Arbeitsrecht

154 C 14319/21

Aktenzeichen  154 C 14319/21

Datum:
11.1.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 779
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Bei Leistungen im Zusammenhang mit einer Hochzeitsfeier handelt es sich um absolute Fixschulden.

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 1.000,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 25.09.2021 sowie weitere 159,94 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 25.09.2021 zu zahlen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung der Kläger durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leisten.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 1.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
Über den Rechtsstreit war durch Endurteil zu entscheiden.
1. Der Erlass eines Versäumnisurteils kam nicht in Frage, obwohl die Beklagte mit Schriftsatz vom 02.01.2022 mitgeteilt hat, sie „ziehe die Klageabweisung zurück“.
Denn zum einen kann ein einmal gestellter Antrag auf Klageabweisung in der mündlichen Verhandlung nicht mehr zurückgenommen werden (vgl. BeckOK, ZPO, 42. Ed. 1.9.2021, § 333, Rn. 19). Zum anderen war der Schriftsatz nicht unterschrieben und lässt somit die Identität des Unterschreibenden nicht ausreichend erkennen.
2. Auch eine Auslegung als Anerkenntnis scheitert an der fehlenden Unterschrift. Das nur mit dem maschinenschriftlichen Wort „…“ gezeichnete PC-Fax gibt keine der Unterschrift vergleichbare Gewähr für die Urheberschaft und den Willen, den Schriftsatz in den Rechtsverkehr zu bringen (vgl. BeckOK, ZPO, 42. Ed. 1.9.2021, ZPO § 130 Rn. 10).
II.
Die zulässige Klage ist begründet.
1. Die Kläger haben gegen die Beklagte nach Ausübung des Rücktrittsrechts einen Anspruch auf Rückzahlung in Höhe von 1.000,- € gemäß §§ 346 Abs. 1, 326 Abs. 5, 323 Abs. 1, 275 Abs. 1 BGB.
a) Zwischen den Parteien wurde unstreitig ein Vertrag über die Anfertigung von Hochzeitsfotografien geschlossen. Hierfür wurde eine Pauschalvergütung in Höhe von 3.000,- € vereinbart.
Ausweislich des Vertrages (Anlage K1) wurde für 2 Stunden Standesamt Shooting und 10 Stunden Hochzeitsreportage ein Gesamtbetrag in Höhe von 3.000,- € vereinbart. Ein Stundensatz wird nicht genannt. Auch eine Vereinbarung über eine Abrechnung nach Arbeitsstunden ist dem Vertrag nicht zu entnehmen. Es hat auch keine Partei vorgetragen, dass eine Abrechnung nach Stunden mündlich vereinbart worden sei. Wenn jedoch für mehrere Leistungen nur ein Preis genannt wird, handelt es sich um eine Pauschalpreisvereinbarung.
Maßgeblich ist bei der Höhe der Vergütung nur das, was zwischen den Parteien konkret vereinbart wurde. Was die Beklagte sonst oder üblicherweise an Vergütung verlangt, ist somit für das Verhältnis zu den Klägern irrelevant.
b) Den Klägern stand für die kirchliche Hochzeit vom 22.05.2021 ein Rücktrittsrecht gemäß §§ 326 Abs. 5, 275 Abs. 1 BGB zu.
Die von der Beklagten versprochene Leistung, nämlich auf der Hochzeitsfeier der Kläger am 22.05.2021 Fotografien anzufertigen, ist für die Beklagte gemäß § 275 Abs. 1 BGB unmöglich geworden, da es sich um ein absolutes Fixgeschäft handelte.
(1) Ob Unmöglichkeit vorliegt, ist anhand der in dem Vertrag vereinbarten Umstände zu beurteilen. Insbesondere ist danach durch Auslegung zu ermitteln, ob es sich um ein Fixgeschäft handelte. Eine Fixschuld liegt vor, wenn diese nur zu einem bestimmten Zeitpunkt überhaupt erfüllt werden kann. Ist der Zeitpunkt vorbei, kann die Leistung naturgesetzlich nicht mehr wie geschuldet erbracht werden.
Für eine Hochzeitsfeier wurde vom LG Lüneburg (Urteil vom 10.05.2021, Az. 10 O 313/20, NJOZ 2021, 1142) sowie vom AG Köln (Urteil vom 21.01.2021, Az. 125 C 379/20, BeckRS 2021, 3348) im Zusammenhang mit coronabedingten Hochzeitsabsagen vertreten, dass es sich bei Leistungen, die im Zusammenhang mit Hochzeitsfeiern erbracht werden sollen, um absolute Fixgeschäfte handele. Das AG Weinheim (Urteil vom 09.09.2020, Az. 2 C 145/20, COVuR 2021, 296) hat hingegen entschieden, dass die Leistungen im Zusammenhang mit der Hochzeitsfeier nachholbar seien und somit kein Fixgeschäft vorliege.
(2) Das entscheidende Gericht schließt sich der Auffassung an, dass es sich bei Leistungen im Zusammenhang mit einer Hochzeitsfeier um absolute Fixschulden handelt. Denn würde man der Ansicht des AG Weinheim folgen, wären die Brautleute dazu verpflichtet, mit dem Vertragspartner einen Ersatztermin für die Hochzeit zu finden, der für den Vertragspartner möglich ist. Üblicherweise haben aber die Brautleute eine Vielzahl von weiteren Gesichtspunkten zu berücksichtigen bei der Wahl des Termins für die Hochzeitsfeier. Sie selbst müssen an diesem Termin Zeit haben, also muss es sich um ein Wochenende oder um einen von beiden Arbeitgebern genehmigten Urlaub handeln. Die Kirche muss an dem Tag frei sein, und der Pfarrer oder Priester darf keine weiteren Termine haben. Und auch die dem Brautpaar nahestehenden Personen müssen sich frei nehmen können. Hinzu kommen der Veranstaltungsort der Feier und weitere Erbringer von Leistungen (Hochzeitstorte, Musiker usw.). Auch den anderen Leistungserbringern gegenüber wären die Brautleute verpflichtet, mit diesen einen neuen Termin zu finden. Insgesamt würde es je nach Größe der Hochzeit zu einem beinahe unmöglichen Unterfangen, alle Beteiligten nochmals (also nach Planung des ursprünglichen Hochzeitstermins) an einem Termin versammeln zu können.
Hinzu kommt, dass eine solche Terminplanung durch die noch immer andauernde Pandemie und die hierdurch geltenden Einschränkungen derzeit weiter erschwert wird.
(3) Zu einem anderen Ergebnis kommt das Gericht auch nicht unter Berücksichtigung der Umstände des konkreten Einzelfalls.
Bei dem Vertrag, der zwischen den Parteien geschlossen wurde, ist für die Leistungserbringung der Beklagten ein genaues Datum, hier der 22.05.2021, genannt. Eine Vereinbarung dazu, was passieren soll, wenn an diesem Datum die Feier nicht stattfinden kann, ist nicht enthalten. Allerdings ist in den AGB der Beklagten unter Ziffer 1.) unter anderem die Regelung enthalten, dass die Terminreservierungsgebühr Zeit und Datum der Vereinbarung garantiere. Im Falle der Verschiebung der Hochzeit werde die Terminreservierungsgebühr nicht zurückerstattet.
Damit bringt die Beklagte zum Ausdruck, dass sie im Falle einer Terminsverschiebung der Hochzeitsfeier den Vertrag als gescheitert ansieht. Eine Verpflichtung der Parteien, gemeinsam einen Ausweichtermin zu finden, enthält der Vertrag nicht. Die Beklagte geht selbst davon aus, dass das Vertragsverhältnis endet, wenn die Hochzeitsfeier verschoben wird.
Dabei wurde der streitgegenständliche Vertrag zu einem Zeitpunkt geschlossen, als die Coronapandemie und die mit ihr verbundenen Einschränkungen für Hochzeitsfeiern bereits bekannt waren und mit weiteren Einschränkungen auch in Zukunft gerechnet werden musste. Bei Vertragsschluss Ende September 2020 war die zweite Welle der steigenden Neuinfektionen bereits abzusehen. Einen Impfstoff gab es noch nicht, und es war auch nicht konkret absehbar, wann dieser zugelassen werden und Impfdosen in ausreichender Menge vorhanden sein würden. Gleichwohl haben die Parteien sich nicht dazu veranlasst gesehen, eine Regelung für einen Fall der Hochzeitsabsage oder -verschiebung zu treffen. Ein Interesse der Parteien an dem Festhalten am Vertrag auch in diesem Falle ist dem Vertrag nicht zu entnehmen.
Hinzu kommt auch das Verhalten der Parteien nachdem fest stand, dass die Feier am 22.05.2021 nicht stattfinden würde. Die Parteien haben sich nicht nur darum bemüht, einen neuen Termin zu finden. Sie sind auch erneut in Preisverhandlungen eingestiegen. Dies lässt den Rückschluss zu, dass es ihnen um die Verhandlung eines vollständig neuen Vertrages ging, nicht um die Fortführung des alten zu einem lediglich neuen Zeitpunkt.
Mit dem Ablauf des 22.05.2021, an dem die Erbringung der vertraglichen Leistung aufgrund des gesetzlichen Verbots für jedermann rechtlich unmöglich war, ist die Beklagte somit gemäß § 275 Abs. 1 BGB von ihrer primären Leistungspflicht frei geworden.
c) Die Kläger haben nach Erbringung einer Teilleistung bei der standesamtlichen Trauung den Rücktritt vom Vertrag gemäß § 349 BGB erklärt.
Der „Widerruf“, den die Kläger in der E-Mail vom 16.06.2021 erklärt haben, ist als Rücktrittserklärung auszulegen.
Bei der Auslegung einer Willenserklärung und auch bei der Ausübung eines Gestaltungsrechts ist gemäß §§ 133, 157 BGB nicht am Wortsinne des Erklärten festzuhalten, sondern der wirkliche Wille des Erklärenden anhand des objektiv Geäußerten zu erforschen. Für die Beklagte war durch die Erklärung nach dem objektiven Empfängerhorizont erkennbar, dass sich die Kläger vom Vertrag lösen wollten. Die Widerrufsfrist war zu diesem Zeitpunkt jedoch bereits abgelaufen. Und die Kläger haben ergänzend geäußert, dass der Vertrag rückabgewickelt werden soll, weil die Hochzeit nicht stattfinden konnte. Damit haben sie zum Ausdruck gebracht, dass sie nicht das Widerrufsrecht geltend machen wollen, dass keinen Grund erfordert, und dass ohnehin nicht mehr bestand. Sondern sie wollten sich wegen des Scheiterns des Vertrages von diesem lösen.
Die Widerrufserklärung ist auch nicht als Kündigung gemäß § 648 BGB auszulegen, da diese für die Kläger rechtlich nachteilhaft wäre (vgl. OLG Celle Urt. v. 3.11.2021 – 14 U 73/21, BeckRS 2021, 33640).
d) Eine Fristsetzung war gemäß § 326 Abs. 5 BGB entbehrlich.
e) Die Möglichkeit des Teilrücktritts ergibt sich im Umkehrschluss aus § 323 Abs. 5 S. 1 BGB.
Danach kann der Gläubiger nach Teilleistung des Schuldners vom ganzen Vertrag nur zurücktreten, wenn er an der Teilleistung kein Interesse hat. Dann muss der Gläubiger erst recht von einem Teil des Vertrages zurücktreten können.
f) Die Folge des ausgeübten Rücktrittsrechts ist gemäß § 346 Abs. 1 BGB dass die empfangenen Leistungen zurück zu gewähren sind. Bei einem anteiligen Rücktritt, sind die Leistungen anteilig zurück zu gewähren.
Vorliegend hat die Beklagte bereits mit zwei Stunden von vereinbarten zwölf Stunden ein Sechstel der vereinbarten Leistung erbracht. Ihr stand somit eine Vergütung von einem Sechstel der vereinbarten Gesamtvergütung in Höhe von 3.000,- €, mithin 500,- €, zu. Der Restbetrag der gezahlten 1.500,- € in Höhe von 1.000,- € ist zurück zu zahlen.
g) Die Beklagte hat kein Recht die 1.000,- € als Terminreservierungsgebühr gemäß Ziffer 5.b) ihrer AGB einzubehalten.
Die Klausel Ziffer 5.b) ist unwirksam gemäß § 309 Nr. 5b) BGB.
Denn bei der Vereinbarung, dass die Beklagte die Terminreservierungsgebühr in Höhe von 50 % der Gesamtvergütung einbehalten darf, wenn die Hochzeit aufgrund höherer Gewalt nicht durchgeführt werden kann, handelt es sich um einen pauschlierten Schadensersatzanspruch. Zwar ist die Zahlungspflicht des Auftraggebers als Reservierungsgebühr bezeichnet. Sie verfolgt jedoch nicht nur den Zweck, dem Auftraggeber den vereinbarten Termin zu sichern. Sie dient der Beklagten insbesondere dazu, einen erheblichen Teil der angezahlten Vergütung auch dann für sich behalten zu dürfen, wenn gar keine Leistungen erbracht werden. Der als Reservierungsgebühr zu zahlende Betrag stellt somit faktisch einen Schadensersatzanspruch für den Fall des Rücktritts dar.
Dieser ist auch pauschalisiert, da er unabhängig von dem tatsächlich für die Beklagte zu erwartenden Schaden immer in Höhe von 50 % des Entgelts beträgt.
Als Regelung zum pauschalisierten Schadensersatz hält die Klausel der Inhaltsprüfung gemäß § 309 Nr. 5b) BGB nicht stand. Denn dem Vertragspartner des Verwenders der Klausel wird nicht ausdrücklich der Nachweis gestattet, dass ein Schaden überhaupt nicht entstanden oder wesentlich niedriger als die Pauschale ist.
Gleiches gilt für die Regelung in Ziffer 1) Satz 5 der AGB der Beklagten, die ebenfalls vorsieht, dass die Terminreservierungsgebühr im Falle einer Verschiebung oder Absage der Hochzeit nicht zurückerstattet wird.
Dabei kann dahinstehen, ob die Höhe des pauschalisierten Schadensersatzes angemessen ist hinsichtlich der von der Beklagten behaupteten schon erbrachten Vorbereitungshandlungen. Denn die AGB-Klausel ist insgesamt unwirksam. Eine geltungserhaltende Reduktion oder ergänzende Vertragsauslegung findet nicht statt. Maßgeblich sind nur noch die gesetzlichen Vorschriften, vgl. § 306 Abs. 2 BGB.
2. Ein Anspruch auf Anpassung des Vertrages aufgrund Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Abs. 1 BGB kam nicht in Frage.
Anders als bei den Fällen von Hochzeitsfeierabsagen im Frühjahr und Sommer 2020 wurden die Parteien hier nicht von der Coronpandemie überrascht. Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses am 25.09.2020 dauerte die Pandemie bereits mehrere Monate an, ein Ende war nicht absehbar (s. o.). Es war somit gerade Geschäftsgrundlage für die Parteien, dass während der Dauer der Pandemie Veranstaltungen nie sicher planbar sind. Die Umstände haben sich zwischen Vertragsschluss und dem 22.05.2021 nicht schwerwiegend verändert.
3. Die Kläger haben ferner Anspruch auf Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit gemäß §§ 291, 288 Abs. 1 BGB und auf Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 159,94 € gemäß §§ 280 Abs. 2, 286 Abs. 1, 249 Abs. 1 BGB nebst Zinsen seit Rechtshängigkeit gemäß §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.
Die Beklagte befand sich mit Ablauf der von den Klägern in der E-Mail vom 16.06.2021 gesetzten Frist zur Rückzahlung bis 01.07.2021 unter Androhung der Klageerhebung ab 02.07.2021 in Verzug. Nach Verzugseintritt beauftragten die Kläger ihre Prozessbevollmächtigten zur außergerichtlichen Geltendmachung des Rückzahlungsanspruchs. Für das Schreiben der Prozessbevollmächtigten vom 15.07.2021 sind den Kläger unstreitig Kosten in Höhe von 159,94 € entstanden.
Haupt- und Nebenforderung sind seit Zustellung der Klage zu verzinsen, §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
IV.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in §§ 708 Nr. 11, 711 S. 1, S. 2, 709 S. 2 ZPO.


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