Arbeitsrecht

Abgrenzung abhängiger Beschäftigung von selbständiger Tätigkeit im Pflegebereich

Aktenzeichen  L 7 R 5028/16

Datum:
28.9.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 142629
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB IV § 7, § 7a

 

Leitsatz

Zur Abgrenzung abhängiger Beschäftigung von selbständiger Tätigkeit im Pflegebereich. (Rn. 17 – 39)
1 Im Fall von Einzelaufträgen sind maßgebend die Verhältnisse nach Annahme – also bei Durchführung – des einzelnen Auftrags (ebenso BSG BeckRS 2012, 74834). (Rn. 22) (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Delegationsmöglichkeit der eigenen Arbeitsleistung ist kein entscheidendes Merkmal für das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit, wenn diese Möglichkeit tatsächlich nur selten genutzt wird, regelmäßig keine versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigt werden und damit die persönliche Arbeitsleistung die Regel ist (ebenso BSG BeckRS 2005, 42507). (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

S 56 R 1475/14 2016-02-17 GeB SGMUENCHEN SG München

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 17. Februar 2016 – S 56 R 1475/15 aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 7. Januar 2014 idG des Widerspruchsbescheides vom 16. Juli 2014 abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die zulässige Berufung ist begründet. Das Urteil des Sozialgerichts ist aufzuheben und die Klage gegen die streitgegenständlichen Bescheide abzuweisen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin und den Beigeladene nicht in ihren Rechten. Die Beklagte hat zutreffend festgestellt, dass die Klägerin im streitigen Zeitraum in ihrer für den privaten ambulanten Pflegedienst des Beigeladenen ausgeübten Tätigkeit als Pflegerin und Betreuerin schwerstkranker Menschen wegen einer abhängigen Beschäftigung in den Zweigen der Sozialversicherung und in der Arbeitslosenversicherung versicherungspflichtig war.
1. Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis.
Eine Beschäftigung im Sinne dieser Vorschrift setzt voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies regelmäßig der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmensrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet.
Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Dieses bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen, zu denen die rechtlich relevanten Umstände gehören, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl etwa Urteil vom 29.08.2012, B 12 KR 25/10 R). Maßgeblich ist die zwischen den Beteiligten praktizierte Rechtsbeziehung und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist. Ausgangspunkt der Prüfung sind dabei jeweils die vertraglichen Vereinbarungen, soweit solche bestehen.
2. Rechtlicher Ausgangspunkt der Zusammenarbeit der Klägerin und des Beigeladenen im Interesse der schwerstkranken Patienten ist hier der schriftliche Kooperationsvertrag, aus dem sich die Grundsätze der Zusammenarbeit des Beigeladenen mit der Klägerin ergeben. Der Rahmenvertrag sieht im Wesentlichen vor, dass die Klägerin vom Beigeladenen Einzelaufträge erhält.
Deshalb hat eine Bewertung der Tätigkeit am Maßstab der von der Rechtsprechung für die Abgrenzung zwischen selbstständiger Tätigkeit und Beschäftigung entwickelten Grundsätze an den Bedingungen der konkreten Einsatzaufträge zu erfolgen (BSG, Urteil vom 18.11.2015 – B 12 KR 16/13 R -RdNr. 19). Danach sind maßgebend die Verhältnisse nach Annahme – also bei Durchführung – des einzelnen Auftrags (vgl BSG, Urteil vom 25.4.2012 – B 12 KR 24/10 R – RdNr. 22 mwN).
3. Bei Anwendung dieser Grundsätze stand die Klägerin bei Durchführung ihrer Einzelaufträge zum Beigeladenen in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis. Die Bewertung und Gewichtung der genannten Abgrenzungsmerkmale zeigen, dass das tatsächlich praktizierte Vertragsverhältnis dem einer abhängig Beschäftigten entspricht, die eine Tätigkeit als Teilzeittätigkeit verrichtet, wohingegen die Aspekte, die für eine Qualifikation der Tätigkeit als selbstständige Tätigkeit sprechen, in den Hintergrund treten.
a) Die Klägerin war gegenüber dem Beigeladenen weisungsgebunden.
Insoweit ist zunächst festzustellen, dass sich fehlende Weisungsgebundenheit der Klägerin vorliegend nicht schon aus ihrer Freiheit ergibt, bestimmte Einzelaufträge des Beigeladenen anzunehmen oder abzulehnen. Denn diese Freiheit bestand lediglich vor der Annahme der – hier allein zu beurteilenden – Einzelaufträge.
Ab dem Zeitpunkt der Auftragsannahme hingegen ist von der Weisungsgebundenheit der Klägerin gegenüber dem Beigeladenen auszugehen. Nach den Angaben der Klägerin und des Beigeladenen war die Klägerin für den Beigeladenen insbesondere als Aushilfe tätig. Die Klägerin teilte dem Beigeladenen ihre – im Hinblick auf ihre Teilzeittätigkeit bei einem anderen Pflegedienst bzw ihre weiteren Auftraggeber – freien Kapazitäten mit. Der Beigeladene überprüfte dann, ob er zu diesen Zeiten einen Bedarf an einer Pflegekraft hat. Auf dieser Grundlage einigten sich die Beteiligten. Ab dem Zeitpunkt der Antragsannahme hatte die Klägerin allerdings die ihr vom Beigeladenen zugewiesene ambulante Intensivpflege fachgerecht zu übernehmen. Insbesondere war die ordentliche Kündigung einmal übernommener Einzelaufträge ausgeschlossen (vgl X. des Kooperationsvertrages). Soweit die Klägerin zuletzt vortragen ließ, dass sie berechtigt gewesen sei, Dienste bis zu 24 Stunden vor deren Beginn abzusagen, widerspricht dies zunächst den vorgelegten Unterlagen. Darauf kommt es aber schlussendlich nicht an. Denn die Klägerin hat gleichfalls angegeben, lediglich einen Auftrag den Beigeladenen abgelehnt zu haben. Die Frage hat damit für die zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen geübte Praxis keine Relevanz.
Dass die (fachliche) Weisungsgebundenheit aufgrund der hohen fachlichen Qualifikation der Klägerin und der in der Intensivpflege aufgrund der individuellen Erfordernisse der zu pflegenden Patienten notwendigen großen Entscheidungsfreiheit der Pflegekraft zu einer funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinert bzw eingeschränkt ist, spricht nach stRspr (vgl ua BSG, Urteil vom 28.9.2011 – B 12 R 17/09 R) nicht gegen die Annahme von Weisungsgebundenheit. Auch dass der Beigeladene von seinem Weisungsrecht gegenüber der Klägerin ggf in geringerem Umfang Gebrauch gemacht hat, als gegenüber seinen angestellten Kräften, ändert hieran nichts.
Schließlich ist weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich, dass die Klägerin einen einmal übernommenen Auftrag (vorzeitig) abbrechen oder verlängern konnte, was auf einen für einen Arbeitnehmer uncharakteristischen Handlungsspielraum hindeuten könnte. Insgesamt ist damit nicht ersichtlich, wie sich die Klägerin bzw ihre Tätigkeit für den Beigeladenen bei der Durchführung eines einmal übernommenen Auftrags von der einer beim Beigeladenen angestellten Kraft oder deren Tätigkeit unterscheiden sollte.
b) Stellt man auf den einmal übernommenen Einzelauftrag ab, ist für dessen Dauer auch von einer Eingliederung der Klägerin in den Betrieb des Beigeladenen auszugehen.
Dies ist schließlich nicht bereits aufgrund des Umstandes ausgeschlossen, dass die Klägerin nur punktuell und nach Einzelvereinbarung für den Beigeladenen tätig geworden ist und ihr deshalb – anders als langfristigen Mitarbeitern des Beigeladenen – keine Dienste über den Dienstplan zugewiesen wurden, sie keine Bereitschaftsdienste übernehmen musste und auch eine Teilnahme an Dienstbesprechung oder Fortbildungen für sie nicht verpflichtend war. Denn auch für die Beurteilung der Eingliederung in eine fremde Arbeitsorganisation ist auf die Verhältnisse abzustellen, die nach Annahme des jeweiligen „Einzelauftrags“ im Hinblick (allein) hierauf bestanden (vgl BSG, Urteil vom 28.9.2011 – B 12 R 17/09 R – RdNr. 22). Hinsichtlich des damit auch insoweit maßgebenden einmal von der Klägerin angenommenen Einzelauftrags ist die Klägerin – genau wie die angestellten Pflegekräfte des Beigeladenen – in die Arbeitsorganisation der ambulanten Intensivpflege durch den Beigeladenen eingebunden.
c) Gleichzeitig ist ein für Selbstständigkeit sprechendes Unternehmerrisiko der Klägerin hinsichtlich der Tätigkeit für den Beigeladenen nicht nachzuvollziehen.
Nach den vom BSG (vgl Urteil vom 28.9.2011 – B 12 KR 17/09 R – RdNr. 25 mwN) hierzu entwickelten Grundsätzen ist maßgebendes Kriterium für ein solches Risiko, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist. Allerdings ist ein unternehmerisches Risiko nur dann Hinweis auf eine selbstständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft gegenüberstehen (BSG, aaO mwN).
Vorliegend hat die Klägerin – für Pflegedienstleistungen typisch – im Wesentlichen ihre Arbeitskraft und weniger Kapital eingesetzt. Dass oder wie sie dies – im Zusammenhang mit der Ausübung der dem vorliegenden Streit zugrunde liegenden Einzelaufträge – mit Verlustrisiko getan haben soll, ist nicht ersichtlich. Denn die Klägerin wurde für die Stunden, die sie tatsächlich gearbeitet hat, pro Stunde oder projektbezogen auch tatsächlich entlohnt. Soweit die Klägerin zuletzt darauf hingewiesen hat, für Schlechtleistung keine Bezahlung erhalten zu haben, ist eine vertragliche Grundlage hierfür bereits nicht ersichtlich. Unabhängig davon wäre auch hierin kein Indiz für ein Unternehmerrisiko zu sehen, weil eine solche „Haftung“ für Schlechtleistungen, wenn auch eingeschränkt, Arbeitnehmer gleichermaßen trifft (vgl BSG, aaO, RdNr. 26 mwN).
Ein Unternehmerrisiko ergibt sich auch nicht daraus, dass die Klägerin nur für die von ihr tatsächlich geleisteten Stunden eine Vergütung erhielt. Denn das damit im Ergebnis umschriebene Risiko, außerhalb der Erledigung der einzelnen Aufträge zeitweise die eigene Arbeitskraft ggf nicht verwerten zu können, begründet gerade kein Unternehmerrisiko wegen der einzelnen Einsätze (vgl BSG, aaO, RdNr. 26 mwN).
Soweit die Antragstellerin darauf hinweist, dass ihr Kosten für EDV, Kommunikation, Pflegeutensilien und Dienstkleidung entstehen, ist nicht ersichtlich, dass diese (ausschließlich) für die dem vorliegenden Streit zugrunde liegenden Einzelaufträge angeschafft wurden bzw ohne diese verloren wären (vgl dazu BSG, Urteil vom 18.11.2015 – B 12 KR 24/10 R – RdNr. 37), nachdem die Klägerin neben dem Beigeladenen für weitere Auftraggeber als Pflegekraft (selbstständig) tätig war, so dass die Berufungskleidung und die Pflegeutensilien dort (weiter) verwendet werden können. Entsprechendes gilt hinsichtlich der EDV und der Kosten für Kommunikation, wobei davon auszugehen ist, dass diese auch privat anfallen (vgl BSG, Urteil vom 18.11.2015 – B 12 KR 16/13 R – RdNr. 37).
d) In die Gesamtabwägung kann vorliegend für das Bestehen einer selbstständigen Tätigkeit der Klägerin für den Beigeladenen nicht deren tatsächliche Tätigkeit für weitere Auftraggeber eingestellt werden. Anknüpfungstatbestand für eine mögliche die Versicherungspflicht begründende Beschäftigung ist das einzelne angenommene Arbeitsverhältnis. Insoweit stellt sich für die Klägerin die Situation vor Annahme eines Auftrags letztlich nicht anders dar als für einen Arbeitssuchenden, dem es ebenfalls freisteht, eine ihm angebotene (ggf befristete Teilzeit-) Arbeitsgelegenheit anzunehmen oder nicht (vgl BSG, Urteil vom 18.11.2015 – B 12 KR 16/13 R – RdNr. 28). Gewicht erhält eine Tätigkeit für mehrere Auftraggeber daher erst in der Zusammenschau mit weiteren typischen Merkmalen einer selbstständigen Tätigkeit (vgl BSG, aaO), an denen es hier im Wesentlichen fehlt. Schließlich ist es auch bei Beschäftigten nicht ungewöhnlich, dass sie noch für einen weiteren Arbeitgeber erwerbstätig sind, ohne dass der sozialversicherungsrechtliche Charakter der ersten Tätigkeit deshalb abweichend beurteilt werden müsste (vgl BSG, Urteil vom 24.3.2016 – B 12 KR 20/14 R – RdNr. 24).
e) Auch der Umstand, dass die Klägerin und der Beigeladene keine abhängige Beschäftigung vereinbaren wollten, kann das gefundene Abwägungsergebnis nicht beeinflussen. Zwar wollten die Klägerin und der Beigeladene offensichtlich keine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung begründen. Diesem Willen kommt allerdings nach der Rechtsprechung des BSG nur dann indizielle Bedeutung zu, wenn er den festgestellten sonstigen tatsächlichen Verhältnissen nicht offensichtlich widerspricht und durch weitere Aspekte gestützt wird bzw die übrigen Umstände gleichermaßen für Selbstständigkeit wie für eine Beschäftigung sprechen. Nur unter dieser Voraussetzung ist der (in einem Vertrag) dokumentierte Parteiwille überhaupt als ein auf Selbstständigkeit deutendes Indiz in die Gesamtabwägung einzustellen; hierdurch wird schließlich eine Selbstständigkeit nicht vorfestgelegt. Das Gewicht dieses Indizes ist schließlich umso geringer, je uneindeutiger die Vertragsgestaltung ist und je stärker die Widersprüche zu den tatsächlichen Verhältnissen sind (BSG, Urteil vom 18.11.2015 – B 12 KR 16/13 R – RdNr. 26). Auf dieser Grundlage scheidet eine Berücksichtigung des auf Selbstständigkeit abzielenden Parteiwillens in der Gesamtabwägung aus, da vorliegend die tatsächlichen Verhältnisse im Wesentlichen für eine abhängige Beschäftigung sprechen.
f) Dem entsprechend lässt auch die Vereinbarung der Beteiligten „keine Arbeit – kein Geld“ und damit die Negierung der an den Arbeitnehmerbzw Beschäftigungsstatus anknüpfenden arbeits-, steuer- und sozialrechtlichen Regelungen (zB Nichtgewährung von Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und Urlaub), auch soweit sie in der Praxis tatsächlich umgesetzt werden, ausschließlich Rückschlüsse auf den Willen der Vertragsparteien, Beschäftigung auszuschließen, zu (vgl § 32 SGB I). Darüber hinaus kommt solchen Vereinbarungen bei der im Rahmen des § 7 Abs. 1 SGB IV vorzunehmenden Gesamtabwägung keine eigenständige Bedeutung zu. Vielmehr setzen diese Regelungen bereits das Fehlen des Status als Arbeitnehmer bzw Beschäftigter voraus, für den in erster Linie Weisungsgebundenheit und jedenfalls für das Sozialrecht das Fehlen einer selbstständigen Tätigkeit kennzeichnenden Umstände ausschlaggebend ist. Allein die Belastung eines Erwerbstätigen, der im Übrigen nach der tatsächlichen Gestaltung des gegenseitigen Verhältnisses als abhängig Beschäftigter anzusehen ist, mit zusätzlichen Risiken rechtfertigt nicht die Annahme von Selbstständigkeit im Rechtssinne (vgl BSG, Urteil vom 18.11.2015 – B 12 KR 16/13 – RdNr. 27 mwN). Auch dieser Gesichtspunkt konnte damit vorliegend nicht als für eine Selbstständigkeit der Klägerin sprechender Umstand in die Gesamtabwägung eingestellt werden. Entsprechendes gilt hinsichtlich der Behauptung der Klägerin, sie könne sich nicht auf das (von der Rechtsprechung entwickelte) Haftungsprivileg von Arbeitnehmern berufen, nachdem auch dieses den Arbeitnehmerstatus voraussetzt (vgl von Steinau-Steinrück/Fuhlrott in: Tschöpe, Arbeitsrecht Handbuch, 10. Aufl. 2017, I. Arbeitnehmerhaftung, RdNr. 24).
g) Schließlich konnte nicht als für eine selbstständige Tätigkeit der Klägerin beim Beigeladenen sprechendes Kriterium berücksichtigt werden, dass die Klägerin vertraglich die Möglichkeit gehabt hätte, ihre Leistungen durch andere erbringen zu lassen. Die vertragliche Einräumung einer Delegationsbefugnis allein ist kein entscheidendes Kriterium für eine selbstständige Tätigkeit, weil sie nichts darüber aussagt, inwieweit von ihr Gebrauch gemacht wird, realistischer Weise überhaupt Gebrauch gemacht werden könnte und sie damit die Tätigkeit tatsächlich prägt. Vertragsklauseln, die faktisch von untergeordneter Bedeutung sind, können zwar in die vorzunehmende Gesamtwürdigung einbezogen werden, können aber nicht von vorneherein als prägend angesehen werden (BSG, Urteil vom 11.3.2009 – B 12 KR 21/07 R – RdNr. 17). So hat das BSG in der Delegationsmöglichkeit der eigenen Arbeitsleistung kein entscheidendes Merkmal für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit gesehen, wenn ein Transportfahrer diese Möglichkeit tatsächlich nur selten nutzt, regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigt und damit die persönliche Arbeitsleistung die Regel ist (vgl Urteil vom 22.6.2005 – B 12 KR 28/03 R – RdNr. 27 zitiert nach juris). So ist es auch hier. Die Klägerin verfügte bereits nicht über Angestellte, die sie für ihre Tätigkeit beim Beigeladenen hätte einsetzen können. Die von ihr ab 2014 beschäftigte Pflegehelferin verfügt nicht über die hierfür nötige Qualifikation. Es ist schließlich weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich, dass sich die Klägerin überhaupt jemals geschweige denn im nennenswerten Umfang bei ihrer Tätigkeit für den Beigeladenen von Dritten hätte vertreten lassen.
h) Der in den angefochtenen Beklagtenentscheidungen angenommenen Versicherungspflicht stehen schließlich nicht die Regelungen über geringfügige Beschäftigungen entgegen, da die Einnahmen der Klägerin aus der streitigen Tätigkeit regelmäßig 400 € monatlich überstiegen haben (vgl Bl 20 der Beklagtenakte).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und der Erwägung, dass die Klägerin im Ergebnis mit ihrem Begehren erfolglos blieb.
5. Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.


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