Arbeitsrecht

Anreizregulierung der Energieversorgungsnetze – Kapitalkostenaufschlag I

Aktenzeichen  EnVR 59/19

Datum:
5.5.2020
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BGH
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2020:050320BENVR59.19.0
Normen:
§ 10a Abs 6 S 2 ARegV
§ 10a Abs 7 S 2 ARegV
Spruchkörper:
Kartellsenat

Leitsatz

Kapitalkostenaufschlag I
1. Für Kapitalkosten, die zwischen dem Basisjahr der dritten Regulierungsperiode und deren Beginn entstanden sind, kann kein Kapitalkostenaufschlag genehmigt werden.
2. Kalkulatorischer Eigenkapitalzinssatz für den Kapitalkostenaufschlag ist auch bei der Anwendung des § 10a Abs. 7 Satz 2 ARegV in der bis zum 21. März 2019 geltenden Fassung der für die dritte Regulierungsperiode festgesetzte Eigenkapitalzinssatz für Neuanlagen.
3. Bei der Bildung des Mittelwerts gemäß § 10a Abs. 6 Satz 2 ARegV ist für Netzanschlusskostenbeiträge und Baukostenzuschüsse der im jeweiligen Jahr, für das der Kapitalkostenaufschlag genehmigt wird, erwartete Betrag im Anfangsbestand dieses Jahres in voller Höhe anzusetzen.
4. Dem Netzbetreiber kann für aktivierte Anlagegüter eines konzernverbundenen Dienstleisters kein Kapitalkostenaufschlag genehmigt werden.

Verfahrensgang

vorgehend OLG Düsseldorf, 12. Juni 2019, Az: VI-3 Kart 165/17 (V), Beschluss

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 3. Kartellsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 12. Juni 2019 wird auf Kosten der Antragstellerin, die auch die notwendigen Auslagen der Bundenetzagentur zu tragen hat, zurückgewiesen.

Gründe

1
A. Die Antragstellerin betreibt ein Gasverteilernetz. Sie beantragte mit Schreiben vom 30. Juni 2017 einen Kapitalkostenaufschlag auf die Erlösobergrenze des Jahres 2018 nach § 4 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 10a ARegV. Mit Beschlüssen vom 24. November 2017 und 6. Februar 2019 lehnte die Bundesnetzagentur den Antrag ab, soweit die Antragstellerin Kapitalkosten für 2016 und 2017 geltend machte, die Eigenkapitalzinssätze der zweiten (statt der dritten) Regulierungsperiode anwenden wollte, die im Jahr 2018 erwarteten Baukostenzuschüsse und Netzanschlusskostenbeiträge im Jahresanfangsbestand mit Null (und nicht mit dem vollen Wert) ansetzte und Kapitalkosten für bei einem konzernverbundenen Dienstleister aktivierte Anlagegüter beanspruchte. Die dagegen gerichtete Beschwerde der Antragstellerin hat das Beschwerdegericht zurückgewiesen (OLG Düsseldorf, RdE 2019, 400).
2
Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr Begehren weiter. Die Bundesnetzagentur tritt dem Rechtsmittel entgegen.
3
B. Das zulässige Rechtsmittel ist unbegründet.
4
I. Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
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Weder der Wortlaut der § 10a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 ARegV noch die Übergangsvorschriften in § 34 ARegV regelten unmittelbar, ob in den Kapitalkostenaufschlag für das Jahr 2018 auch Investitionen aus den Jahren zwischen dem Basisjahr (2015) und dem Beginn der dritten Regulierungsperiode (2018) einbezogen werden könnten. Der jährliche Genehmigungsturnus lege aber nahe, nur die in der jeweiligen Genehmigungsperiode anfallenden Kapitalkosten zu berücksichtigen. Überdies habe der Verordnungsgeber als Stichtag für den Systemwechsel den Beginn der dritten Regulierungsperiode bestimmt. Ferner führten systematische Erwägungen dazu, Kapitalkosten aus Investitionen der Jahre 2016 und 2017 nicht beim Kapitalkostenaufschlag für 2018 zu berücksichtigen. Anders als in § 34 Abs. 4 Satz 2 ARegV fehle in Absatz 6 dieser Vorschrift eine Erstreckung auf offene Kalenderjahre. Eine Finanzierungslücke entstehe nicht. Der Anreizregulierung liege kein investitionsscharfer Finanzierungsansatz zugrunde; sie solle vielmehr die Wirtschaftlichkeit des Gesamtnetzes sicherstellen. In das für Investitionen der ersten und zweiten Regulierungsperiode verfügbare Budget flössen daher sämtliche positiven Sockeleffekte einschließlich solcher aus Altanlagen ein, die vor Inkrafttreten der Anreizregulierungsverordnung aktiviert worden seien. Dieses Gesamtbudget stehe auch für Investitionen 2016 und 2017 zur Verfügung. Überdies werde nach § 34 Abs. 5 ARegV die Refinanzierung von Investitionen der ersten beiden Regulierungsperioden durch das bisherige Instrumentarium gesichert, ergänzt um eine Aussetzung des Kapitalkostenabzugs für Investitionen der Jahre 2007 bis (im Gassektor) 2015. Auch Sinn und Zweck des Kapitalkostenaufschlags erforderten keine Berücksichtigung der Jahresscheiben 2016 und 2017. Der Systemwechsel führe nicht zu einer strukturellen Verschlechterung der Investitionsbedingungen. Die Anreizregulierung beruhe auf einer Entkoppelung von Kosten und Erlösen; Unschärfen in Form von Unter- und Überdeckungen seien ihr immanent. Umgekehrt führte eine Einbeziehung der Kapitalkosten 2016 und 2017 in den Kapitalkostenaufschlag zu einem strukturellen Vorteil. Soweit der Antragstellerin nach bisherigem Recht ein Erweiterungsfaktor oder eine genehmigte Investitionsmaßnahme zugestanden hätte, ergäben sich keine Nachteile; die Funktion dieser Instrumente übernehme mit Wirkung ab 2018 der Kapitalkostenaufschlag. Danach fehle bereits die für eine analoge Anwendung des § 10a ARegV erforderliche Regelungslücke.
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Der Kapitalkostenaufschlag werde anhand des für die dritte Regulierungsperiode festgesetzten Eigenkapitalzinssatzes berechnet.
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Zu Recht habe die Bundesnetzagentur beim Kapitalkostenaufschlag Anlagegüter, die bei einem Dienstleister der Antragstellerin aktiviert wurden, außer Ansatz gelassen. Dafür spreche bereits der Wortlaut des § 10a Abs. 1 Satz 2 ARegV. Auch die Verordnungsbegründung beziehe sich ausdrücklich auf Kosten des Netzbetreibers. Nach Sinn und Zweck der Regelung sei ebenfalls nicht geboten, Kapitalkosten des Dienstleisters zu berücksichtigen. Dienstleistungen seien regelmäßig dem operativen Bereich zuzuordnen, da eine zwingende Verbindung von Anlagevermögen des Dienstleisters und Netzbetrieb nicht bestehe. Überdies seien zukünftige Kapitalkosten oftmals in die Dienstleistungsentgelte einkalkuliert. Schließlich führe eine Einbeziehung von Dienstleistungen zu einer schwer überschaubaren Erweiterung berücksichtigungsfähiger Kapitalkosten und zu erheblichen Abgrenzungsschwierigkeiten.
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Nicht zu beanstanden sei es, den Jahresanfangsbestand der Netzanschlusskostenbeiträge und der Baukostenzuschüsse (im Folgenden auch: Zuschüsse) mit dem vollen Wert der Beträge anzusetzen, die für das Jahr erwartet werden, für das der Kapitalkostenaufschlag genehmigt werde. Der Wortlaut lasse dies zu, das Vorgehen der Bundesnetzagentur sei im Hinblick auf den systematischen Zusammenhang zwischen § 10a Abs. 5 und Abs. 6 ARegV sachangemessen. Die Handhabung stehe im Einklang mit Sinn und Zweck der Regelung, die eine Doppelanerkennung oder einen doppelten Abzug vermeiden wolle. Dass sie zu einer Durchbrechung des Grundsatzes der Bilanzidentität (§ 252 HGB) führe, sei hinzunehmen, weil handelsbilanzielle Vorgaben durch systematische und teleologische Erwägungen regulierungsrechtlich überlagert würden. Schließlich sei nicht zu beanstanden, dass die Bundesnetzagentur bei der Antragstellerin, einer Netzpächterin, einen negativen Kapitalkostenaufschlag aufgrund der Zuschüsse berücksichtigt habe, die der Verpächterin zugeflossen seien.
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II. Dies hält rechtlicher Nachprüfung stand.
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1. Die Antragstellerin hat keinen Anspruch aus § 10a ARegV auf Berücksichtigung der 2016 und 2017 entstandenen Kapitalkosten im Rahmen des Kapitalkostenaufschlags für 2018.
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a) Betreiber von Gasverteilernetzen können eine Anpassung der Erlösobergrenze aufgrund eines genehmigten Kapitalkostenaufschlags nach § 4 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1, § 10a ARegV gemäß § 34 Abs. 6 Satz 1 ARegV erstmals zum 30. Juni 2017 mit Wirkung auf den 1. Januar 2018 (§ 4 Abs. 4 Satz 2 ARegV) beantragen. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde kann dem Wortlaut dieser Vorschriften nichts dafür entnommen werden, in den Jahren 2016 und 2017 entstandene Kapitalkosten in den Kapitalkostenaufschlag für 2018 einzubeziehen.
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aa) Der Kapitalkostenaufschlag wird jahresweise genehmigt. Die Anpassung der Erlösobergrenze kann jährlich zum 30. Juni mit Wirkung zum 1. Januar des Folgejahres beantragt werden (§ 4 Abs. 4 Satz 2 ARegV), und die Genehmigung ist auf dieses Folgejahr beschränkt (§ 10a Abs. 1 Satz 3 ARegV). § 34 Abs. 6 Satz 1 ARegV konkretisiert diese Regelungen dahingehend, dass ein Antrag auf Kapitalkostenaufschlag erstmals zum 30. Juni 2017 gestellt werden kann. Dieser Bestimmung käme kein eigenständiger Regelungsgehalt zu, könnte ihr nicht die materielle Wirkung entnommen werden, dass erstmals Kapitalkosten des Jahres 2018 geltend gemacht werden können. Denn da die Vorschriften zum Kapitalkostenzuschlag ohnehin erst mit Wirkung zum 17. September 2016 in die Anreizregulierungsverordnung eingefügt worden sind, folgt bereits aus § 4 Abs. 4 Satz 2 ARegV, dass die Antragstellung erstmals zum 30. Juni 2017 möglich war.
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bb) Abweichendes ergibt sich nicht aus § 10a Abs. 2 Satz 1 ARegV. Diese Vorschrift regelt, welche Anlagegüter bei der Berechnung des Kapitalkostenaufschlags berücksichtigt werden, bestimmt aber nicht, für welche Kapitalkosten der Kapitalkostenaufschlag in zeitlicher Hinsicht gewährt werden kann.
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Nach § 10a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ARegV werden bei der Berechnung des Kapitalkostenaufschlags die betriebsnotwendigen Anlagegüter berücksichtigt, deren Aktivierung ab dem 1. Januar des Jahres, das auf das Basisjahr der anzupassenden Erlösobergrenze (hier 2015) folgt, stattgefunden hat. Die Regelung erschöpft sich darin anzuordnen, dass die Kapitalkosten für sämtliche Investitionen, die in Jahren nach dem maßgeblichen Basisjahr erfolgten und deshalb keinen Eingang in die Erlösobergrenze der jeweiligen Regulierungsperiode fanden (vgl. § 6 Abs. 1 ARegV), sachlich in den jährlichen Kapitalkostenaufschlag einbezogen werden, soweit sie zeitlich in dem jeweiligen Jahr entstehen. Dies gilt gleichermaßen für Investitionen im Zeitraum zwischen Basisjahr und Beginn der Regulierungsperiode wie für Investitionen während einer laufenden Regulierungsperiode.
15
So werden beim Kapitalkostenaufschlag für 2018 die in diesem Jahr anfallenden Kapitalkosten für 2016 und 2017 aktivierte (§ 10a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ARegV) sowie für 2018 geplante (§ 10a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ARegV) Investitionen angesetzt, und beim Kapitalkostenaufschlag für 2019 entsprechend die Kapitalkosten für Investitionen in Anlagegüter, die 2016 bis 2018 aktiviert wurden oder deren Aktivierung 2019 erwartet wird. Danach lässt sich der Norm aber nicht entnehmen, dass schon in vergangenen Jahren entstandene Kapitalkosten noch rückwirkend angesetzt werden können.
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cc) Dieses Verständnis ergibt sich auch aus § 10a Abs. 3 bis 8 ARegV, die eine jahresscharfe Berechnung vorgeben. Anzusetzen sind gemäß § 10a Abs. 3 ARegV die kalkulatorischen Abschreibungen auf betriebsnotwendiges Anlagevermögen nach § 6 Abs. 4 GasNEV. Diese Abschreibungen erfolgen linear und sind – wie § 6 Abs. 5 Satz 1 GasNEV zeigt – jährlich vorzunehmen. Die kalkulatorische Verzinsung nach § 10a Abs. 4 und 5 ARegV errechnet sich aus den aus Jahresanfangs- und Jahresendbestand gemittelten (§ 7 Abs. 1 Satz 4 GasNEV) und damit jährlichen Restwerten des Anlagevermögens. Ebenso erfolgt der Kapitalkostenabzug als Kehrseite des Kapitalkostenaufschlags nach § 6 Abs. 3 ARegV jahresscharf.
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b) Sinn und Zweck der Regelungen sprechen ebenfalls dafür, den Kapitalkostenaufschlag nicht auf Investitionskosten der zweiten Regulierungsperiode anzuwenden.
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aa) Mit der Neuregelung sollte zukünftig der Zeitverzug für die kostenscharfe Refinanzierung von Investitionen in Anlagegüter beseitigt werden (vgl. Entwurf der Bundesregierung für die Zweite Verordnung zur Änderung der Anreizregulierungsverordnung, BR-Drucks. 296/16, S. 20 f.). Dabei war mit “zukünftig” der Zeitpunkt des vorgesehenen Systemwechsels, also der Beginn der dritten Regulierungsperiode, gemeint. Der bisherige regulierungsperiodenbezogene Budgetansatz bei der Finanzierung von Investitionen sollte durch das neue System eines jährlichen Kapitalkostenabgleichs abgelöst werden (BR-Drucks. 296/16, S. 20, 23). Der Erweiterungsfaktor (§ 10 ARegV) und die Regelungen für (neue) genehmigte Investitionsmaßnahmen (§ 23 ARegV) sind auf Verteilernetzbetreiber dementsprechend erst ab der dritten Regulierungsperiode nicht mehr anwendbar (§ 34 Abs. 7 Satz 1 ARegV). Dies spricht gegen die Annahme, mit der Verordnung sei eine Anwendung der Neuregelung des Kapitalkostenabgleichs schon auf in der zweiten Regulierungsperiode entstandenen Aufwand für Investitionen beabsichtigt.
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bb) Die Neuregelung geht vielmehr davon aus, dass die Refinanzierung der Investitionen aus der zweiten Regulierungsperiode grundsätzlich über die Erlösobergrenzenbudgets und deren Anpassungen in den ersten beiden Regulierungsperioden sowie die künftige Anerkennung der Kapitalkosten gesichert ist. Einer Nachholung von Abschreibungen und Verzinsung aus früheren Jahren bedarf es im System des Kapitalkostenaufschlags nicht.
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Die Kapitalkosten für Investitionen in Anlagegüter, die während einer laufenden Regulierungsperiode nach einem Basisjahr erfolgen, fließen auf Antrag durch Anpassung der Erlösobergrenze in diese jeweils laufende Regulierungsperiode ein. So können die Netzbetreiber für Investitionen in den Jahren 2020 (dem Basisjahr für die vierte Regulierungsperiode) bis 2022 nach § 10a ARegV einen Kapitalkostenaufschlag während der dann noch laufenden dritten Regulierungsperiode beantragen. Dem steht nicht entgegen, dass 2020 selbst ein Basisjahr ist, denn “Basisjahr der anzupassenden Erlösobergrenze” (§ 10a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ARegV) ist während der dritten Regulierungsperiode – und damit auch für die Jahre 2020 bis 2022 – das Jahr 2015. Investitionen aus 2021 und 2022 werden darüber hinaus mit ihren ab 2023 erwarteten Kapitalkosten beim Kapitalkostenaufschlag während der vierten Regulierungsperiode berücksichtigt, da sie für das Ausgangsniveau des Basisjahrs dieser Regulierungsperiode unberücksichtigt geblieben sind.
21
Ein Ansatz in Vorjahren entstandener Kapitalkosten (erst) in späteren Jahren würde demgegenüber zu einer Verzerrung bei der zeitlichen Zuordnung von Kapitalkosten führen. Dies stünde in Widerspruch zur Absicht des Verordnungsgebers, jährlich eine Refinanzierung ohne Zeitverzug zu ermöglichen (BR-Drucks. 296/16, S. 20; vgl. für den Kapitalkostenabzug § 6 Abs. 3 Satz 1 und 3 ARegV). Zudem liefe die Antragsfrist nach § 4 Abs. 4 Satz 2 ARegV weitgehend leer, könnten Kapitalkosten aus Vorjahren in Folgejahren angesetzt werden.
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Um den Systemübergang zu erleichtern, ist der Kapitalkostenabzug für Investitionen aus den Jahren 2007 bis (im Gassektor) 2015 während der dritten Regulierungsperiode durch § 34 Abs. 5 Satz 1 ARegV ausgesetzt worden (BR-Drucks. 296/16, S. 49). Danach sollen Investitionen von Verteilernetzbetreibern aus der zweiten Regulierungsperiode dem alten Regulierungssystem unterfallen. Eine Differenzierung zwischen Investitionen bis zum Basisjahr der dritten Regulierungsperiode und solchen aus der Zeit nach dem Basisjahr (aber vor Beginn der dritten Regulierungsperiode) wurde nicht vorgenommen.
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cc) Die unbestimmte zeitliche Angabe, “zukünftig” könnten Investitionen ohne Zeitverzug kostenscharf refinanziert werden (BR-Drucks. 296/16, S. 20 f.), präzisiert die Verordnung dahingehend, dass bereits Investitionen der Verteilernetzbetreiber in den Jahren 2016 und 2017 für die Bemessungsgrundlage des Kapitalkostenaufschlags berücksichtigt werden. Hätte die bis zum Inkrafttreten der Neuregelung bestehende Rechtslage fortgegolten, hätten die Kosten für 2016 und 2017 aktivierte Anlagegüter, soweit sie nicht beim Erweiterungsfaktor oder als genehmigte Investitionsmaßnahme berücksichtigt werden konnten, hingegen weder 2016 noch 2017 oder während der Dauer der dritten Regulierungsperiode (2018 bis 2022) angesetzt werden können, da diese Investitionen nicht in die Bemessungsgrundlage des Basisjahrs für die dritte Regulierungsperiode (2015) einfließen konnten. Eine Berücksichtigung wäre erst mit Beginn der vierten Regulierungsperiode (2023 bis 2027) möglich gewesen. Durch die Neuregelung werden die Kapitalkosten für 2016 und 2017 aktivierte Anlagegüter jedoch bereits ab 2018 mit den in diesem Jahr entstehenden Kosten berücksichtigt. Soweit nach bisherigem Recht die Gewährung eines Erweiterungsfaktors in Betracht gekommen wäre, übernimmt der Kapitalkostenaufschlag dessen Funktion in der dritten Regulierungsperiode.
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dd) Nach Sinn und Zweck der Neuregelung ist es auch nicht deshalb geboten, den Kapitalkostenaufschlag auf während der zweiten Regulierungsperiode in den Jahren 2016 und 2017 entstandene Investitionskosten anzuwenden, weil für in diesen Jahren aktivierte Anlagegüter ab der vierten Regulierungsperiode keine positiven Sockeleffekte mehr entstehen können. Das bisherige Finanzierungssystem der Regulierungsperiode sah keine anlagenscharfe Erstattung von Kapitalkosten vor, so dass positive Sockeleffekte nach der Umstellung auf das System des Kapitalkostenabgleichs, mit dem eine investitionsscharfe Kostenerstattung beabsichtigt war, nicht beizubehalten waren.
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(1) Nach altem Recht entstand für den Netzbetreiber zwar bei jeder Investition zunächst ein negativer Sockeleffekt, weil bis zu ihrer Berücksichtigung in der Erlösobergrenze ein Zeitverzug eintrat, der bei in einem Basisjahr aktivierten Wirtschaftsgütern zwei Jahre (nämlich bis zum Beginn der folgenden Regulierungsperiode), im Extremfall – wie unter Rn. 23 beschrieben – aber bis zu sieben Jahre betrug. Erst in der Folgezeit kam dem Netzbetreiber insoweit der positive Sockeleffekt zugute. Dieser entstand generell zum einen dadurch, dass für die kalkulatorische Verzinsung (und die kalkulatorische Gewerbesteuer) während der gesamten Dauer einer Regulierungsperiode die Restwerte im Basisjahr maßgeblich waren, obwohl tatsächlich eine Abschmelzung der Restwerte eintrat. Zum anderen blieb der Ansatz der kalkulatorischen Abschreibung eines Wirtschaftsgutes (nebst Verzinsung) selbst dann für die gesamte Dauer der Regulierungsperiode erhalten, wenn die tatsächliche Nutzungsdauer dieses Wirtschaftsgutes vor Ablauf der Regulierungsperiode endete (“goldenes Ende”). Die Rechtsbeschwerde will daraus ableiten, dass jedes Investitionsgut beide Phasen durchlaufen müsse, denn ein Abschneiden der positiven Sockeleffekte führe zu einer rechtswidrigen Finanzierungslücke.
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(2) Der Verordnungsgeber hat bei Einführung der Anreizregulierung den Netzbetreibern aber auch außerhalb des Instruments des Erweiterungsfaktors (§ 10 ARegV) und des Investitionsbudgets oder der genehmigten Investitionsmaßnahme (§ 23 ARegV) ein Budget zur Finanzierung laufender Investitionen zur Verfügung gestellt. Dieses Budget ergab sich insbesondere daraus, dass bei Einführung der Anreizregulierung bereits bestehende Altanlagen in die Erlösobergrenze eingestellt wurden. Die Altanlagen generierten mit Beginn der Anreizregulierung die beschriebenen positiven Sockeleffekte, denen keine vergleichbaren negativen Effekte vorausgegangen waren. Das sich hieraus ergebende Budget ebenso wie Finanzmittel aus dem bis zum 31. Dezember 2013 (vgl. § 34 Abs. 4 ARegV in der bis zum 16. September 2016 geltenden Fassung) gewährten, pauschalierten Investitionszuschlag nach § 25 ARegV standen für eine Finanzierung laufender Investitionen zur Verfügung. Aufgrund der anderweitigen Finanzierung der Investitionen in der ersten und zweiten Regulierungsperiode bestand danach grundsätzlich keine Notwendigkeit, nach einem Systemwechsel positive Sockeleffekte zu ermöglichen oder zu erhalten. Andernfalls wäre den Verteilernetzbetreibern – im Widerspruch zu der gesetzlichen Vorgabe einer kostenorientierten Entgeltbildung – über einen Zeitraum von bis zu sieben Jahren die Vorfinanzierung von Investitionen aufgebürdet worden, zu denen sie gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 EnWG rechtlich verpflichtet sein konnten.
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(3) Ein System, das keine positiven Sockeleffekte ermöglicht oder erhält, verstößt nicht gegen das Gebot der Kostenorientierung in § 21a Abs. 4 Satz 5 EnWG i.V.m. § 21 Abs. 2 EnWG oder das unionsrechtliche Gebot zur Erhaltung der Lebensfähigkeit der Netze in Art. 41 Abs. 6 Buchst. a der Erdgasbinnenmarkt-Richtlinie. Es stellt auch keinen rechtlich relevanten Eingriff in geschützte Investitionen oder Renditeerwartungen dar, solange gewährleistet ist, dass die Netzbetreiber – bei einer typisierenden Gesamtbetrachtung – ihre Kosten refinanzieren können und das eingesetzte Kapital angemessen verzinst wird (BGH, Beschluss vom 14. Juli 2015 – EnVR 6/14, RdE 2015, 463 Rn. 37 – GASCADE Gastransport GmbH). Weitergehende Anforderungen lassen sich dem höherrangigen Recht nicht entnehmen. Demgegenüber steht die Sichtweise, der Verordnungsgeber hätte den Netzbetreibern die positiven Sockel sämtlicher Altanlagen überlassen, in Widerspruch zum Regulierungsziel einer preisgünstigen Versorgung der Allgemeinheit mit Energie (§ 1 Abs. 1 EnWG). Irrelevant ist dabei, ob ein Netzbetreiber das ihm durch die Erlösobergrenze bewilligte Budget tatsächlich für Investitionen eingesetzt hat.
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(4) Der Verordnungsgeber hat, gestützt auf den Evaluierungsbericht der Bundesnetzagentur nach § 33 Anreizregulierungsverordnung vom 21. Januar 2015 (S. 156 ff., insb. S. 161, 165 und S. 170 f., und S. 365 f.), der Neuregelung dementsprechend die Annahme zugrunde gelegt, die Refinanzierung der Investitionen während der ersten beiden Regulierungsperioden sei durch die dortigen Finanzierungsinstrumente auskömmlich gewesen (BR-Drucks. 296/16, 20 f. und 49; vgl. auch Sondergutachten der Monopolkommission: Energie 2017: Gezielt vorgehen, Stückwerk vermeiden, BT-Drucks. 18/13680, Tz. 394 ff.). Er hat bei dieser Einschätzung nicht zwischen Ersatz- und Erweiterungsinvestitionen unterschieden und konnte sich auch insoweit auf die Bundesnetzagentur stützen, als diese im Bereich der Erweiterungsinvestitionen zwar Verbesserungsmöglichkeiten gesehen, aber auch dort keinen dringenden umfassenden Handlungsbedarf erkannt hat (vgl. Evaluierungsbericht nach § 33 Anreizregulierungsverordnung, S. 365). Die Notwendigkeit eines Systemwechsels hat der Verordnungsgeber mit einem erhöhten Investitionsbedarf im Zusammenhang mit der Energiewende begründet (BR-Drucks. 296/16, S. 1, 20), der mit den bisherigen Finanzierungsinstrumenten nicht mehr hinreichend gedeckt erschien; hinzu trat das Bestreben, die nur pauschal wirkenden Budgets aus der Erlösobergrenze und dem Erweiterungsfaktor, die folglich zu Über- und Unterdeckungen führten, auf ein kostenscharf wirkendes System umzustellen (BR-Drucks. 296/16, S. 20).
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Waren Investitionen der zweiten Regulierungsperiode ausreichend finanziert, besteht keine Veranlassung, Investitionsaufwand von 2016 und 2017 in die Neuregelung einzubeziehen. Soweit gegen die Neuregelung eingewandt wird, der Verordnungsgeber habe verkannt, dass die bisherige Budgetfinanzierung entgegen seiner Annahme jedenfalls für Investitionen aus 2016 und 2017 unzulänglich war, was eine Einbeziehung der Kapitalkosten aus diesen Jahren in den Kapitalkostenaufschlag 2018 erforderlich mache, könnte dies allenfalls eine analoge Anwendung der Regelungen zum Kapitalkostenaufschlag begründen (dazu unter 2.).
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c) Systematische Erwägungen legen gleichfalls nicht nahe, den Kapitalkostenaufschlag für Investitionskosten der zweiten Regulierungsperiode zu gewähren. Würde man die Neuregelung auf Kapitalkosten 2016 und 2017 anwenden, ergäben sich – wenn auch geringfügige – Überschneidungen mit dem Erweiterungsfaktor, etwa für das Jahr 2017, sofern eine Änderung der maßgeblichen Parameter in der ersten Jahreshälfte 2016 eingetreten wäre (§ 10 Abs. 2 Satz 2 ARegV i.V.m. § 4 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 ARegV), oder mit genehmigten Investitionsmaßnahmen, die im ersten Quartal 2016 für 2017 beantragt wurden (§ 23 Abs. 6 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 ARegV). Ein solches Nebeneinander widerspricht dem Ziel eines klaren Systemwechsels und wird für die dritte Regulierungsperiode nicht nur durch § 34 Abs. 6 ARegV, sondern auch durch die weiteren Übergangsbestimmungen verhindert (Auslaufen des Erweiterungsfaktors; Regelungen zur beschränkten Fortgeltung genehmigter Investitionsmaßnahmen nur für die dritte Regulierungsperiode, § 34 Abs. 7 und Abs. 5 Satz 2 und 3 ARegV).
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2. Auch eine analoge Anwendung der Vorschrift des § 10a ARegV auf Kapitalkosten aus den Jahren 2016 und 2017 kommt nicht in Betracht. Es fehlt bereits an einer planwidrigen Regelungslücke.
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a) Der Verordnungsgeber hat sich zwar im Rahmen der Neuregelung nicht ausdrücklich mit Investitionen nach dem relevanten Basisjahr, aber vor Beginn der dritten Regulierungsperiode beschäftigt. Er ging aber davon aus, die Refinanzierung der Investitionen der ersten und der Ende 2017 endenden zweiten Regulierungsperiode sei mit den dort gewährten Finanzierungsinstrumenten typischerweise gewährleistet (BR-Drucks. 296/16, S. 20 f. und 49). Dies zeigt, dass er eine Nachholung in 2016 und 2017 angefallener Investitionskosten im Kapitalkostenaufschlag 2018 bewusst abgelehnt hat.
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b) Eine analoge Anwendung kann ferner nicht damit begründet werden, der Verordnungsgeber habe verkannt, dass die bisherige Finanzierung über Budgets auch bei Berücksichtigung der Sockel aus Altanlagen unzulänglich gewesen sei, weshalb die Gewährung und Beibehaltung positiver Sockeleffekte auch über die dritte Regulierungsperiode hinaus erforderlich sei. Soweit dafür auf die Begründung des Wirtschaftsausschusses des Bundesrats für eine Verlängerung der Übergangsregelung des § 34 Abs. 5 Satz 1 ARegV auf die vierte Regulierungsperiode (BR-Drucks. 296/1/16, S. 12 f.) Bezug genommen wird, betrifft die Äußerung des Ausschusses schon nicht den Kapitalkostenaufschlag, sondern allein den Kapitalkostenabzug. Zudem konnte sich der Wirtschaftsausschuss mit seiner Forderung nicht durchsetzen. Der Bundesrat hat die Bundesregierung lediglich gebeten zu prüfen, ob die vorgesehene, auf die dritte Regulierungsperiode beschränkte Regelung ausreichend sei, eine vollständige Refinanzierung effizienter Investitionen zu gewährleisten, oder ob sie auf die vierte Regulierungsperiode auszudehnen sei (BR-Drucks. 296/16 (Beschluss), S. 18). Damit sollte die Behauptung der Netzbetreiber überprüft werden, eine Refinanzierung von Investitionen der Jahre 2007 bis 2016, dem relevanten Basisjahr im Strombereich, sei nicht gewährleistet. Diese Behauptung, die in Widerspruch zur Verordnungsbegründung steht, macht sich der Bundesrat in seiner Prüfbitte nicht zu eigen. Auch das zeigt, dass von einer planwidrigen Regelungslücke keine Rede sein kann. Vielmehr hat der Verordnungsgeber insoweit bewusst – und vorbehaltlich einer späteren Überprüfung – von einer Regelung abgesehen.
34
3. Zu Recht hat das Beschwerdegericht beim Kapitalkostenaufschlag für das Jahr 2018 den für die dritte Regulierungsperiode festgesetzten Eigenkapitalzinssatz angewandt.
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a) Die Rechtsbeschwerde meint, nach dem eindeutigen Wortlaut des § 10a Abs. 7 Satz 2 ARegV in der bis zum 21. März 2019 geltenden Fassung (im Folgenden: § 10a Abs. 7 Satz 2 ARegV aF) seien die nach § 7 Abs. 6 GasNEV im Basisjahr geltenden kalkulatorischen Eigenkapitalzinssätze für Neuanlagen anzusetzen, so dass der im maßgeblichen Basisjahr 2015 geltende (höhere) Zinssatz der zweiten Regulierungsperiode zur Anwendung komme.
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b) Dies trifft nicht zu.
37
aa) Gemäß § 10a Abs. 7 Satz 2 ARegV aF haben Betreiber eines Gasverteilernetzes für den kalkulatorischen Eigenkapitalzinssatz die nach § 7 Abs. 6 GasNEV im Basisjahr geltenden kalkulatorischen Eigenkapitalzinssätze von Neuanlagen anzusetzen. Zwar “gilt” in einem bestimmten Basisjahr selbst immer der Eigenkapitalzinssatz der Regulierungsperiode, zu der es zählt. Der nach § 7 Abs. 6 GasNEV geltende, ebenso von der Norm in Bezug genommene Eigenkapitalzinssatz ist aber der jeweils von der Regulierungsbehörde vor Beginn einer Regulierungsperiode für deren Dauer festgelegte Eigenkapitalzinssatz. Bei dem vorliegend begehrten Kapitalkostenaufschlag für das Jahr 2018 ist dies der für die dritte Regulierungsperiode festgesetzte Eigenkapitalzinssatz. Damit ist nach dem Wortlaut des § 10a Abs. 7 Satz 2 ARegV aF der in Bezug genommene Eigenkapitalzinssatz nicht eindeutig. Im vorliegenden Fall könnte damit entweder der im Basisjahr der dritten Regulierungsperiode geltende Eigenkapitalzinssatz der zweiten Regulierungsperiode gemeint sein oder der nach § 7 Abs. 6 GasNEV für die Dauer der dritten Regulierungsperiode festgesetzte Eigenkapitalzinssatz.
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bb) In der Systematik der Anreizregulierung zeichnet der Kapitalkostenaufschlag gemäß § 10a ARegV jährliche Steigerungen der Kapitalkosten nach, die sich als Erhöhung der für die Regulierungsperiode bewilligten Erlösobergrenze auswirken, während der Kapitalkostenabschlag nach § 6 Abs. 3 ARegV die Erlösobergrenze wegen verringerter Kapitalkosten senkt. Es wäre sachlich nicht zu begründen, würden für diese funktionell verbundenen Instrumente unterschiedliche Eigenkapitalzinssätze gelten. Sowohl für die Bestimmung der Erlösobergrenze einer Regulierungsperiode als auch für den während ihrer Geltung erfolgenden Kapitalkostenabschlag gilt aber zweifelsfrei der Eigenkapitalzinssatz, der für diese Regulierungsperiode festgesetzt wurde.
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Für die kalkulatorische Eigenkapitalverzinsung bei der Bestimmung der Erlösobergrenze einer Regulierungsperiode verweist § 6 Abs. 1 Satz 1 ARegV auf die Vorschriften des Teils 2 Abschnitt 1 der Gasnetzentgeltverordnung und damit auf § 7 GasNEV. Nach § 7 Abs. 6 Satz 1 und 2 GasNEV legt die Regulierungsbehörde die Eigenkapitalzinssätze vor Beginn der Regulierungsperiode für deren Dauer fest. Damit trifft § 7 Abs. 6 GasNEV für die anzuwendenden Zinssätze eine Sonderregelung, die der allgemeinen, auf Daten des Basisjahres abstellenden Vorschrift in § 6 Abs. 1 Satz 1 ARegV vorgeht. Folglich ist in der dritten Regulierungsperiode zur Bestimmung der Erlösobergrenzen der Eigenkapitalzinssatz der dritten Regulierungsperiode auf die im Basisjahr erhobenen Werte des Anlagevermögens anzuwenden.
40
Für den Kapitalkostenabschlag gilt nichts anderes. Bei der Ermittlung des Kapitalkostenabzugs ist gemäß § 6 Abs. 3 Satz 1 und 2 ARegV die kalkulatorische Eigenkapitalverzinsung zu berücksichtigen. Diese bestimmt sich nach § 6 Abs. 3 Satz 1 ARegV i.V.m. Anlage 2a Abs. 3 ARegV auf Grundlage des Bestands der betriebsnotwendigen Anlagegüter des Ausgangsniveaus nach § 6 Abs. 1 und 2 ARegV in einem bestimmten Jahr der jeweiligen Regulierungs-periode. Nach Anlage 2a Abs. 4 Nr. 9 ARegV ist der Eigenkapitalzinssatz des Ausgangsniveaus im Basisjahr anzuwenden. Dies ist, wie soeben unter Rn. 39 gezeigt, vorliegend der Zinssatz der dritten Regulierungsperiode.
41
cc) Auch Sinn und Zweck der Vorschrift zwingen zu dieser Auslegung, da die Auslegung der Rechtsbeschwerde zu sachwidrigen Ergebnissen führen würde. Investitionen aus der zweiten Regulierungsperiode, die bereits Eingang in das Ausgangsniveau für die folgende Periode gefunden haben (also Investitionen, die bis 2015 aktiviert worden sind), würden als Eigenkapital während der dritten Regulierungsperiode mit den Zinssätzen der dritten Regulierungsperiode verzinst, zeitlich spätere Investitionen der zweiten Regulierungsperiode und solche, die erst im Laufe der dritten Regulierungsperiode vorgenommen werden, würden dagegen nach den Regelungen des Kapitalkostenaufschlags noch mit den günstigeren Zinssätzen der zweiten Regulierungsperiode verzinst. Ein sachlicher Grund dafür ist nicht erkennbar.
42
dd) Diesen Befund bestätigt schließlich die seit 22. März 2019 geltende Neufassung des § 10a Abs. 7 Satz 2 und 3 ARegV, durch die die Wörter “im Basisjahr” durch die Wörter “der jeweiligen Regulierungsperiode” ersetzt worden sind. Damit war lediglich eine redaktionelle Klarstellung bezweckt (vgl. Verordnungsentwurf der Bundesregierung zur Berechnung der Offshore-Netzumlage und zu Anpassungen im Regulierungsrecht, BR-Drucks. 13/19, S. 21).
43
c) Die Eigenkapitalzinssätze für die dritte Regulierungsperiode sind von der Bundesnetzagentur fehlerfrei festgesetzt worden (BGH, Beschlüsse vom 9. Juli 2019 – EnVR 52/18, RdE 2019, 456 – Eigenkapitalzinssatz II, und EnVR 41/18, ZNER 2019, 431; Beschluss vom 3. März 2020 – EnVR 26/18, juris – Eigenkapitalzinssatz III; Beschlüsse vom 3. März 2020 – EnVR 27/18, 34/18, 36/18 und 56/18, jeweils juris).
44
4. Ebenfalls zu Recht hat das Beschwerdegericht der Antragstellerin die Anerkennung von Kapitalkosten für Anlagegüter versagt, die von dem mit ihr verbundenen Dienstleister aktiviert wurden.
45
a) Nach § 10a Abs. 2 ARegV sind beim Kapitalkostenaufschlag (nur) Investitionen in aktivierte oder erwartete Güter des Anlagevermögens zu berücksichtigen. Spiegelbildlich gehen in den Kapitalkostenabzug nach § 6 Abs. 3 ARegV die sinkenden Abschreibungswerte des Anlagevermögens ein.
46
Ein Kapitalkostenaufschlag für Anlagevermögen eines Dienstleisters scheidet aus, weil die Inanspruchnahme von Dienstleistungen typischerweise nicht zu bilanzierungsfähigem Anlagevermögen führt (dazu unter b), ein Grund für einen solchen Kapitalkostenaufschlag nicht ersichtlich ist (dazu unter c und d) und sich überdies, insbesondere auch aus § 4 Abs. 5a GasNEV, keine Rechtfertigung ergibt, die dem Regulierungsrecht grundsätzlich immanente Trennung der Vermögenssphären von Netzbetreiber und Dritten (etwa Netzverpächtern) im Dienstleistungssektor zu durchbrechen (dazu unter e).
47
b) Ein Dienstleistungsvertrag richtet sich auf die Erbringung eines Dienstes, wie etwa Leistungen im operativen Betrieb, typischerweise jedoch nicht auf die Überlassung von Gegenständen zu Eigentum oder Gebrauch. Zwar mag der Dienstleister die geschuldete Leistung nur erbringen können, wenn er das hierfür notwendige Anlagegut beschafft und verwendet. Dies ändert aber nichts daran, dass ein Dienstleistungsvertrag typischerweise Anlagegut allenfalls mittelbar als unselbständigen Posten der Kalkulation auf Seiten des Dienstleisters betrifft.
48
Ein Kapitalkostenabgleich für Dienstleistungen wäre daher systematisch verfehlt. Der Kapitalkostenabgleich betrifft nicht den operativen Bereich; anders als bisher im Rahmen genehmigter Investitionsmaßnahmen (§ 23 Abs. 1 Satz 3 ARegV) werden operative Kosten jetzt nicht mehr berücksichtigt (vgl. BR-Drucks. 296/16, S. 21 f. und Sondergutachten der Monopolkommission: Energie 2017: Gezielt vorgehen, Stückwerk vermeiden, BT-Drucks. 18/13680, Tz. 375). Dementsprechend beruht die Berechnung des Kapitalkostenaufschlags primär auf Abschreibungsregeln und sich daraus ergebenden Restwerten (vgl. § 10a Abs. 4 i.V.m. § 6 Abs. 4 GasNEV, § 10a Abs. 5 ARegV). Für Dienstleistungen gibt es jedoch keine Abschreibungsregeln.
49
c) Auch sind die gegenwärtigen und absehbar künftigen Kapitalkosten des Dienstleisters typischerweise in das (wettbewerblich ermittelte) Leistungsentgelt einkalkuliert und damit – anders als kostenintensive Investitionen in das Netz – verstetigt. Es besteht daher kein Grund, Dienstleistungen in Durchbrechung des Prinzips der Kostenermittlung anhand eines Basisjahres in den jährlichen Kapitalkostenabgleich einzubeziehen.
50
d) Die Einbeziehung von Dienstleistungen Dritter in den Kapitalkostenausgleich würde dessen Berechnung zudem mit erheblichen Unsicherheiten belasten. Schon die Frage, ob Anlagegüter dem Netzbetrieb eines Netzbetreibers oder dem Geschäftsbetrieb des Dienstleisters und im Fall der Tätigkeit für mehrere Netzbetreiber einem konkreten Netzbetreiber zuzuordnen sind, kann erhebliche Abgrenzungsschwierigkeiten aufwerfen. Erst recht wäre unsicher, wie der auf Anlagevermögen entfallende Anteil am Leistungsentgelt zu quantifizieren ist. Denn in das Leistungsentgelt fließt im Rahmen einer Mischkalkulation eine Vielzahl von Faktoren ein (etwa Personalkosten, sonstige Fixkosten u.a.).
51
e) Es gibt keinen Grund dafür, für Dienstleistungen benötigte Anlagegüter Dritter in den Kapitalkostenaufschlag einzubeziehen.
52
aa) Zwar ist, wie die Antragstellerin zutreffend geltend macht, eine solche Einbeziehung nach dem Wortlaut der § 6 Abs. 3, § 10a ARegV nicht von vornherein ausgeschlossen. Da Adressat der genannten Normen jedoch der Netzbetreiber ist, dessen Erlösobergrenze angepasst werden soll, bedarf der Ansatz von Anlagevermögen Dritter einer besonderen Begründung, zumal der Verordnungsgeber sowohl im Zusammenhang mit § 6 Abs. 3 ARegV als auch mit § 10a ARegV von den “Kosten des Netzbetreibers” spricht (BR-Drucks. 296/16, S. 33, 34, vgl. auch S. 36).
53
bb) Eine solche Begründung ergibt sich nicht aus § 4 Abs. 5 und 5a GasNEV.
54
(1) Die Pachtverhältnisse betreffende Vorschrift des § 4 Abs. 5 GasNEV begrenzt nur die berücksichtigungsfähigen Kosten für die Überlassung betriebsnotwendiger Anlagegüter durch Dritte auf den Betrag, der anfiele, wenn der Betreiber zugleich Eigentümer der Anlagen wäre. Dies stellt lediglich eine punktuelle Korrektur dar und berührt nicht die grundsätzlich getrennte Betrachtung der Vermögenssphären von Netzeigentümer und Netzbetreiber (BGH, Beschlüsse vom 25. April 2017 – EnVR 57/15, RdE 2017, 340 Rn. 45 – SWL Verteilungsnetzgesellschaft mbH, und vom 17. Oktober 2017 – EnVR 23/16, RdE 2018, 77 Rn. 37 – SW Kiel Netz GmbH). Eine entsprechende Regelung trifft § 4 Abs. 5a Satz 4 GasNEV für Dienstleistungen nicht konzernverbundener Dienstleister.
55
(2) Für verbundene (Konzern-)Dienstleister gilt nichts anderes.
56
(a) Zwar begrenzt § 4 Abs. 5a Satz 2 und 3 GasNEV den Kostenansatz des Netzbetreibers nicht auf die Kosten, die bei ihm angefallen wären, wenn er die Dienstleistung selbst erbracht hätte; vielmehr darf er maximal die Kosten ansetzen, die beim verbundenen Unternehmen (in Anwendung der regulierungsrechtlichen Vorschriften) tatsächlich angefallen sind. Die Obergrenze wird also den ansatzfähigen Kosten des verbundenen Unternehmens entnommen. Diese Neuregelung dient ausweislich der Begründung dazu, missbräuchlich überhöhten Dienstleistungsentgelten zu begegnen, die daraus entstanden, dass aufgrund der Konzernverbindung Anreiz bestand, dem Netzbetreiber überhöhte Entgelte (zugunsten eines konzernverbundenen Unternehmens) in Rechnung zu stellen, die dieser auf die Netznutzer umlegte; die bisherige Regelung sei auf praktische Probleme gestoßen (BR-Drucks. 296/16 (Beschluss), S. 12).
57
Daraus folgt aber nicht, dass Kapitalkosten konzernverbundener Dienstleister – wie die Antragstellerin meint – nunmehr im Rahmen des Kapitalkostenausgleichs berücksichtigungsfähig wären. Eine Besserstellung gegenüber nicht konzernverbundenen Dienstleistern aufgrund einer solchen Vorschrift zur Missbrauchsprävention ist sachlich nicht gerechtfertigt: Die Neuregelung ist als Obergrenze der ansatzfähigen Kosten formuliert. Sie löst die getrennten Vermögenssphären daher nicht vollständig auf, sondern durchbricht sie nur punktuell im Sinne eines Höchstansatzes auf Seiten des Netzbetreibers. Überdies würde die Auslegung der Antragstellerin den Fehlanreiz setzen, auf Dienstleistungen konzernverbundener Dienstleister zurückzugreifen, selbst wenn ein solcher Rückgriff unter wettbewerblichen Marktbedingungen nicht erfolgen würde.
58
(b) Eine Einbeziehung in den Kapitalkostenaufschlag wäre allerdings dann gerechtfertigt, wenn entsprechende Kapitalkosten des konzernverbundenen Dienstleisters im Rahmen des Kapitalkostenabzugs gemäß § 6 Abs. 3 ARegV beim Netzbetreiber abgebildet würden. Ein Auseinanderfallen der Behandlung von Kapitalkosten beim Kapitalkostenaufschlag einerseits und beim Kapitalkostenabzug andererseits stellte einen systematischen Bruch dar. In Übereinstimmung mit der Praxis der Bundesnetzagentur erfolgt aber aus den bereits genannten Gründen keine Berücksichtigung von Kapitalkosten für in Anspruch genommene Dienstleistungen im Rahmen des Kapitalkostenabzugs.
59
Die Antragstellerin zieht dieses Ergebnis unter Hinweis auf die Verordnungsbegründung zu Anlage 2a ARegV-E, die die Berechnung des Kapitalkostenabzugs im Detail regelt, in Zweifel. Dort heißt es (BR-Drucks. 296/16, S. 50):
“Die Ermittlung der fortgeführten Kapitalkosten im jeweiligen Jahr der Regulierungsperiode erfolgt auf der Grundlage des fortgeführten Bestands an betriebsnotwendigen Anlagegütern des Ausgangsniveaus. Dies gilt auch für Kapitalkosten der Kostenbestandteile nach § 4 Absatz 5 und 5a der Stromnetzentgeltverordnung bzw. § 4 Absatz 5 und 5a der Gasnetzentgeltverordnung.”
60
Der Verordnungsgeber hat damit jedoch lediglich klargestellt, dass die der Missbrauchsprävention dienenden Vorschriften des § 4 Abs. 5 und 5a GasNEV bei der Berechnung des Kapitalkostenabzugs Anwendung finden. Diesem allgemein gehaltenen Hinweis auf § 4 Abs. 5 und 5a GasNEV bei der Erläuterung einer Detailregelung zur Berechnung des Kapitalkostenabzugs kann nicht entnommen werden, dass der Verordnungsgeber allgemein und abschließend die grundsätzliche und komplexe Frage der Anwendung des Kapitalkostenabgleichs auf externe Dienstleistungen entscheiden wollte.
61
Dies gilt umso mehr, als die Antragstellerin einräumt, bei Beauftragung konzernfremder Dienstleister könne ein Kapitalkostenaufschlag mangels Kenntnis der Kapitalkosten nicht beantragt werden. Dann aber liefe der Hinweis des Verordnungsgebers in der Begründung auch nach ihrer Ansicht leer; die Sondervorschrift des § 4 Abs. 5a Satz 2 und 3 GasNEV für konzernverbundene Dienstleister, die die Antragstellerin heranzieht, wurde nämlich erst durch den Bundesrat eingeführt (vgl. BR-Drucks. 296/16 (Beschluss), S. 9 ff.). Sie war dem Verordnungsgeber bei Erstellung der Verordnungsbegründung also nicht bekannt.
62
Muss die Antragstellerin aber keinen Kapitalkostenabzug für die hier streitgegenständlichen Dienstleistungskosten hinnehmen, ist kein Grund ersichtlich, Kapitalkosten konzernverbundener Dienstleister anders als Kapitalkosten anderer Dienstleister zu behandeln, bei denen eine Kostenprüfung im Basisjahr erfolgt und – wie im bisherigen Recht – dieses Ergebnis für die folgende Regulierungsperiode festgeschrieben wird.
63
(c) Darin liegt kein Widerspruch zur Berücksichtigung gepachteter Anlagegüter beim Kapitalkostenaufschlag durch die Bundesnetzagentur.
64
Dafür ist entscheidend, dass ohne die Einbeziehung der Anlagegüter von Netzpachtgesellschaften der Regelungszweck des Kapitalkostenabgleichs weitgehend verfehlt würde. Der Kapitalkostenabgleich zeichnet den (steigenden oder sinkenden) Aufwand für Investitionen in Anlagevermögen nach, dessen zentraler Bestandteil das gepachtete Netz ist. Dieser Aufwand fällt unabhängig davon an, ob das Anlagevermögen im Eigentum des Netzbetreibers steht oder von diesem aufgrund eines Überlassungsvertrages nur genutzt wird. Der Netzbetreiber kann sich diesem Aufwand nicht entziehen, da er notwendiges Anlagevermögen, insbesondere Netzanlagen, durch Kauf oder durch Pacht beschaffen und entsprechend investieren muss, um das Netz betreiben zu können. Dabei können die Netzanlagen nicht im Wettbewerb beschafft werden, sondern sind aufgrund des natürlichen Netzmonopols (weitgehend) vorgegeben. Dementsprechend ist es geboten, eine Veränderung der Kapitalkosten an die Netznutzer über eine Anpassung der Erlösobergrenze weiterzugeben, unabhängig von den Eigentumsverhältnissen am Anlagevermögen. Wäre dies anders, würden weite Teile des Anlagevermögens, insbesondere das Netz selbst als zentrales Element des Netzbetriebs, im Fall rechtlich zulässiger, durch Entflechtungsvorgaben häufig anzutreffender “schlanker” Netzpachtgesellschaften dem neuen Refinanzierungsmodell entzogen. Die Neuregelung wäre ihrer Wirksamkeit in erheblichem Maße beraubt.
65
(d) Anders als im Falle von Dienstleistungen bestehen bei Pachtgut auch keine systematischen oder praktischen Einwände gegen eine Berücksichtigung beim Kapitalkostenaufschlag. Es handelt sich um abschreibungsfähige Anlagegüter, die über das Nutzungsrecht ausschließlich der Sphäre des Netzbetreibers zugeordnet werden können.
66
cc) Unerheblich ist, dass die Antragstellerin die Gaszähler, die den Gegenstand des Dienstleistungsvertrags bildeten, auch hätte selbst anschaffen können. Die Antragstellerin hat sich für die Inanspruchnahme von Dienstleistungen entschieden; daran muss sie sich festhalten lassen. Dass sie eine andere Gestaltung hätte wählen können, die ihr die Geltendmachung eines Kapitalkostenaufschlags ermöglicht hätte, ändert nichts daran, dass die tatsächlich gewählte Gestaltung nicht zur Gewährung eines Kapitalkostenaufschlags berechtigt.
67
5. Rechtsfehlerfrei hat das Beschwerdegericht den vollen Ansatz der im Jahr 2018 zufließenden Baukostenzuschüsse und Netzanschlussbeiträge im Jahresanfangsbestand für die Bestimmung der kalkulatorischen Verzinsungsbasis nach § 10a Abs. 6 ARegV gebilligt.
68
a) Von der Rechtsbeschwerde nicht mehr angegriffen und aus den dargelegten Gründen auch nicht zu beanstanden ist, dass die Bundesnetzagentur in die Berechnung des Kapitalkostenaufschlags Zuschüsse einbezogen hat, die unmittelbar nicht der antragstellenden Netzbetreiberin, die selbst Netzpächterin ist, sondern ihrer Verpächterin zugeflossen sind.
69
b) Der Ansatz des Jahresanfangsbestandes mit dem vollen Wert der Zuschüsse, auch wenn diese erst im Laufe des Jahres zufließen, für das der Kapitalkostenaufschlag genehmigt wird, ist mit dem Wortlaut der Norm vereinbar, entspricht deren Sinn und Zweck und wird von der Entstehungsgeschichte der Vorschrift gestützt.
70
aa) Nach § 10a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 ARegV sind bei der Bestimmung der kalkulatorischen Verzinsungsbasis Zuschüsse zu berücksichtigen, deren Erhalt bis zum 31. Dezember des Jahres, für das der Kapitalkostenaufschlag genehmigt wird, zu erwarten ist. Nach Satz 2 ist jeweils der Mittelwert aus Jahresanfangs- und Jahresendbestand anzusetzen. Die Anordnung der Bildung eines Mittelwertes entspricht der Regelung in § 7 Abs. 1 Satz 4 GasNEV (für Anlagegüter) und § 7 Abs. 2 Satz 2 GasNEV (für Zuschüsse). Wie Zuschüsse, die erst im Laufe des Jahres zufließen, für den Kapitalkostenaufschlag dieses Jahres zu berücksichtigen sind, ergibt sich indes daraus nicht.
71
bb) Wie der Senat für § 7 Abs. 1 Satz 4 GasNEV entschieden hat (BGH, Beschluss vom 10. November 2015 – EnVR 42/14, RdE 2016, 67 Rn. 9 ff. – Energieversorgung Marienberg GmbH; vgl. auch BGH, Beschlüsse vom 14. August 2008 – KVR 39/07, RdE 2008, 323 Rn. 36 f. – Vattenfall und vom 10. November 2015 – EnVR 26/14, RdE 2016, 70 Rn. 25 f. – Stadtwerke Freudenstadt II), besteht bei der Bestimmung der Bemessungsgrundlage für die Eigenkapitalverzinsung keine Bindung an die Werte in der Handelsbilanz und den Grundsatz der Identität von Jahresend- und Jahresanfangsbilanz, mag auch der Wortlaut der Norm nahelegen, dass eine Vermögensposition, die erst im Laufe des Jahres zufließt, nicht in den Jahresanfangsbestand einer Bilanz aufzunehmen ist. Zwingende Schlussfolgerungen lassen sich hieraus nicht ableiten; maßgeblich ist nämlich die kalkulatorische Sicht. Bei der Bemessung des Kapitalkostenaufschlags handelt es sich ebenfalls um eine kalkulatorisch ermittelte Größe, wie der Wortlaut von § 10a Abs. 3 ARegV verdeutlicht.
72
cc) Dem Verordnungsgeber war bekannt, dass Neuanlagevermögen bei der Ermittlung der Verzinsungsbasis für die kalkulatorische Eigenkapitalverzinsung im Rahmen der Bestimmung der Erlösobergrenze mit kalkulatorischen Restwerten zu bewerten ist (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GasNEV), dass hierfür jeweils der Mittelwert aus Jahresanfangs- und Jahresendbestand anzusetzen ist (§ 7 Abs. 1 Satz 4 GasNEV) und dass der Senat (BGH, Beschluss vom 10. November 2015 – EnVR 43/14, juris Rn. 23, 24, 29) und ihm folgend die Praxis das Jahresanfangsvermögen bei unterjährigem Zufluss mit dem vollen Wert ansetzt. Dies wurde, wie § 10a Abs. 5 i.V.m. Abs. 2 Nr. 2 ARegV zeigt, für den Kapitalkostenaufschlag übernommen. Danach werden bei der Berechnung des Kapitalkostenaufschlags auch diejenigen Anlagegüter im Jahresanfangsbestand mit ihrem vollen Wert berücksichtigt, deren Aktivierung noch bis zum 31. Dezember des Jahres, für das der Aufschlag genehmigt wird, zu erwarten ist. Der Normtext der Regelungen über den Kapitalkostenaufschlag lässt demnach das Verständnis zu, dass der Jahresanfangsbestand unter Einschluss der erst im Laufe eines Jahres zufließenden Güter anzusetzen ist. Auch der Wortlaut des § 10a Abs. 6 ARegV steht dieser Auslegung nicht entgegen.
73
dd) Dafür sprechen ferner systematische Erwägungen.
74
(1) Der Verordnungsgeber hat sich in § 10a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 ARegV ausdrücklich für eine Berücksichtigung der erst im Laufe des Jahres, für das der Kapitalkostenaufschlag genehmigt wird, zufließenden Zuschüsse entschieden. Folgte man der Lesart der Antragstellerin, würden die in diesem Jahr zu erwartenden Zuflüsse jedoch nur zu etwas weniger als der Hälfte ihres Werts berücksichtigt, weil für ihre Bewertung der Mittelwert aus dem mit Null angesetzten Jahresanfangsbestand und einem um den zeitanteiligen Auflösungsbetrag gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 GasNEV reduzierten Jahresendbestand anzusetzen wäre.
75
(2) Der Verordnungsgeber hat die Regelung der zu berücksichtigenden Zuschüsse in § 10a Abs. 6 Satz 1 ARegV ferner parallel zu derjenigen für die Anlagegüter in § 10a Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 5 ARegV ausgestaltet. In beiden Fällen ist eine Mittelwertbildung zwischen Jahresanfangs- und Jahresendbestand angeordnet. Die bewusste Parallelität legt ein identisches Verständnis des Begriffs des Jahresanfangsbestandes nahe. Für die Bewertung des Jahresanfangsbestandes der Anlagegüter ist aber die Einbeziehung der erwarteten Anlagegüter mit dem vollen Wert unstreitig.
76
(3) Diese Auslegung steht im Einklang mit dem Grundsatz, Aktiva und Passiva gleich zu behandeln (BGH, Beschluss vom 23. Juni 2009 – EnVR 76/07, juris Rn. 13). Dieser Grundsatz kann zwar bei gesetzlichen Sonderregelungen unter Umständen nicht in vollem Umfang durchgeführt werden (BGH, RdE 2016, 67 Rn. 34 – Energieversorgung Marienberg GmbH); es besteht jedoch kein Anlass, den Gleichlauf ohne sachlichen Anlass zu durchbrechen, wenn ihn das Gesetz zulässt. Zwar sind die Auflösungsdauer der Zuschüsse und die Abschreibungszeiten der Anlagegüter nicht deckungsgleich. Dies ändert aber nichts daran, dass der Verordnungsgeber die Bewertung des Anlagevermögens und die Gegenrechnung von Zuschüssen beim Kapitalkostenabgleich verknüpft hat, so dass unterschiedliche Ansätze für den Jahresanfangsbestand besonderer Begründung bedürften. Eine solche ist nicht ersichtlich.
77
(4) Der Ansatz des vollen Werts der Zuschüsse im Jahresanfangsbestand stimmt schließlich mit der Praxis der Regulierungsbehörde bei der Bestimmung des Abzugskapitals nach § 7 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 GasNEV überein. Auch dort wird der Jahresanfangsbestand mit dem vollen Wert der zufließenden Zuschüsse bemessen.
78
(a) Allerdings hat der Senat den Ansatz des Jahresanfangsbestandes beim Anlagevermögen maßgeblich mit der Sondervorschrift des § 6 Abs. 5 Satz 3 und 4 GasNEV begründet, wonach Abschreibungen jahresbezogen zu ermitteln sind und ein Zugang zum 1. Januar eines Jahres zugrunde zu legen ist. Sähe man unter diesen Umständen von einem Ansatz des Anlagevermögens im Jahresanfangsvermögen ab, wäre nicht gewährleistet, dass der Netzbetreiber die ihm nach der Verordnung zustehende Verzinsung von Anlagevermögen in voller Höhe in Anspruch nehmen könnte. In Kauf zu nehmen ist, dass es je nach konkretem Anschaffungszeitpunkt im Jahr der Anschaffung zu gewissen Unter- oder Überkompensationen kommen kann, und dass ein völliger Gleichlauf von Aktiva und Passiva infolge des (durch den Verordnungsgeber angeordneten) fiktiven Zugangszeitpunkts nicht möglich ist (vgl. (BGH, RdE 2016, 67 Rn. 24 ff. – Energieversorgung Marienberg GmbH).
79
(b) Eine § 6 Abs. 5 Satz 4 GasNEV entsprechende Norm, die eine Zugangsfiktion zum 1. Januar eines Jahres anordnet, fehlt für Zuschüsse. Gleichwohl ist dort ebenfalls der Ansatz des vollen Werts im Jahresanfangsbestand geboten.
80
Zuschüsse werden gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 GasNEV über einen Zeitraum von 20 Jahren jährlich linear aufgelöst. Dies spricht gegen eine nur anteilige Auflösung bei unterjährigem Zufluss. Wird der jährliche Auflösungsbetrag im Zuflussjahr voll berücksichtigt, so ist es folgerichtig, die tatsächlich erst im Jahresverlauf zugeflossenen Zuschüsse im Jahresanfangsbestand anzusetzen. Dadurch wird ein Gleichlauf der Bewertungsmaßstäbe für das Anlagevermögen und für die dessen Finanzierung unterstützenden Zuschüsse bei der Berechnung der Verzinsungsbasis ermöglicht. Ebenso wie bei den berücksichtigungsfähigen Anlagegütern kommt es auch bei den Zuschüssen nur zu einer zeitlichen Verlagerung ihrer Berücksichtigung, nicht aber zu einer betragsmäßigen Abweichung in der Gesamthöhe.
81
Der Verordnungsgeber hat die jahresweise Betrachtung in § 6 Abs. 5 Satz 3 und 4 GasNEV ferner damit begründet, dass eine auf unterjährige Zeiträume abstellende Ermittlung kalkulatorischer Abschreibungen der Handhabbarkeit und Prüfbarkeit der Kostenrechnung widerspreche (BR-Drucks. 312/10 (Beschluss), S. 10). Für die Auflösung von Zuschüssen gilt nichts anderes.
82
Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass nach § 9 Abs. 2 GasNEV bestimmte Baukostenzuschüsse anschlussindividuell aufzulösen sind. Diese Vorschrift will Diskriminierungspotentiale insbesondere bei vertikal integrierten Unternehmen reduzieren (BR-Drucks. 245/05, S. 36), trifft aber über Bewertungszeitpunkte keine Aussage.
83
ee) Sinn und Zweck der Regelung sprechen ebenfalls dafür, Anlagevermögen und Zuschüsse beim Jahresanfangsbestand gleich zu behandeln.
84
Der Verordnungsgeber misst den Zuschüssen eine wesentliche Unterstützungsfunktion bei der Finanzierung von Investitionen zu. Er hat diesen Zusammenhang durch den Abzug entsprechender Zuschüsse von der Bemessungsgrundlage für die Verzinsung in § 10a Abs. 6 ARegV für den Kapitalkostenaufschlag und in § 6 Abs. 3 Satz 4 sowie Anlage 2a Abs. 4 Nr. 4 für den Kapitalkostenabzug verankert. Nimmt der Verordnungsgeber für Anlagevermögen, dessen kostenscharfer zeitnaher Refinanzierung der Kapitalkostenaufschlag dient, eine Vorverlagerung des Anschaffungszeitpunktes auf den 1. Januar eines Jahres vor, so ist es folgerichtig, hinsichtlich der Verzinsungsbasis bei der (vom Verordnungsgeber beabsichtigten) Gegenrechnung der Zuschüsse denselben Ansatz zu verfolgen.
85
Demgegenüber würde der von der Antragstellerin befürwortete Ansatz zu einer Überhöhung der kalkulatorischen Verzinsungsbasis im Jahr des genehmigten Kapitalkostenaufschlags führen. Sie will sich – unabhängig vom tatsächlichen Zuflusszeitpunkt – den gesamten (um die hälftige jährliche Abschreibung reduzierten) Jahreswert der 2018 aktivierten Anlagegüter verzinsen lassen, hinsichtlich der Bewertung der Zuschüsse aber nur den hälftigen Betrag ansetzen. Sie möchte damit im Ergebnis die Verzinsung des anzuschaffenden Anlagegutes fiktiv auf den 1. Januar vorverlagern, bezüglich der gegenzurechnenden Zuschüsse aber einen Zufluss zur Jahresmitte unterstellen. Dies ist nicht sachgerecht.
86
ff) Der Wille des Verordnungsgebers spricht ebenfalls gegen die Sichtweise der Antragstellerin.
87
(1) Mit der Regelung des § 10a Abs. 6 ARegV sollten Doppelanerkennungen und doppelte Abzüge vermieden werden (BR-Drucks. 296/16, S. 34 f.). Dazu sollten diese Zuschüsse künftig “analog zu Investitionen” (BR-Drucks. 296/16, S. 35) ohne Zeitverzug berücksichtigt werden. Sowohl der Zweck, Überkompensationen auszuschließen, als auch die Analogie zur Berücksichtigung der Investitionen sprechen für einen übereinstimmenden Ansatz des Jahresanfangsbestandes von Anlagevermögen und Zuschüssen.
88
(2) Die Entstehungsgeschichte der Vorschrift bestätigt diese Auslegung. Nach § 10a Abs. 3 Satz 1 und 2 ARegV-E des Referentenentwurfs des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie vom 19. April 2016 (abrufbar unter https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Downloads/XYZ/zweite-verordnung-aenderung-anreizregulierung-referentenentwurf.html) sollte der Kapitalkostenaufschlag als “Summe der auf der Grundlage der Anschaffungs- und Herstellungskosten der betriebsnotwendigen Anlagegüter nach Absatz 2 [heute § 10a Abs. 2 Satz 1 ARegV] abzüglich der von den Anschlussnehmern gezahlten oder zu erwartenden Netzanschlusskostenbeiträge und Baukostenzuschüsse […] der kalkulatorischen Eigen- und Fremdkapitalverzinsung nach Maßgabe der Sätze 2 bis 5 sowie der kalkulatorischen Gewerbesteuer gebildet werden.” Die kalkulatorische Eigenkapitalverzinsung sollte sich “auf Grundlage der übermittelten Anschaffungs- und Herstellungskosten nach Absatz 2 abzüglich der von den Anschlussnehmern gezahlten oder zu erwartenden Netzanschlusskostenbeiträge und Baukostenzuschüsse […] und den sich hieraus ergebenden kalkulatorischen Restwerten bewertet zu Anschaffungs- und Herstellungskosten nach […] § 7 Abs. 1 Nr. 3 GasNEV” bestimmen. Danach erfolgte ebenfalls ein vollständiger Abzug der erwarteten Zuschüsse von den Anschaffungs- und Herstellungskosten der Anlagegüter. Der Regierungsentwurf verzichtete dann zwar darauf, Zuschüsse und Beiträge auf der Aktivseite zu behandeln und ordnete sie systematisch – entsprechend § 7 Abs. 2 GasNEV – wieder als Abzugskapital ein. Dass damit aber die Bewertung der erwarteten Zuschüsse betragsmäßig geändert werden sollte, ist nicht erkennbar.
89
C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 90 EnWG, die Festsetzung des Gegenstandswerts auf § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GKG und § 3 ZPO.
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