Arbeitsrecht

Antragsgegner, Versorgungsausgleichsverfahren, Grobe Unbilligkeit, Zugewinnausgleichsverfahren, Ausgleichswert, Geschiedene Ehegatten, Vermögensauseinandersetzung der Ehegatten, Gewöhnlicher Aufenthalt, Getrenntleben, Anzuwendendes Recht, Angaben des Antragstellers, Zuwendungen, Ehezeitanteil, Scheidungsantrag, Ende der Ehezeit, Elektronischer Rechtsverkehr, Elektronisches Dokument, Korrespondierender Kapitalwert, Anspruch auf Zugewinnausgleich, Beherbergungsbetrieb

Aktenzeichen  1 F 524/19

Datum:
28.7.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 41508
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 1375
BGB § 1567

 

Leitsatz

Tenor

1. Die am … vor dem Standesbeamten des Standesamtes … Register Nr. 20/2002) geschlossene Ehe der beteiligten Ehegatten wird geschieden.
2. Im Wege der externen Teilung wird zu Lasten des Anrechts des Antragstellers bei der … (Vers. Nr. Angemeldetennummer: …) zugunsten der Antragsgegnerin ein Anrecht in Höhe von monatlich auf dem vorhandenen Konto …, bezogen auf den 28.02.2019, begründet. Der Ausgleichswert ist in Entgeltpunkte umzurechnen.
Im Wege der internen Teilung wird zu. Lasten des Anrechts der Antragsgegnerin bei der Ein Ausgleich des Anrechts der Antragsgegnerin bei dem …
3. Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Gründe

1. Scheidung
Die Ehegatten haben am … vor dem Standesbeamten des Standesamtes unter Heiratsregister Nr. 20/2002 die Ehe miteinander geschlossen.
Der Scheidungsantrag wurde der Antragsgegnerin am 27.03.2019 zugestellt. Er wurde ihr im Rahmen des Termins vom 27.03.2019 zum Zwecke der Zustellung übergeben (Bl. 25 d.A.).
Der Antragsteller behauptet, dass die Beteiligten seit dem Jahr 2010 voneinander getrennt leben. Die Antragsgegnerin bestreitet dies. Die Trennung sei erst im März 2019 erfolgt. Die Antragsgegnerin sei kurz zuvor nach Deutschland eingereist. Bei ihrer Ankunft habe sich der Antragsteller überraschenderweise geweigert, sie Antragsgegnerin mit in die eheliche Wohnung zu nehmen. Dies offensichtlich deshalb, weil er sich mittlerweile einer anderen Frau zugewandt habe.
Der Antragsteller trägt vor, die Ehe sei gescheitert. Er beantragt, die Ehe der Beteiligten zu scheiden. Die Antragsgegnerin stimmt der Scheidung nicht zu.
Die Eheschließung und die Staatsangehörigkeit der Ehegatten wurden durch öffentliche Urkunden nachgewiesen.
Im Übrigen wird auf den Akteninhalt, insbesondere auf das weitere schriftliche Beteiligtenvorbringen und die Feststellungen zu gerichtlichem Protokoll, verwiesen.
Der Scheidungsantrag ist zulässig.
Das Amtsgericht Würzburg ist international und örtlich zuständig (§ 97 Abs. 1 FamFG, Artikel 3 der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates vom 27. November 2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000; § 122 FamFG).
Das auf die Ehescheidung anzuwendende Recht bestimmt sich nach der Verordnung (EU) Nr. 1259/2010 des Rates vom 20. Dezember 2010 zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich des auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts, weil dieses Verfahren nach dem 20.06.2012 im Sinne der Anhängigkeit der Hauptsache bei Gericht eingeleitet worden ist (Artikel 1, 4, 18 der Verordnung (EU) Nr. 1259/2010).
Die Ehescheidung richtet sich mangels einer wirksamen Rechtswahl nach Artikel 5 bis 7 der Verordnung (EU) Nr. 1259/2010 nach deutschem Recht. Für die Bestimmung des auf die Ehescheidung anzuwendenden Rechts ist vorliegend das Recht des Staates des angerufenen deutschen Gerichts, somit deutsches Recht, maßgebend (Artikel 8 lit. d der Verordnung (EU) Nr. 1259/2010 des Rates vom 20. Dezember 2010 zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich des auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts), weil die Voraussetzungen einer vorrangigen Anknüpfung an einen gewöhnlichen Aufenthalt oder gemeinsamen Staatsangehörigkeit der Ehegatten zum relevanten Zeitpunkt nicht vorliegen. Zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts hatten die Ehegatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt in verschiedenen Staaten, sodass Artikel 8 lit. a der Verordnung (EU) Nr. 1259/2010 nicht eingreift. Die Voraussetzungen nach Artikel 8 lit. b der Verordnung (EU) Nr. 1259/2010 liegen ebenfalls nicht vor, da der letzte gewöhnliche Aufenthalt der Ehegatten vor mehr als einem Jahr vor Anrufung des Gerichtes endete bzw. keiner der Ehegatten zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts seinen gewöhnlichen Aufenthalt noch in diesem Staat hatte. Weiterhin besaßen die Ehegatten zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts keine gemeinsame Staatsangehörigkeit nach Art. 8 lit. c der Verordnung (EU) Nr. 1259/2010.
Der Scheidungsantrag ist begründet, weil die Ehe der Ehegatten gescheitert ist (§§ 1564 Satz 1 und 3, 1565 Abs. 1 Satz 1 BGB).
Das Familiengericht ist aufgrund des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung davon überzeugt, dass die Ehegatten seit mindestens März 2019 im Sinne von § 1567 BGB voneinander getrennt leben.
Die eheliche Lebensgemeinschaft der Ehegatten besteht somit seit mindestens einem Jahr nicht mehr. Die Antragsgegnerin stimmt der Scheidung zwar nicht zu, so dass keine unwiderlegbare Vermutung für das Scheitern der Ehe spricht (§ 1566 Abs. 1 BGB). Das Gericht ist aber aufgrund der Anhörung der Beteiligten davon überzeugt, dass die Ehe gescheitert ist. Der Antragsteller hat im Termin vom 05.07.2021 glaubhaft erklärt, dass er sich einer anderen Frau zugewandt habe. Es handele sich dabei um Frau mit der er seit März 2018 zusammen wohne. Sie wollten heiraten. Als die Antragsgegnerin im März 2018 in Würzburg gewesen sei, habe sie nicht bei ihm gewohnt, sondern in einer Pension. Er sei damals bereits mit seiner neuen Partnerin zusammen gewesen. Sie hätten aber noch nicht zusammen gewohnt. Diese Angaben decken sich mit den Angaben der Antragsgegnerin im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung im Termin vom 27.03.2019. Sie erklärte, dass die Wohnung des Antragstellers bei ihrem Aufenthalt in Deutschland im Jahr 2018 „besetzt“ gewesen sei, weshalb sie andernorts gewohnt habe. Unter diesen Umständen kann nicht erwartet werden, dass die Ehegatten die Lebensgemeinschaft wieder herstellen werden.
2. Versorgungsausgleich
Nach § 1 VersAusgIG sind im Versorgungsausgleich die in der Ehezeit erworbenen Anteile von Anrechten jeweils zur Hälfte zwischen den geschiedenen Ehegatten zu teilen. Die Ehezeit beginnt mit dem ersten Tag des Monats der Eheschließung und endet am letzten Tag des Monats vor Zustellung des Scheidungsantrags (§ 3 Abs. 1 VersAusglG).
Anfang der Ehezeit: 01.12.2002
Ende der Ehezeit: 28.02.2019
Ausgleichspflichtige Anrechte
In der Ehezeit haben die beteiligten Ehegatten folgende Anrechte erworben:
Der Antragsteller:
Gesetzliche Rentenversicherung
1. Bei der Deutschen Rentenversicherung Bund hat der Antragsteller keine Anteile in der Ehezeit erworben.
Beamtenversorgung
2. Bei der … hat der Antragsteller ein Anrecht mit einem Ehezeitanteil von Euro monatlich erlangt. Es handelt sich dabei um eine Beamtenversorgung, welche die interne Teilung nicht eingeführt hat und die deshalb gem. § 16 VersAusglG durch externe Teilung in die gesetzliche Rentenversicherung auszugleichen ist. Der Ausgleichswert beträgt … Euro. Der korrespondierende Kapitalwert nach § 47 VersAusglG beträgt 55.320,40 Euro.
Die Antragsgegnerin:
Gesetzliche Rentenversicherung
3. Bei der Deutschen … hat die Antragsgegnerin ein Anrecht mit einem Ehezeitanteil von Entgeltpunkten erlangt. Der Versorgungsträger hat gem. § 5 Abs. 3 VersAusglG vorgeschlagen, den Ausgleichswert mit 0 Entgeltpunkten zu bestimmen. Der korrespondierende Kapitalwert nach § 47 VersAusglG beträgt 2.333,48 Euro.
Privater Altersvorsorgevertrag
4. Bei dem … G. hat die Antragsgegnerin ein Anrecht mit einem. Ehezeitanteil von erlangt. Der Versorgungsträger hat gem. § 5 Abs. 3 VersAusglG vorgeschlagen, den Ausgleichswert mit 423,72 Euro zu bestimmen.
Übersicht:
Antragsteller
Die Deutsche Rentenversicherung Bund, Kapitalwert:
0,00 Euro
Ausgleichswert:
0
Die Gemeinde …, Kapitalwert:
55.320,40 Euro
Ausgleichswert (mtl.):
244,89 Euro
Antragsgegnerin
Die Deutsche, Kapitalwert:
… Euro
Ausgleichswert:
0,3225 Entgeltpunkte
Der Debeka Lebensversicherungsverein a. G. Ausgleichswert (Kapital):
… Euro
Nach Kapitalwerten hat der Ausgleich in Höhe von 52.563,20 Euro zu Lasten des Antragstellers zu erfolgen.
Ausgleich:
Bagatellprüfung:
Das Anrecht der Antragsgegnerin bei der Deutschen Rentenversicherung mit einem Kapitalwert von Euro überschreitet nicht den Grenzwert des § 18 Abs. 3 VersAusglG von Euro. Ein Ausgleich des Anrechts erscheint trotzdem aufgrund besonderer Umstände geboten. Ein besonderer Verwaltungsaufwand oder Kosten sind mit dem Ausgleich nicht verbunden.
Das Anrecht der Antragsgegnerin bei dem … mit einem Kapitalwert von Euro überschreitet nicht den Grenzwert des § 18 Abs. 3 VersAusglG von … Das Anrecht wird deshalb gem. § 18 Abs. 2 VersAusglG vom Versorgungsausgleich ausgeschlossen.
Die einzelnen Anrechte:
Zu 1.: Das Anrecht des Antragstellers bei der Deutschen Rentenversicherung Bund ist nicht auszugleichen, weil in der Ehezeit keine Anteile erworben wurden.
Zu 2.: Das Anrecht des Antragstellers bei der … ist im Wege der externen Teilung durch Begründung eines Anrechts von … Euro monatlich bei der Deutschen … auszugleichen.
Zu 3.: Das Anrecht der Antragsgegnerin bei der Deutschen Rentenversicherung … ist nach § 10 I VersAusglG durch interne Teilung mit einem Ausgleichswert von Entgeltpunkten zugunsten des Antragstellers auszugleichen.
Zu 4.: Für das Anrecht der Antragsgegnerin bei dem …. G… mit dem Ausgleichswert von … unterbleibt der Ausgleich.
Kein Wegfall des Versorgungsausgleichs nach § 27 VersAusglG
1. Die Durchführung des Versorgungsausgleichs war nicht ausnahmsweise wegen grober Unbilligkeit auszuschließen (§ 27 VersAusglG).
Die Antragsgegnerin betreibt in Madagaskar einen Beherbergungsbetrieb, den der Antragsteller als Hotel bezeichnet, die Antragsgegnerin als Pension. Die zugehörigen Gebäude und Einrichtungen hat die Antragsgegnerin während der Ehezeit auf einem ihr gehörenden Grundstück errichtet. Die Antragsgegnerin hat im Termin vom 27.03.2019 erklärt, dass sie den Wert des unbelasteten Hotels auf 150.000 € schätze. Der Antragsteller geht von einem höheren Wert aus.
Der Antragsteller behauptet, dass die zur Errichtung notwendigen finanziellen Mittel von ihm zur Verfügung gestellt worden seien. Durch seine erheblichen Vermögenszuwendungen sei die wirtschaftliche Existenz der Antragsgegnerin für viele Jahre gesichert und sie sei auch im Alter und bei Invalidität geschützt.
Die Antragsgegnerin habe bei Eheschließung – mit Ausnahme des Grundstücks auf Madagaskar, dessen damaliger Wert mit 3.200 € zu veranschlagen sei – über kein nennenswertes Vermögen verfügt.
Der Antragsteller habe während der Ehe keinen Zugewinn erzielt.
Zum Zeitpunkt der Eheschließung sei der Antragsteller Eigentümer eines Einfamilienhauses mit Einliegerwohnung in … gewesen. Der Wert des Hauses habe sich auf ca. 200.000 € belaufen. Außerdem seien Ersparnisse in Höhe von 20.000 € vorhanden gewesen.
Für die Errichtung des Hotels und eines in der Nähe davon befindlichen Einfamilienhauses seien Kosten in Höhe von ca. 250.000 € angefallen, die nahezu ausschließlich vom Antragsteller finanziert worden seien. Er habe dafür seine gesamten Ersparnisse und sein Einkommen eingesetzt. Zudem habe er Darlehen aufgenommen. Die monatliche Belastung zur Tilgung der Finanzierungskosten des Hotels hätten sich im Jahr 2008 auf ca. 2000 € monatlich belaufen.
Aufgrund dieser Belastung habe der Antragsteller seine laufenden Kosten nicht mehr finanzieren können. Deshalb habe er sein Haus in drei Eigentumswohnungen umgewandelt. Eine dieser Wohnungen habe er anschließend an seine Tochter und seinen Schwiegersohn verkauft, eine weitere Wohnung seiner Tochter geschenkt. Die Untergeschosswohnung habe er behalten. Mit dem Erlös der Wohnung habe er einen Großteil der Darlehensverbindlichkeiten abgelöst. Die verbliebene Wohnung habe einen Wert von ca. 60.000 €.
Die Antragsgegnerin habe zudem im Jahr 2018 in der Hauptstadt Antananarivo ein Einfamilienhaus gekauft, dessen Wert sich auf etwa 200.000 € belaufe.
Es errechne sich daher eine Ausgleichsverpflichtung der Antragsgegnerin zu Gunsten des Antragstellers in Höhe von ca. 100.000 €. Der Zugewinn des Antragstellers sei negativ.
Der Antragsteller habe sich 2008/ 2009 für mehrere Wochen auf Madagaskar aufgehalten. Dabei sei es zum Streit gekommen. Der Antragsteller habe der Antragsgegnerin daraufhin vorgeschlagen, sie solle ihm seine Aufwendungen bestätigen, die er für sie und das Hotel erbracht habe. Gemeinsam habe man durchgesprochen, welche Investitionen der Antragsteller seit 2003 für das Hotel u.a. der Antragsgegnerin erbracht habe. Man sei auf einen Wert von 210.000 € gekommen. Hierzu habe man die Aufwendungen addiert, die der Antragsteller während der letzten zwei Monate für die Antragsgegnerin erbracht habe. Es habe sich ein Wert von 213.000 € ergeben. Der Antragsteller habe daraufhin unter dem 04.01.2009 eine schriftliche Bestätigung verfasst, die von der Antragsgegnerin unterzeichnet worden sei. Auf der Rückseite habe er bestätigt, dass er der Antragsgegnerin einen Betrag von 30.000 Ar (umgerechnet ca. 8,00 €) zu erstatten habe. Auf die Kopie des genannten Schreibens wird verwiesen (Anlagen Ast. 1 und Ast. 2, Bl. 54/55 VA).
Der Antragsteller sei im Jahr 2009 nach Deutschland zurückgereist. Nach Ankunft in Deutschland habe er für sich eine detaillierte Aufstellung über die von ihm getätigten Aufwendungen für die Antragsgegnerin erstellt. Aus Geld- und Sachzuwendungen errechne sich ein Betrag von 241.800 €. Auf die Kopie der genannten Aufstellung wird verwiesen (Anlage Ast. 3, Bl. 56 ff. VA).
Eine grobe Unbilligkeit i.S.v. § 27 VersAusglG liege deshalb vor, weil ein gerichtlicher Titel zugunsten des Antragstellers im Rahmen eines Zugewinnausgleichsverfahrens in Madagaskar praktisch nicht durchsetzbar sei. Wegen der Einzelheiten hierzu wird auf den Schriftsatz des Antragstellervertreters vom 19.06.2020 (Bl. 40 ff. VA) verwiesen.
Die Antragsgegnerin bestreitet die Höhe der vom Antragsteller angegebenen Vermögenswerte. Immobilieneigentum auf Madagaskar sei wesentlich weniger wert. Zudem habe sie bereits vor der Ehezeit über Vermögen verfügt, welches sie sodann während der Ehezeit zum Bau der Pension eingesetzt habe. Es handele sich um eine kleine Pension, die man nicht als Hotel bezeichnen könne. Das Haus in der Hauptstadt sei von der Antragstellerin nur angemietet.
Die Antragsgegnerin bestreitet, dass der Antragsteller den Bau des Hotels finanziert habe. Bestand und Verwendung von Darlehen bestreitet sie. Ebenso bestreitet sie, dass der Antragsteller während der Ehezeit negativen Zugewinn erzielt habe.
Die Erklärung vom 04.01.2009 sei nicht von ihr geschrieben oder unterschrieben worden.
2. Die Durchführung des Versorgungsausgleichs war nicht ausnahmsweise wegen grober Unbilligkeit auszuschließen (§ 27 VersAusglG).
Der Antragsteller stützt seine Ansicht, wonach grobe Unbilligkeit vorliege, auf Umstände, die dem ehelichen Güterrecht und somit dem Zugewinnausgleichsverfahren zuzurechnen sind. Ein Zugewinnausgleichsverfahren ist von den Beteiligten bislang nicht anhängig gemacht worden, weder als Folgesache noch isoliert. Ein Zugewinnausgleichsverfahren wäre vorgreiflich i.S.v. § 148 ZPO (jurisPK-BGB/ Breuers, § 27 VersAusglG, Rz. 80_1). Der Ausgang eines solchen Verfahrens könnte nur berücksichtigt werden, wenn es abgeschlossen ist (OLG Frankfurt/M., Beschluss vom 04.06.2013, Az.: 6 UF 50/12). Das Anhängigmachen eines Zugewinnausgleichsverfahrens ist aber nicht gewissermaßen formale Voraussetzung der Berücksichtigung im Rahmen der Prüfung von § 27 VersAusglG. Soweit der Antragstellervertreter im Termin vom 05.07.2021 beantragt hat, ihm Gelegenheit zu geben, ein Zugewinnausgleichsverfahren einzuleiten, wenn dies aus Sicht des Gerichtes für eine Entscheidung nach § 27 VersAusglG erforderlich sein sollte, kann daher festgehalten werden, dass dies nicht der Fall ist.
Die wirtschaftlichen Folgen des güterrechtlichen Ausgleichs können bei der Bewertung als grob unbillig i.S.v. § 27 VersAusglG einbezogen werden (Götsche in: Götsche/Rehbein/Breuers, Versorgungsausgleichsrecht, 3. Auflage 2018, § 27 VersAusglG, Rz. 43). Das kann insbesondere zu erwägen sein, wenn alle anderen Ausgleichssysteme zu Lasten des im Versorgungsausgleich Ausgleichspflichtigen ausfallen (Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 11.12.2014, Az. 13 UF 205/13, Tz. 29, juris). Die Härteklausel des § 27 VersAusglG dient aber nicht der Sicherstellung einer gerechten Vermögensauseinandersetzung der Ehegatten. Die Vorschrift bewirkt keinen Automatismus dahingehend, dass nicht beitreibbare Forderungen der Ehegatten untereinander mit den im Wege des Versorgungsausgleichs auszugleichenden Versorgungsanrechten zu verrechnen wären. Vielmehr ist im Rahmen einer Einzelfallabwägung unter Einbeziehung sämtlicher Lebensumstände der geschiedenen Ehegatten festzustellen, ob und inwieweit die Halbteilung der während der Ehe erworbenen Versorgungsanrechte ausnahmsweise zu einem Sinn und Zweck des Versorgungsausgleichs in unerträglicher Weise widersprechenden Ergebnis führen würde (OLG Frankfurt, Beschluss vom 26.06.2015, Az.: 4 UF 229/14, Tz. 23, juris).
Das Versorgungsausgleichsverfahren unterliegt – anders als das Zugewinnausgleichsverfahren – dem Amtsermittlungsgrundsatz, § 26 FamFG. Bei Anwendung von § 27 VersAusglG ist es gleichwohl dem Tatsachenvortrag der Beteiligten überlassen, ob das Gericht von Umständen erfährt, die unter die Regelung subsumiert werden können. Darlegungs- und beweisbelastet ist der Ehegatte, zu dessen Gunsten die Härtegründe eingreifen, also der Ausgleichspflichtige. Er muss durch eingehende Tatsachendarstellung und geeigneten Beweisantritt die Voraussetzungen des Ausnahmetatbestandes darlegen (Götsche, a.a.O.., Rz. 86, m.w.N. aus Rechtsprechung und Schrifttum). Stützt sich der insgesamt Ausgleichspflichtige dabei im Rahmen des Versorgungsausgleichsverfahrens darauf, dass ihm ein Anspruch auf Zugewinnausgleich zustehe, so hat er folglich nicht nur, wie im Zugewinnausgleichsverfahren, sein Anfangs- und Endvermögen sowie das Endvermögen der Antragsgegnerseite darzulegen und zu beweisen, sondern auch das Anfangsvermögen der Antragsgegnerseite.
Soweit sich der Antragsteller (zusätzlich) darauf stützt, dass die Antragsgegnerin durch Zuwendungen des Antragstellers im Hinblick auf Alter oder Invalidität abgesichert sei, hat er auch die Tatsache und die Höhe der Zuwendungen darzulegen und zu beweisen.
Die Höhe des Anfangs- und (insbesondere) des Endvermögens des Antragstellers ist nicht nachgewiesen. Der Antragsteller behauptet zwar, Darlehen aufgenommen, eine Wohnung verkauft und eine andere verschenkt zu haben, er hat hierzu aber keinerlei Unterlagen vorgelegt, die dieses Vorbringen auch nur im Ansatz nachvollziehbar machen würden. Hinsichtlich der behaupteten Schenkung kann auf der Grundlage der Angaben des Antragstellers auch nicht geprüft werden, ob die Voraussetzungen des § 1375 Abs. 2 Nr. 1 BGB, ggf. in Verbindung mit Abs. 3, vorliegen.
Auch der Vortrag zum Anfangsvermögen der Antragsgegnerin ist ohne jede Substanz und es ist nicht ersichtlich, woraus der Antragsteller das Wissen nehmen will, dass die Antragsgegnerin, mit Ausnahme des Grundstücks, auf dem die Pension errichtet worden ist, über kein weiteres Vermögen verfügt haben soll. Angesichts der vom Antragsteller bislang noch nicht genutzten Möglichkeit, von der Antragsgegnerin Auskunft über deren Vermögen zum Anfangs- und zum Endzeitpunkt zu verlangen (§ 1379 BGB) und dies erforderlichenfalls gerichtlich durchzusetzen, sieht das Gericht im Rahmen des im Versorgungsausgleichsverfahren allein anwendbaren § 27 FamFG keine gesteigerte Substantiierungslast oder sekundäre Darlegungslast der Antragsgegnerin.
Hinsichtlich des Endvermögens der Antragsgegnerin kann angesichts der eigenen Angaben der Antragsgegnerin im Termin vom 27.03.2019 immerhin davon ausgegangen werden, dass sich dieses auf mindestens 150.000 € beläuft (Wert des unbelasteten Beherbergungsbetriebs). Diese Angabe allein ermöglicht aber noch keine gesicherte Ermittlung der Höhe des beiderseitigen Zugewinns.
Das Gericht kann auch nicht feststellen, ob und in welcher Höhe der Antragsgegner der Antragstellerin Vermögenswerte in erheblichem Umfang zugewandt hat und ob die Antragsgegnerin aufgrund dieser Zuwendungen im Hinblick auf Alter und Invalidität ausreichend abgesichert ist.
Zum Nachweis der Höhe seiner insgesamt getätigten Investitionen legt der Antragsteller die Kopie eines Schriftstücks im Format DIN A5, möglicherweise aus einem Notizbuch vor. Der Inhalt lautet:
„Bestätigung
Ich … habe von folgendes innerhalb der letzten 2 Monaten erhalten
1 Fotoapparat
1 CD/USB-Stereoanlage
Geld für meine Schulden bei Sicherheitsfirma
für Strom, Tel.
für Miete, für meine Schwester Tina
für sonstiges
für Investitionen Hotel, Haus, usw.
(seit 2003) 2 LKW, 2 Pkw’s
Zusammen 213.100 €
T., 4.1.2009“
Das Gericht kann sich auf dieser Grundlage keine Überzeugung davon bilden, dass die Behauptung des Antragstellers, an die Antragsgegnerin Leistungen in Höhe von 210.000 € für den Beherbergungsbetrieb erbracht zu haben, der Wahrheit entsprechen würde. Angesichts der Einleitung des Schreibens, wonach ausdrücklich (nur) der Erhalt von Gegenständen und Geldzahlungen innerhalb der letzten zwei Monate bestätigt wird, überrascht bereits der Vortrag des Antragstellers, wonach vor dem Verfassen des Schriftstücks zwischen den Beteiligten Einvernehmen hergestellt worden sei, sämtliche Investitionen seit dem Jahr 2003 festzuhalten und dass die Ausgaben der vorangegangenen 2 Monate lediglich noch hinzuaddiert worden seien. Der sachliche Gehalt des Schreibens erweckt gerade den gegenteiligen Eindruck. Ausweislich der Einleitung sollte (lediglich) bestätigt werden, was die Antragsgegnerin innerhalb der letzten beiden Monate erhalten hat. Die Investitionen seit 2003 finden sich erst am Ende der Aufzählung, wobei auffällt, dass die Worte „(seit 2003)“, „2 LKW, 2 PKW’s“, anders als die übrigen Punkte der Aufzählung, nicht auf die Zeile gesetzt worden sind, sondern etwas darüber. Das könnte darauf hindeuten, dass an dieser Stelle eine nachträgliche Ergänzung vorgenommen worden ist. Auch die Bestätigung auf der Rückseite des Schriftstücks bezieht sich wiederum lediglich auf Auslagen der Antragsgegnerin für den Antragsteller für Telefonkosten in geringer Höhe. Es kann angenommen werden, dass es sich um Telefonkosten anlässlich des Aufenthalts des Antragstellers auf Madagaskar handelte.
Auch inhaltlich überzeugt der Vortrag des Antragstellers nicht. Wenn es darum ging, angesichts eines ernsthaften Ehestreits festzuhalten, welche Zuwendungen die Antragsgegnerin in den Jahren 2003 bis 2008 vom Antragsteller erhalten hat und die Beteiligten die Positionen, wie vom Antragsteller vorgetragen, gemeinsam durchgegangen seien, so wäre zu erwarten gewesen, dass die betreffenden Positionen in der Aufstellung auch ausdrücklich erscheinen, ggf. mit einer entsprechenden Wertangabe. Demgegenüber listet das Schriftstück in erster Linie Gegenstände und Ausgaben von geringerem Wert (nach Angaben des Antragstellers: in Höhe von 3.000 €) auf, um dann pauschal auf (nicht genannte) Investitionen in Höhe von 210.000 € zu verweisen.
Vor diesem Hintergrund kommt es nicht darauf an, ob die Unterschrift unter dem Schreiben tatsächlich von der Antragsgegnerin stammt. Das vom Antragsteller angebotene graphologische Gutachten für die Sachaufklärung nicht dienlich, weil der Text des Schreibens unstreitig von der Hand des Antragstellers stammt. Nachträgliche Änderungen am Text, insbesondere Einfügungen, können durch graphologisches Gutachten nicht geklärt werden.
Die vom Antragsteller als Anlage Ast. 3 vorgelegte Aufstellung von Ausgaben, die er für die Antragsgegnerin oder für den Beherbergungsbetrieb getätigt haben will und von der er behauptet, sie nach Rückkehr aus Madagaskar im Jahr 2009 erstellt zu haben, ist als Beweismittel ebenfalls nicht ausreichend. Es handelt sich um eine vom Antragsteller selbst erstellte Aufstellung, deren inhaltliche Wahrheit vom Gericht nicht im Ansatz nachgeprüft werden kann. Der Antragsteller hat auch keinen weiteren Beweis angeboten. Das Gericht kann deshalb z.B. nicht feststellen, ob es der Wahrheit entspricht, dass der Antragsteller zu einem von ihm nicht genannten Zeitpunkt einen Bargeldbetrag in Höhe von 100.000 € nach Madagaskar gebracht hat und ihn dort in den Beherbergungsbetrieb der Antragsgegnerin investiert hat. Der Antragsteller hat auch nicht etwa Bankunterlagen vorgelegt, aus denen sich ergeben würde, dass er zu dem von ihm nicht genannten Zeitpunkt über flüssiges Vermögen in der genannten Höhe verfügt hätte und er z.B. eine entsprechende Abhebung vorgenommen hätte. Dasselbe gilt entsprechend für die weiteren in der Zusammenstellung genannten Aufwendungen.
Eine grobe Unbilligkeit i.S.v. § 27 VersAusglG somit bereits deshalb nicht vor, weil das Gericht nicht feststellen kann, ob der Vortrag des Antragstellers der Wahrheit entspricht.
3. Kosten und Nebenentscheidungen
Die Kostenentscheidung beruht auf § 150 Abs. 1 FamFG.


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