht zu beanstanden. Rechtsgrundlage ist § 11 Abs. 1 der Satzung des Bayerischen Rundfunks über das Verfahren zur Leistung der Rundfunkbeiträge – Rundfunkbeitragssatzung – vom 5. Dezember 2016, in Kraft getreten am 1. Januar 2017 (StAnz Nr. 51-52/2016) i.V.m. § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 Alt. 3 RBStV). Danach wird, wenn Rundfunkbeiträge nicht innerhalb von vier Wochen nach Fälligkeit in voller Höhe entrichtet werden, ein Säumniszuschlag in Höhe von einem Prozent der rückständigen Beitragsschuld, mindestens aber ein Betrag von 8,00 EUR fällig. Der Säumniszuschlag wurde zusammen mit der Rundfunkbeitragsschuld durch Bescheid nach § 10 Abs. 5 RBStV festgesetzt. Mit dem Bescheid wurde nur ein Säumniszuschlag festgesetzt (§ 11 Abs. 1 Satz 3 Rundfunkbeitragssatzung).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 ff. ZPO.


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