Arbeitsrecht

Ansprüche aus einem Vorstandsdienstvertrag in der Insolvenz der dienstberechtigten Gesellschaft

Aktenzeichen  5 HK O 15789/18 20

Datum:
29.4.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 44166
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 130 Abs. 1 S. 1, § 242, § 626 Abs. 1
InsO § 22 Abs. 2, § 38, § 55 Abs. 1, Abs. 2, § 208 Abs. 1, § 209

 

Leitsatz

1. Bei einem Vorstandsdienstvertrag ist die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung allein an der Norm des § 626 BGB zu messen, die eine umfassende Güterabwägung voraussetzt. Auf eine Vereinbarung, nach der die Amtsniederlegung einen wichtigen Grund für die Kündigung darstellt, kann die Kündigung nicht gestützt werden, wenn ein berechtigter Grund zur Amtsniederlegung anzunehmen ist. (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)
2. Hat der Empfänger einer postalisch übermittelten Willenserklärung es unterlassen, dem Erklärenden seine neue Anschrift mitzuteilen, kann sich der Empfänger gleichwohl auf einen verspäteten Zugang der Erklärung berufen, wenn diese den Streitgegenstand einer Klage des Erklärungsempfängers betrifft, die dem Erklärenden zu einem Zeitpunkt zugestellt wurde, zu dem er die Erklärung rechtzeitig dem Prozessbevollmächtigten hätte übermitteln können. (Rn. 46 – 47) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ein Anspruch des Dienstverpflichteten aus einem Vorstandsdienstvertrag auf Erstellung eines Konzernjahresabschlusses zur Ermittlung eines Erfolgsbonus kann in der Insolvenz des Dienstberechtigten selbst dann gegen den Insolvenzverwalter geltend gemacht werden, wenn der Anspruch auf den Erfolgsbonus eine Insolvenzforderung ist. (Rn. 49) (redaktioneller Leitsatz)
4. Ein schwacher vorläufiger Insolvenzverwalter, auf den das Insolvenzgericht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis der Schuldnergesellschaft nur in Bezug auf deren Tochtergesellschaften überträgt, ist nur innerhalb dieser Befugnisse einem starken vorläufigen Insolvenzverwalter gleichzusetzen. (Rn. 68) (redaktioneller Leitsatz)
5. Die Anzeige der Masseunzulänglichkeit ist für das Prozessgericht ausnahmsweise nicht bindend, wenn in dem weniger als drei Monate vor der Anzeige erstellten Insolvenzgutachten desselben Verwalters eine freie Masse von knapp 1.500.000 € bei fälligen Masseverbindlichkeiten und Verfahrenskosten von gut 140.000 € prognostiziert wird. (Rn. 86) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Es wird festgestellt, dass der Vorstandsdienstvertrag des Klägers durch die außerordentliche Kündigung der S… AG vom 17.6.2018, zugegangen am 18.6.2018, nicht zum 18.6.2018 beendet worden ist.
II. Es wird festgestellt, dass der Vorstandsdienstvertrag des Klägers weder durch die ordentliche Kündigung datierend auf den 28.12.2018, zugegangen am 4.1.2019 noch durch andere Beendigungstatbestände zum 31.3.2019 geendet hat, sondern zu unveränderten Bedingungen über den 18.6.2018 und den 31.3.2019 hinaus bis zum 30.4.2019 fortbestand.
III. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, einen Konzernjahresabschluss für den Konzern der S… AG für das Jahr 2017 nach IFRS aufzustellen und aus dem jeweils ermittelten EBITDA den Erfolgsbonus des Klägers für das 2017 zu berechnen und den Anspruch auf diesen Erfolgsbonus zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 4.4.2018 bis einschließlich 14.11.2018 als Insolvenzforderung zugunsten des Klägers zur Insolvenztabelle und die Zinsansprüche nach dem 14.11.2018 als nachrangige Insolvenzforderung festzustellen.
IV. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, einen Anspruch des Klägers auf Grundvergütung einschließlich des Zuschusses zur Pflege- und Krankenversicherung sowie den Handyzuschuss in Höhe von insgesamt € 62.046,88 brutto für den Zeitraum vom 19.6.2018 bis 14.11.2018 sowie Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz
– aus € 5.099,74 brutto für den Zeitraum vom 3.7.2018 bis zum 14.11.2018,
– aus weiteren € 12.739,37 brutto für den Zeitraum vom 2.8.2018 bis zum 14.11.2018,
– aus weiteren € 12.749,36 brutto für den Zeitraum vom 4.9.2018 bis zum 14.11.2018,
– aus weiteren € 12.749,36 brutto für den Zeitraum vom 2.10.2018 bis zum 14.11.2018 und
– aus weiteren € 12.749,36 brutto für den Zeitraum vom 5.11.2018 bis zum 14.11.2018
als Insolvenzforderung zur Insolvenztabelle
sowie weitere Zinsen in Höhe 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus € 56.097,19 brutto ab dem 15.11.2018 und aus weiteren € 5.949,70 brutto ab dem 4.12.2018 als nachrangige Insolvenzforderung zur Insolvenztabelle festzustellen.
V. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, den Anspruch des Klägers auf krankheitsbedingt reduzierte Leistungsprämie für den Zeitraum vom 1.1.2018 bis zum 18.6.2018 in Höhe von € 21.920,21 brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 4.9.2018 bis einschließlich 14.11.2018 als Insolvenzforderung zugunsten des Klägers zur Insolvenztabelle und die Zinsansprüche nach dem 14.11.2018 als nachrangige Insolvenzforderung festzustellen.
VI. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, den Anspruch des Klägers auf krankheitsbedingte Leistungsprämie für den Zeitraum vom 19.6.2018 bis zum 14.11.2018 in Höhe von € 19.362,10 brutto als Insolvenzforderung zur Insolvenztabelle sowie Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus € 5.577,33 brutto seit dem 1.1.2019 und aus weiteren € 13.784,77 brutto seit dem 1.9.2019 als nachrangige Insolvenzforderung zur Insolvenztabelle festzustellen.
VII. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger eine Grundvergütung nebst Zuschuss zur Pflege- und Krankenversicherung und Handyzuschuss in Höhe von € 29.748,51 brutto für den Zeitraum vom 15.11.2018 bis einschließlich 24.1.2019 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz
– aus € 6.799,66 brutto ab dem 4.12.2018,
– aus weiteren € 12.749,36 brutto ab dem 3.1.2019 und
– aus weiteren € 10.199,49 brutto ab dem 4.2.2019
zu bezahlen.
VIII. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger die halbe Leistungsprämie in Höhe von € 11.356,42 brutto für den Zeitraum vom 15.11.2018 bis zum 24.1.2019 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.10.2019 zu bezahlen.
IX. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger eine Grundvergütung nebst Zuschuss zur Pflege- und Krankenversicherung und Handyzuschuss in Höhe von € 40.797,95 brutto für den Zeitraum vom 25.1.2019 bis zum 30.4.2019 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz
– aus € 2.549,87 brutto seit 4.2.2019,
– aus weiteren € 12.749,36 brutto seit 4.3.2019,
– aus weiteren € 12.749,36 brutto seit 2.4.2019 und
– aus weiteren € 12.749,36 brutto seit 3.5.2019
zu bezahlen.
X. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger die halbe Leistungsprämie für das Jahr 2019 in Höhe von € 10.520,55 brutto für den Zeitraum vom 25.1.2019 bis zum 30.4.2019 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.10.2019 zu bezahlen.
XI. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, den Anspruch des Klägers auf Grundvergütung samt Zuschuss zur Kranken- und Pflegeversicherung sowie den Handyzuschuss für den Zeitraum vom 1.5.2019 bis einschließlich 19.10.2019 in Höhe von € 71.821,39 brutto als Insolvenzforderung und Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz
– aus € 12.749,36 brutto seit 4.6.2019,
– aus weiteren € 12.749,36 brutto seit 2.7.2019,
– aus weiteren € 12.749,36 brutto seit 2.8.2019,
– aus weiteren € 12.749,36 brutto seit 3.9.2019,
– aus weiteren € 12.749,36 brutto seit 2.10.2019 und
– aus weiteren € 8.074,59 brutto seit dem 22.10.2019
als nachrangige Insolvenzforderung zur Insolvenztabelle festzustellen.
XII. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, den Anspruch des Klägers auf halbe Leistungsprämie für den Zeitraum vom 1.5.2019 bis einschließlich 19.10.2019 in Höhe von € 18.849,32 brutto als Insolvenzforderung und Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 22.10.2019 als nachrangige Insolvenzforderung zur Insolvenztabelle festzustellen.
XIII. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
XIV. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger 4/25, der Beklagte 21/25.
XV. Das Urteil ist für den Kläger vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 105 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Das Urteil ist für den Beklagten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 105 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
XVI. Der Streitwert wird bis zur teilweisen übereinstimmenden Erledigterklärung auf € 339.239,11, ab diesem Zeitpunkt auf € 329.239,11 festgesetzt.

Gründe

Die Klagen sind zulässig und zu einem erheblichen Teil auch begründet.
I.
Die auf Feststellung der fehlenden Beendigung des Vorstandsdienstvertrages durch die am 18.6.2018 zugegangene Kündigungserklärung vom 17.6.2018 gerichtete Klage ist zulässig und begründet.
1. Die Klage ist als Feststellungsklage zulässig.
a. Bei der Frage der Auflösung oder Nichtauflösung eines Vorstandsdienstvertrages handelt es sich um ein Rechtsverhältnis im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO, weil es dabei um die Beziehungen zwischen zwei Personen geht, die subjektive Rechte enthält.
b. Ebenso muss das Interesse an der alsbaldigen Feststellung bejaht werden, weil die Beklagte von der Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung ausgeht und somit eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit für das subjektive Recht des Klägers besteht (vgl. nur Greger in: Zöller, ZPO, 33. Aufl., § 256 Rdn. 7) und nur über eine Feststellungsklage mit Rechtskraft entschieden wird, ob der Vorstandsdienstvertrag beendet ist oder nicht.
2. Die Feststellungsklage ist begründet, weil die außerordentliche Kündigung der S… AG vom 17.6.2018 keine Wirksamkeit entfalten konnte.
a. Ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB kann nicht bejaht werden. Nach dieser Vorschrift kann das Dienstverhältnis von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung nicht zugemutet werden kann. In einer unberechtigten Niederlegung des Amts als Vorstands muss zwar ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB gesehen werden (vgl. LG München I AG 2018, 499, 501 = ZIP 2018, 1292, 1294 = WM 2018, 1259, 1262; Spindler in: Münchener Kommentar zum AktG, 5. Aufl., § 84 Rdn. 182). Davon kann hier aber nicht ausgegangen werden; der Kläger legte sein Vorstandsamt nämlich berechtigt nieder, weshalb er seine Pflichten als Vorstand der Beklagten nicht verletzt hat.
(1) Der Grund für die Amtsniederlegung ist zunächst und in erster Linie in der schwerwiegenden Erkrankung des Klägers zu sehen. Die Kammer muss dabei vom Vorliegen insbesondere einer Influenza mit einer anschließenden Myokarditis ausgehen, an die sich wiederum ein Chronic Fatigue Syndrom anschloss. Selbst wenn die Beklagte mit Schriftsatz vom 9.7.2019 die Erkrankung des Klägers zulässigerweise mit Nichtwissen gem. § 138 Abs. 4 ZPO bestritten haben sollte, hat die Kammer aufgrund der vorgelegten ärztlichen Bescheinigung vom 15.6.2018 keinerlei Zweifel daran, dass der Beklagte im Zeitraum vor der Erklärung der Amtsniederlegung über mehrere Wochen schwerst erkrankt war, was einen stationären Krankenhausaufenthalt vom 12.6. bis 23.6.2018 erforderlich machte. Aus dem Entlassungsbericht ergibt sich namentlich, dass er an wiederkehrenden Herzbeutel- und Herzmuskelentzündungen nach einer Influenza im April 2018 litt. Eine verschleppte Influenza und vor allem auch eine derartige Myokarditis können durchaus Lebensgefahr nach sich ziehen, wie allgemein und namentlich dem Vorsitzenden aus seiner Tätigkeit in einer für Arzthaftungssachen zuständigen Zivilkammer bekannt ist; die Möglichkeit der Lebensgefahr zeigte sich auch nach einer entsprechenden Erkrankung des nunmehrigen Bundesministers des Inneren, über die in den Medien wiederholt berichtet wurde. Angesichts dieser Erkrankungen ist der Kläger gehalten gewesen, hohe Belastungen im Arbeitsleben zu vermeiden. Eine derartige Belastung ist aber mit der Tätigkeit als Vorstand, der Führungsverantwortung für die Gesellschaft nach innen wie nach außen im Rechtsverkehr mit Dritten ebenso wie auch Haftungsrisiken übernehmen muss, verbunden. Dies gilt umso mehr, als sich die S… AG offensichtlich bereits im Frühjahr 2018 in einer wirtschaftlichen Krisensituation befand, die zu Entlassungen von Mitarbeitern führte, und bei der der Kläger einziges Vorstandsmitglied war. Gerade in einer Krisensituation treffen das Vorstandsmitglied erhöhte Beobachtungs- und Sorgfaltspflichten. In diesem Zusammenhang muss namentlich auch berücksichtigt werden, dass er bereits mit Schreiben vom 4.5.2018 auf seine Absicht zur Amtsniederlegung aufgrund seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen hingewiesen hatte, ohne dass der Aufsichtsrat hierauf durch Installation eines Nachfolgers reagiert hätte. Den Aufsichtsrat tritt dabei auch eine Verpflichtung gegenüber dem Kläger als Vorstand, auf dessen Gesundheit Rücksicht zu nehmen, wie der Wertung des § 618 BGB zu entnehmen ist. Dem wurde der Aufsichtsrat nicht hinreichend gerecht, indem gerade in der Krise der Kläger nicht zumindest teilweise durch die Bestellung eines weiteren Vorstandsmitglieds entlastet wurde.
Auf die Frage, inwieweit der gegebenenfalls sogar lebensbedrohliche Gesundheitszustand des Klägers durch die Tätigkeit bei der S… AG kausal hervorgerufen wurde oder nicht, kommt es nicht entscheidungserheblich an, weil auf den objektiven Zustand der nicht auszuschließenden Lebensgefährdung bei Fortsetzung der Organtätigkeit abgestellt werden muss.
(2) Weiterhin ergibt sich die Berechtigung der Amtsniederlegung aus der Tatsache, dass Herr … W… zum Geschäftsführer in einer wesentlichen Teilkonzernholdinggesellschaft der S… AG bestellt wurde. Angesichts der Vorkommnisse vom November 2017, in der Herr W… in seiner damaligen Eigenschaft als Aufsichtsratsvorsitzender die Mitarbeiter der S… AG unzutreffend über den Kläger informierte, ist ihm eine Zusammenarbeit mit dem nunmehrigen Geschäftsführer der Teilkonzernholdinggesellschaft nicht zuzumuten. Auch wenn der Kläger Organ der Obergesellschaft ist, muss er mit dem Organ seiner Tochtergesellschaft vertrauensvoll zusammenarbeiten können und diesem vertrauen, dass er gegebenenfalls verbindliche Weisungen auch tatsächlich befolgt. Selbst wenn nur ein faktischer Konzern bestehen sollte, in dem kein Weisungsrecht der Muttergesellschaft gegenüber dem Geschäftsführer oder Vorstand der abhängigen Gesellschaft besteht, ist der Vorstand der Muttergesellschaft zumindest verpflichtet, ernsthafte Versuche zu unternehmen und darauf hinzuwirken, bei den Tochtergesellschaften wirksame und auf den Gesamtkonzern abgestimmte Verfahren der Risikoidentifikation, -bewertung und -berichterstattung einzuführen (vgl. nur Ghassemi-Tabar in: Iller/Ghassemi-Tabar/Cordes, Handbuch Vorstand und Aufsichtsrat, 1. Aufl., § 15 Rdn. 53).
(3) Der Berechtigung der Amtsniederlegung durch den Kläger kann der Beklagte nicht entgegenhalten, in § 10 Abs. 2 des Vorstandsdienstvertrages sei die Amtsniederlegung als wichtiger Grund für die Beendigung des Vertrages ausdrücklich genannt gewesen. Die Vereinbarung eines wichtigen Grundes in einem Vorstandsdienstvertrag kann keine Wirksamkeit entfalten. Alleiniger Maßstab für die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung muss § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB sein. Diese Norm setzt indes auch eine umfassende Güterabwägung voraus, die nach dem Wortlaut von § 10 Ziff. 2 des Vorstandsdienstvertrages gerade nicht stattfinden soll. Daher kann die Wirksamkeit der Kündigung aus wichtigem Grund nicht auf diese Vertragsbestimmung gestützt werden, wenn – wie hier – ein berechtigter Grund zur Amtsniederlegung anzunehmen ist.
Ebenso wenig kann der Berechtigung der Amtsniederlegung entgegengehalten werden, der Kläger habe nach dem Zugang der außerordentlichen Kündigung mehrere Beratungsverträge als Geschäftsführer der P… GmbH mit mehreren Tochtergesellschaften der S… AG abgeschlossen. Die Arbeitsbelastung aus diesen Verträgen ist nicht vergleichbar mit der Belastung als Vorstand einer damals noch börsennotierten Aktiengesellschaft. Der Beklagte hat selbst darauf hingewiesen, dass die große Mehrzahl dieser Gesellschaften nicht operativ tätig sei. Dann aber kann die daraus resultierende Belastung nicht mit den Anforderungen gleichgesetzt werden, die aus der Vorstandstätigkeit bei der S… AG resultierten. Aus dem gleichen Grund kann nicht angenommen werden, aus dem unterbliebenen Widerruf der Stellung als Geschäftsführer bei diesen Gesellschaften nach der Amtsniederlegung bei der S… AG lasse sich die fehlende Berechtigung zum Widerruf dieser Organstellung bei der S… AG herleiten.
b. Angesichts dessen kommt es nicht mehr entscheidungserheblich darauf an, inwieweit die Frist des § 626 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 BGB eingehalten hat, wonach die Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen kann und die Frist mit dem Zeitpunkt beginnt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt.
II.
Die Feststellungsklage ist auch in Bezug auf die vom Beklagten ausgesprochene Kündigung mit Schreiben vom 28.12.2018 zulässig und begründet.
1. Hinsichtlich der Zulässigkeit kann auf die obigen Ausführungen unter I. 1. zur Vermeidung von Wiederholungen in vollem Umfang Bezug genommen werden.
2. Die Feststellungsklage ist auch begründet, weil die zunächst ausgesprochene Kündigung vom 28.12.2018 den Vorstandsdienstvertrag nicht zum 31.3. 2019 beenden konnte.
a. Allerdings konnte der Vorstandsdienstvertrag vom Beklagten aufgrund von § 113 InsO fristgemäß gekündigt werden. Nach § 113 Satz 1 InsO kann vom Insolvenzverwalter ein Dienstverhältnis, bei dem wie hier der Schuldner der Dienstberechtigte ist, ohne Rücksicht auf eine vereinbarte Vertragsdauer gekündigt werden. Im Augenblick der Kündigungserklärung bestand das Dienstverhältnis fort, nachdem die außerordentliche Kündigung des Vorstandsdienstvertrages in der Erklärung vom 17.6.2018 aus den oben genannten Gründen unwirksam war und die Eröffnung des Insolvenzverfahren nicht zur automatischen Beendigung des Vertrages führte; aus § 108 Abs. 1 Satz 1 InsO ergibt sich zwingend, dass die Dienstverhältnisse des Schuldners mit Wirkung für die Insolvenzmasse fortbestehen.
b. Allerdings konnte die Kündigung vom 28.12.2018 das Dienstverhältnis ebenso wie die erneute Kündigung, die mit Schreiben vom 3.1.2019 ausgesprochen wurde, das Dienstverhältnis erst zum 30.4.2019 und nicht bereits zum 31.3.2019 beenden. Die Kündigungsfrist beträgt gemäß § 113 Satz 2 InsO drei Monate zum Monatsende, wenn nicht – was hier angesichts der Befristung des Vorstandsdienstvertrages und dem damit verbundenen Ausschluss des Rechts zur ordentlichen Kündigung nicht der Fall ist – eine kürzere Frist maßgeblich ist. Entscheidend für den Beginn der Frist von drei Monaten ist entsprechend allgemeinen Grundsätzen der Rechtsgeschäftslehre der Zugang der Kündigung im Sinne des § 130 Abs. 1 BGB. Demgemäß muss die Kündigung spätestens am letzten Tag des dritten vorangegangenen Monats zugehen (vgl. Caspers in: Münchener Kommentar zur InsO, 4. Aufl., § 113 Rdn. 29). Der Zugang der Kündigung erfolgte vorliegend am 4.1.2019, weshalb der Vorstandsdienstvertrag erst zum 30.4.2019 durch die Kündigungserklärung vom 28.12.2018 beendet werden konnte. Eine empfangsbedürftige Willenserklärung wie die Kündigung ist erst dann zugegangen, wenn sie so in den Bereich des Empfängers gelangt ist, dass dieser unter normalen Umständen die Möglichkeit hat, vom Inhalt der Erklärung Kenntnis zu nehmen (vgl. nur BGH NJW 1980, 990 = WM 1980, 503, 504 = DB 1980, 1259 = BB 1980, 496 = MDR 1980, 573 = ZMR 1980, 204, 205 = WuM 1980, 195; DB 2011, 1798, 1799 f. = GmbHR 2011, 925, = ZIP 2011, 1562, 1563 = WM 2011, 1531, 1533 = GmbHR 2011, 925, 926 = MDR 2011, 1122 = NJW-RR 2011, 1184, 1185; Palandt-Ellenberger, BGB, 79. Aufl., § 130 Rdn. 5). Dieser tatsächliche Zugang im Machtbereich des Klägers erfolgte indes erst am 4.1.2019. Dem kann nicht entgegengehalten werden, der Kläger habe es unterlassen, seine neue Anschrift dem Beklagten mitzuteilen. Der Empfänger einer Willenserklärung kann sich nämlich nach Treu und Glauben (nur) dann nicht auf den verspäteten Zugang einer Willenserklärung berufen, wenn er die Zugangsverzögerung selbst zu vertreten hat. Nur in einem solchen Fall hat er sich so zu behandeln lassen, als habe der Erklärende – vorliegend also der Beklagte – die Fristen gewahrt. Wer aufgrund bestehender vertraglicher Beziehungen mit dem Zugang rechtserheblicher Erklärungen zu rechnen hat, muss geeignete Vorkehrungen treffen, damit ihn derartige Erklärungen auch erwerben. Unterlässt er dies, wird darin vielfach ein Verstoß gegen die durch den Abschluss eines Vertrages begründeten Sorgfaltspflichten liegen. Auch bei schweren Sorgfaltspflichtverstößen kann der Adressat aber regelmäßig nur dann so behandelt werden, wenn der Erklärende alles Erforderlich und ihm Zumutbare getan hat, damit seine Erklärung den Adressaten auch tatsächlich erreichen konnte (vgl. BGHZ 137, 205, 208 = NJW 1998, 976, 977 = ZIP 1998, 212, 213 = DB 1998, 618, 619 = BB 1998, 289 f. = WM 1998, 459, 460 = VersR 1998, 472, 473; BAG NZA 2006, 204, 205 = AP BGB § 130 Nr. 24; NZA 2008, 1155, 1160 = AP SGB IX § 85 Nr. 5; Hesse in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl., § 130 Rdn. 110; Palandt-Ellenberger, BGB, a.a.O., § 130 Rdn. 18; Müller-Glöge in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 20. Aufl., § 620 BGB Rdn. 54).
Vorliegend kann indes nicht davon ausgegangen werden, der Beklagte habe alles Erforderliche getan, um eine fristgerechte Zustellung noch im Dezember 2018 zu erreichen. Die fehlende Mitteilung einer neuen Anschrift an den Beklagten rechtfertigt nicht die Annahme einer Treuwidrigkeit des Klägers. Dieser hatte nämlich seinen nunmehrigen Prozessbevollmächtigten mit der Vertretung seiner rechtlichen Interessen im Zusammenhang mit der vom Aufsichtsrat der S… AG ausgesprochenen fristlosen Kündigung mandatiert und bereits mit Schriftsatz vom 9.11.2018 Klage erhoben, die dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 10.12.2018 zugestellt wurde. Dann aber hätte die Kündigung des Vorstandsdienstvertrages im Schreiben vom 28.12.2018 dem Prozessbevollmächtigten des Klägers zugestellt werden können, weil die Prozessvollmacht die Entgegennahme von Willenserklärungen umfasst, die – wie hier – den mit dem Feststellungsantrag verbundenen (weiteren) Streitgegenstand der Beendigung des Vorstandsdienstvertrages durch diese erneute Kündigung betrafen (vgl. BAG NJW 1988, 2691, 2693 = DB 1988, 1758, 1759 = MDR 1988, 890 f. = NZA 1988, 651, 654 = AP KSchG 1969 Nr. 19; Althammer in: Zöller, ZPO, a.a.O., § 81 Rdn. 10 und 11; Toussaint in: Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Aufl., § 81 Rdn. 25).
III.
Die Klage auf Feststellung der Verpflichtung des Beklagten zur Errichtung eines Konzernjahresabschlusses mit anschließender Feststellung zur Tabelle eines sich daraus ergebenden Erfolgsbonus ist zulässig und begründet.
1. Dem Kläger steht ein entsprechender Anspruch auf Erstellung eines Konzernjahresabschlusses für das Geschäftsjahr 2017 aus § 3 Ziff. 2 lit. a. in Verbindung mit §§ 280 Abs. 1, 286 Abs. 1 BGB zu. Dies ergibt eine Auslegung der vertraglichen Bestimmungen nach §§ 133, 157 BGB. Die Erstellung des Konzernjahresabschlusses dient zwar nicht primär den Interessen des einzelnen Vorstandsmitglieds, sondern soll der Information Außenstehender über die Lage des Konzerns dienen, weil ein Einzelabschluss bei enger wirtschaftlicher Verflechtung keinen zutreffenden Einblick in die wirtschaftliche Lage bietet (vgl. Grottel/Kreher in: Beck‘scher Bilanz-Kommentar, 12. Aufl., § 290 HGB Rdn. 1). Wenn aber wie hier in § 3 Ziff. 2 lit. a. der Erfolgsbonus anhand der Bezugsgröße auf Konzernebene ermittelt werden soll, hat auch der Kläger als Vorstand einen durchsetzbaren Anspruch auf Ermittlung des Konzernergebnisses aus einem Konzernabschluss. Andernfalls würde sein vertraglicher Anspruch aus der Vergangenheit ins Leere laufen. Dann aber muss unabhängig davon, ob sich die Schuldnerin auf größenabhängige Befreiungen berufen kann oder nicht, ein entsprechender Konzernabschluss erstellt werden. Dabei ist weder vorgetragen noch sonst erkennbar, dass der Beklagte als Insolvenzverwalter hierzu nicht über die erforderlichen Unterlagen verfügen würde. Aufgrund von § 290 Abs. Satz 1 HGB ist der Konzernjahresabschluss in den ersten fünf Monaten des Konzerngeschäftsjahres aufzustellen. Dies bedeutet, dass die Aufstellung bis spätestens 31.5.2018 hätte erfolgen müssen. Von diesem Zeitpunkt an war der zuständige Aufsichtsrat bereits in Verzug gewesen. Da für die Leistung der Feststellung des Konzernjahresabschlusses somit eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist, geriet die Schuldnerin mit Ablauf des 31.5.2018 aufgrund von § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB auch ohne Mahnung in Verzug, wobei der Verzug als Pflichtverletzung im Sinne des § 280 Abs. 1 BGB anzusehen ist.
2. Die Verzinsung des sich so ergebenden Betrages ist indes erst ab dem 29.6.2018 fällig geworden und mit 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu verzinsen.
a. Die Zahlung des Erfolgsbonus ist am 28.6.2018 fällig geworden entsprechend der Regelung in § 3 Abs. 2 lit. a, weshalb die Verzinsung gemäß § 187 BGB analog am 29.6.2018 zu laufen beginnt. Einer Mahnung bedurfte es auch hier nicht, so dass der Kläger gemäß §§ 286 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 1 Satz 1 BGB Verzugszinsen als Verzugsschaden verlangen kann.
b. Der Zinssatz beträgt aufgrund der Regelung in § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz. Die Regelung in § 288 Abs. 2 BGB mit dem höheren Zinssatz von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ist vorliegend nicht anwendbar, weil an dem Rechtsgeschäft ein Verbraucher beteiligt ist. Der Vorstand einer Aktiengesellschaft ist ähnlich wie der Geschäftsführer einer GmbH nicht Unternehmer, handelt also nicht im Rahmen einer selbstständigen beruflichen Tätigkeit im Sinne des § 14 Abs. 1 BGB, sondern im Rahmen des vereinbarten Dienstverhältnisses mit der Aktiengesellschaft. Daran vermag auch die organschaftliche Stellung als Vorstand nichts zu ändern, nachdem diese vom Vorstandsdienstvertrag zwingend zu trennen ist. Wesentlich ist weiterhin der Gedanke, dass der Vorstand im Gegensatz zum selbstständig beruflich Tätigwerdenden nicht das unmittelbare unternehmerische Risiko seiner Tätigkeit trägt. Auch die Orientierung eines Teils der Vergütung am wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens vermag daran nichts zu ändern. Ebenso wenig rechtfertigt die größere Selbstständigkeit des nicht weisungsgebunden agierenden Vorstands im Vergleich zum Geschäftsführer der GmbH eine andere Beurteilung (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 24.2.2012, Az. I-16 U 177/10; OLG Hamm AG 2007, 910, 911 f. = MDR 2007, 1438, 1439; Micklitz in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl., § 13 Rdn. 61).
3. Der Zahlungsanspruch in der Hauptsache wie auch der bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 14.11.2018 bestehende Zinsanspruch sind gem. § 38 InsO als Forderung des Gläubigers als Insolvenzgläubiger zur Insolvenztabelle im Sinne der §§ 174 Abs. 1, 175 Abs. 1 InsO anzumelden. Demgegenüber handelt es sich bei den seit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgelaufenen Zinsen um nachrangige Insolvenzforderungen, nachdem auch Verzugszinsen unter § 39 Abs. 1 Nr. 1 InsO fallen (vgl. nur Ehricke/Behme in: Münchener Kommentar zur InsO, 4. Aufl., § 39 Rdn. 16; Bäuerle in: Braun InsO, 8. Aufl., § 39 Rdn. 5).
IV.
Dem Kläger steht ein Anspruch auf Feststellung zur Insolvenztabelle hinsichtlich seiner Grundvergütung samt Zuschuss zur Kranken- und Pflegeversicherung sowie Handyzuschuss in Höhe von insgesamt € 67.874,10 ab dem Zeitpunkt der Kündigung bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus den monatlich geschuldeten Vergütungsbeträgen zu.
1. Der Anspruch des Klägers ergibt sich in der Hauptsache aus §§ 615 Satz 1, 293 ff. BGB. Nach § 615 Satz 1 BGB kann der Dienstverpflichtete die vereinbarte Vergütung verlangen, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein, wenn der Berechtigte mit der Annahme der Dienste in Verzug kommt. Somit setzt die Anspruchsgrundlage in Verbindung mit § 293 ff. BGB voraus, dass ein Dienstverhältnis vorliegt, der Verpflichtete seine Dienste angeboten und der Dienstberechtigte sie nicht angenommen hat.
a. Die Voraussetzungen dieser Anspruchsgrundlage müssen vorliegend bejaht werden.
(1) Zwischen den Parteien bestand ein wirksamer Vorstandsdienstvertrag im Sinne des § 611 BGB, der durch die außerordentliche Kündigung der S… AG nicht beendet wurde, wie oben unter I. 2. begründet wurde. Hierauf kann zur Vermeidung von Wiederholungen in vollem Umfang Bezug genommen werden.
(2) Die Schuldnerin befand sich in Annahmeverzug im Sinne der §§ 293 ff. BGB, weil bereits davon auszugehen sein wird, es bedurfte keines Angebots des Klägers. In dem Ausspruch der Kündigung liegt nämlich zugleich die Erklärung des Dienstberechtigten, er werde die Leistung nicht annehmen (vgl. BAG NJW 2012, 2905, 2906 = NZA 2012, 971, 972 = AP BGB § 615 Nr. 128). Abgesehen davon muss jedenfalls in dem Schreiben seines nunmehrigen Prozessbevollmächtigten vom 31.7.2019 ein wörtliches Angebot zur Erbringung seiner Dienste gesehen werden (vgl. BGH NJW-RR 1997, 537, 538 = NZA-RR 1997, 329, 330).
(3) Aufgrund der vertraglichen Regelung in § 8 Ziff. 2 des Vorstandsdienstvertrages über die Entgeltfortzahlung auch im Krankheitsfall über einen Zeitraum von sechs Monaten wird die Erkrankung des Klägers bis zum 30.9.2018 seinem Anspruch nicht entgegengehalten werden können.
b. Aufgrund von § 615 Satz 1 kann der Dienstverpflichtete die vereinbarte Vergütung verlangen.
(1) Der Umfang des Anspruchs umfasst folglich die Festvergütung in Höhe von € 12.500,- monatlich entsprechend § 3 Ziff. 1 des Vorstandsdienstvertrages sowie den Zuschuss zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von € 199,37 entsprechend § 3 Ziff. 5 des Vorstandsdienstvertrages sowie den Zuschuss zur Handynutzung mit einem Betrag von € 49,99 brutto. Die Kammer muss dabei von der Existenz des Handyvertrages mit 1 & 1 mit dem Tarif All-Net-Flat pro ausgehen. Der Kläger hat nämlich unwidersprochen vorgetragen, der Beklagte befinde sich im Besitz der entsprechenden Vertragsunterlagen. Dann aber hätte er substantiiert bestreiten müssen, warum es keinen Zuschuss für die Handynutzung in diesem Umfang geben solle.
(2) Einen weitergehenden Anspruch hinsichtlich des Umfangs der privaten Kfz-Nutzung hat der Kläger nicht nachgewiesen. So hat er – trotz Hinweises des Beklagten hierauf – die Fahrtenbücher, aus denen sich der Umfang seines Anspruchs ergeben soll, nicht vorgelegt. Allein aus dem Hinweis, aus welchen Positionen im Einzelnen sich der geldwerte Vorteil von € 1.939,43 errechnen lasse, genügt nicht, um daraus die konkrete Höhe des geltend gemachten Entgeltbestandteils abzuleiten.
(3) Für einen aufgrund von § 615 Satz 2 BGB anzurechnenden Verdienst im Umfang dessen, was der Kläger infolge des Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Dienste erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt, hat der Beklagte keinen hinreichend substantiierten Sachvortrag geleistet.
2. Die Ansprüche sind aufgrund von § 38 InsO zur Insolvenztabelle festzustellen, wie dies mit dem Hilfsantrag aus dem Schriftsatz vom 13.10.2019 zuletzt beantragt wurde. Bezüglich der Zinsen muss allerdings auch hier entsprechend den obigen Ausführungen unter III. 3. zwischen der Zeit vor und nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens differenziert werden.
a. Dies gilt ohne jeden Zweifel für den noch nicht bezahlten Anteil der Vergütung für den Monat Juni 2018 wie auch für den Monat Juli 2018.
Allerdings kann nichts anderes auch für die Vergütungen für die Monate August bis Oktober 2018 sowie den Anteil für den Monat November bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens gelten. Der mit dem Hauptantrag gestellte Zahlungsanspruch gegen den Beklagten lässt sich nicht als Anspruch qualifizieren, der gemäß § 55 Abs. 2 InsO nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Masseverbindlichkeit einzuordnen wäre. Verbindlichkeiten, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter begründet worden sind, auf den die Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners übergegangen ist, gelten aufgrund von § 55 Abs. 2 Satz 1 InsO nach der Eröffnung des Verfahrens als Masseverbindlichkeiten. Gleiches gilt nach § 55 Abs. 2 Satz 2 InsO für Verbindlichkeiten aus einem Dauerschuldverhältnis, soweit der vorläufige Insolvenzverwalter für das von ihm verwaltete Vermögen die Gegenleistung in Anspruch genommen hat. Die Voraussetzungen dieser Norm lassen sich vorliegend indes nicht bejahen.
Zum einen wird sich ein Anspruch aus § 615 Satz 1 BGB bereits nicht unter diese Vorschrift subsumieren lassen, weshalb er als Insolvenzforderung angesehen werden muss (vgl. BAG ZIP 2005, 1289, 1292 = BB 2005, 1685, 1687; Hefermehl in: Münchener Kommentar zur InsO, a.a.O., § 55 Rdn. 229). Es fehlt nämlich bereits an der Inanspruchnahme der Gegenleistung durch den Beklagten als Insolvenzverwalter. Insoweit unterscheidet sich die Situation entscheidend von der in den vom Kläger zitierten Entscheidungen des BGH vom 29.4.2004, Az. IX ZR 141/03 (DZWIR 2005, 116 ff. = WuM 2004, 545 ff.) und vom 3.4.2003, Az. IX ZR 101/02 (BGHZ 154, 358 ff. = NJW 2003, 2454 ff. = WM 2003, 1027 ff. = DB 2003, 1731 ff. = MDR 2003, 1015 ff. = ZVI 2003, 468 ff.), weil es dort jeweils um Ansprüche auf Mietzahlung ging. Die Miete ist indes unabhängig von einer konkreten tatsächlichen Nutzung des Mieters geschuldet.
Zum anderen kann der Beklagte nicht als „starker“ Insolvenzverwalter angesehen werden, auf den die Verfügungsbefugnis über das Vermögen der Schuldnerin übergegangen wäre. Der Beschluss des Amtsgerichts München – Insolvenzgericht – vom 1.8.2018 bestellte den Beklagten als „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalter im Sinne des § 22 Abs. 2 InsO; die Verfügungs- und Verwaltungsbefugnis über das Vermögen der Schuldnerin ging durch diesen Beschluss nicht auf den Beklagten über. Daran vermag auch nichts zu ändern, dass der Schuldnerin die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis sowie die Berechtigung zur Wahrnehmung der Gesellschafterrechte in Bezug auf insgesamt sechs Tochtergesellschaften entzogen wurde und dementsprechend die Pflichten des Beklagten als vorläufiger Insolvenzverwalter erweitert wurde. Bei dieser Ermächtigung durch das Gericht handelt es sich indes nicht um eine Ermächtigung zur Eingehung von Verbindlichkeiten zu Lasten der späteren Masse. Das Insolvenzgericht kann Einzelermächtigungen wie hier aussprechen, die aber nicht mit einem allgemeinen Verfügungsverbot gleichgesetzt werden können. Diese Einzelermächtigungen sind erforderlich, um auch einem nicht verfügungsbefugten Insolvenzverwalter die Erfüllung seiner Aufgaben zu ermöglichen. Aus der Ermächtigung muss eindeutig und unmissverständlich zu erkennen sein, mit welchen Befugnissen der vorläufige „schwache“ Insolvenzverwalter ausgestattet ist (vgl. BGH NJW 2015, 1171, 1173 = NZG 2015, 521, 523 = ZIP 2015, 434, 436 f. = WM 2015, 385, 387 = DB 2015, 427, 430 = MDR 2015, 734 f. = DZWIR 2015, 334, 337; Hefermehl in: Münchener Kommentar zur InsO, a.a.O., § 55 Rdn. 221 f.). Im Rahmen des Sicherungszwecks obliegt dem vorläufigen Insolvenzverwalter in erster Linie die Aufsicht und Kontrolle der Geschäftstätigkeit der Schuldnerin. Dieser strukturelle Unterschied verbietet indes die Gleichstellung mit dem starken vorläufigen Insolvenzverwalter, weshalb er keine Verpflichtungen zu Lasten der Masse eingehen kann. Nur innerhalb der dem „schwachen“ Insolvenzverwalter eingeräumten Befugnisse kann er dem „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalter gleichgesetzt werden (vgl. Hefermehl in: Münchener Kommentar zur InsO, a.a.O., § 55 Rdn. 226). Von dieser konkreten Ermächtigung war der Vorstandsdienstvertrag mit dem Kläger ausweislich des Beschlusses des Amtsgerichts München – Insolvenzgericht – vom 1.8.2018 nicht umfasst.
Eine analoge Anwendung von § 55 Abs. 2 Satz 2 InsO kommt in der vorliegenden Konstellation gleichfalls nicht in Betracht. Der Wortlaut zeigt durch die Formulierung „Gleiches gilt…“, dass in Satz 2 nur der in § 55 Abs. 2 Satz 1 InsO angesprochene starke vorläufige Insolvenzverwalter gemeint sein kann. Eine Analogie ist zulässig und geboten, wenn das Gesetz eine planwidrige Regelungslücke enthält und der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht so weit mit dem Tatbestand vergleichbar ist, den der Gesetzgeber geregelt hat, dass angenommen werden kann, der Gesetzgeber wäre bei einer Interessenabwägung, bei der er sich von den gleichen Grundsätzen hätte leiten lassen wie bei dem Erlass der herangezogenen Gesetzesvorschrift, zu dem gleichen Abwägungsergebnis gekommen (vgl. BGH NJW 2007, 3124, 3125; NZM 2016, 890, 891). Eine planwidrige Regelungslücke kann indes nicht bejaht werden. Der Gesetzgeber hat in § 22 Abs. 1 InsO nur die Rechtsstellung des vorläufigen Insolvenzverwalters mit begleitendem allgemeinem Verfügungsverbot näher geregelt. Daran knüpft die Regelung des § 55 Abs. 2 InsO die Schutzbedürftigkeit des Vertragspartners eines solchen vorläufigen Insolvenzverwalters. Wird dagegen kein allgemeines Verfügungsverbot erlassen, bleibt die Ausgestaltung der vorläufigen Insolvenzverwaltung der Bestimmung des Insolvenzgerichts in jedem Einzelfall überlassen. Allenfalls an solchen Einzelordnungen kann sich ein Vertrauen der Geschäfts- und Vertragspartner ausrichten. Eine allgemeine Erstreckung auf den vorläufigen Insolvenzverwalter im Sinne des § 22 Abs. 2 InsO lässt sich daraus aber nicht begründen (vgl. BGHZ 151, 353, 358 ff. = NJW 2002, 3326, 3327 f. = ZIP 2002, 1625, 1627 = WM 2002, 1888, 1890 f. = DB 2002, 2100, 2101 = BB 2002, 1927, 1928 f. =NZI 2002, 543, 544 f. = NZM 2002, 859, 860 f.; Thole in: Karsten/Schmidt, InsO, 19. Aufl., § 55 Rdn. 41; Bäuerle/Migletti in: Braun, InsO, a.a.O., § 55 Rdn. 94), weil er im Gegensatz zum starken vorläufigen Insolvenzverwalter nicht umfassend für die Schuldnerin handeln darf und dies nur aufgrund eines allgemeinen Verfügungsverbots gerechtfertigt sein kann. Daran vermag dann aber auch der Umfang des Vermögens der Schuldnerin vorliegend nichts zu ändern, weil eine solche Erweiterung der Befugnisse mit dem auf dem Gedanken des Vertrauensschutzes der Geschäftspartner und dem Gedanken der Rechtssicherheit nicht vereinbar wäre.
b. Angesichts dessen konnte auch der Hilfsantrag auf Feststellung als Masseforderung zugunsten des Klägers und Behandlung als Masseverbindlichkeit keinen Erfolg haben.
2. Die Entscheidung über die Zinsen ergibt sich aus §§ 280, 286 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 1 BGB.
a. Der Beklagte befand sich auch ohne Mahnung mit diesen Zahlungen der monatlichen Vergütung in Verzug.
(1) Da der Vorstandsdienstvertrag keine Regelung über die Fälligkeit der monatlichen und damit nach Zeitabschnitten zu entrichtenden Vergütung enthielt, findet die gesetzliche Regelung aus § 614 BGB Anwendung, wonach die Vergütung nach dem Ablauf der einzelnen Zeitabschnitte zu entrichten ist. Folglich tritt Fälligkeit am Ersten des Folgemonats ein, weshalb Verzugszinsen ab dem zweiten Tag des Folgemonats geschuldet werden. Verzug tritt nämlich nur dann ein, wenn der Dienstberechtigte an diesem Tag nicht leistet. Fällt der Fälligkeitstag nun auf einen Samstag, Sonn- oder Feiertag, verschiebt sich der Zeitpunkt der Fälligkeit auf den nächsten und der Eintritt des Verzugs auf den übernächsten Werktag gemäß §§ 286 Abs. 3, 193 BGB (vgl. BAG AP BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 176). Diese Erwägungen gelten aber auch für die Vergütung des Monats Juni, bei der Fälligkeit am Tag nach der (vermeintlichen) Beendigung des Vorstandsdienstvertrages eingetreten ist, so dass die Verzinsung ab dem 19.6.2018 auszusprechen war.
(2) Dabei sind die Verzugszinsen nach § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB aus der in Geld geschuldeten Bruttovergütung zu zahlen. Die Verpflichtung zur Zahlung des Bruttoentgelts stellt nämlich in vollem Umfang eine Geldschuld des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer dar. Ist Inhalt der Vergütungsvereinbarung eine Geldleistung, lautet die Verpflichtung des Dienstverpflichteten auf Zahlung einer bestimmten Summe Geldes des sogenannten Bruttobetrages. Die „vereinbarte Vergütung“ im Sinne des § 611 BGB ist mangels abweichender Regelung der Vertragsparteien ein Bruttoentgelt, das regelmäßig öffentlich-rechtlichen Abzügen unterliegt. Die arbeitsrechtliche Vergütungspflicht beinhaltet indes nicht nur die Nettoauszahlung, sondern umfasst auch die Leistungen, die nicht in einer unmittelbaren Auszahlung an den Dienstverpflichteten bestehen. Dementsprechend kann die Klage auf Entgeltzahlung auch auf den Bruttobetrag gerichtet werden. Bei der Zwangsvollstreckung aus einem derartigen Urteil ist der gesamte Betrag beizutreiben. Abzug und Abführung von Gehaltsbestandteilen betreffen nur die Frage, wie der Arbeitgeber seine Zahlungspflicht gegenüber dem Arbeitnehmer erfüllt. Der Dienstberechtigte nimmt insoweit eine Aufgabe der Finanzbehörden wahr; dadurch ist sichergestellt, dass der Dienstverpflichtete Teile der Arbeitsvergütung in der steuerrechtlich vorgeschriebenen Weise verwendet. Einer vollständigen Auszahlung der Vergütung an den Arbeitnehmer steht zwar regelmäßig entgegen, dass es sich bei den der Einkommensteuer unterliegenden Einkünften um solche aus nicht selbständiger Arbeit im Sinne der §§ 2 Abs. 1 Nr. 4, 19 EStG handelt. Dabei wird die Einkommensteuer nach § 38 Abs. 1 EStG durch Abzug vom Arbeitslohn erhoben; gleichwohl ist die einbehaltene Lohn- bzw. Einkommensteuer ein dem Arbeitnehmer verschaffter Vermögenswert, wobei der Arbeitnehmer Schuldner der Steuer ist. Die Abführung an das Finanzamt durch den Dienstverpflichteten nach § 41 a EStG erfolgt zugunsten des Dienstverpflichteten als Vorauszahlung auf dessen zu erwartende Einkommensteuerschuld. Materiell handelt es sich somit um eine Leistung an den Dienstverpflichteten, die nur aus formellen Gründen des Steuerrechts zur Vereinfachung des Verfahrens vom Dienstberechtigten unmittelbar an das Finanzamt erbracht wird. Eine Veränderung des materiellen Charakters der Zahlung an den Dienstverpflichteten ist damit nicht verbunden. Dementsprechend erhält dieser die abgeführte Steuer unter Umständen im Wege der Veranlagung teilweise oder ganz erstattet. Folglich wird dem Dienstverpflichteten nicht nur der Nettobetrag vorenthalten, wenn der Dienstverpflichtete das Entgelt nicht bezahlt. Demgemäß kommt der Beklagte mit der gesamten Bruttovergütung in Verzug, wenn er nach dem Eintritt der Fälligkeit nicht leistet (vgl. BAG NJW 2001, 3570, 3571 = ZIP 2001, 1929, 1930 f. = DB 2001, 2196 f. = BB 2001, 2270 ff. = NZA 2001, 1195 = RdA 2012, 177 f. = AP BGB § 288 Nr. 4; Ernst in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl., § 288 Rdn. 15; Feldmann in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2019, § 288 Rdn. 30; Palandt-Grüneberg, BGB, a.a.O., § 288 Rdn. 6; a.A. nicht überzeugend Löwisch RdA 2002, 182 ff.; Hanau Anm. zu AP BGB § 288 Nr. 4).
b. Hinsichtlich der Höhe des Zinssatzes kann zur Vermeidung von Wiederholungen auf die obigen Ausführungen unter III. 2. b. verwiesen werden.
V.
Dem Kläger steht ein Anspruch auf eine krankheitsbedingt gekürzte Leistungsprämie in Höhe von € 21.920,21 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1.9.2019 zu, wovon nur die Zinsen nach dem 14.11.2018 als nachrangige Insolvenzforderung zur Insolvenztabelle festzustellen sind.
1. a. Der Anspruch auf die Leistungsprämie für den Zeitraum vom 1.1.2018 bis zum 18.6.2018 ergibt sich aus § 280 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 3 Ziff. 2 lit. b. des Vorstandsdienstvertrages. Da innerhalb der Fristen des § 3 Ziff. 2 keine Zielvereinbarung für das Geschäftsjahr 2018 getroffen wurde, hat die Schuldnerin ihre Pflichten aus § 3 Ziff. 2 lit. b. Satz 2 des Vorstandsdienstvertrages verletzt, wonach der Aufsichtsrat jeweils zwei Monate vor Ende eines Geschäftsjahres im Rahmen der jeweiligen Zielvereinbarung für das kommende Geschäftsjahr – hier also für das Jahr 2018 – für das Vorstandsmitglied Zielvorgaben unter Berücksichtigung einer nachhaltigen Unternehmensentwicklung und der Angemessenheit der Gesamtbezüge des Vorstandsmitglieds festlegen soll. Aufgrund dieser Nebenpflichtverletzung der Schuldnerin durch Unterlassung der Vorgaben in einer Zielvereinbarung schuldet der Beklagte dem Kläger aufgrund von §§ 280 Abs. 1 und Abs. 3, 283 Satz 1, 252 BGB Schadensersatz. Nach Ablauf der Periode wird die Feststellung von Zielen für das Geschäftsjahr unmöglich, weshalb der Kläger statt der Festlegung von Zielen Schadensersatz verlangen kann. Dessen Umfang richtet sich nach § 252 BGB. Aufgrund von § 252 Satz 2 BGB gilt als entgangen der Gewinn, welcher nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder nach den besonderen Umständen mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte. Dabei ist davon auszugehen, dass dem Vorstandsmitglied vom Aufsichtsrat gesetzte oder zwischen den beiden Organen vereinbarte Ziele auch tatsächlich erreicht werden, wenn sich nicht aus den besonderen Umständen des Einzelfalles etwas anderes ergibt (vgl. BAG NJW 2008, 872, 877 f. = DB 2008, 473, 476 f. = MDR 2008, 573 = NZA 2008, 409, 415 = AP BGB § 280 Nr. 7; LAG Rheinland-Pfalz BeckRS 2016, 66012; Preis in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 20. Aufl., § 611 a BGB Rdn. 504). Zu derartigen Umständen hat der insoweit darlegungs- und beweispflichtige Beklagte keinen Sachvortrag geleistet. Angesichts dessen kann die vom Kläger in seinem Antrag vom 13.10.2019 vorgenommene Berechnung zugrunde gelegt werden.
b. Hinsichtlich der Verzinsung kann auf die obigen Ausführungen unter IV. 2. Bezug genommen werden.
2. Da der Anspruch vor Insolvenzeröffnung entstanden ist, ist er entsprechend § 38 InsO zur Tabelle festzustellen. Hinsichtlich der Zinsen gilt dieselbe Differenzierung, wie sie oben unter III. 3. dargestellt wurde.
VI.
Die Klage auf Zahlung von Neumasseverbindlichkeiten ist zulässig und für den Zeitraum ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom 15.11.2018 bis zum 24.1.2019 in Höhe von € 29.748,51 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz für die einzelnen Monate sowie für den Zeitpunkt ab Anzeige der Masseunzulänglichkeit in Höhe von € 40.797,95 brutto nebst den Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz für die einzelnen Monate begründet.
1. a. Dem Kläger steht in der Hauptsache ein entsprechender Zahlungsanspruch aus §§ 615 Satz 1, 293 ff. BGB zu, wobei zur Vermeidung von Wiederholungen zur Begründung des Anspruchs jeweils auf die obigen Ausführungen unter IV. 1. Bezug genommen werden kann. Zudem ist in diesem Zeitraum auch nicht vorgetragen, dass der Kläger krank war.
b. Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 280 Abs. 1, 286 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 1 BGB. Zur Vermeidung von Wiederholungen kann auf die obigen Ausführungen unter IV. 2. Bezug genommen werden.
2. Dieser auf Annahmeverzug begründete Anspruch ist ab der Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Masseverbindlichkeit im Sinne des § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO einzustufen (vgl. BAG NZA 2007, 36, 37 = BB 2006, 2825 = NJW 2007, 2796, 2797 = AP BGB § 615 Nr. 118; Belling/Riesenhuber in: Erman, BGB, 15. Aufl., § 615 Rdn. 43).
3. Auch für die Zeit ab der Anzeige der Masseunzulänglichkeit bis zum 30.4.2019 steht dem Kläger ein entsprechender Zahlungsanspruch in Höhe von € 40.797,95 brutto zu, den er im Wege der Leistungsklage zulässigerweise verfolgen kann. Namentlich kann ihm nicht das Rechtsschutzbedürfnis abgesprochen werden.
a. Zwar muss im Ausgangspunkt davon ausgegangen werden, dass die Anzeige der Masseunzulänglichkeit im Sinne des § 208 Abs. 1 Satz 1 InsO dazu führt, dass eine Leistungsklage mit Blick auf die Regelungen in § 210 InsO über das Vollstreckungsverbot bezüglich übriger Masseverbindlichkeiten nach § 209 Abs. 1 Nr. 3 InsO regelmäßig unzulässig wird und der Kläger eine im Sinne des § 264 Nr. 3 ZPO zulässige Klageänderung auf Feststellung der Forderung als Masseforderung vornehmen muss. Dies resultiert aus der Erwägung heraus, dass es nur durch diese Bindungswirkung im Sinne einer Tatbestandswirkung dem Insolvenzverwalter ermöglicht wird, die noch vorhandene Insolvenzmasse gemäß § 208 Abs. 3 InsO auf rechtlich gesicherter Grundlage zu verwerten. Im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens hatte der Deutsche Bundestag – im Gegensatz zum Regierungsentwurf – bereits der Anzeige der Masseunzulänglichkeit durch den Insolvenzverwalter eine solche konstitutive Wirkung beigemessen. Als Folge davon hat der Insolvenzverwalter vorauszuplanen, wie er künftig die Insolvenzmasse möglichst günstig abwickeln kann. Jede verlässliche Berechnungsgrundlage würde indes zerstört, wenn sie aufgrund einer Vielzahl von Klagen der Altmassegläubiger laufend und unbefristet zur Überprüfung durch unterschiedliche Prozessgerichte gestellt würde (vgl. BGHZ 154, 358, 360 ff. = NJW 2003, 2454 = ZIP 2013, 914, 915 = WM 2003, 1027, 1028 = DB 2003, 1731 = ZVI 2003, 468, 469; ZIP 2019, 1075, 1076 = WM 2019, 1029, 1030 = MDR 2010, 829 = NZI 2019, 505; Ries in: Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl., § 55 Rdn. 50; Hefermehl in: Münchener Kommentar zur InsO, a.a.O., § 208 Rdn. 65).
b. Doch kann dieser Grundsatz nicht uneingeschränkt gelten. Ausnahmen müssen für Fallgestaltungen anerkannt werden, in denen dem Insolvenzverwalter unredliches Verhalten vorgeworfen werden muss, er arglistig handelt oder ein ausreichender Massebestand gerichtskundig ist und deshalb keines Beweises bedarf (vgl. BGHZ 167, 178, 189 = NJW 2006, 2997, 3000 f. = ZIP 2006, 1004, 1008 = WM 2006, 970, 973 f. = BB 2006, 1523, 1526 = ZVI 2006, 303, 306 = NZI 2006, 392, 394 f.; Ries in: Uhlenbruck, InsO, a.a.O., § 208 Rdn. 50). Dies resultiert insbesondere aus der Erwägung heraus, dass es den Rechtsmissbrauch einer formal bestehenden Position darstellt, wenn eindeutig erkennbar ist, dass diese Voraussetzungen nicht bejaht werden können. Von einer derartigen Konstellation muss vorliegend ausgegangen werden. Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 13.10.2019 unter Hinweis auf das Insolvenzgutachten vom 2.11.2019 vorgetragen, die prognostizierte freie Masse betrage € 1.486.226,44 bei fälligen Masseverbindlichkeiten und sämtlichen Verfahrenskosten von € 141.755,13. Der Beklagte hat diesen Vortrag in den nachfolgenden Schriftsätzen nicht bestritten, weshalb er gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden gilt. Die verbleibende Masse von ca. € 1,3 Mio. ist indes durchaus ausreichend, um die dem Kläger zustehenden Masseforderungen befriedigen zu können. Dann aber kann die Anzeige der Masseunzulänglichkeit ausnahmsweise keine Bindungswirkung für diesen Prozess entfalten.
VII.
1. Dem Kläger steht aus §§ 615 Satz 1, 293 ff. BGB i.V. m. § 3 Ziff. 2 lit. a. ein Anspruch auf die Leistungsprämie für den Zeitraum vom 25.1.2018 bis zum 30.4.2019 – also dem Zeitpunkt der Beendigung des Vorstandsdienstvertrages – in Höhe von € 10.520,55 brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 22.10.2019 zu. Zur Begründung des Zahlungsanspruchs kann in vollem Umfang auf die obigen Ausführungen unter V. zu den Voraussetzungen der Leistungsprämie Bezug genommen werden. Hinsichtlich der Möglichkeit der Leistungsklage gelten dieselben Erwägungen wie oben unter VI. 3., worauf zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird.
2. Der Zinsanspruch besteht ab dem 22.10.2019, weil der Beklagte ohne Mahnung mit der Beendigung des Dienstvertrages in Verzug geraten ist. Spätestens zu diesem Zeitpunkt war der Anspruch fällig.
VIII.
Die auf Zahlung der Grundvergütung einschließlich des Zuschusses zur Kranken- und Pflegeversicherung sowie zum Handyvertrag mit 1 & 1 sowie auf die Kfz-Nutzungsentschädigung ist als Feststellungsklage mit dem Ziel der Feststellung als Insolvenzforderung zulässig und mit Ausnahme der Kfz-Nutzungsentschädigung auch begründet. Dem Kläger steht für die Zeit vom 1.5.2019 bis zum 20.10.2019 ein entsprechender Zahlungsanspruch in Höhe von € 71.821,39 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz entsprechend dem festgestellten Zinsbeginn sowie auf die Leistungsprämie in Höhe von € 18.849,32 brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten seit dem 22.10.2019 zu.
1. a. Der Anspruch in der Hauptsache ergibt sich aus §§ 113 Satz 3 InsO, 87 Abs. 3 AktG, wobei die zeitliche Begrenzung aus § 87 Abs. 3 AktG auf zwei Jahresgehälter vorliegend nicht zum Tragen kommt. Kündigt der Verwalter ein Dienstverhältnis aufgrund von § 113 Satz 1 InsO, so kann der andere Teil wegen der vorzeitigen Beendigung des Dienstverhältnisses als Insolvenzgläubiger Schadensersatz verlangen. Gegenstand des Ersatzanspruchs ist das Entgelt für den Zeitraum, um den sich die Zeitspanne infolge der vorzeitigen Kündigung verkürzt hat (vgl. OLG Celle ZIP 2018, 2281 f. = GmbHR 2018, 1314 = ZVI 2019, 69 = MDR 2019, 250 = NZI 2018, 946; Caspers in: Münchener Kommentar zur InsO, a.a.O., § 113 Rdn. 84; Beck in: Braun, InsO, a.a.O., § 113 Rdn. 17). Damit aber kann der Kläger sowohl die Grundvergütung in Höhe von € 12.749,36 brutto für jeden Monat sowie anteilig für den Monat Oktober 2019 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem zweiten Werktag des Folgemonats verlangen, wobei Samstag kein Werktag ist, ebenso verlangen wie die Leistungsprämie in Höhe von € 18.849,32 brutto nebst Zinsen hieraus seit dem 22.10.2018. Insoweit gelten bezüglich der Berechnung der Vergütung wie auch der Zinsen die oben dargestellten Erwägungen in gleicher Weise.
b. Der Anspruch auf die Zinsen ergibt sich aus §§ 280, 286 Abs. 1 und abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 1 BGB. Zur Begründung kann auf die obigen Ausführungen unter IV. 2. b. verwiesen werden.
2. Allerdings kann der Kläger nicht Zahlung verlangen, sondern nur Feststellung der Forderungen zur Insolvenztabelle. Die Vorschrift des § 113 Satz 3 InsO weist ausdrücklich darauf hin, dass der andere Teil – hier also der Kläger, demgegenüber der Beklagte als Insolvenzverwalter die Kündigung ausgesprochen hat – Schadensersatz als Insolvenzgläubiger verlangen kann. Damit aber nimmt die Vorschrift Bezug auf § 38 InsO, auch wenn der Anspruch erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Folge der Kündigung begründet worden sein wird. Da die Insolvenzgläubiger ausdrücklich von Massegläubigern im Sinne des § 53 InsO abzugrenzen sind, (vgl. Sinz in: Uhlenbruck, InsO, a.a.O., § 38 Rdn. 2) kann es nicht darauf ankommen, dass die Ansprüche aus Annahmeverzug ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens entsprechend den obigen Ausführungen als Masseforderung einzuordnen sind. Angesichts der eindeutigen Regelung in § 113 InsO kann es auch nicht auf die Masseunzulänglichkeit und die hierzu bejahende Ausnahme ankommen; § 113 InsO muss insofern als lex specialis angesehen werden.
Da die Klage nur zum Teil Erfolg hatte, musste sie im Übrigen abgewiesen werden.
IX.
1. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§ 92 Abs. 1, 91 a Abs. 1 ZPO. Dabei war auch im Rahmen der einheitlichen Kostenentscheidung über die teilweise übereinstimmende Erledigterklärung zu befinden. Da dem Kläger unstreitig ein derartiger Anspruch zustand, hätte die Klage bis zur Feststellung dieses Anspruchs zur Insolvenztabelle durch den Insolvenzverwalter Erfolg gehabt. Soweit der Kläger Zahlung verlangt hat, jedoch nur die Feststellung der Forderung zur Insolvenztabelle ausgesprochen werden konnte, ist von einem hälftigen Unterliegen des Klägers im Zeitraum vom 1.8.2018 bis zum 14.11.2018 auszugehen. Bei der Feststellung der Relation des Obsiegens und Unterliegens waren – anders als beim Streitwert – auch die Zahlungsansprüche mit einzubeziehen. Soweit der Kläger von vornherein nur Feststellung zur Insolvenztabelle beantragt hat, wurde in Anwendung von § 182 InsO von 1/4 des Zahlungsbetrages ausgegangen. Soweit der Kläger Zahlung beantragt hat, aber nur die Feststellung zur Insolvenztabelle ausgesprochen werden konnte, wurde hinsichtlich der einzelnen Beträge von einem hälftigen Unterliegen ausgegangen.
2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit resultiert für den Kläger aus § 709 Satz 1 und Satz 2 ZPO, in Bezug auf den Beklagten aus §§ 708 Nr. 11, 711, 709 S. 2 ZPO.
3. Die Entscheidung über den Streitwert hat ihre Grundlage in §§ 48 Abs. 1 GKG, 3, 5 ZPO, 182 InsO. Da der Kläger die Feststellung des Fortbestandes des Dienstvertrages und Zahlung der Vergütung gefordert hat, ist von wirtschaftlicher Identität dieser Streitgegenstände auszugehen. Dabei ist höhere Wert maßgeblich, der sich aus der Summe der Zahlungsbeträge und dem mit € 50.000,- zu bemessenden Antrag hinsichtlich der Erstellung des Konzernjahresabschlusses ergibt. Angesichts der übereinstimmenden Erledigterklärung war der Streitwert gestaffelt festzusetzen, wobei ab der übereinstimmenden Erledigterklärung der Streitwert maßgeblich ist, über den noch streitig in der Hauptsache entschieden werden musste (vgl. BGH NJW 2013, 2361, 2362 f. = MDR 2013, 671 = NZM 2013, 825, 827; OLG Karlsruhe NJW-RR 2013, 444 f.; OLG Köln MDR 2014, 562; Herget in: Zöller, ZPO, a.a.O., § 3 Rdn. 16.67).


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