Arbeitsrecht

Anfechtung der Betriebsratswahl wegen Verstoß gegen Wahlgeheimnis und Anforderungen an die Information ausländischer Arbeitnehmer über Wahlverfahren

Aktenzeichen  4 TaBV 63/18

Datum:
10.1.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 30174
Gerichtsart:
LArbG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:
BetrVG § 14 Abs. 1, § 19 Abs. 1
WOBetrVG § 2 Abs. 3, Abs. 5, § 7, § 8, § 12 Abs. 1, § 24
ZPO § 138 Abs. 4
ArbGG  § 83 Abs. 1 S. 2

 

Leitsatz

1. Nach den Umständen des Einzelfalls wird nicht gegen den Grundsatz der geheimen Wahl gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 WOBetrVG verstoßen, wenn Fenster hinter den Wahltischen tagsüber nicht durch Jalousien gegen eine Durchsicht gesichert sind, aber zu einer Beobachtung des Wahlvorgangs durch diese Fenster erst eine Hecke, ein Rasenstreifen und ein Drainagestreifen überwunden werden müssen; so wird auch keine subjektive Drucksituation für Wähler geschaffen. (Rn. 60 – 70) (red. LS Ulf Kortstock)
2. Gem. § 2 Abs. 5 WOBetrVG ist eine Information ausländischer Arbeitnehmer über die Betriebsratswahl in deren Sprache nur erforderlich, wenn diese die deutsche Sprache nicht ausreichend beherrschen; davon ist nicht auszugehen, wenn Arbeitnehmer in den auf Deutsch abgewickelten und nicht nur Hilfstätigkeiten umfassenden Betriebsablauf integriert sind, qualifizierte Ausbildungsberufe ausüben und zudem auf Deutsch über die Inhalte einer Sicherheitsunterweisung geprüft werden (Abgrenzung zur Fallgestaltung BAGE 112, 160 = BeckRS 2005, 40152). (Rn. 71 – 80) (red. LS Ulf Kortstock)

Verfahrensgang

24 BV 9/18 2018-08-01 Bes ARBGMUENCHEN ArbG München

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 6. vom 07.09.2018 und die Beschwerde der Beteiligten zu 7. vom 31.08.2018 wird der Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 01.08.2018, Az. 24 BV 9/18, abgeändert.
2. Der Antrag der Beteiligten zu 1. bis 5. wird abgewiesen.
3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit einer Betriebsratswahl, die von den Beteiligten zu 1) bis 5) angefochten wurde.
Die Beteiligte zu 7) (im Folgenden: die Arbeitgeberin) stellt Betonkörper her und unterhält bundesweit vier Betriebe, nämlich in M.-Stadt, O.-Stadt, P.-Stadt und K.-Stadt.
Im Betrieb in K-Stadt fand am 04.04.2018 eine Betriebsratswahl statt.
Der Beteiligte zu 6) (im Folgenden: der Betriebsrat) ist der am 04.04.2018 gewählte 7-köpfige Betriebsrat.
Die Beteiligten zu 1) bis 5) sind jeweils wahlberechtigte Arbeitnehmer des Betriebs in K.-Stadt. Der Beteiligte zu 1) ist außerdem Mitglied des aktuellen Betriebsrats; er war auch Mitglied des Wahlvorstandes und in der vorherigen Amtsperiode Betriebsratsvorsitzender.
Die Beteiligten zu 1) bis 5) kandidierten bei der streitgegenständlichen Wahl auf einer Liste, die nicht die Mehrheit der Stimmen erhielt.
Gemäß Wählerliste vom 04.04.2018 (vgl. Anlage B 6/4, Bl. 166 ff. d. A.) waren 152 Arbeitnehmer zur Wahl des Betriebsrates wahlberechtigt. Ausweislich der Wahlniederschrift (vgl. Anlage B 6/5, Bl. 168 d.A.) lagen 133 Wahlumschläge vor, wobei 128 gültige Stimmen abgegeben wurden.
Das Wahlausschreiben vom 20.02.2018 (vgl. Anlage B 1, Bl. 25 f. d.A.) für die Betriebsratswahl war nur in deutscher Sprache bekannt gemacht worden. Eine gesonderte Information der ausländischen Arbeitnehmer über die Einzelheiten der Wahl hat nicht stattgefunden.
Dem Betriebsrat wurde mit E-Mail vom 26.03.2018, 10:35 Uhr (vgl. Bl. 192 d.A.) seitens der Personalreferentin der Arbeitgeberin mitgeteilt, dass der Mitarbeiter Z. seine Tätigkeit in M.- Stadt ab dem 15.04.2018 aufnehmen werde. Kurz zuvor war dem Betriebsrat mit E-Mail vom selben Tag um 10:21 Uhr (vgl. Bl. 192 d.A.) mitgeteilt worden, dass der Mitarbeiter ab 01.04.2018 in M.-Stadt tätig sein werde.
Der Wahlraum befand sich im Erdgeschoss (vgl. die vorliegenden Fotos, Bl. 144 ff. d.A. sowie in Anlagenkonvolut B 6/1, Bl. 160 ff. d.A. und B 6/6, Bl. 317 ff. d.A.). Hinter dem Tisch, an dem die Stimmabgabe erfolgte, befindet sich ein Fenster. Seitlich vom Tisch befindet sich ein weiteres Fenster; vor dem seitlichen Fenster stand eine blaue Stehwand. Vor dem Tisch war eine Moderationswand als Sichtschutz aufgestellt; auf dem Tisch befand sich ein nach drei Seiten und nach oben geschlossenes Rednerpult. Auf der Innenseite des Rednerpults war ein Stift mit einer Schnur befestigt. Bei der Stimmabgabe saßen die Mitarbeiter mit dem Rücken zum Fenster. Der Stimmzettel konnte unter bzw. unmittelbar vor bzw. auf dem Rednerpult ausgefüllt werden.
Im Erdgeschoss des Gebäudes befinden sich Jalousien an den Fenstern, die manuell heruntergelassen werden können. Sie kippen in der oberen Hälfte des jeweiligen Fensters im 45°Winkel nach außen ab und werden unten durch ein Gestänge festgehalten (vgl. die vorliegenden Fotos in Anlagenkonvolut B 6/6, Bl. 317 ff. d.A.).
Um das Gebäude herum, in dem sich der Wahlraum befand, befindet sich ein Drainagestreifen von ca. 80 – 90 cm, der mit grobem Kies aufgefüllt ist. Im Bereich des Fensters, vor welchem der Tisch zur Stimmabgabe platziert war, grenzt an den Drainagestreifen eine Heckenbepflanzung sowie dahinter ein Rasenstreifen (vgl. hierzu auch die in der mündlichen Verhandlung vorgelegten weiteren Fotos Bl. 415 und 416 d.A.).
Das Wahlergebnis wurde am 04.04.2018 bekanntgegeben. Die gewählten Betriebsratsmitglieder wurden am 10.04.2018 bekannt gegeben (vgl. Anlage B 2, Bl. 27 d.A.).
Die Beteiligten zu 1) bis 5) haben vor dem Arbeitsgericht vorgetragen, die Betriebsratswahl sei unwirksam.
Es liege ein Verstoß gegen § 2 Abs. 5 WO vor. Ca. 50 Arbeitnehmer seien ausländischer Herkunft. Zu keinem Zeitpunkt habe eine Information der ausländischen Arbeitnehmer über das Wahlverfahren, die Aufstellung der Wähler- und Vorschlagslisten, des Wahlvorgangs und der Stimmabgabe in irgendeiner Form stattgefunden. Dolmetscher seien nicht hinzugezogen worden. Zahlreiche ausländische Mitarbeiter hätten nicht gewusst, wie die Betriebsratswahl von statten gehe, wie ein Wahlvorschlag zustande komme oder selbst eingebracht werden könne. Der Umstand, dass Sicherheitsunterweisungsnachweise auf Deutsch erfolgen würden, sei irrelevant. Es müssten Deutschkenntnisse über die tägliche Arbeit hinaus bestehen, um das komplizierte Wahlverfahren verstehen zu können. Der Wahlvorstand müsse im Zweifel bei ausländischen Mitarbeitern von unzureichenden Deutschkenntnissen ausgehen. Dies gelte jedenfalls dann, wenn wie vorliegend im Betrieb eine größere Anzahl ausländischer Arbeitnehmer im gewerblichen Bereich mit einfachen Hilfsarbeiten beschäftigt sei. Die vorgelegten Unterweisungsnachweise für Maler, Gipser etc. seien rechtlich irrelevant. Im Übrigen werde für die insoweit benannten Personen mit Nichtwissen bestritten, dass sie über ausreichende Deutschkenntnisse verfügen. Unabhängig davon würden 24 Mitarbeiter nicht über ausreichende Deutschkenntnisse verfügen; insoweit wird auf die Auflistung im Schriftsatz vom 22.06.2018 (Bl. 183 ff. d.A.) verwiesen.
Die Wahl sei auch gem. § 12 Abs. 1 WO unwirksam, da eine geheime Stimmabgabe nicht gesichert gewesen sei. Es habe keine Wahlkabine gegeben. Seitlich links und rechts vom Wahltisch sei die Stimmabgabe jederzeit einsehbar gewesen. Im Übrigen habe man von hinten durch das Fenster bei der Stimmabgabe zusehen können. Die Wähler hätten ihre Stimme nicht unbeobachtet und geheim abgeben können.
Es liege zudem ein Verstoß gegen § 24 Abs. 1 WO vor. Der Mitarbeiter Y. habe beim Wahlvorstand einen Antrag auf schriftliche Stimmabgabe wegen Urlaubs gestellt (vgl. Anlage B 3, Bl. 32 d.A.), jedoch keine Briefwahlunterlagen erhalten, so dass er an der Wahl nicht habe teilnehmen könne. Die Vermutung liege nahe, dass dies auch bei anderen Arbeitnehmern der Fall gewesen sei.
Des Weiteren hätten nahezu alle Arbeitnehmer der Verwaltung eine schriftliche Stimmabgabe durchgeführt, obwohl diese nach derzeitigem Kenntnisstand beim Wahlvorstand nicht beantragt worden sei und diese am Wahltag im Betrieb anwesend gewesen seien.
Zudem sei gegen § 2 Abs. 3 WO verstoßen worden. Ein Arbeitnehmer sei nicht wahlberechtigt gewesen sei, da er zum 01.04.2018 in einen anderen Betrieb versetzt worden sei.
Schließlich liege ein Verstoß gegen § 8 WO vor. Es müsse mit Nichtwissen gerügt werden, dass die eingereichten Vorschlagslisten zu Recht zur Wahl angenommen worden seien. Ob hier heilbare oder unheilbare Mängel vorgelegen hätten, könne nicht abschließend beurteilt werden.
Die Beteiligten zu 1) bis 5) haben erstinstanzlich beantragt,
Die Betriebsratswahl im Betrieb K.-Stadt, K.-Straße, vom 04.04.2018, wird für unwirksam erklärt.
Die Beteiligten zu 6) und 7) haben erstinstanzlich beantragt,
den Antrag abzuweisen.
Die Beteiligten zu 6) und 7) tragen vor, die ausländischen Arbeitnehmer würden ausreichend Deutsch sprechen. Dies ergebe sich daraus, dass sie die Sicherheitsunterweisungen (vgl. Bl. 64 ff. d.A.) verstanden hätten. Die Arbeitnehmer würden auf den Unterweisungsnachweisen bestätigen, dass sie in den einschlägigen Themen unterwiesen worden seien und in der Lage seien ausreichend Antwort bei Nachfragen zu geben. Es müssten sogar schriftlich Fragestellungen mit mehreren Antwortmöglichkeiten bearbeitet werden. Außerdem nähmen die Arbeitnehmer teilweise auch an Schulungen zu Betriebsmitteln und Gefahrstoffen teil, die in deutscher Sprache erfolgen und umfassende Deutschkenntnisse erfordern würden. Eine Übersetzung des Wahlausschreibens sei nicht geboten gewesen.
In der von den Beteiligten zitierten Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 13.10.2004 (Az. 7 ABR 5/04) sei die Betriebsratswahl in einem Cateringunternehmen angefochten worden, das am Flughafen Frankfurt tätig gewesen sei. Der ganz überwiegende Teil der gewerblichen Arbeitnehmer dieses Unternehmens sei ausländischer Herkunft gewesen und die Geschäftsleitung habe wichtige Schreiben an diese Arbeitnehmer in deren jeweilige Muttersprache übersetzen lassen. Darüber hinaus seien diese mit einfachen Tätigkeiten (Spüler, Tablettauffüllung) beschäftigt gewesen, für die kaum deutsche Sprachkenntnisse erforderlich seien.
Im Unternehmen der Arbeitgeberin liege der Fall anders; hier sei die Unternehmenssprache ausschließlich Deutsch. Die von den gewerblichen Arbeitnehmern ausgeführten Arbeiten seien auch nicht einfach, so dass ganz geringe Deutschkenntnisse für die Ausführung der Arbeit ausreichend wären. Vielmehr müssten die Arbeitnehmer Sicherheitsunterweisungen verstehen und würden Schulungen zu Gefahrenstoffen erhalten. Von den 24 als Zeugen für unzureichende Deutschkenntnisse benannten Mitarbeitern hätten 14 an der Betriebsratswahl teilgenommen. Von den Nichtwählern seien 3 Leiharbeitnehmer. Daraus ergebe sich, dass die angeblich nicht ausreichend deutschsprechenden Mitarbeiter verstanden hätten, worum es gehe. Im Übrigen sei das Beweisangebot der Beteiligten zu 1) bis 5) unzulässig, da dem Beweis nur Tatsachen zugänglich seien. Die Frage, ob Deutschkenntnisse „ausreichend“ seien, enthalte eine Bewertung, was zur Folge habe, dass das Gericht darüber nicht Beweis erheben könne.
Die Wahl sei geheim erfolgt. Wegen des auf dem Tisch befindlichen Rednerpults und der vor dem Tisch aufgestellten Stellwand sei die Stimmabgabe nicht einsehbar gewesen. Die Aufstellung einer Wahlkabine sei nicht erforderlich gewesen. Wandschirme oder Trennwände oder – wie hier – Stellwände würden ausreichen.
Es würden Zweifel bestehen, ob der von der Antragstellerseite benannte Arbeitnehmer überhaupt einen Antrag auf Briefwahl gestellt habe, da der Wahlvorstand bei einem Briefwahlantrag bestätigt hätte, dass der Antrag entgegengenommen worden sei. Auch der Erhalt der Briefwahlunterlagen hätte bestätigt werden müssen. Auf der vom Antragsteller vorgelegten Kopie befände sich weder der eine noch der andere Vermerk.
Es werde bestritten, dass nahezu alle Arbeitnehmer der Verwaltung ohne einen entsprechenden Antrag eine schriftliche Stimmabgabe durchgeführt hätten. Die Wahl in der fehlerhaften Wahlform könne das Wahlergebnis nur ausnahmsweise beeinflussen und sei daher unerheblich. Ausweislich der Wählerliste seien 152 Personen wahlberechtigt. Es hätten ausweislich der Wahlniederschrift 133 Wahlumschläge vorgelegen und es seien 128 gültige Stimmen abgegeben worden. Die Wahl sei deshalb durch den behaupteten Verstoß nicht beeinflusst worden.
Die Stimme eines einzelnen Arbeitnehmers habe die Wahl nicht beeinflussen können. Im Übrigen sei der betreffende Arbeitnehmer erst zum 15.04.2018 nach M-Stadt versetzt worden; er sei daher zum Zeitpunkt der Wahl noch Mitarbeiter in K-Stadt gewesen.
Die Rüge hinsichtlich der Vorschlagslisten sei ins Blaue hinein erhoben.
Mit Beschluss vom 01.08.2018 hat das Arbeitsgericht München, Kammer Ingolstadt, die Betriebsratswahl im Betrieb der Beteiligten zu 7) für unwirksam erklärt. Das Arbeitsgericht war der Auffassung, dass die am 04.04.2018 durchgeführte Betriebsratswahl gemäß § 19 Abs. 1 BetrVG unwirksam sei, weil bei der Wahl gegen § 12 Abs. 1 Satz 1 WO verstoßen wurde und nicht ausgeschlossen werden könne, dass bei der Einhaltung der Wahlvorschriften kein anderes Wahlergebnis erzielt worden wäre.
Das Arbeitsgericht führte in seiner Entscheidung aus, dass nach § 12 Abs. 1 Satz 1 WO der Wahlvorstand geeignete Vorkehrungen für die unbeobachtete Bezeichnung der Stimmzettel im Wahlraum zu treffen und für die Bereitstellung einer Wahlurne oder mehrerer Wahlurnen zu sorgen habe. Nach dem Grundsatz der geheimen Wahl dürfe die Stimmabgabe des Wählers keinem anderen bekannt werden. Die hinreichend abgeschirmten Bereiche im Wahlraum dürften nicht durch die Fenster des Raums einsehbar sein. Es komme nicht darauf an, ob das konkrete Ausfüllen eines Wahlzettels durch den Wähler tatsächlich beobachtet worden sei. Entscheidend sei, dass der Wähler die für das Vorliegen einer geheimen und deswegen freien Wahl erforderliche subjektive Überzeugung haben könne, unbeobachtet zu sein. Diesen Anforderungen werde die Wahl vom 04.04.2018 nicht gerecht. Die Wähler hätten angesichts der Ausgestaltung des Wahlraumes nicht sicher sein können, dass sie unbeobachtet waren. Vorliegend sei der Wahlvorgang durch das Fenster, welches sich hinter dem Wahltisch im Wahlraum befunden habe, einsehbar gewesen. Die Beteiligten hätten sogar in der mündlichen Anhörung am 25.07.2018 erklärt, dass das Fenster aufgrund der Wärme am Wahltag gekippt gewesen sei. Der Einwand der Antragsgegnerseite, man hätte herannahende Schritt hören können, weil der an den betreffenden Gebäudetrakt anschließende Drainagestreifen mit Kies aufgefüllt sei, könne zu keinem anderen Ergebnis führen. Zum einen erscheine es nicht ausgeschlossen, dass sich jemand gleichwohl nahezu geräuschlos nähern könne, wenn er es darauf anlege. Zum anderen hätte es ja auch sein können, dass sich bereits zu Beginn der Wahl jemand vor dem Fenster eingerichtet habe.
Allein diese theoretischen Möglichkeiten würden nach Auffassung der Kammer ausreichen, dass sich die Wähler objektiv nachvollziehbar nicht unbeobachtet hätten fühlen können. Hinzu komme, dass nach der Einlassung der Beteiligten in der mündlichen Anhörung am 25.07.2018 das Betriebsgelände nach der Hecke ende und sich öffentlicher Verkehrsraum anschließe, so dass ein etwaiger Beobachter am Fenster von der Betriebsöffentlichkeit nicht leicht zu entdecken gewesen wäre. Es sei auch nicht ausgeschlossen gewesen zum Drainagestreifen und damit ans Fenster zu gelangen, da es sich nicht um eine geschlossene Heckenbepflanzung gehandelt habe. Es komme auch nicht darauf an, ob die eigentliche Stimmabgabe tatsächlich eingesehen hätte werden können, oder ob dies aufgrund der Lichtverhältnisse und des Umstandes, dass die Wähler mit dem Rücken zum Fenster gesessen seien, nicht möglich gewesen wäre. Es genüge bereits die Möglichkeit, dass eine subjektive Drucksituation des Wählers entstehen könne, wenn er sich objektiv nachvollziehbar nicht gänzlich unbeobachtet fühlen könne. Der festgestellte Verstoß gegen § 12 Abs. 1 Satz 1 WO führe zur Unwirksamkeit der Wahl, weil hierdurch das Wahlergebnis habe beeinflusst werden können. Da die Betriebsratswahl bereits wegen des Verstoßes gegen § 12 Abs. 1 Satz 2 WO unwirksam sei, komme es nicht darauf an, ob bei der Wahl weitere Vorschriften verletzt worden seien.
Gegen diesen der Arbeitgeberin am 07.08.2018 zugestellten Beschluss vom 01.08.2018 legte diese mit Schriftsatz vom 31.08.2018 die per Telefax am 05.09.2018 beim Landesarbeitsgericht eingegangene Beschwerde ein. Diese wurde von der Arbeitgeberin mit per Telefax am 19.11.2018 eingegangenem Schriftsatz vom selben Tag innerhalb der bis 20.11.2018 verlängerten Beschwerdebegründungsfrist begründet. Der Betriebsrat legte gegen den ihm am 20.08.2018 zugestellten Beschluss des Arbeitsgerichts mit Schriftsatz vom 07.09.2018 die am selben Tag per Telefax beim Landesarbeitsgericht eingegangene Beschwerde ein. Diese wurde vom Betriebsrat mit per Telefax am 08.11.2018 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz vom selben Tag innerhalb der bis 08.11.2018 verlängerten Beschwerdebegründungsfrist begründet.
Die Arbeitgeberin trägt vor, dass das Arbeitsgericht die Anforderungen an geeignete Vorkehrungen für die unbeobachtete Bezeichnung der Stimmzettel überspannt habe und somit zu Unrecht von einem Verstoß gegen § 12 Abs. 1 Satz 1 WO ausgegangen sei.
Das Arbeitsgericht habe den Sachverhalt nur unvollständig ermittelt. Am Wahltag seien die Fenster des Wahlraums gekippt gewesen. Außerdem seien die vor den Fenstern befindlichen, nur manuell bedienbaren Jalousien heruntergelassen gewesen. Bei Zugrundelegung des tatsächlichen Sachverhalts hätte das Arbeitsgericht nicht davon ausgehen dürfen, dass Mitarbeiter des Betriebs oder unbeteiligte Dritte durch das Fenster in den Wahlraum hineinschauen hätten können bzw. hätte das Arbeitsgericht nicht davon ausgehen dürfen, dass die Mitarbeiter sich bei der Stimmabgabe subjektiv beobachtet hätten fühlen können.
Zwar sei das Wahlgeheimnis schon verletzt, wenn der Wähler sich aufgrund konkreter Umstände objektiv nachvollziehbar nicht unbeobachtet habe fühlen können. Dies bedeute jedoch nicht, dass jede theoretische Möglichkeit, dass ein Dritter die Stimmabgabe beobachten könnte – sei sie auch noch so unwahrscheinlich – das Wahlgeheimnis verletze. Es müssten vielmehr konkrete Umstände vorliegen, die es von einem objektiven Empfängerhorizont her nachvollziehbar erscheinen ließen, dass sich ein Mitarbeiter bei der Stimmabgabe subjektiv beobachtet fühlen könne.
Das Arbeitsgericht sei davon ausgegangen, dass der Wahlvorgang durch das Fenster, welches sich hinter dem Wahltisch im Wahlraum befunden habe, einsehbar gewesen sei. Es habe den Einwand, man hätte aufgrund des gekippten Fensters herannahende Schritte wegen des mit Kies befüllten Drainage-Streifens hören können, nicht gelten lassen, weil nicht ausgeschlossen sei, dass sich jemand gleichwohl nahezu geräuschlos nähern könne, wenn er es darauf anlege. Zum anderen hätte sich jemand vor Beginn der Wahl vor dem Fenster einrichten können. Diese Ausführungen seien schlichtweg realitätsfern. Es sei nicht ersichtlich, wie sich eine Person, möge sie auch noch so wenig wiegen, unbemerkt und geräuschlos dem Fenster unter Überwindung eines ca. 90 cm breiten Kiesstreifens hätte nähern können. Auch die Annahme, dass sich zu Beginn der Wahl jemand vor dem Fenster hätte einrichten können, entbehre jeder Grundlage. Aufgrund der Höhe des Fensters hätte sich diese Person unter dem Fenster zusammenkauern müssen und sich überhaupt nicht bewegen dürfen, da ansonsten Geräusche durch das Kiesbett entstanden wären. Auch hätte sich diese Person, wenn sie die Stimmabgabe hätte beobachten wollen, dann unbemerkt und geräuschlos aufrichten müssen, um durch das Fenster zu sehen. Ein solches Szenario sei derart konstruiert und unwahrscheinlich, sodass nicht angenommen werden könne, dass ein Mitarbeiter bei der Stimmabgabe die subjektive Überzeugung hätte haben können, durch das Fenster beobachtet zu werden. Konkrete Anhaltspunkte für eine Beobachtungsmöglichkeit durch das Fenster lägen nicht vor. Zudem seien die Mitarbeiter vor der Stimmabgabe frontal auf das fragliche Fenster zugelaufen. Sie hätten also gesehen, wenn sich eine Person vor dem Fenster befunden hätte. Bei der Stimmabgabe seien die Mitarbeiter mit dem Rücken zum Fenster gesessen und hätten daher den Wahlzettel sowie den kompletten Vorgang der Stimmabgabe vollständig mit dem Rücken abgedeckt. Auch der zusätzliche Schutz des Stimmzettels durch das Rednerpult, welches zu drei Seiten und sogar nach oben hin abgeschlossen gewesen sei, zeige, dass keine konkreten Umstände vorlägen, die eine mögliche Beobachtung durch Dritte objektiv nachvollziehbar machen würden.
Die Ausführungen des Arbeitsgerichts, dass sich an die Hecke ein öffentlicher Verkehrsraum anschließe und so ein etwaiger Beobachter am Fenster von der Betriebsöffentlichkeit nicht leicht zu entdecken gewesen wäre, sei ebenfalls nicht nachvollziehbar. Die Hecke schließe sich an den Drainagestreifen an; es handele sich um eine durchgehende Bepflanzung ohne vorgesehene Durchgänge. Wenn jemand aus dem öffentlichen Verkehrsraum die Stimmabgabe hätte beobachten wollen, hätte er durch die Hecke hindurchschauen oder sich in die Hecke stellen müssen. Selbst wenn er für die Betriebsöffentlichkeit nicht leicht zu entdecken gewesen wäre, hätte er von der Hecke aus keinerlei Möglichkeiten gehabt, durch das mindestens einen Meter entfernte Fenster zu schauen und den vor dem Fenster befindlichen Tisch einzusehen. Eine Beobachtung des Wahlvorgangs hätte – wenn überhaupt – nur mittels eines Fernrohrs stattfinden können. Hierbei handele es sich jedoch ebenfalls um eine derartig hypothetische und unwahrscheinliche Möglichkeit, sodass kein Mitarbeiter in nachvollziehbarer Weise mit einer derartigen Beobachtung durch Dritte subjektiv habe rechnen können.
Auch die Ausführungen des Gerichts, dass es nicht darauf ankomme, ob die eigentliche Stimmabgabe hätte eingesehen werden können, oder ob dies aufgrund der Lichtverhältnisse und des Umstandes, dass die Wähler mit dem Rücken zum Fenster gesessen seien, nicht möglich gewesen wäre, könne nicht überzeugen. Das Gericht beziehe sich zur Begründung dieser Ausführungen auf ein Urteil des VG Oldenburg vom 22.01.2008, Az. 1 A 5201/06; diese Entscheidung sei jedoch nicht einschlägig. Die Ausführungen des VG Oldenburg hätten sich auf den Fall bezogen, dass ein Briefwähler sich bei der Stimmabgabe alleine mit einem Wahlkandidaten in einem Raum befunden habe. Dass in einem derartigen Fall für den Wähler eine derartige Drucksituation entstehen könne, sei objektiv nachvollziehbar. In dem hier zu beurteilenden Fall bedürfe es jedoch eines hohen Maßes an Fantasie und eines gewissen Grades an Paranoia, um eine subjektive Drucksituation bzw. eine mögliche Beobachtung der Stimmabgabe durch das Fenster anzunehmen.
Entgegen den Ausführungen der Beteiligten zu 1) bis 5) seien alle bei der Arbeitgeberin beschäftigten Mitarbeiter der deutschen Sprache mächtig. Auch alle ausländischen Mitarbeiter würden über ausreichende Deutschkenntnisse verfügen, um den Inhalt eines Wahlausschreibens sowie die Einzelheiten des Verfahrens der Betriebsratswahl verstehen zu können. Wie erstinstanzlich bereits ausgeführt, würden sämtliche Mitarbeiter im gewerblichen Bereich eingesetzt. Bei Beginn der Tätigkeit bei der Beteiligten zu 7) würden alle Mitarbeiter in deutscher Sprache sicherheitstechnisch unterwiesen. Ihnen werde entweder vom direkten Vorgesetzten oder von der Sicherheitsfachkraft die für den jeweiligen Arbeitsplatz relevante Unterweisung nebst Schulungsunterlagen vorgelegt und erklärt. Im Anschluss an diese Unterweisung müssten die Mitarbeiter einen Test bestehen, in welchem geprüft werde, ob die Sicherheitsunterweisung verstanden worden sei. Die Sicherheitsunterweisungen mit Tests würden auch in regelmäßigen Intervallen – in der Regel alle 12 Monate – wiederholt. Die Mitarbeiter bei der Beteiligten zu 7) würden auch keine einfachen, monotonen Tätigkeiten ausführen. Sämtliche Mitarbeiter, auch die ausländischen Mitarbeiter, seien in den normalen Arbeitsablauf eingebunden. Sie würden nicht beispielsweise entsprechend ihrer Muttersprache in Gruppen oder Teams eingeteilt. Die Mitarbeiter würden gewerksspezifisch, d.h. als Betonbauer – Körper und Dachproduktion, Schlosser, Gipser, Maler – Ausbau der Stationen, Elektriker – Funktionsausbau der Stationen, Schalungsschlosser, Schreiner, Magaziner und Verlader eingesetzt. Bei der Arbeitgeberin würden daher ausschließlich Fachkräfte gesucht. Bei den jeweiligen Einsätzen müssten die Mitarbeiter u.a. Baupläne lesen und interpretieren. Daher sei es auch erforderlich, dass sie über gute Deutschkenntnisse verfügen.
Der Betriebsrat trägt vor, dass die geheime Stimmabgabe sichergestellt gewesen sei. Das Arbeitsgericht wäre bei rechtlicher Würdigung des vollständigen Sachverhalts zu der Erkenntnis gelangt, dass nicht einmal die abstrakte Möglichkeit bestanden habe, auf die Wahl dadurch Einfluss zu nehmen, dass man zum Fenster hineinsehe. In der Zeit der Wahl zwischen 07:00 und 11:00 Uhr seien die Jalousien herabgelassen gewesen (vgl. Fotos im Anlagenkonvolut B 6/6, Bl. 317 ff. d.A.). Aus den im Anlagenkonvolut B6/7 (Bl. 321 ff. d.A.) vorgelegten schriftlichen Bestätigungen der Mitarbeiter ergebe sich, dass während des gesamten Wahlvorgangs die Jalousien herabgelassen gewesen seien. Bei herabgelassenen Jalousien habe niemand durch die Fenster in den Wahlraum blicken können.
Von den 152 wahlberechtigten Arbeitnehmern seien lediglich neun Ausländer; alle anderen hätten die deutsche Staatsangehörigkeit.
Ein Verstoß gegen § 2 Abs. 5 WO liege nicht vor. Eine gesonderte Information von Mitarbeitern, die der deutschen Sprache nicht mächtig seien, sei nicht erforderlich gewesen, da alle Mitarbeiter über die erforderlichen Sprachkenntnisse verfügen würden. Auf die ausländische Staatsangehörigkeit komme es nicht an. Maßgebend seien die Sprachkenntnisse.
Der Entscheidung des BAG (Beschluss vom 13.10.2004, Az. 7 ABR 5/04) habe eine Fallgestaltung zugrunde gelegen, bei der Mitarbeiter aus über 100 Nationen mit einfachsten Tätigkeiten beschäftigt worden seien, für die keine deutschen Sprachkenntnisse erforderlich gewesen seien. Alle wesentlichen Informationen seien übersetzt und den Mitarbeitern so zur Kenntnis gebracht worden. Dies sei bei der Beklagten nicht der Fall. Die Sprache im Unternehmen sei Deutsch. Es gebe keine Übersetzungen in fremde Sprachen. Außerdem erhielten die Mitarbeiter alle Sicherheitsunterweisungen auf Deutsch und müssten bestätigen, dass sie diese verstanden haben. Auch die Vorarbeiter würden auf ausreichend Deutschkenntnisse bestehen, um Arbeitsanweisungen geben zu können. Entgegen der Erklärung des Beteiligten zu 4) im Termin am 25.07.2018 würden bei Einstellungsgesprächen in der Regel keine Dolmetscher hinzugezogen und Mitarbeiter mit unzureichenden Deutschkenntnissen nicht eingestellt. Alle Mitarbeiter würden über ausreichend Deutschkenntnisse verfügen. Dies zeige sich auch daran, dass an der Wahl sehr viele Mitarbeiter mit ausländischen Namen teilgenommen hätten. Die Arbeitgeberin beantragt,
1.Der Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 01.08.2018, Aktenzeichen 24 BV 9/18, wird abgeändert.
2.Der Antrag der Beteiligten zu 1) bis 5) wird zurückgewiesen.
Der Betriebsrat beantragt,
Der Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 01.08.2018 wird aufgehoben. Der Antrag der Beteiligten zu 1) bis 5) wird abgewiesen.
Die Beteiligten zu 1) – 5) beantragen,
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten zu 1) – 5) tragen vor, dass in keinem einzigen vorherigen Schriftsatz und auch nicht in der mündlichen Verhandlung im erstinstanzlichen Verfahren vom Betriebsrat oder von der Arbeitgeberin vorgebracht worden sei, dass man einen geschützten Bereich bei der Abgabe der Wahl allein dadurch gehabt hätte, dass die Jalousien heruntergelassen waren und damit keinerlei Einsicht von außen hätte erfolgen können. Nun werde im Beschwerdeverfahren der untaugliche Versuch unternommen, vorzutragen, man hätte dies in der mündlichen Verhandlung durchaus vorbringen wollen, die Beschwerdevertreterin hätte jedoch die eigene Mandantschaft daran gehindert, eine diesbezüglich ausufernde Diskussion zu veranlassen. Dies sei zum einen realitätsfremd und zum anderen wäre es ja ein trefflicher Einwand gewesen. Nunmehr versuche die Beteiligte zu 6) dies zu untermauern, in dem sie mit schriftlichen Zeugenaussagen darlege, dass am Wahltag die Jalousien heruntergelassen gewesen seien. Dies werde bestritten. Zudem könne keiner der benannten Zeugen aussagen, dass die Jalousien während des gesamten Zeitraums des geöffneten Wahllokals heruntergelassen gewesen seien. Selbst der angebotene Zeuge O. versichere dies nicht. Am Wahltag seien der Wahlvorstandsvorsitzende Herr P. sowie Herr Q. von der IG Bau während der gesamten Öffnungszeiten des Wahllokals im Wahllokal selbst anwesend gewesen. Diese könnten bezeugen, dass die Jalousien zu keinem Zeitpunkt, auch nicht temporär, am 04.04.2018 heruntergelassen gewesen seien, weder teilweise noch gänzlich, um das Fenster bzw. einen Einblick zu verdecken.
Ein noch gravierender Verstoß liege jedoch mit der nicht ordnungsgemäßen Unterrichtung der ausländischen Arbeitnehmer vor. Erstinstanzlich sei bereits Beweis dahingehend angeboten worden, dass die dort benannten Zeugen nicht nur über keine ausreichenden Deutschkenntnisse verfügten, sondern in jedem Fall weder die Wahlordnung noch das Wahlausschreiben, welches ausgehändigt wurde, verstanden hätten. Die Wahl verstoße deshalb auch gegen § 2 Abs. 5 WO, weil der Wahlvorstand nicht ausreichend dafür gesorgt habe, dass ausländische Arbeitnehmer, die der deutschen Sprache nicht mächtig seien, vor Einleitung der Betriebsratswahl über Wahlverfahren, Aufstellung der Wähler und Vorschlagslisten, Wahlvorgang und Stimmabgabe in geeigneter Weise unterrichtet worden seien. Bei der Regelung in § 2 Abs. 5 WO handele es sich trotz der Ausgestaltung als SollVorschrift um eine wesentliche Vorschrift über das Wahlverfahren i.S.d. § 19 Abs. 1 BetrVG. Alle Aushänge betreffend die Wahl seien zu übersetzen. Es sei nicht auszuschließen, dass die im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer, die der deutschen Sprache nicht ausreichend mächtig seien, im Falle einer ordnungsgemäßen Unterrichtung von ihrem Wahlrecht in anderer Weise Gebrauch gemacht hätten als tatsächlich geschehen sei. Dies betreffe insbesondere die erstinstanzlich namentlich bezeichneten Mitarbeiter.
Die weiteren gerügten Verstöße gegen die Wahlvorschriften der § 2 Abs. 3, 8 und 24 Abs. 1 WO blieben aufrechterhalten.
Das Landesarbeitsgericht München hat am 10.01.2019 Beweis erhoben durch Einvernahme der Zeugen O., P. und Q. betreffend die Frage, ob während der Öffnungszeiten des Wahllokals am 04.04.2018 die Jalousien an den Fenstern heruntergelassen waren (vgl. Sitzungsprotokoll vom 10.01.2019, Bl. 400 ff. d.A.).
Wegen des Sachvortrags der Beteiligten im Einzelnen wird Bezug genommen auf die erstinstanzlich gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen vom 16.04.2018 (Bl. 17 ff. d.A.), 15.05.2018 (Bl. 50 f. d.A.), 22.05.2018 (Bl. 58 ff. d.A.), 04.06.2018 (Bl. 157 ff. d.A.), 22.06.2018 (Bl. 181 ff. d.A.), 11.07.2018 (Bl. 190 f. d.A.), 20.07.2018 (Bl. 197 ff. d.A.), die zweitinstanzlich gewechselten Schriftsätze vom 31.08.2018 (Bl. 235 f. d.A.), 07.09.2018 (Bl. 241 f. d.A.), 11.09.2018 (Bl. 262 ff. d.A.), 17.09.2018 (Bl. 267 f. d.A.), 19.09.2018 (Bl. 271 f. d.A.), 21.09.2018 (Bl. 275 d.A.), 08.10.2018 (Bl. 280 d.A. und 281 f. d.A.), 09.10.2018 (Bl. 283 d.A.), 08.11.2018 (Bl. 297 ff. d.A.), 19.11.2018 (Bl. 314 ff. d.A.), 10.12.2018 (Bl. 350 ff. d.A.), 21.12.2018 (Bl. 374 ff. d.A.), 28.12.2018 (Bl. 386 f. d.A. und 387 f. d.A.) und 02.01.2019 (Bl. 395 ff. d.A.) sowie auf die Sitzungsprotokolle vom 25.07.2018 (Bl. 200 ff. d.A.) und 10.01.2019 (Bl. 400 ff. d.A.).
II.
Die zulässigen Rechtsbeschwerden der Arbeitgeberin und des Betriebsrats haben Erfolg.
1. Die nach § 87 Abs. 1 ArbGG statthafte Beschwerde wurde gemäß §§ 87 Abs. 2 Satz 1, 66 Abs. 1 ArbGG fristgerecht eingelegt und genügt den Anforderungen der §§ 89 Abs. 2, 87 Abs. 2 Satz 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. § 519 ZPO.
2. In der Sache haben die Beschwerden Erfolg. Die Betriebsratswahl vom 04.04.2018 war nicht für unwirksam zu erklären. Ein Verstoß gegen wesentliche Wahlvorschriften, die auch geeignet sind, das Wahlergebnis zu beeinflussen, liegt entgegen den Feststellungen des Arbeitsgerichts nicht vor. Der Beschluss des Arbeitsgerichts war deshalb abzuändern und der Antrag abzuweisen.
a) Die Anfechtung der Betriebsratswahl ist zulässig. Hiergegen wenden sich die Beschwerdeführer auch nicht. Die Beteiligten zu 1) bis 5) sind als Arbeitnehmer der Beteiligten zu 7) antragsberechtigt. Das Arbeitsgericht hat insbesondere zu Recht festgestellt, dass die zweiwöchige Anfechtungsfrist des § 19 Abs. 2 Satz 2 BetrVG gewahrt wurde. Der Wahlvorstand hat das Wahlergebnis am 10.04.2018 bekannt gemacht. Der Anfechtungsantrag wurde beim Arbeitsgericht München, Kammer Ingolstadt, am 16.04.2018 eingereicht.
b) Der Wahlanfechtungsantrag ist nicht begründet. Nach § 19 Abs. 1 BetrVG kann eine Wahl beim Arbeitsgericht angefochten werden, wenn gegen wesentliche Wahlvorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen worden ist und eine Berichtigung nicht erfolgt ist, es sei denn, dass durch den Verstoß das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflusst werden konnte. Wesentliche Wahlvorschriften im Sinne des § 19 Abs. 1 BetrVG liegen dann vor, wenn sie elementare Grundprinzipien der Betriebsratswahl enthalten oder tragende Grundsätze des Betriebsverfassungsrechts berühren (vgl. BAG, Beschluss vom 13.10.2004 – 7 ABR 5/04, DB 2005, 675, Rn. 12; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, 29. Aufl. 2018, § 19 Rn. 10; Däubler/Kittner/Klebe/Homburg, BetrVG, 16. Aufl. 2018, § 19 Rn. 3; GK-BetrVG/Kreutz, 11. Aufl. 2018, § 19 Rn. 18; ErfK/Koch, 19. Aufl. 2019, § 19 BetrVG Rn. 2; Richardi/Thüsing, BetrVG, 16. Aufl. 2018, § 19 Rn. 5 m.w.N.). Allerdings können ausnahmsweise auch bloße SollVorschriften als wesentliche Wahlvorschriften i.S.d. § 19 Abs. 1 BetrVG anzusehen sein. Das ist der Fall, wenn sie elementare Grundprinzipien der Betriebsratswahl enthalten (vgl. BAG, Beschluss vom 13.10.2004 – 7 ABR 5/04, a.a.O., Rn. 12; Fitting, a.a.O., § 19 Rn. 10; ErfK/Koch, a.a.O., § 19 BetrVG Rn. 2) oder tragende Grundsätze des Betriebsverfassungsrechts berühren (vgl. BAG, Beschluss vom 13.10.2004 – 7 ABR 5/04, a.a.O., Rn. 12; DKK/Homburg, a.a.O., § 19 Rn. 3) und deshalb von ihrer Zwecksetzung her als wesentlich im Sinne von § 19 Abs. 1 BetrVG einzustufen sind.
c) Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 letzter Halbsatz BetrVG berechtigen Verstöße gegen wesentliche Wahlvorschriften nur dann nicht zur Anfechtung der Wahl, wenn ein solcher Verstoß das Wahlergebnis objektiv weder ändern noch beeinflussen konnte. Dafür ist entscheidend, ob bei einer hypothetischen Betrachtungsweise eine Wahl ohne den Verstoß unter Berücksichtigung der konkreten Umstände zwingend zu demselben Wahlergebnis geführt hätte. Eine verfahrensfehlerhafte Betriebsratswahl muss nur dann nicht wiederholt werden, wenn sich konkret feststellen lässt, dass auch bei der Einhaltung der Wahlvorschriften kein anderes Wahlergebnis erzielt worden wäre. Kann diese Feststellung nicht getroffen werden, bleibt es bei der Unwirksamkeit der Wahl (st. Rspr.; vgl. BAG, Beschluss vom 21.03.2017 – 7 ABR 19/15, NZA 2017, 1075, Rn. 30; Beschluss vom 21.01.2009 – 7 ABR 65/07, NZA-RR 2009, 481, Rn. 29; Beschluss vom 25.05.2005 – 7 ABR 39/04, NZA 2006, 116, Rn. 23; Beschluss vom 31.05.2000 – 7 ABR 78/98, NZA 2000, 1350, Rn. 50 ff.). Zwar ist ausreichend, dass das Wahlergebnis ohne den Verstoß möglicherweise anders ausgefallen wäre. Allerdings reicht nicht jede theoretisch denkbare Möglichkeit eines anderen Ergebnisses aus, vielmehr muss nach der allgemeinen Lebenserfahrung und den konkreten Umständen des Falles die Möglichkeit eines anderen Ergebnisses nicht gänzlich unwahrscheinlich sein (vgl. BAG, Beschluss vom 21.01.2009 – 7 ABR 65/07, a.a.O., Rn. 29; Beschluss vom 25.05.2005 – 7 ABR 39/04, a.a.O., Rn. 23; Beschluss vom 13.10.2004 – 7 ABR 5/04, a.a.O., Rn. 12; LAG Düsseldorf, Beschluss vom 13.12.2016 – 9 TaBV 85/16, Rn. 40, juris; Fitting, a.a.O., § 19 Rn. 24; DKKW/Homburg, a.a.O., § 19 Rn. 4; GKBetrVG/Kreutz, a.a.O., § 19 Rn. 48).
d) Keiner der vorgetragenen Sachverhalte rechtfertigt, soweit darüber Beweis erhoben worden ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme, die Anfechtung der Wahl nach diesen Voraussetzungen. Eine Überprüfung sämtlicher gerügter Wahlverstöße anhand der unter II. 2 b) und II. 2 c) dargelegten Grundsätze hat zur Überzeugung der Kammer ergeben, dass die Betriebsratswahl vom 04.04.2018 ordnungsgemäß durchgeführt worden ist und entgegen der Auffassung der Antragsteller wesentliche Wahlvorschriften nicht verletzt worden sind. Die Betriebsratswahl ist somit wirksam durchgeführt worden.
aa) Entgegen der Auffassung der Antragsteller liegt ein Verstoß gegen den Grundsatz der geheimen Wahl gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 WO nicht vor.
(1) Nach § 12 Abs. 1 Satz 1 WO hat der Wahlvorstand geeignete Vorkehrungen für die unbeobachtete Kennzeichnung der Stimmzettel im Wahlraum zu treffen und für die Bereitstellung einer Wahlurne oder mehrerer Wahlurnen zu sorgen. Bei § 12 Abs. 1 WO handelt es sich um eine „Muss-Vorschrift“, die der Wahrung des Wahlgeheimnisses (§ 14 Abs. 1 BetrVG) dient. Nach dem Grundsatz der geheimen Wahl darf die Stimmabgabe des Wählers keinem anderen bekannt werden. Dies dient dem Zweck, den Wähler vor jeglichem sozialen Druck zu schützen (vgl. BAG, Beschluss vom 12.06.2013 – Az. 7 ABR 77/11, NZA 2013, 1368, Rn. 20; Beschluss vom 27.07.2005 – Az. 7 ABR 54/04, NZA 2006, 59, Rn. 25 m.w.N.). Der Grundsatz der geheimen Wahl erfordert insbesondere das Aufstellen von Wahlkabinen, Wandschirmen oder Trennwänden im Wahlraum, solange nicht in einem überwachbaren Nebenraum gewählt wird (vgl. Fitting, a.a.O., § 12 WO Rn. 1). Entscheidend ist, dass die Wähler den Wahlzettel unbeobachtet kennzeichnen (vgl. LAG Düsseldorf, Beschluss vom 13.12.2016 – 9 Ta 85/16, Rn. 49, juris, m.w.N.; Fitting, a.a.O., § 12 WO Rn. 1). Hierfür genügt – auch wenn nicht Wahlkabinen im eigentlichen Sinne verwendet werden – das Vorhalten von Vorrichtungen, die eine Wahlbeobachtung, mit Ausnahme eines bewussten Beobachtens unter Überwindung der Vorrichtung, verhindern (vgl. LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 17.03.2011 – 11 TaBV 45/10, Rn. 56, juris). An den Grundsatz der geheimen Wahl sind strenge Anforderungen zu stellen (vgl. Fitting, a.a.O., § 12 WO Rn. 2; GK-BetrVG/Jacobs, a.a.O., § 12 WO Rn. 1). Ist eine unbeobachtete Stimmabgabe nicht gesichert, der Wähler vielmehr gezwungen, unter den Augen anderer Personen den Stimmzettel anzukreuzen, so ist die Wahl stets nach § 19 BetrVG anfechtbar (vgl. LAG Düsseldorf, Beschluss vom 13.12.2016 – 9 Ta 85/16, a.a.O., Rn. 35; Fitting, a.a.O., § 12 WO Rn. 2). Andererseits kann der Wähler nicht gezwungen werden, die vom Wahlvorstand vorgesehenen Einrichtungen zum unbeobachteten Ankreuzen des Stimmzettels zu benutzen (vgl. Fitting, a.a.O., § 12 WO Rn. 3). Dabei kommt es nicht darauf an, ob das konkrete Ausfüllen eines Wahlzettels durch den Wähler tatsächlich beobachtet worden ist. Entscheidend ist, dass der Wähler die für das Vorliegen einer geheimen und deswegen freien Wahl erforderliche subjektive Überzeugung haben kann, unbeobachtet zu sein (vgl. LAG Düsseldorf, Beschluss vom 13.12.2016 – 9 Ta 85/16, a.a.O., Rn. 50 m.w.N.).
(2) Diesen Anforderungen genügt die Betriebsratswahl vom 04.04.2018. Die Wähler mussten angesichts der Ausgestaltung des Wahlraumes objektiv nicht davon ausgehen, dass sie bei der Kennzeichnung des Wahlzettels beobachtet werden.
(aa) Die Beschaffenheit des Wahlraums war zwischen den Beteiligten weitgehend unstreitig. Die Anhörung der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung hat bezüglich der Außenanlage zudem ergeben, dass sich zwischen Werkshalle und Hecke eine Straße befindet, die durch ein Tor geschlossen wird. Zwischen dem Tor und dem Gebäude, in dem der Wahlraum war, befindet sich ein Zaun. Direkt vor dem Gebäude mit dem Wahlraum – allerdings getrennt durch Drainagestreifen, Rasenstreifen und Hecke – befindet sich eine öffentliche Verkehrsfläche (Einfahrtsbereich).
(bb) Die Beweisaufnahme hat nicht zur Überzeugung des Gerichts ergeben, dass die Jalousien, wie vom Betriebsrat und der Arbeitgeberin vorgetragen, während der gesamten Zeit der Betriebsratswahl am 04.04.2018 von 07:00 bis 11:00 Uhr heruntergelassen waren.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme geht das Gericht vielmehr davon aus, dass die Jalousien am Vorabend um 18:00 Uhr automatisch nach oben gefahren sind und am Morgen des 04.04.2018 oben waren. Ob die Jalousien sodann heruntergelassen wurden, konnte nicht aufgeklärt werden. Die Zeugen P. und Q. sowie das weitere Wahlvorstandsmitglied haben die Jalousien nicht manuell heruntergelassen. Der Zeuge O. hat als einziger Zeuge ausgesagt, dass die Jalousien in der Früh heruntergelassen worden sind; er konnte sich aber nicht mehr daran erinnern, wer bzw. ob er die Jalousien heruntergelassen hat. Bestätigt wird dies insoweit als der Geschäftsführer X. und der Betriebsratsvorsitzende W. im Rahmen ihrer informatorischen Anhörung erklärt haben, dass bei Ankunft des Geschäftsführers um kurz vor 08:00 Uhr bzw. bei der Stimmabgabe des Betriebsratsvorsitzenden um 08:00 Uhr die Jalousien heruntergelassen waren. Der Geschäftsführer und der Betriebsratsvorsitzende waren jedoch im weiteren Verlauf der Wahl nicht im Wahllokal, so dass sie über die punktuelle Wahrnehmung der heruntergelassenen Jalousien um kurz vor 8:00 Uhr bzw. um 08:00 Uhr hinaus, hierzu nichts weiter ausführen konnten.
Die als Zeugen vernommenen Mitglieder des Wahlvorstands Herr P. und Herr O. sowie der Zeuge Q. waren demgegenüber während der gesamten Zeit der Wahl – von Toilettengängen abgesehen – im Wahlraum anwesend. Das Gericht geht aufgrund der Zeugeneinvernahme davon aus, dass die Jalousien an den Fenstern des Wahlraums jedenfalls ab 08:30/09:00 Uhr oben waren und während der restlichen Zeit der Wahl auch nicht wieder heruntergelassen worden sind. Die Zeugen P. und Q. haben übereinstimmend und glaubwürdig ausgesagt, dass die Jalousien oben waren. Die Aussage von Herrn P. ist auch deshalb glaubwürdig, weil er seine Erinnerung darauf stützt, dass der Wahlvorstand durch die gegenüberliegende lange Fensterfront auf den Parkplatz hinaussehen konnte und er gesehen habe, wie der etwas später eintreffende Herr Q. dort angekommen ist. Es handelt sich insoweit um ein Realkennzeichen, das die Glaubwürdigkeit der Aussage des Zeugen P. belegt. Bestätigt wird seine Aussage wiederum durch die Aussage des Zeugen Q., der erklärte, dass die Jalousien offen waren und er „nichts Rotes“ gesehen habe. Vielmehr habe er durch das Fenster hindurch Mitarbeiter draußen herumlaufen sehen. Der Zeuge Q. traf allerdings erst nachträglich ein; nach seiner Erinnerung war er ab ca. 08:30 oder 09:00 Uhr anwesend. Möglicherweise wurden die Jalousien zwar morgens heruntergelassen und zu einem späteren Zeitpunkt wieder manuell oder – denkbar ist auch ggf. automatisch bei Wind – hochgefahren. Dies konnte aber nicht aufgeklärt werden. Die im Anlagenkonvolut B6/7 (Bl. 321 ff. d.A.) vorgelegten schriftlichen Bestätigungen der Mitarbeiter sind für die Beweisfrage irrelevant, da es sich ebenso wie beim Geschäftsführer und Betriebsratsvorsitzenden jeweils nur um zeitlich punktuelle Wahrnehmungen handelt. Das Gericht geht deshalb aufgrund des Ergebnisses der Zeugeneinvernahme davon aus, dass die Jalousien an den Fenstern des Wahlraums jedenfalls ab 8:30/9:00 Uhr für die restliche Zeit der Wahl oben waren.
(cc) Auf Basis des vorliegenden Sachverhalts ergibt sich aber, dass die unbeobachtete Stimmabgabe bei der Betriebsratswahl ausreichend gesichert war. Angesichts der örtlichen Umstände konnten sich die Arbeitnehmer auch subjektiv unbeobachtet fühlen.
Auch wenn keine Wahlkabinen im eigentlichen Sinne verwendet wurden, genügte die vor dem Wahltisch aufgestellte Moderationswand als Sichtschutz; das war zwischen den Beteiligten auch nicht streitig. Der Wahltisch mit dem Rednerpult war aber auch von hinten durch das Fenster nicht einsehbar, und zwar auch dann nicht, wenn dieses nicht durch die herabgelassenen Jalousien verdeckt war.
Der Wahlvorgang ist durch das Fenster, welches sich hinter dem Wahltisch im Wahlraum befand, nur einsehbar, wenn jemand von der öffentlichen Verkehrsfläche vor dem Tor sich durch die Büsche hindurch schlägt, da es sich bei der Hecke um eine durchgehende Bepflanzung ohne vorgesehene Durchgänge handelt und sich auf den daneben befindlichen Rasen- bzw. Drainagestreifen stellt oder über den zwischen Tor und dem Gebäude, in dem die Wahl stattfand, befindlichen Zaun steigt. Beides wäre gerade tagsüber derart auffällig gewesen, dass es nach allgemeiner Lebenserfahrung gänzlich unwahrscheinlich ist, dass dies unbemerkt geblieben wäre. Der Zeuge Q. hat zudem ausgesagt, dass er von seiner Position auf einem Tisch bei den zwei linken Fenstern sitzend durch das Fenster am Wahltisch hinausgesehen und draußen Personen – jedoch nicht direkt vor dem Fenster – sondern in ungefähr 50 bis 60 Meter Entfernung gesehen habe. Auch für den ortskundigen Wähler am Wahltisch war erkennbar, dass ein Anschleichen anderer Mitarbeiter oder fremder Personen auf die Stelle vor dem Fenster hinter dem Wahltisch aufgrund der örtlichen Gegebenheiten praktisch unmöglich wäre und aufgrund des schräg gegenüber des Wahltisches, mit Blickrichtung zum Fenster hinter dem Wahltisch sitzenden Gewerkschaftssekretärs jedenfalls nicht unbemerkt bleiben würde. Es ist auch auszuschließen, dass der Wahlvorgang durch das Fenster hinter dem Wahltisch zufällig hätte beobachtet werden können, da das Fenster von der öffentlichen Verkehrsfläche aus wegen des dazwischen befindlichen deutlichen Abstands (Hecke – Rasenstreifen – Drainagestreifen) ohne Hilfsmittel (wie z.B. Fernrohr, Kameraobjektiv etc.) nicht einsehbar war. Nicht jede theoretische Möglichkeit, dass ein Dritter die Stimmabgabe beobachten könnte – sei sie auch noch so unwahrscheinlich – verletzt das Wahlgeheimnis. Die rein theoretische Möglichkeit, dass sich eine Person, quasi paparazzogleich, an die Stelle außen vor dem Fenster hinter dem Wahltisch anschleicht und den Drainagestreifen geräuschlos bis zum Fenster quert bzw. sich dort bereits vor der Wahl eingerichtet hat, genügt jedenfalls nicht für die Annahme einer subjektiven Drucksituation. Die Mitarbeiter der Beklagten müssen nicht beim Vorhandensein von Fenstern im Wahlraum ohne jegliche Anhaltspunkte mit einem bewussten Beobachten durch Dritte oder andere Mitarbeiter unter Überwindung vorhandener Hindernisse wie hier Hecke, Drainagestreifen, Zaun etc. rechnen. Mit einer derartigen Beobachtung durch Dritte habe kein Mitarbeiter in nachvollziehbarer Weise subjektiv rechnen können, sodass allein aufgrund der örtlichen Gegebenheiten eine subjektive Drucksituation nicht angenommen werden kann. Der Grundsatz der geheimen Wahl wurde durch die hier vorgehaltenen Vorrichtungen für die Wahl nicht verletzt.
Ein dem Sachverhalt der Entscheidung des (VG Oldenburg vom 22.01.2008 – 1 A 5201/06, Rn. 38, juris) vergleichbarer Fall liegt hier zudem nicht vor. In seiner Entscheidung hatte das VG Oldenburg festgestellt, dass die Stimmabgabe eines Briefwählers schon dann nicht mehr als frei und geheim gelten kann, wenn sich ein Kandidat im selben Zimmer befindet. Dass dadurch für den Wähler eine subjektive Drucksituation entstehen kann, ist objektiv nachvollziehbar. Eine vergleichbare subjektive Drucksituation konnte hier aber, wie oben ausgeführt, allein aufgrund der örtlichen Gegebenheiten nicht angenommen werden.
bb) Die Anfechtung der Betriebsratswahl kann auch nicht auf einen Verstoß gegen § 2 Abs. 5 WO gestützt werden.
(1) Bei der Regelung in § 2 Abs. 5 WO handelt es sich trotz der Ausgestaltung als SollVorschrift um eine wesentliche Vorschrift über das Wahlverfahren i.S.v. § 19 Abs. 1 BetrVG, deren Verletzung zur Anfechtung der Betriebsratswahl berechtigt (vgl. BAG, Beschluss vom 13.10.2004 – 7 ABR 5/04, DB 2005, 675, Rn. 11 f.; Fitting, a.a.O., § 2 WO Rn. 12; GKBetrVG/Jacobs, a.a.O., § 2 WO Rn. 19; DKK/Homburg, a.a.O., § 2 WO Rn. 28; Richardi/Thüsing, a.a.O., § 2 WO Rn. 21). § 2 Abs. 5 WO soll die Ausübung des aktiven und passiven Wahlrechts sicherstellen und dient zudem der betrieblichen Integration ausländischer Arbeitnehmer. Ausländische Arbeitnehmer sind unter denselben Voraussetzungen wie deutsche Arbeitnehmer nach § 7 BetrVG wahlberechtigt und nach § 8 BetrVG wählbar. Fehlende oder begrenzte Kenntnisse der deutschen Sprache erschweren ihnen die Ausübung ihres aktiven und passiven Wahlrechts. Durch die in § 2 Abs. 5 WO normierte Unterrichtungspflicht soll gewährleistet werden, dass ausländischen Arbeitnehmern, die die deutsche Sprache nicht ausreichend beherrschen, um sich selbst anhand des Gesetzes, der Wahlordnung, der Wählerlisten und des Wahlausschreibens sowie durch Kommunikation mit anderen Arbeitnehmern über die Wahlgrundsätze und das Wahlverfahren zu informieren, die zur Wahlbeteiligung notwendigen Kenntnisse “in geeigneter Weise” vermittelt werden, damit sie ihr Wahlrecht in gleicher Weise ausüben können wie deutsche Arbeitnehmer (vgl. BAG, Beschluss vom 13.10.2004 – 7 ABR 5/04, a.a.O., Rn. 13). Insoweit wird überwiegend vertreten, dass dieser Pflicht regelmäßig auch dadurch genügt werden kann, dass die Aushänge und Bekanntmachungen des Wahlvorstandes auch in den erforderlichen Sprachen, die von den ausländischen Arbeitnehmern verstanden werden, ausgehängt werden (vgl. Fitting, a.a.O., § 2 WO Rn. 12; Richardi/Thüsing, a.a.O., § 2 WO Rn. 21).
(2) Bei der Beurteilung der Frage, ob die im Betrieb beschäftigten ausländischen Arbeitnehmer der deutschen Sprache i.S.v. § 2 Abs. 5 WO mächtig sind, ist im Hinblick auf den Zweck der Vorschrift, ausländischen Arbeitnehmern die wesentlichen Grundsätze über die durchzuführende Wahl zu vermitteln, um ihnen in gleicher Weise wie deutschen Arbeitnehmern die Wahrnehmung ihres aktiven und passiven Wahlrechts zu ermöglichen, nicht lediglich darauf abzustellen, ob sie sich bei der täglichen Arbeit hinreichend verständigen können. Entscheidend ist vielmehr, ob ihre Deutschkenntnisse ausreichen, um die zum Teil komplizierten Wahlvorschriften und den Inhalt eines Wahlausschreibens verstehen zu können. Im Zweifelsfall muss der Wahlvorstand von unzureichenden deutschen Sprachkenntnissen ausgehen (vgl. BAG, Beschluss vom 13. Oktober 2004 – 7 ABR 5/04, a.a.O., Rn. 15; GK-BetrVG/Jacobs, a.a.O., § 2 WO Rn. 20; DKK/Homburg, a.a.O., § 2 WO Rn. 28). Das gilt jedenfalls dann, wenn im Betrieb eine größere Anzahl ausländischer Arbeitnehmer im gewerblichen Bereich mit einfachen Hilfsarbeiten beschäftigt ist. Diese Arbeitnehmer mögen zwar über die für die tägliche Arbeit erforderlichen Deutschkenntnisse verfügen. Das bedeutet aber nicht, dass diese Kenntnisse auch genügen, um sich die zu einer umfassenden Wahrnehmung der Rechte im Zusammenhang mit einer Betriebsratswahl nötigen Informationen selbst zu verschaffen. Denn zur Erledigung einfacher Hilfstätigkeiten im gewerblichen Bereich sind in der Regel nur geringe Deutschkenntnisse erforderlich (BAG, Beschluss vom 13. Oktober 2004 – 7 ABR 5/04, a.a.O., Rn. 15).
(3) Im vorliegenden Fall ist § 2 Abs. 5 WO BetrVG jedoch nicht verletzt.
(aa) Anders als in dem vom BAG am 13.10.2004 (Az. 7 ABR 5/04) entschiedenen Fall gibt es hier nicht hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass die Arbeitnehmer im Betrieb nicht über ausreichende deutsche Sprachkenntnisse verfügen. Anders als in dem 2004 vom BAG entschiedenen Fall üben die Arbeitnehmer im Betrieb nicht leichte und leichteste Anlerntätigkeiten aus, sondern verfügen in der Regel über eine qualifizierte deutsche oder in Deutschland anerkannte ausländische Berufsausbildung. Sie absolvieren zu Beginn ihrer Tätigkeit bei der Arbeitgeberin nach der sicherheitstechnischen Unterweisung in deutscher Sprache einen entsprechenden Test in Form eines Fragenkatalogs, in welchem geprüft wird, ob die Sicherheitsunterweisung verstanden worden ist. Zur Einweisung wird ihnen vom direkten Vorgesetzten oder von der Sicherheitsfachkraft die für den jeweiligen Arbeitsplatz relevante Unterweisung nebst Schulungsunterlagen vorgelegt und in deutscher Sprache erklärt. Die Sicherheitsunterweisungen mit Tests werden jährlich wiederholt. Anders als in dem 2004 vom BAG entschiedenen Fall kommuniziert die Arbeitgeberin ausschließlich auf Deutsch mit der Belegschaft. Auch werden weder Hinweise noch Unterlagen in fremder Sprache an die Mitarbeiter ausgegeben.
(bb) Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass jemand, der die für die Ausübung eines qualifizierten Ausbildungsberufs erforderliche Kommunikation in deutscher Sprache führen und verstehen kann, keine ausreichenden deutschen Sprachkenntnisse i.S.d. § 2 Abs. 5 WO hat, liegen hier nicht vor.
Die Arbeitgeberin und der Betriebsrat haben – letztlich unwidersprochen – dargelegt, dass jegliche Kommunikation im Betrieb in K-Stadt in deutscher Sprache stattfindet. Die Arbeitnehmer müssen über ausreichende deutsche Sprachkenntnisse verfügen, um ihren qualifizierten Beruf in diesem rein deutschsprachigen Umfeld auszuüben. Die Situation eines solchen qualifizierten Arbeitnehmers ist nicht vergleichbar mit der Situation eines Arbeitnehmers, der lediglich über die Sprachkenntnisse verfügt, die für leichte Anlerntätigkeiten, wie z.B. die eines Spülers oder Tablettauffüllers, erforderlich sind. Letzterer mag in der Tat nicht in der Lage sein, ein Wahlausschreiben lesen zu können. Dies kann aber für einen Arbeitnehmer, der einen qualifizierten Ausbildungsberuf in einem uneingeschränkt deutschen Umfeld ausübt, nicht einfach unterstellt werden, nur weil er einen Migrationshintergrund hat (vgl. LAG München, Beschluss vom 25.06.2013 – 9 TaBV 11/13, juris, Rn. 154). Der Wahlvorstand musste hier nicht „im Zweifel“ von unzureichenden deutschen Sprachkenntnissen ausgehen. Das gilt nach der Entscheidung des BAG vom 13.10.2004 (Az. 7 ABR 5/04, a.a.O.) ohnehin nur dann, wenn im Betrieb eine größere Anzahl ausländischer Arbeitnehmer im gewerblichen Bereich mit einfachen Hilfsarbeiten beschäftigt ist. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Im Betrieb der Arbeitgeberin sind die „ausländischen“ Arbeitnehmer nicht mit einfachen Hilfsarbeiten, sondern mit Tätigkeiten, die eine qualifizierte Ausbildung erfordern, befasst. Deshalb bedarf es hier konkreter Anhaltspunkte für die Annahme nicht ausreichender Deutschkenntnisse der „ausländischen“ Arbeitnehmer. Solche Anhaltspunkte liegen nicht vor. Die unzureichenden Deutschkenntnisse können weder aufgrund des ausländischen Namens noch der ausländischen Staatsangehörigkeit eines Mitarbeiters abgeleitet werden. Die Antragsteller haben sich mit der Frage der ausreichenden Deutschkenntnisse nicht grundsätzlich auseinandergesetzt, sondern einfach aus der Tatsache der Beschäftigung auch ausländischer Arbeitnehmer darauf geschlossen, sie verfügten „im Zweifel“ nicht über die erforderlichen Deutschkenntnisse. Hinzu kommt, dass der Betriebsrat darauf hingewiesen hat, dass von den 152 wahlberechtigten Arbeitnehmern lediglich neun Ausländer seien und alle anderen die deutsche Staatsangehörigkeit hätten. Bei Vorliegen der deutschen Staatsangehörigkeit kann im Regelfall (anders etwa bei Spätaussiedlern) davon ausgegangen werden, dass ausreichende Deutschkenntnisse bei der jeweiligen Person vorhanden sind oder jedenfalls erworben wurden.
(cc) Zwar haben die Antragsteller bestritten, dass von den 152 wahlberechtigten Arbeitnehmern lediglich neun Ausländer seien, jedoch hierzu weder einen konkreten Sachvortrag noch ein geeignetes Beweisangebot für die pauschal behaupteten unzureichenden Deutschkenntnisse der ausländischen Arbeitnehmer mitgeteilt.
(1) Die Antragsteller haben in der mündlichen Verhandlung vom 25.07.2018 lediglich im Hinblick auf einen albanischen Mitarbeiter, Herrn V., ausgeführt, dass jemand zum Dolmetschen mitgegangen sei, als dieser sein Vorstellungsgespräch geführt habe. Die Tatsache, dass beim Vorstellungsgespräch eine sprachliche Unterstützung erfolgte, ist aber kein ausreichendes Indiz für unzureichenden Deutschkenntnisse des Mitarbeiters. Zum einen ist unklar wie lange das Vorstellungsgespräch zurückliegt. Zum anderen wäre selbst die Tatsache, dass bei Begründung des Arbeitsverhältnisses noch unzureichende Deutschkenntnisse bei diesem Mitarbeiter vorgelegen haben, kein Indiz dafür, dass der Mitarbeiter, der inzwischen in einem rein deutschsprachigen Umfeld arbeitet, über keine für die Wahlteilnahme ausreichende Deutschkenntnisse besitzt. Auf die Frage der Deutschkenntnisse kommt es letztlich aber nicht an, da der betreffende Mitarbeiter, Herr V., ausweislich der Wählerliste tatsächlich an der Betriebsratswahl teilgenommen hat (Bl. 29 d.A.). Seine Deutschkenntnisse haben ihn offenbar nicht von der Stimmabgabe abgehalten.
(2) Dem Beweisangebot der Antragsteller bezüglich der nicht ausreichenden Deutschkenntnisse der im Schriftsatz vom 22.06.2018 genannten Mitarbeiter musste das Gericht mangels konkreten Vortrags zu Indiztatsachen, die auf unzureichende Deutschkenntnisse der Mitarbeiter schließen lassen, nicht nachgehen. Einem Beweis sind nur Tatsachen zugänglich seien. Die Frage, ob Deutschkenntnisse „ausreichend“ sind, enthält eine Bewertung, weshalb das Gericht nicht Beweis erheben kann, indem es sämtliche ausländische Mitarbeiter, die über nicht ausreichende Deutschkenntnisse verfügen sollen, zu diesem Thema einvernimmt und in diesem Zusammenhang etwa eine eigenständige Bewertung der Deutschkenntnisse der jeweiligen Zeugen vornimmt. Die Tatsache, dass 14 von den 24 als Zeugen für unzureichende Deutschkenntnisse benannte Mitarbeiter an der Betriebsratswahl teilgenommen haben, kann durchaus als Bestätigung angesehen werden, dass die 14 ausländischen Mitarbeiter, die eine Stimme abgegeben haben, über ausreichende Deutschkenntnisse verfügt haben, um sich die zur Wahlbeteiligung notwendigen Kenntnisse anzueignen. Sie konnten ihr Wahlrecht in gleicher Weise ausüben wie deutsche Arbeitnehmer. Aus der Nichtbeteiligung von zehn ausländischen Mitarbeitern an der Wahl kann allerdings nicht vermutet werden, dass diese zehn nicht über ausreichende Deutschkenntnisse verfügt hätten. Relevante Hinweise auf nicht ausreichende Deutschkenntnisse der Arbeitnehmer lagen damit nicht vor.
cc) Die Wahlanfechtung kann auch nicht mit einem Verstoß gegen § 2 Abs. 3 WO begründet werden.
Zwar war ursprünglich die Versetzung des betreffenden Arbeitnehmers von K-Stadt nach M-Stadt zum 01.04.2018 geplant. Mit Email vom 26.03.2018, 10:35 Uhr teilte die Personalreferentin der Arbeitgeberin jedoch mit, dass die Versetzung zum 15.04.2018 erfolgen wird. Ein hiervon abweichender Vortrag wurde nicht vorgebracht. Der betreffende Arbeitnehmer war somit zum Zeitpunkt der Wahl am 04.04.2018 noch Mitarbeiter in K-Stadt.
dd) Auch auf einen Verstoß gegen § 24 Abs. 1 WO kann die Wahlanfechtung nicht gestützt werden.
(1) Die streitige Behauptung der Antragsteller, ein Arbeitnehmer habe einen Antrag auf schriftliche Stimmabgabe wegen Urlaubs gestellt, jedoch keine Briefwahlunterlagen erhalten, so dass er an der Wahl nicht habe teilnehmen könne, kann offen bleiben. Selbst wenn dies der Fall gewesen wäre, was der Betriebsrat unter Verweis auf das Briefwahlverfahren und den bereits fehlenden Nachweis eines entsprechenden Antrags des betroffenen Arbeitnehmers auf Briefwahl bestreitet, kann daraus entgegen der Auffassung der Antragsteller nicht abgeleitet werden, dass dies auch bei anderen Arbeitnehmern der Fall gewesen sei. Ein etwaiger Verstoß gegen § 24 Abs. 1 WO durch die fehlende Briefwahlmöglichkeit für einen Arbeitnehmer hätte jedoch das Wahlergebnis nicht ändern können.
(2) Auch die von den Antragstellern behauptete streitige schriftliche Stimmabgabe nahezu aller Arbeitnehmer der Verwaltung trotz deren Anwesenheit am Wahltag im Betrieb, kann offen bleiben.
(aa) Nach § 24 Abs. 1 WO BetrVG erhalten Arbeitnehmer, die im Zeitpunkt der Wahl wegen Abwesenheit vom Betrieb verhindert sind, ihre Stimme persönlich abzugeben, auf ihr Verlangen die Briefwahlunterlagen zugesandt. Die Fälle, in denen die Briefwahl zulässig ist, sind in § 24 WO BetrVG abschließend aufgezählt. Die Briefwahl steht nicht im Belieben des Wahlvorstands, sondern ist an die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 24 WO BetrVG gebunden. Durch die persönliche Stimmabgabe sollen Wahlmanipulationen weitestgehend ausgeschlossen werden. Bei der Briefwahl ist es dem Wählenden selbst aufgegeben, insbesondere für die Einhaltung des Wahlgeheimnisses Sorge zu tragen. Gerade wegen der hiermit verbundenen Gefahren hat der Gesetzgeber die Briefwahl nur eingeschränkt zugelassen (vgl. LAG München, Beschluss vom 25.06.2013 – 9 TaBV 11/13, juris, Rn. 154, m.w.N.). Eine generelle Briefwahl ohne Vorliegen der Voraussetzungen des § 24 WO ist unzulässig (vgl. LAG München, Beschluss vom 25.06.2013 – 9 TaBV 11/13, juris, Rn. 154, m.w.N.; LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 18.03.1999 – 4 TaBV 51/98, NZA-RR 1999, 523, Rn. 33; LAG Hamm, Beschluss vom 16.11.2007 – 13 TaBV 109/06, juris, Rn. 26; Fitting, a. a. O., § 19 Rn. 22; DKK/Homburg, a.a.O., § 19 Rn. 9; Richardi/Thüsing, a. a. O., § 24 WO Rn. 2; a.A. GK/Jacobs, a. a. O., § 14 WO Rn. 22).
(bb) Da die Briefwahl als Wahlform zugelassen und mit dem Grundsatz der geheimen Wahl vereinbar ist (vgl. dazu GK/Jacobs, a. a. O., § 14 WO Rn. 22) kann die Durchführung der Briefwahl für einige Arbeitnehmer, ohne dass die Voraussetzungen des § 24 WO erfüllt sind, nur im Einzelfall zu einer Unwirksamkeit der Wahl führen. Denkbar wäre dies wenn – z.B. aufgrund damit verbundener Wahlmanipulationen – eine Beeinflussung oder Änderung des Wahlergebnisses zu befürchten ist. Hier sind aufgrund des von den Antragstellern vorgetragenen Sachverhalts keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass eine etwa in fehlerhafter Wahlform durchgeführter Briefwahl einiger oder gar sämtlicher Verwaltungsmitarbeiter das Ergebnis der Wahl im Sinne des § 19 Abs. 1 BetrVG hätte beeinflussen können. Insbesondere ist nicht vorgetragen, dass – von fünf ungültigen Stimmzetteln insgesamt – wegen der Art und Weise der Briefwahl durch Verwaltungsmitarbeiter einer oder mehrere Stimmzettel für ungültig erklärt werden mussten.
ee) Schließlich kann die Anfechtung der Wahl auch nicht mit dem pauschal behaupteten Verstoß gegen § 8 WO begründet werden. Die Rüge der Antragsteller mit Nichtwissen, dass die eingereichten Vorschlagslisten zu Recht zur Wahl angenommen worden seien, stellt keinen ausreichenden Sachvortrag für einen Wahlfehler dar.
(1) Der Wahlvorstand ist gemäß § 7 Abs. 2 Satz 3 WO verpflichtet, die Vorschlagsliste unverzüglich, möglichst binnen einer Frist von zwei Arbeitstagen nach ihrem Eingang, zu prüfen und bei Ungültigkeit oder Beanstandung einer Liste die Listenvertreterin oder den Listenvertreter unverzüglich schriftlich unter Angabe der Gründe zu unterrichten. Er ist verpflichtet, rasch zu handeln, da bei schneller Beanstandung unheilbare Mängel, die nach § 8 Abs. 1 die Vorschlagsliste von vornherein ungültig machen, doch noch dadurch geheilt werden können, dass die Vorschlagsliste vor Ablauf der Einreichungsfrist erneut eingereicht wird (vgl. Fitting, a.a.O., § 7 Rn. 3).
Diese Prüfung ist eine Rechtspflicht des Wahlvorstandes, deren Verletzung als solche unter Umständen eine Wahlanfechtung rechtfertigen kann, z.B. wenn durch die verzögerte oder unterlassene Prüfung die rechtzeitige Einreichung einer neuen oder ergänzten Vorschlagsliste verhindert worden ist (vgl. BAG, Beschluss vom 21.01.2009 – 7 ABR 65/07, NZA-RR 2009, 481, Rn. 25; Fitting, a.a.O., § 7 WO Rn. 3; GK-BetrVG/Raab, a.a.O., § 7 WO Rn. 12 f.; DKKW/Homburg, a.a.O., § 7 WO Rn. 7). Allerdings ist die Rechtspflicht nur verletzt, wenn der Wahlvorstand jegliche Prüfung unterlässt oder erkannte oder bei einer Prüfung nach bestem Gewissen erkennbare Mängel nicht beanstandet. Die Pflicht aus § 7 Abs. 2 Satz 2 WO ist nicht auf eine kursorische, d.h. oberflächliche Prüfung der Vorschlagsliste beschränkt, sondern hat stets mit der gebotenen Sorgfalt zu erfolgen (vgl. BAG, Beschluss vom 21.01.2009 – 7 ABR 65/07, a.a.O., Rn. 27).
(2) Die Antragsteller haben den gerügten Wahlfehler bezüglich der ordnungsgemäßen Prüfung der Vorschlagslisten und einen etwaigen daraus resultierenden Verstoß gegen § 8 WO nicht hinreichend konkret bezeichnet. Letztlich handelt es sich lediglich um eine Rechtsbehauptung („Verstoß gegen § 8 WO“), für die kein entsprechender – nicht einmal oberflächlicher – Sachvortrag vorliegt (vgl. dazu BAG, Beschluss vom 21.03.2017 – 7 ABR 19/15, NZA 2017, 1075, Rn. 21). Die Antragsteller haben hinsichtlich des gerügten Wahlfehlers nach § 8 WO auch eine ausreichende Begründung vorzutragen. Das folgt schon aus § 83 Abs. 1 Satz 2 ArbGG, wonach die Beteiligten an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken haben (vgl. BAG, Beschluss vom 21.03.2017 – 7 ABR 19/15, a.a.O., Rn. 20). Hieran fehlt es. Zudem ist das Bestreiten mit Nichtwissen gemäß der Regelung in § 138 Abs. 4 ZPO, die gem. § 80 Abs. 2 Satz 1 ArbGG i.V.m. § 495 ZPO auch im Beschlussverfahren Anwendung findet, nur über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen der Beteiligten noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind. Der Beteiligte zu 1) war selbst Mitglied des Wahlvorstandes, so dass er an der ordnungsgemäßen Prüfung der Vorschlagslisten durch den Wahlvorstand kraft Amtes beteiligt war und deshalb die Prüfung und deren Ergebnis nicht mit Nichtwissen bestreiten kann.
III.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, § 2 Abs. 2 GKG.
IV.
Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde bestand keine Veranlassung gemäß §§ 92 Abs. 1 Satz 2, 72 Abs. 2 ArbGG. Auf die Möglichkeit, Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht (§ 92 a ArbGG) zu erheben, wird hingewiesen.


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