Arbeitsrecht

Ablehnung der Kindergeldfestsetzung

Aktenzeichen  12 K 2634/19

Datum:
30.6.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 34440
Gerichtsart:
FG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Finanzgerichtsbarkeit
Normen:
EStG § 62 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 63 Abs. 1 S. 2, § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2a
FGO § 101 S. 1
WPO § 8a, § 13b, § 9 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

1. Kein Kindergeldanspruch für ein volljähriges Kind bei mehraktiger  Berufsausbildung.
2. Für die Aufnahme einer Berufstätigkeit als Hauptsache spricht, dass sich das Kind längerfristig an einen Arbeitgeber bindet, indem es etwa ein zeitlich unbefristetes oder auf jedenfalls mehr als 26 Wochen befristetes Beschäftigungsverhältnis mit einer regelmäßigen vollzeitigen oder nahezu vollzeitigen Wochenarbeitszeit eingeht.

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

II.
Die zulässige Klage ist unbegründet. Die als Untätigkeitsklage gem. § 46 Abs. 1 FGO erhobene Klage wird nach Erlass der Einspruchsentscheidung vom 18. November 2019 als Verpflichtungsklage (§ 101 Satz 1 FGO) weitergeführt. Die Ablehnung der Kindergeldfestsetzung ist nicht rechtswidrig, denn Q war im streitigen Zeitraum in der Zeit von Oktober 2017 bis Januar 2018 nicht in einer Berufsausbildung und in der Zeit von Februar 2018 bis April 2018 hat er neben einem Zweitstudium eine schädliche Erwerbstätigkeit ausgeübt.
1. Nach § 62 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 32 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Einkommensteuergesetz (EStG) besteht Anspruch auf Kindergeld für ein Kind, das das 18., aber noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat, wenn dieses für einen Beruf ausgebildet wird.
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist unter Berufsausbildung i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG die Ausbildung zu einem künftigen Beruf zu verstehen. In Berufsausbildung befindet sich, wer sein Berufsziel noch nicht erreicht hat, sich aber ernsthaft und nachhaltig darauf vorbereitet. Der Vorbereitung auf ein Berufsziel dienen alle Maßnahmen, bei denen es sich um den Erwerb von Kenntnissen, Fähigkeiten und Erfahrungen handelt, die als Grundlagen für die Ausübung des angestrebten Berufs geeignet sind, und zwar unabhängig davon, ob die Ausbildungsmaßnahmen in einer Ausbildungsordnung oder Studienordnung vorgeschrieben sind. Voraussetzung für eine innerhalb eines Arbeits- oder Dienstverhältnisses stattfindende Ausbildung ist jedoch, dass die Erlangung beruflicher Qualifikationen, d.h. der Ausbildungscharakter, und nicht die Erbringung bezahlter Arbeitsleistungen, d.h. der Erwerbscharakter, im Vordergrund steht (BFH-Urteil vom 16. September 2015 III R 6/15, BFHE 251, 31, BStBl II 2016, 281). Dabei sind Arbeits- oder Dienstverhältnisse, die Ausbildungsmaßnahmen beinhalten, als Einheit zu betrachten und daraufhin zu untersuchen, ob der Ausbildungscharakter und nicht die Erbringung bezahlter Arbeitsleistungen, d.h. der Erwerbscharakter, im Vordergrund steht (BFH-Urteil vom 22. Februar 2017 III R 20/15, BFHE 257, 274, BStBl II 2017, 913).
b) In den Fällen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG wird nach § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG ein Kind nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums nur berücksichtigt, wenn es keiner Erwerbstätigkeit nachgeht. Eine Erwerbstätigkeit mit bis zu 20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit, ein Ausbildungsdienstverhältnis oder ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis i.S. der §§ 8 und 8a Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) sind unschädlich (§ 32 Abs. 4 Satz 3 EStG). Hinsichtlich der Auslegung der in § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG verwendeten Tatbestandsmerkmale erstmalige Berufsausbildung und Erststudium hat der BFH entschieden, dass das Erststudium nur einen Unterfall des Oberbegriffes erstmalige Berufsausbildung darstellt (BFH-Urteil vom 3. Juli 2014 III R 52/13, BFHE 246, 427, BStBl II 2015, 152, Rz 19 ff.) und der Erstausbildungsbegriff des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG enger auszulegen ist als das in § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG verwendete Tatbestandsmerkmal „Kind, das […] für einen Beruf ausgebildet wird“ (BFH-Urteil in BFHE 246, 427, BStBl II 2015, 152, Rz 22 ff.).
c) Die den Erstausbildungsbegriff des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG begrenzenden Kriterien hat der BFH dabei vor allem in folgenden Punkten gesehen: Es muss sich um einen öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgang handeln (BFH-Urteil in BFHE 246, 427, BStBl II 2015, 152, Rz 24). Dieser muss auf einen Abschluss ausgerichtet sein, der in Form einer Prüfung erfolgt (BFH-Urteil in BFHE 246, 427, BStBl II 2015, 152, Rz 24). Durch die berufliche Ausbildungsmaßnahme muss das Kind die notwendigen fachlichen Fähigkeiten und Kenntnisse erwerben, die zur Aufnahme eines Berufs befähigen, wodurch insbesondere eine Abgrenzung gegenüber dem Besuch einer allgemein bildenden Schule erfolgen soll (BFH-Urteil in BFHE 246, 427, BStBl II 2015, 152, Rz 24). Liegen mehrere Ausbildungsabschnitte vor, können diese dann eine einheitliche Erstausbildung darstellen, wenn sie zeitlich und inhaltlich so aufeinander abgestimmt sind, dass die Ausbildung nach Erreichen des ersten Abschlusses fortgesetzt werden soll und das vom Kind angestrebte Berufsziel erst über den weiterführenden Abschluss erreicht werden kann (BFH-Urteil in BFHE 246, 427, BStBl II 2015, 152, Rz 27). In einem solchen Fall muss aufgrund objektiver Beweisanzeichen erkennbar sein, dass das Kind die für sein angestrebtes Berufsziel erforderliche Ausbildung nicht bereits mit dem ersten erlangten Abschluss beendet hat (BFH-Urteil in BFHE 246, 427, BStBl II 2015, 152, Rz 30). Dabei ist darauf abzustellen, ob sich die einzelnen Ausbildungsabschnitte als integrative Teile einer einheitlichen Ausbildung darstellen. Insoweit kommt es vor allem darauf an, ob die Ausbildungsabschnitte in einem engen sachlichen Zusammenhang (z.B. dieselbe Berufssparte, derselbe fachliche Bereich zueinander stehen) und in engem zeitlichen Zusammenhang durchgeführt werden (BFH-Urteil in BFHE 246, 427, BStBl II 2015, 152, Rz 30).
d) An einer Ausbildungseinheit fehlt es dagegen, wenn die Aufnahme des zweiten Ausbildungsabschnitts eine berufspraktische Tätigkeit voraussetzt oder das Kind nach dem Ende des ersten Ausbildungsabschnitts eine Berufstätigkeit aufnimmt, die nicht nur der zeitlichen Überbrückung bis zum nächstmöglichen Beginn des weiteren Ausbildungsabschnitts dient (BFH-Urteile vom 4. Februar 2016 III R 14/15, BFHE 253, 145, BStBl II 2016, 615, Rz 15; vom 22. Mai 2019 III R 69/18, BFH/NV 2019, 1231, Rn. 14).
e) Diese Rechtsprechungsgrundsätze wurden vom BFH für Fälle, in denen die einheitliche Erstausbildung mit daneben ausgeübter Erwerbstätigkeit von einer berufsbegleitend durchgeführten Weiterbildung (Zweitausbildung) abzugrenzen ist, fortentwickelt und präzisiert (BFH-Urteile vom 11. Dezember 2018 III R 26/18, BFHE 263, 209, BStBl II 2019, 765; in BFH/NV 2019, 1231, Rn. 15). Danach kann es an einer einheitlichen Erstausbildung auch dann fehlen, wenn das Kind nach Erlangung des ersten Abschlusses in einem öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgang eine Berufstätigkeit aufnimmt und die daneben in einem weiteren Ausbildungsabschnitt durchgeführten Ausbildungsmaßnahmen gegenüber der Berufstätigkeit in den Hintergrund treten. Ob die nach Erlangung des Abschlusses aufgenommene Berufstätigkeit die Hauptsache und die weiteren Ausbildungsmaßnahmen eine auf Weiterbildung und/oder Aufstieg in dem bereits aufgenommenen Berufszweig gerichtete Nebensache darstellen, ist dabei anhand einer Gesamtwürdigung der Verhältnisse zu entscheiden, für die vor allem die nachfolgenden Kriterien von Bedeutung sind (BFH-Urteil in BFH/NV 2019, 1231, Rn. 15-19):
(1) Für die Aufnahme einer Berufstätigkeit als Hauptsache spricht, dass sich das Kind längerfristig an einen Arbeitgeber bindet, indem es etwa ein zeitlich unbefristetes oder auf jedenfalls mehr als 26 Wochen befristetes Beschäftigungsverhältnis mit einer regelmäßigen vollzeitigen oder nahezu vollzeitigen Wochenarbeitszeit eingeht. Ist das Beschäftigungsverhältnis dagegen bis zum Beginn des nächsten Ausbildungsabschnitts befristet oder überschreitet die regelmäßige Wochenarbeitszeit die 20-Stundengrenze allenfalls geringfügig, kann dies für eine im Vordergrund stehende Berufsausbildung sprechen, die noch Teil einer einheitlichen Erstausbildung ist. Für eine im Vordergrund stehende Berufsausbildung kommt es auch darauf an, in welchem zeitlichen Verhältnis die Arbeitstätigkeit und die Ausbildungsmaßnahmen zueinander stehen.
(2) Weiter ist von Bedeutung, ob das Kind mit der nach Erlangung des ersten Abschlusses aufgenommenen Berufstätigkeit bereits die durch den Abschluss erlangte Qualifikation nutzt, um eine durch diese eröffnete Berufstätigkeit auszuüben. Wird z.B. ein Geselle oder ein Kaufmann von seinem Ausbildungsbetrieb im erlernten Beruf übernommen oder nimmt ein Bachelor eine durch diesen Abschluss eröffnete Stelle an, kann dies Indiz dafür sein, dass die Berufstätigkeit in den Vordergrund getreten ist.
(3) Darüber hinaus ist in die Gesamtbetrachtung einzubeziehen, inwieweit die Arbeitstätigkeit im Hinblick auf den Zeitpunkt ihrer Durchführung den im nächsten Ausbildungsabschnitt durchgeführten Ausbildungsmaßnahmen untergeordnet ist und die Beschäftigung mithin nach ihrem äußeren Erscheinungsbild „neben der Ausbildung“ durchgeführt wird. Wird etwa eine Teilzeittätigkeit von regelmäßig 22 Wochenstunden so verteilt, dass sie sich dem jeweiligen Ausbildungsplan anpasst, ist das ein Indiz für eine im Vordergrund stehende Ausbildung. Gleiches gilt, wenn das Kind etwa während des Semesters maximal 20 Wochenstunden arbeitet, durch eine während der Semesterferien erhöhte Wochenstundenzahl aber auf eine durchschnittliche Arbeitszeit von mehr als 20 Wochenstunden kommt.
2. Nach diesen Maßstäben ist Q im Zeitraum von Oktober 2017 bis April 2018 nicht als Kind gem. § 63 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 EStG zu berücksichtigen. Das Anstellungsverhältnis bei der WPG ist keine Berufsausbildung i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG.
a) Die Arbeit von Q bei der WPG in der Zeit von Oktober 2017 bis April 2018 ist – entgegen der Auffassung des Klägers – nicht als Berufsausbildung (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG) zu beurteilen. Im Streitfall handelt es sich bei dem Arbeitsverhältnis zwischen der WPG und Q nicht um ein Ausbildungsdienstverhältnis. In dem Anstellungsvertrag zwischen der WPG und Q wurde keine Ausbildungsmaßnahme zum Gegenstand des Dienstverhältnisses erklärt, nicht die Erlangung der beruflichen Qualifikation steht im Vordergrund, sondern die Erbringung von Arbeitsleistungen. Damit fehlt es am wesentlichen Kriterium eines Ausbildungsverhältnisses (vgl. Schmidt/Loschelder, EStG, 39. Aufl. 2020, § 32 Rz. 31; BFH-Urteil in BFHE 257, 274, BStBl II 2017, 913; FG Baden-Württemberg, Urteil in DStRE 2015, 275).
b) Zwar ist die Zeit einer Berufspraxis Voraussetzung für die Zulassung zum Masterstudium (§ 4 Abs. 1 Buchst. c bzw. Abs. 2 Buchst. a Satzung der Universität […] für das hochschuleigene Auswahlverfahren im postgradualen Studiengang „[…] Master of Accounting & Taxation , FG-Akte Bl 60 ff., 63). Auch hat Q im streitigen Zeitraum von Oktober 2017 bis April 2018 noch keine Vorlesung besucht und ist in dieser Zeit nur seiner Arbeit bei der WPG nachgegangen und hat so die Voraussetzung der Praxiszeit vor der Aufnahme des Masterstudiums erfüllt; dies bestätigt auch die WPG in dem Schreiben vom 28. Februar 2018 (FG-Akte Bl 80). Dieser Umstand begründet jedoch kein Ausbildungsdienstverhältnis, denn der Anstellungsvertrag regelt für Q ein normales Arbeitsentgelt für eine volle Arbeitszeit bei einer Arbeitsleistung als Professional im Bereich Wirtschaftsprüfung. Außerdem regelt der Anstellungsvertrag – anders als in dem vom FG Baden-Württemberg entschiedenen Fall – auch nicht, dass Q nach einer Praxiszeit von mehreren Monaten das Masterstudium beginnen soll.
3. Das Studium von Q an der […] Business School ab Februar 2018 (Beginn des ersten Fachsemesters) erfüllt die Voraussetzungen eines Berücksichtigungstatbestands nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG, da er durch das Masterstudium i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG für einen Beruf ausgebildet wurde. Eine Berücksichtigung von Q als kindergeldberechtigendes Kind scheidet aber gem. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG aus, da er einer schädlichen Erwerbstätigkeit während eines Studiums nachging, das nach den oben (unter Tz. II.1. der Entscheidungsgründe) dargestellten Maßstäben als Zweitausbildung zu beurteilen ist.
a) Zu Recht weist der Kläger darauf hin, dass das Masterstudium nicht deshalb als Zweitstudium eingestuft werden kann, weil Q weder im Folgemonat nach Abschluss des Bachelorstudiums eine Bewerbung für das Masterstudium nachgewiesen hat noch den Willen bekundet hat, sich zum nächstmöglichen Zeitpunkt mit einem konkreten Berufsziel bewerben zu wollen. Entgegen der Ansicht der Familienkasse bedurfte es nicht einer sofort nach Abschluss des Bachelorstudienganges erfolgenden Mitteilung der Absicht zur Fortsetzung der Ausbildung (entgegen DA-KG 2019 V 6.1 Abs. 1 Satz 8, BStBl I 2019, 654, 732); der Untersuchungsgrundsatz (§ 88 Abs. 1 und Abs. 2 Abgabenordnung , § 76 Abs. 1 und Abs. 4 FGO) gebietet auch die Berücksichtigung von Beweisanzeichen, die erst nach Ablauf des Anspruchszeitraums bekannt werden (BFH-Urteil vom 11. Dezember 2018 III R 32/17, BFH/NV 2019, 691, juris Rz. 26). Der Kläger hat vielmehr nach Auffassung des Senats nachgewiesen, dass Q das Berufsziel Wirtschaftsprüfer erreichen wollte und deshalb nach dem abgeschlossenen Bachelorstudium den Studiengang „[…] Master of Accounting & Taxation“ belegt hat. Denn Q hat bereits im April 2017 und damit noch vor Abschluss seines Bachelorstudiums den Anstellungsvertrag bei der WPG abgeschlossen und dann das Masterstudium zum nächstmöglichen Termin aufgenommen. Zulassungsvoraussetzung für das Masterstudium ist nämlich u.a. eine Berufstätigkeit von mindestens einem Jahr bzw. mindestens einem halben Jahr und davon mindestens drei Monate Prüfertätigkeit (§ 4 Abs. 1 Buchst. c bzw. Abs. 2 Buchst. a Studiums-Satzung, FG-Akte Bl 60 ff., 63); damit ist der enge zeitliche Zusammenhang zwischen Bachelor- und Masterstudium gewährt. Dadurch, dass das nachfolgende Masterstudium für die Zulassung zum Studium eine Berufstätigkeit voraussetzt, ist auch nicht der notwendige sachliche Zusammenhang zwischen den Ausbildungsabschnitten entfallen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 263, 209, BStBl II 2019, 765). Zwar handelt es sich bei dem Studiengang „[…] Master of Accounting & Taxation“ nicht – wie der Kläger meint – um ein konsekutives Masterstudium i.S. von § 19 Abs. 4 Hochschulrahmengesetz, denn das Masterstudium setzt neben einem ersten berufsqualifizierenden Hochschulabschluss gem. § 4 Abs. 1 Buchst. c Studiums-Satzung eine berufspraktische Erfahrung von mindestens einem Jahr voraus (Junghans, PersV 2014, 409-415; HRK Bologna-Zentrum, Beiträge zur Hochschulpolitik 8/2008, Bologna-Reader III, Tz. 1.4, S. 23) und Berufserfahrung ist bei konsekutiven Studiengängen nicht erforderlich. Vielmehr handelt es sich bei diesem Studiengang um einen weiterbildenden Studiengang, da er neben dem Bachelorabschluss eine qualifizierte berufspraktische Erfahrung voraussetzt. Ein sachlicher Zusammenhang zwischen dem Bachelorstudium Betriebswirtschaftslehre und dem Masterstudiengang kommt aber in der Prüfungsordnung der Universität […] in § 1 (FG-Akte Bl 94) dadurch zum Ausdruck, dass im Masterstudium die wirtschaftswissenschaftlichen Kenntnisse vertieft werden sollen und die Absolventen das Kompetenzniveau für die Anerkennung von Studiengängen nach § 8a WPO aufweisen.
b) Nach Auffassung des Senats handelt es sich bei dem Studiengang „[…] Master of Accounting & Taxation“ – zu dem Q ausweislich der Bescheinigung der Universität bereits ab Februar 2018 eingeschrieben war – aber nicht mehr um eine einheitliche Erstausbildung zusammen mit dem Bachelorstudiengang zur Betriebswirtschaftslehre. Dafür waren für den Senat die folgenden Erwägungen (hier unter Tz. II.3.b der Entscheidungsgründe) entscheidend: Bereits der Abschluss in dem Bachelorstudiengang Betriebswirtschaftslehre hat Q befähigt, die Berufstätigkeit bei der WPG zum September 2017 aufzunehmen. Seine Tätigkeit wird im Anstellungsvertrag als die eines Professionals im Bereich Wirtschaftsprüfung bezeichnet (Tz. 1 Abs. 1). Dafür, dass diese Berufstätigkeit die Hauptsache ist, spricht nach Auffassung des Senats, dass sich Q mit einem unbefristeten Arbeitsvertrag an die WPG gebunden hat. In diesem Arbeitsvertrag (Tz. 4) hat sich Q zu einer Bruttoarbeitszeit von 2.080 Stunden pro Geschäftsjahr verpflichtet; dies entspricht einer Wochenarbeitszeit von 40 Stunden (2.080 : 52 = 40). Außerdem wurde mit Q ein monatliches Gehalt in Höhe von 3.600,00 € brutto vereinbart (Tz. 2), was eine angemessene Vergütung für die zu leistende Arbeitszeit bei einem Berufsanfänger darstellt. Weiter spricht für die Berufstätigkeit als Haupttätigkeit, dass im Anstellungsvertrag (Tz. 1 Abs. 4) vereinbart ist, dass Q seine ganze Arbeitskraft im Interesse der Gesellschaft einsetzen muss. Davon, dass die WPG von Q auch erwartet, dass er zusätzliche Ressourcen für den Masterstudiengang einsetzt, ist in diesem Anstellungsvertrag nicht die Rede; dass Q den Masterstudiengang erfolgreich abschließt, wird aber von der WPG nach Auffassung des Senats vorausgesetzt und kommt in der Unterstützungszusage der WPG vom Oktober 2017 (FG-Akte Bl 86) zum Ausdruck. Außerdem wurde zusätzlich zwischen Q und der WPG eine Vereinbarung zur Förderung des Masterstudiengangs am 29. März 2018 abgeschlossen (FG-Akte Bl 82 ff.). Diese Vereinbarung wurde erst ein Jahr nach dem Anstellungsvertrag abgeschlossen; dieser Umstand spricht nach Auffassung des Senats dafür, dass in der Zeit nach dem Abschluss des Bachelorstudiums der Masterstudiengang nicht die Fortsetzung des einheitlichen Erststudiums sein kann. Außerdem wird in dieser Förderungsvereinbarung formuliert (Tz. 1 Abs. 2), dass die Teilnahme an dem Masterstudiengang im Interesse der beruflichen Fort- und Weiterbildung erfolgt; bereits der Wortlaut der Vereinbarung spricht also gegen die Annahme der Fortsetzung eines Erststudiums. Auch die […] Business School bezeichnet in ihrem Internetauftritt selbst den Studiengang als berufsbegleitenden Studiengang („Der Accounting Track des […] Master of Accounting & Taxation ist ein berufsbegleitender, bewerbungspflichtiger Studiengang.“ https://www.[…]“; Abfrage am 8. Juni 2020; ebenso die Formulierung im Schreiben vom 15. Mai 2019, Anlage Ast 5 des Klägers; FG-Akte Bl 39). Erst in dieser Förderungsvereinbarung wird auch eine entsprechende Freistellung von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung nach Maßgabe die Studienverlaufs sowie eine Anpassung des Bruttogrundgehaltes geregelt (Tz. 3). Außerdem sieht die Förderungsvereinbarung vor, dass die WPG die Studiengebühren in Höhe von 32.000 € übernimmt (Tz. 4) und Q die Studiengebühren zurückerstatten muss, wenn er innerhalb von 36 Monaten nach der Absolvierung des Wirtschaftsprüferexamen bei der WPG aus von ihm zu vertretenden Gründen ausscheidet (Tz. 5). Weiter besteht die Rückzahlungspflicht, wenn das Masterstudium oder das schriftliche Wirtschaftsprüfer-Examen ohne wichtigen Grund vorzeitig abgebrochen wird (Tz. 5). Die Verpflichtung zur Rückzahlung der von der WPG bezahlten Studiengebühren ist nach Auffassung des Senats ein deutlicher Beleg dafür, dass das Masterstudium nicht Teil einer einheitlichen Erstausbildung ist, sondern die Berufsausübung die Haupttätigkeit ist und von der WPG das Studium zur Weiterbildung unterstützt wird, um langfristig hochqualifizierte Arbeitnehmer zu gewinnen. Da in dieser Förderungsvereinbarung auch geregelt ist, in welchem Umfang bei Q als Professional Überstunden wegen der Freistellung mit reduzierten Bezügen abgegolten werden (Tz. 3), sieht sich der Senat in seiner Auffassung, dass die Berufstätigkeit die Hauptsache ist und das Studium als Weiterbildung von der WPG unterstützt wird, zusätzlich bestätigt. Weiter spricht für die Aufnahme einer Berufstätigkeit bei der WPG als Hauptsache, dass Q durch das Bachelorstudium eine Qualifikation erlangt hat, die ihm die Berufstätigkeit bei der WPG ermöglicht. Dieses Indiz dafür, dass die Berufstätigkeit im Vordergrund steht, wird nach Auffassung des Senats weiter dadurch verstärkt, dass im Arbeitsvertrag (Tz. 3 Abs. 1) als auflösende Bedingung vereinbart ist, dass der Vertrag endet, wenn nicht der Nachweis über das Bestehen des Bachelorabschlusses spätestens sechs Monate nach Eintritt in die WPG vorgelegt wird. Dadurch zeigt die WPG deutlich, dass sie Q nicht als Arbeitnehmer beschäftigen will, wenn er das Bachelorstudium nicht erfolgreich abschließt. Auch aus den Regelungen im Anstellungsvertrag und in der Fördervereinbarung zu den Arbeitszeiten schließ der Senat in seiner Gesamtbetrachtung, dass die Beschäftigung von Q bei der WPG nach ihrem äußeren Erscheinungsbild nicht „neben der Ausbildung“ durchgeführt wird, sondern das Masterstudium neben dem Hauptberuf ausgeübt wird. Zwar hat die WPG in ihrem Schreiben vom 17. August 2018 bestätigt, dass Q während der Teilnahme am berufsbegleitenden Masterstudiengang von Mai 2018 bis Oktober 2018 von der Arbeit freigestellt ist (KG-Akte Bl 136); diese Bestätigung deckt sich mit der Regelung in der Förderungsvereinbarung (Tz. 3 Abs. 1), dass pro Geschäftsjahr eine Freistellung bis zur Hälfte der Jahresarbeitszeit möglich ist. Die Regelungen in der Förderungsvereinbarung (Tz. 3), nach denen die von Q zu erbringenden Arbeitsleistungen an seine Teilnahme im Masterstudiengang angepasst werden, bestätigen jedoch die Auffassung des Senats, dass das Masterstudium neben dem Hauptberuf ausgeübt wird. Denn nach dieser Vereinbarung müssen jährlich insgesamt zehn Wochen Präsenzstudienzeit und acht Wochen Selbststudienzeit mit der Arbeitszeit koordiniert werden; dabei wird nicht eine Teilzeitarbeit sondern eine Vollzeitarbeit mit den Studienzeiten koordiniert. Das Zeitmodell des Studiums ist nämlich in sieben Blöcke so gegliedert, dass in jedem der drei Studienjahre jeweils in der Zeit von Mai bis Juli sechs Wochen Präsenzstudium und fünf Wochen Selbststudium und in der Zeit von September bis Oktober vier Wochen Präsenzstudium und drei Wochen Selbststudium einzubringen sind (Blöcke eins bis sechs). Außerdem müssen noch aus dem Block sieben im vierten Studienjahr, d.h. dem 37. Monat der Regelstudienzeit drei Wochen Präsenzstudium mit der Arbeitszeit koordiniert werden. Außerdem ist für die Dauer des Masterstudiengangs sowie in der Prüfungsvorbereitungsphase auf das Wirtschaftsprüferexamen vereinbart, dass Q monatliche Bezüge in Höhe von 65% des regulären Bruttogrundgehalts bezieht (Tz. 3 Abs. 7). Bei diesen Regelungen handelt es sich um die Koordinierung von Studienzeiten, die ca. ein Drittel des Jahres ausmachen im Vergleich zum Rest der Arbeitsleistungen, die Q gegenüber der WPG erbringen muss. Daraus schließt der Senat in seiner Gesamtbetrachtung, dass das Masterstudium neben dem Hauptberuf ausgeübt wird.
Die Argumente des Klägers, dass Q durch den Masterstudiengang eine einheitliche Erstausbildung zum Wirtschaftsprüfer absolviert, sieht der Senat demgegenüber für nicht durchschlagend. Zwar verweist der Kläger zutreffend darauf, dass Q nach seinem Bachelorstudium mit einer Regelstudienzeit von weniger als acht Semestern eine vierjährige Berufstätigkeit vor der Zulassung zum Wirtschaftsprüferexamen vorweisen müsste (§ 9 Abs. 1 Satz 4 WPO), ihm diese Zeit bei einem Abschluss im Masterstudiengang erspart bleibt (§ 9 Abs. 6 WPO) und dieses Studium zur Ausbildung als Wirtschaftsprüfer als besonders geeignet anerkannt ist (§ 8a WPO). Außerdem erwartet den Absolventen des Masterstudiums ein abgekürztes Wirtschaftsprüfer-Examen (§ 13b WPO), da die Gebiete „Angewandte Betriebswirtschaftslehre“ und „Angewandte Volkswirtschaftslehre“ sowie „Wirtschaftsrecht“ aus dem Studium anerkannt werden (§ 8a Abs. 2 WPO) und nur noch vier schriftliche Klausuren sowie eine mündliche Prüfung über zwei Themengebiete abzulegen sind. Diese Argumente stellen aber nach Auffassung des Senats in seiner Gesamtbetrachtung keine Argumente in die eine oder andere Richtung dar. Denn die Zulassung zum Wirtschaftsprüfer-Examen erfordert gem. § 9 Abs. 1 Satz 1 WPO eine für die Ausübung des Berufes genügende praktische Ausbildung (Tätigkeit), wobei gem. Abs. 2 wenigstens über zwei Jahre als Prüfungstätigkeit abgeleistet werden müssen. Da dem Absolventen des Masterstudiengangs gem. § 9 Abs. 6 WPO der Nachweis dieser Tätigkeit erspart wird, kann das Masterstudium ebenso als Ersatz für eine praktische Tätigkeit nach einem Erststudium und nicht als dessen Fortsetzung gewertet werden.
c) Da Q in der Zeit von Oktober 2017 bis April 2018 einer schädlichen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist, kommt auch keine Berücksichtigung nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b (Übergangszeit) oder Buchst. c (Berufsausbildung nicht beginnen können) EStG in Betracht.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.


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