Arbeitsrecht

Absenkung des Arbeitslosengeldes

Aktenzeichen  S 7 AS 612/15

Datum:
23.11.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 143176
Gerichtsart:
SG
Gerichtsort:
Landshut
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB X § 48 Abs. 1

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Berufung wird nicht zugelassen.

Gründe

Die Klage ist teilweise zulässig, begründet ist sie aber nicht.
Im Hinblick auf den Bescheid vom 23.07.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.09.2015 ist die Klage nicht zulässig.
Gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann durch Klage die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlass eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Voraussetzung ist dafür, dass ein Verwaltungsakt vorliegt.
§ 31 Satz 1 SGB X besagt, dass ein Verwaltungsakt jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme ist, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Entscheidung oder Verfügung bedeutet danach, dass eine „Regelung“ vorliegt (vgl. Kasseler Kommentar, Rdnr. 14 zu § 31 SGB X).
Hinsichtlich des Bescheides vom 23.07.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.09.2015 geht die Argumentation der Klbev. ins Leere. Dieser Bescheid ist hinsichtlich der Annahme einer Bedarfsgemeinschaft mit den Folgen hinsichtlich der Höhe des Regelbedarfs und auch hinsichtlich der Minderung der Leistungen wegen der Sanktion gemäß Bescheid vom 20.07.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.09.2015 nur eine wiederholende Verfügung ohne eigene Regelung im Sinne von § 31 SGB X (vgl. insoweit Bayerisches Landessozialgericht vom 22.07.2015 – L 16 AS 502/14). Es liegt somit kein Verwaltungsakt im Sinne von § 31 Satz 1 SGB X vor. Daher ist die Klage gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG nicht zulässig.
Die Klage hinsichtlich des Bescheides vom 20.07.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides ist zwar zulässig, sie ist aber nicht begründet.
Der angefochtene Bescheid vom 20.07.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.09.2015 ist rechtlich nicht zu beanstanden. Der Kl. hat keinen Anspruch auf Aufhebung der Sanktion vom 01.08. bis 11.09.2015.
Gemäß § 31 Abs. 2 Nr. 4 SGB II ist eine Pflichtverletzung von erwerbsfähigen Leistungsberechtigten auch anzunehmen, wenn sie die im Dritten Buch (= SGB III) genannten Voraussetzungen für das Eintreten einer Sperrzeit erfüllen, die das Ruhen oder Erlöschen eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld begründen. Das ist dann der Fall, wenn die Voraussetzungen des § 159 SGB III erfüllt sind.
Diese Voraussetzungen liegen dann vor, wenn der Arbeitnehmer sich versicherungswidrig verhalten hat, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben. Der Anspruch ruht dann für die Dauer einer Sperrzeit. Versicherungswidriges Verhalten liegt vor, wenn der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst oder durch ein arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gegeben und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat (Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe), § 159 Abs. 1 Nr. 1 SGB III.
Vorliegend hat der Kl. durch sein Verhalten Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gegeben. Nach den unwidersprochenen Angaben des ehemaligen Arbeitgebers in der mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht Regensburg vom 01.07.2015 ist der letzte Arbeitstag des Kl. der 28.04.2015 gewesen. Obwohl der Einsatz weiter gelaufen ist, ist der Kl. am 29.04.2015 dort nicht erschienen. Er ist auch nicht erreichbar gewesen. Er ist schriftlich abgemahnt worden. Er ist auch am 04.05.2015 nicht zur Arbeit erschienen. Er ist deshalb erneut abgemahnt worden. Da sich der Kl. auch weiterhin nicht gemeldet hat, ist ihm die fristlose Kündigung vom 07.05.2015 per Einwurf-Einschreiben übersandt worden. Auch wenn sich die Beteiligten vor dem Arbeitsgericht Regensburg durch Vergleich zu einem Kündigungstermin zum 14.05.2015 einigten, geht das Gericht von einem Sperrzeittatbestand aus. Nach Überzeugung des Gerichts hat der Kl. durch sein arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gegeben. Er hat dadurch auch vorsätzlich oder wenigstens grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit verursacht. Nach den unwidersprochenen Angaben des ehemaligen Arbeitgebers des Kl. in der mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht Regensburg ist der Kl. nicht nur einmal abgemahnt worden. Dem Kl. musste nach Überzeugung des Gerichts bewusst gewesen sein, dass er aufgrund seines Nichterscheinens am Arbeitsplatz die Kündigung des Arbeitsverhältnisses riskiert.
Überdies wäre aber auch eine Kündigung ohne Abmahnung während der Probezeit rechtmäßig. Da während der Probezeit der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von einer bzw. zwei Wochen (siehe Arbeitsvertrag § 3 Nr. 2 vom 16.04.2015) jederzeit kündigen konnte, also ohne Angabe oder Vorliegen von Gründen. Daher ist es folgerichtig auch nicht erforderlich, dass für die Kündigung eines Probearbeitsverhältnisses vorher eine Abmahnung ausgesprochen wird (vgl. z. B. Bayerisches Landessozialgericht vom 26.04.2005 – L 10 AL 242/02).
Außerdem ist ein wichtiger Grund für das Verhalten des Arbeitnehmers selbst dann erforderlich, wenn der Arbeitgeber das Beschäftigungsverhältnis während der Probezeit ohne Angabe von Gründen jederzeit kündigen kann. Der Kl. hätte daher auch vorliegend einen wichtigen Grund für sein Verhalten nachweisen müssen, obwohl der Arbeitgeber rechtlich jederzeit die Möglichkeit hatte, das Arbeitsverhältnis während der Probezeit mit entsprechend kurzer Kündigungsfrist zu beeenden.
Für das Verhalten des Kl. liegt aber kein wichtiger Grund vor. Zur behaupteten Bedrohung durch die ehemaligen Arbeitskollegen liegen keinerlei Nachweise vor. Weder hat die Klbev. irgendwelche Nachweise noch irgendwelche Indizien vorgelegt. Auch die Ermittlungen bei der Polizeidienststelle B. blieben erfolglos. Es liegen dort zwar Vorgänge über den Kl. in anderen Sachen vor, nicht hingegen hinsichtlich einer Bedrohung durch die ehemaligen Kollegen des Kl. Im Ergebnis konnte der Kl. daher keinen wichtigen Grund für sein Verhalten nachweisen.
Die Argumentation der Klbev. hinsichtlich der Anwendung des § 48 SGB X gehen ins Leere, weil der Sanktionsbescheid vom 20.07.2015 nach Erlass des Bewilligungsbescheides vom 09.06.2015 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 06.07.2015 erlassen worden ist. Demnach war nicht § 45 SGB X sondern § 48 SGB X iVm. §§ 31 ff SGB II die richtige Rechtsgrundlage.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183 ff, 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Berufung liegen nicht vor, § 144 Abs. 2 SGG.


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