Arbeitsrecht

ARGE-Vertrag, Öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch, Schadenersatzansprüche, Zinsschaden, Anspruchsgrundlage, Haftungsverteilung, Stellvertretender Geschäftsführer

Aktenzeichen  L 11 AS 43/14

Datum:
20.7.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 71492
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Gründe

Rechtskräftig: unbekannt
Spruchkoerper: 11. Senat
I.
Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 11.09.2013 wird zurückgewiesen.
II.
Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist der Ersatz eines Zinsschadens iHv 125.384,08 EUR im Hinblick auf vorzeitig abgerufene Haushaltsmittel des Bundes.
Die Beteiligten schlossen am 28.06.2005 einen öffentlich-rechtlichen Vertrag über die Gründung und Ausgestaltung einer Arbeitsgemeinschaft (ARGE-Vertrag) nach § 44b des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II). Der damit gegründeten Arbeitsgemeinschaft A.H.A. (A.) wurden nach § 3 Abs. 1 ARGE-Vertrag ua sämtliche der Agentur für Arbeit obliegenden Aufgaben nach dem SGB II zur Aufgabenwahrnehmung übertragen. Die Ablauforganisation sollte durch den Geschäftsführer nach Effektivitäts- und Effizienzgesichtspunkten gestaltet werden (§ 3 Abs. 5 ARGE-Vertrag). Weiter war dem Geschäftsführer ua die Verantwortung für die der A. zur Verfügung stehenden Mittel nach § 8 Abs. 2 ARGE-Vertrag übertragen worden und er war für die Finanzplanung gemäß § 15 Abs. 1 ARGE-Vertrag zuständig. Nach § 16 ARGE-Vertrag sollten die der A. zugeteilten Haushaltsmittel des Bundes von ihr verantwortet werden. Zur Frage einer Haftung wurde in § 20 ARGE-Vertrag folgende Regelung vereinbart:
„1. Die Haftung der ARGE sowie der Vertragspartner im Zusammenhang mit der ARGE im Außenverhältnis, richtet sich nach den gesetzlichen Bestimmungen.
2. Werden gegen die ARGE oder einen bzw. beide Vertragspartner im Zusammenhang mit der ARGE Amtshaftungsansprüche oder sonstige Haftungs- bzw. Schadensersatzansprüche oder sonstige Verbindlichkeiten geltend gemacht, gilt im Innenverhältnis folgende Regelung, soweit nachfolgend (Absätze 3 und 4) nichts anderes bestimmt ist: Im Innenverhältnis ist der Schaden bzw. die Verbindlichkeit dem Vertragspartner zuzurechnen, dessen Aufgaben wahrgenommen wurden. Die ARGE bzw. ein im Außenverhältnis eventuell in Anspruch genommener Vertragspartner hat insoweit im Innenverhältnis einen Freistellungsanspruch. Ist der Schaden keinem bestimmten Aufgabengebiet eines Vertragspartners zurechenbar, tragen die Vertragspartner den Schaden bzw. die Verbindlichkeit gemeinsam im Verhältnis der Verursachungsbeiträge, oder falls diese nicht zu bestimmen sind, jeweils zu gleichen Teilen. In diesem Fall hat der im Außenverhältnis in Anspruch genommene Vertragspartner insoweit im Innenverhältnis einen Ausgleichsanspruch. Alle Schäden bzw. Verbindlichkeiten, die im Aufgabenbereich der Agentur entstehen, fallen dem Finanzierungskreis SGB II zu.
3. Absatz 2 gilt nicht, soweit ein Schaden vom Geschäftsführer/von der Geschäftsführerin oder dem/der stellvertretenden Geschäftsführer/in verursacht wurde oder wenn der Schaden durch eine/n Beschäftigte/n vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht wurde. In diesem Fall haftet der Arbeitgeber bzw. Dienstherr des/der Beschäftigten, der/die den Schaden verursacht hat, alleine und zwar gleichgültig, wessen Aufgaben im konkreten Fall wahrgenommen wurden. Die ARGE bzw. ein im Außenverhältnis eventuell in Anspruch genommener Vertragspartner hat insoweit im Innenverhältnis einen Freistellungsanspruch oder, falls er hiervon keinen Gebrauch macht, einen Ausgleichsanspruch. Haben mehrere Beschäftigte unterschiedlicher Arbeitgeber bzw. Dienstherren den Schaden gemeinsam verursacht, erfolgt die Haftung im Verhältnis der Verursachungsbeiträge, oder falls diese nicht zu bestimmen sind, jeweils zu gleichen Teilen. Der im Außenverhältnis in Anspruch genommene Vertragspartner hat insoweit im Innenverhältnis einen Ausgleichsanspruch. Die vorstehende Regelung gilt sowohl für Schäden Dritter als auch für Eigenschäden eines Vertragspartners. Alle Schäden, die im Aufgabenbereich der Agentur entstehen, fallen dem Finanzierungskreis SGB II zu.
4. Für Schäden Dritter aus Verletzung der Verkehrssicherungspflicht, haftet der Vertragspartner, der die Pflichtverletzung zu vertreten hat. Er stellt den anderen Vertragspartner insoweit von jeglicher Inanspruchnahme durch Dritte frei.“
Im Hinblick auf die Feststellung von Auffälligkeiten durch den internen Service wandte sich der Leiter der Agentur für Arbeit S. an den Geschäftsführer der A., Herrn R. H. (H), und bat um Prüfung, ob gegen den Grundsatz der Fälligkeit gemäß § 34 Bundeshaushaltsordnung (BHO) verstoßen worden und ggf. ein Haftungsverfahren einzuleiten sei. Hierzu führte H aus, erst im zweiten Halbjahr 2007 sei die endgültige Abrechnung des Verwaltungsbudgets 2006 erfolgt. Bis zu diesem Zeitpunkt seien aus dem Eingliederungsbudget 2007 in das Verwaltungsbudget 2007 mindestens 1,5 Mio. EUR fest eingeplant und von der A.-Trägerversammlung auch entsprechend beschlossen gewesen. Diese Mittel hätten im Eingliederungsbudget 2007 zwar zu Planungszwecken, nicht aber für Ausgaben zur Verfügung gestanden. Eine rechtsverbindliche Vereinbarung hätte deshalb mit den verschiedenen Bildungsträgern nicht getroffen werden können, da deren Finanzierung zunächst nicht gesichert gewesen sei. Nach den Sommerferien 2007 habe dann festgestanden, dass nur noch ein relativ geringer Betrag vom Eingliederungsbudget 2007 in das Verwaltungsbudget 2007 transferiert werden müsse. So hätten dann unverzüglich die Gespräche der A.-Geschäftsführung mit den verschiedenen Bildungsträgern zu den zwar vorbereiteten, aber eben noch nicht vertraglich festgeschriebenen und tatsächlich begonnenen Maßnahmen und Projekten ua zur Fortführung bzw. Aufstockung begonnen. Um einen schnellen und reibungslosen Start der Maßnahmen und Projekte sowie die festgesetzten Ziele der Zielvereinbarung 2007 zu erreichen, hätten die Träger in die Lage versetzt werden müssen, die geplanten Projekte und Maßnahmen „aus dem Stand“ umfangreich und erfolgreich zu starten. Dazu habe die entsprechende finanzielle Ausstattung und Sicherheit der Finanzierung über die entsprechenden Laufzeiten der Projekte und Maßnahmen gehört. Wirtschaftliche und sparsame Effekte hätten dabei eine entscheidende Rolle gespielt. Durch die damit erreichte Integrationsquote hätten die passiven Leistungen gegenüber dem Vorjahr bisher um 10,7% gesenkt werden können, während die Zielvereinbarung nur einen Wert von 4% vorgesehen habe. Damit habe sich in einigen Fällen sogar die Möglichkeit der Reduzierung der Inanspruchnahme von Verpflichtungsermächtigungen im Jahr 2008 ergeben, so dass ein doppelter Wirtschaftlichkeits- und Sparsamkeitseffekt – entsprechend dem in der BHO niedergelegten Grundsatz – aufgetreten sei. Entsprechend sei vor Inanspruchnahme der Ausgabeermächtigungen geprüft worden, ob die einzelnen Leistungen der Ausgaben nach Grund und Höhe sowohl sachlich notwendig als auch zu dem jeweiligen Zeitpunkt erforderlich gewesen seien.
Die Klägerin machte sodann gegenüber dem Beklagten zuletzt einen Schaden iHv 129.243,95 EUR geltend. H habe vorfällige Zahlungen mit Ausgabemitteln für 2007 erbracht, womit gegen den Grundsatz der Fälligkeit nach § 34 BHO verstoßen worden sei. Die Forderung ergebe sich aus § 20 Abs. 3 ARGE-Vertrag, welcher nicht eine Haftungszuweisungsnorm sondern eine Anspruchsgrundlage darstelle. So werde durch Abs. 3 Satz 6 deutlich, dass die vorstehende Regelung sowohl für Schäden Dritter als auch für Eigenschäden eines Vertragspartners gelte. Damit hätten die Vertragspartner ausdrücklich eine eigenständige vertragliche Anspruchsgrundlage für Eigenschäden geschaffen. Eine entsprechende Regelung sei auch in früheren ARGE-Verträgen nicht enthalten gewesen, und deshalb hier bewusst eingeführt worden.
Gegenüber H erklärte die Klägerin, er habe im Haushaltsjahr 2007 bei der Bewirtschaftung der Bundesmittel gegen Bundeshaushaltsrecht verstoßen, was zu einem Vermögensschaden des Bundes geführt habe. Diesen habe er in seiner Funktion als Beauftragter für den Haushalt der A. zu vertreten. Durch die Zahlungen vor Fälligkeit bei den sonstigen weiteren Leistungen sowie der Beauftragung Dritter mit der Vermittlung sei die A. mit Zahlungen aus Haushaltsmitteln des Bundes in Vorleistung getreten, was zu einem Zinsverlust des Bundes geführt habe. Die getätigten Vorleistungen würden nicht die Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 BHO erfüllen und seien daher nicht gerechtfertigt. Besondere Umstände für das Tätigen einer Vorleistung seien nicht gegeben gewesen. Im Rahmen der Mittelbewirtschaftung seien grundsätzliche Regelungen des Bundeshaushaltsrechts, nämlich die sachliche und zeitliche Bindung sowie das Prinzip der Jährlichkeit, nicht beachtet bzw. falsch angewandt worden. Im Hinblick auf das Erteilen von Anweisungen an die Mitarbeiter habe H zum Ausdruck gebracht, dass er die Verantwortung für diesen Verstoß übernehme. Der ARGE-Vertrag sehe eine Haftung durch den Arbeitgeber bzw. Dienstherrn des Geschäftsführers vor. Der berechnete Zinsverlust und damit der sich ergebende Vermögensschaden belaufe sich auf 127.074,11 EUR, wobei der durch die Deutsche Bundesbank halbjährlich festgesetzte Basiszinssatz in seiner jeweils geltenden Höhe zugrunde gelegt worden sei. Dem Schreiben war eine rechtliche Bewertung durch die Regionaldirektion Nordrhein-Westfalen vom 12.01.2009 beigefügt. Darin ist ausgeführt, dass die hier bewirkten Leistungen vor Empfang der Gegenleistung nur vereinbart oder bewirkt werden dürften, wenn dies allgemein üblich oder durch besondere Umstände gerechtfertigt sei. Die vorliegenden Vorleistungen seien jedenfalls nicht allgemein üblich. Auch besondere Umstände, nämlich dass ein Vertragsschluss, dessen Zustandekommen im dringenden Bundesinteresse liege, ohne Vorleistung nicht erreicht werden könne oder dass die Ausführung der Leistung infolge ihres Umfangs oder ihrer Eigenart mit einer für den Auftragnehmer unzumutbaren Kapitalinanspruchnahme verbunden sei, liege ebenfalls nicht vor. Besondere Umstände lägen dabei insbesondere dann nicht vor, wenn am Ende des Haushaltsjahres Ausgaben vor Fälligkeit geleistet würden, um zu verhindern, dass die Ausgabeermächtigungen sonst verfallen würden. Eine Senkung der Ausgaben für passive Leistungen sowie die Reduzierung der Inanspruchnahme von Verpflichtungsermächtigungen der folgenden Haushaltsjahre liege nicht im dringenden Bundesinteresse. Ein Sinnzusammenhang zwischen den aktuellen Einsparungen der Summe passiver Leistungen und zukünftigen Maßnahmen zur Eingliederung sei nicht gegeben, da die Einsparungen durch Maßnahmen der Eingliederung in Arbeit in der Vergangenheit erzielt worden seien. Auch die Geschäftsanweisung betone die Haushaltsgrundsätze der Jährlichkeit sowie der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit. Zudem hätten für Vorleistungen des Bundes je nach Lage des Einzelfalls Sicherheitsleistungen und angemessene Zinsen oder Preisermäßigungen vereinbart werden müssen, was vorliegend nicht erfolgt sei. Gründe für die Vereinbarung bzw. Bewirkung der Vorleistungen seien auch nicht aktenkundig gemacht worden. Es sei damit ein Anspruch auf Schadensersatz entstanden, der nach § 20 Abs. 3 ARGE-Vertrag gegenüber dem Arbeitgeber bzw. Dienstherrn des Geschäftsführers der A. geltend zu machen sei.
Nachdem der Beklagte eine Begleichung der Forderung verweigerte, hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben und den Ersatz eines Zinsschadens iHv 125.384,07 EUR gefordert. Der Schaden sei dadurch entstanden, dass für 26 Maßnahmen „Sonstige weitere Leistungen nach § 16 Abs. 2 SGB II“ und für sieben Maßnahmen „Beauftragung Dritter mit der Vermittlung“ Zahlungen vor Fälligkeit geleistet worden seien. Diese seien unmittelbar an die Maßnahmenträger erfolgt, ohne das Erfordernis des Bewirkens der Gegenleistung zu beachten und ohne sachlichen Grund für die Vorleistung. Die Schadensberechnung erfolge entsprechend § 28r Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) abstrakt mit einem Zinssatz iHv 2% über dem Basiszinssatz, ohne dass es einer Gesamtvermögensbilanz unter Berücksichtigung hypothetischer Kausalverläufe bedürfe. Der geltend gemachte Zinssatz entspreche auch etwaigen Anlagezinssätzen und sei moderat. Es werde bestritten, dass die vorfristigen Zahlungen eine positive Auswirkung auf den Arbeitsmarkt und somit auf die Vermögenslage der Klägerin gehabt habe. Dies sei zudem unerheblich, da dem Handeln des Geschäftsführers kein bundesrechtlicher Ansatz beistehe, sondern vielmehr entgegen der BHO gehandelt worden sei. Die Haftung des Geschäftsführers erfolge nach dem ARGE-Vertrag unabhängig von einem etwaigen Verschulden. Nach § 20 Abs. 3 Satz 6 ARGE-Vertrag gelte die vorstehende Regelung sowohl für Schäden Dritter als auch für Eigenschäden eines Vertragspartners. Anderenfalls würde die Vereinbarung keinen Sinn machen. Bei Handlungen des Geschäftsführers sollte immer vollumfänglich und verschuldensunabhängig eine Haftung erfolgen. Dies stelle einen Ausgleich für die fehlende Möglichkeit der Inanspruchnahme des Mitarbeiters des anderen Trägers wie bei eigenen Mitarbeitern dar. Man habe insofern auch dazugelernt, da in früheren Verträgen von anderen Landkreisen und Agenturen für Arbeit keine entsprechende Klausel enthalten gewesen sei. Die Klägerin sei Träger der Leistungen und verantwortlich für die verwaltungsmäßige und haushaltsmäßige Durchführung des Gesetzes. Der Bund sei dagegen der Kostenträger. Im Rahmen des SGB II nehme die Klägerin die Verwaltungskompetenz für den Bund wahr. Damit bestehe auch das Recht und die Pflicht zur Geltendmachung finanzieller Ansprüche. Der Zinsverlust gehe ausschließlich zulasten des Bundes, da die Klägerin liquiditätsmäßig nicht in Vorleistung trete. Die Geltung der BHO werde durch den ARGE-Vertrag eindeutig geregelt. Auch habe das Bundesverfassungsgericht zwar § 44b SGB II für mit dem Grundgesetz unvereinbar angesehen, die Anwendung aber bis 31.12.2010 zugelassen. Damit gelte der ARGE-Vertrag nicht nur teilweise, sondern umfänglich.
Dem hat der Beklagte erwidert, die Klägerin sei nicht legitimiert, für den Bund einen Zinsschaden geltend zu machen. Das Budget der A. entstamme alleine aus Bundesmitteln, so dass keine Berechtigung zur Geltendmachung im eigenen Namen bestehe. Für die Klägerin handele es sich um fremde Bundesmittel, so dass die verwaltungsmäßige Betreuung und Bewirtschaftung nicht zu einer ausdrücklichen und wirksamen gesetzlichen oder gewillkürten Prozessstandschaft führe. Ein Amtshaftungsanspruch bestehe nicht, ebenso wenig stelle § 20 Abs. 3 ARGE-Vertrag eine eigene Anspruchsgrundlage dar, da diese vielmehr die interne Haftungsverteilung im Innenverhältnis bzw. die Haftungszuweisung im Außenverhältnis gegenüber Dritten regele. Insbesondere könne § 20 Abs. 3 Satz 6 ARGE-Vertrag nicht plötzlich eine von den Vorregelungen losgelöste, eigenständige Anspruchsgrundlage darstellen. Einer solchen völlig überraschenden Regelung hätte der Beklagte auch nicht zugestimmt. Im Gegensatz zu späteren Verträgen werde hier eben gerade keine eigenständige Anspruchsgrundlage geregelt. Bei der ARGE habe es sich um eine verfassungswidrige Mischverwaltungskonstruktion gehandelt, so dass aus den entsprechenden Verträgen keine weitreichenden Haftungsfolgen gezogen werden könnten. Eine eigene Schadenshaftung zur Aufrechterhaltung der Funktion der ARGE sei zudem weder erforderlich noch verfassungsrechtlich zu missbilligen. Eine grob fahrlässige Pflichtverletzung des Geschäftsführers sei nicht erkennbar. In der Klageschrift seien die einzelnen Tatbestände nicht substantiiert dargestellt. So sei insbesondere eine Gesamtvermögensbilanz mit und ohne die maßgeblichen schädigenden Handlungen vorzulegen, bei der auch positive finanzielle Auswirkungen zu berücksichtigen seien. Nur so könne nach der Differenzhypothese/-methode ein Schaden schlüssig dargelegt werden. Der Rechnungsposten „Zinsschaden“ sei nicht hinreichend konkretisiert worden. Die Sondervorschrift des § 28r SGB IV sei nicht einschlägig, da dieser nur gegenüber der Einzugsstelle gelte.
Mit Urteil vom 11.09.2013 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Rechtsweg zu den Sozialgerichten sei vorliegend eröffnet. Eine Amtspflichtverletzung werde von der Klägerin nicht geltend gemacht. Vorrangig sei ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch unter Berücksichtigung der Prinzipien im Rahmen des SGB II, dh die entsprechenden Aufgaben und Ziele, in Betracht zu ziehen. Die nach § 16 Abs. 2 SGB II ausgezahlten Leistungen hätten explizit den Zielen des SGB II gedient und seien von der Aufgabenstellung gedeckt gewesen. Die vom Bundessozialgericht im Urteil vom 02.07.2013 für den Erstattungsanspruch erarbeiteten Grundsätze seien auch auf einen möglichen Schadensersatzanspruch zu übertragen. In einem öffentlich-rechtlichen Vertrag könnten diese systematischen Grundlagen auf dem engen Gebiet des SGB II nicht mit einer Schadensersatzregelung ausgehebelt werden. Selbst wenn § 20 Abs. 3 Satz 6 ARGE-Vertrag einschlägig sein sollte, fehle ein grob fahrlässiges Verhalten der A … Allenfalls könne ein Verschulden in eigenen Angelegenheiten angelastet werden.
Dagegen hat die Klägerin Berufung beim Bayerischen Landessozialgericht eingelegt. Es gehe vorliegend um eine Störung im Vertragsverhältnis der beiden ARGE-Partner. Die vertragliche Regelung biete eine eigene Anspruchsgrundlage, so dass der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch nachrangig sei. Der Anspruch werde nicht auf eine zweckwidrige Mittelverwendung gestützt, sondern auf die vorfällige Auszahlung. Durch den entsprechenden Verstoß gegen die BHO sei ein Zinsverlust eingetreten, dessen Berechnung sich aus einer bereits vorgelegten Aufstellung ergebe. Vorliegend seien Bundesmittel zu früh abgerufen worden, so dass es nicht um bereits zuvor ausgekehrte Bundesmittel gehe. Die vorfällige Zielerreichung werde unter Verweis auf die Stellungnahme der Regionaldirektion Nordrhein-Westfalen vom 12.01.2009 bestritten. Die Haftung des Geschäftsführers erfolge unabhängig vom Verschulden. Im Übrigen liege auch grobe Fahrlässigkeit vor, da der Geschäftsführer Beauftragter des Haushalts gewesen sei und deshalb in besonderer Weise mit den Haushaltsvorschriften hätte vertraut sein müssen. Selbst das SG habe einen Verstoß gegen Haushaltsvorschriften gesehen. Die Trägerversammlung der ARGE entscheide über die strategische Ausrichtung und Finanzplanung, nicht aber über die Einzelheiten der Zahlungsvorgänge.
Nachdem Hinweis des Senates darauf, dass Zweifel an einer Anwendbarkeit von § 28r SGB IV bestehen könnten, der Schaden durch einen Vermögensvergleich nachzuweisen wäre, Beispielsrechnungen der Klägerin Unklarheiten aufweisen würden, eine Aktivlegitimation fraglich erscheine und es verwunderlich sei, dass dem Gericht seitens der Klägerin lediglich die Anlagen 1 bis 14 vorgelegt worden seien, hat die Klägerin weiter ausgeführt, ihr seien im Rahmen des § 46 SGB II Bundesmittel zur Bewirtschaftung anvertraut worden. Damit werde sie auch im Sinne einer Aktivlegitimation in die Lage versetzt, an Bundesmitteln entstandene Schäden geltend zu machen. Die umfassende treuhänderische Bewirtschaftung müsse diese Berechtigung denklogisch beinhalten. Eine entsprechende Zuständigkeit habe auch im Rahmen der Arbeitslosenhilfe bestanden. Darüber hinaus ergebe sich aus der Geltung der BHO für die Haushaltswirtschaft der Klägerin, dass zur ordnungsgemäßen Bewirtschaftung die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gehöre. Dies lasse sich dem Regelungskomplex der §§ 88 ff BHO, der sich mit der Rechnungsprüfung befasse, entnehmen. Nach § 98 BHO sei eine sofortige Mitteilung des Bundesrechnungshofs über einen Schadensersatzanspruch an die zuständige Stelle vorgesehen. Es gehe erkennbar um das Interesse, schnell und sicher einen Schadensausgleich herbeizuführen. Zumindest ergebe sich aus diesen haushaltsrechtlichen Bindungen ein eigenes Interesse der Klägerin, so dass die Ansprüche in Prozessstandschaft geltend gemacht werden könnten. Weiterhin sei davon auszugehen, dass § 20 Abs. 3 Satz 6 ARGE-Vertrag eine eigene Anspruchsgrundlage enthalte. Aus den Konstruktionen bezüglich Aufgaben der beteiligten Träger, der Bereitstellung des notwendigen Personals und der Kostenerstattung für das Personal ergebe sich, dass auch ein entsprechender Störfall in § 20 ARGE-Vertrag habe geregelt werden sollen. Dieser beschäftige sich mit der Verteilung von Haftungsrisiken. Würde man davon ausgehen, diese Vorschrift beziehe sich alleine auf das Verhältnis zu Dritten, würde die Formulierung in § 20 Abs. 3 Satz 6 ARGE-Vertrag sinnlos. Letztlich sollte mit der Regelung des § 20 Abs. 3 ARGE-Vertrag eine einheitliche Regelung für Schäden geschaffen werden, die einem Träger aus dem Handeln des Geschäftsführers eines anderen Trägers entstehen. Maßgeblich sei eine Rückgriffsmöglichkeit, die den geschädigten Träger so stelle, als ob ein eigener Mitarbeiter vorsätzlich oder grob fahrlässig einen Schaden herbeigeführt habe. Folglich sollte insgesamt eine Anspruchsgrundlage im Verhältnis der Träger untereinander geschaffen werden. Selbst wenn man in § 20 Abs. 3 ARGE-Vertrag nur eine Haftungsverteilungsnorm sehe, würde dennoch ein Anspruch in analoger Anwendung des § 823 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) wegen der Verletzung der §§ 34 und 56 BHO durch den Geschäftsführer bestehen. Die Zielrichtung dieser Vorschriften als Schutzgesetze sei offenbar. Gegen diese sei durch die erbrachten Vorleistungen verstoßen und diese durch den Geschäftsführer veranlasst worden. Hinsichtlich der rechtlichen Bewertung werde nochmals auf die Anlage 7 der Klageschrift vom 12.01.2009 verwiesen. Da für alle ARGEn zu dem fraglichen Zeitpunkt die gleichen Ausgangsbedingungen geherrscht hätten, dürfe auch eine Vorfinanzierung finanziell schwächerer Träger nicht im Bundesinteresse gewesen sein. Diesen sei damit ein Vorteil verschafft worden und zugleich das Verlustrisiko für die ARGE deutlich erhöht worden. Für eine Absprache mit der Trägerversammlung bzw. der Geschäftsleitung der Agentur für Arbeit gebe es keine Anzeichen. Darüber hinaus habe den Geschäftsführer als Beauftragter für den Haushalt eine besondere Verantwortung getroffen. Vorliegend gehe es nicht lediglich um eine Nebenforderung in Gestalt von Verzugs- oder Prozesszinsen, sondern der entgangene Zinsgewinn sei der zu ersetzende Schaden. Für die Berechnung des Schadens sei die Regelung des § 252 Satz 2 BGB heranzuziehen, wonach als entgangener Gewinn dasjenige gelte, was nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder nach den besonderen Umständen, insbesondere nach den getroffenen Anstalten und Vorkehrungen, mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden könne. Wie bei Privatleuten könne davon ausgegangen werden, dass das Kapital nicht ungenutzt bleibe. Bis die Bundesmittel für bestimmte Verwendungszwecke über die Bundesbank abgerufen werden, lege diese das Geld zinsbringend an. Dabei könne es sich um kurz- und sehr kurzfristige Anlagen handeln, die gleichwohl gewinnbringend seien. Arbeitstäglich würden sämtliche gebuchten Ausgaben ermittelt. Der Ausgleich zwischen der Bundeskasse und der Kasse der Beklagten erfolge taggleich über die Bundesbank. Insofern komme nur eine pauschale Berechnung in Betracht. Zu diesem Zweck sei die Vorgabe des § 28r SGB IV, die zudem eine Deckelung des pauschal zu berücksichtigenden Zinssatzes enthalte, herangezogen worden. Die Maßnahme „RÜM“ stelle wohl Position 30 der Übersicht dar, eine Aufklärung in der Sache FIT sei bislang noch nicht abschließend möglich gewesen. Ein zusammenhängender Vorgang könne nicht vorgelegt werden, weil immer wieder verschiedene Stellen der Klägerin nur punktuell mit dem Vorgang befasst gewesen seien. Vor Klageerhebung seien die entsprechenden Unterlagen beim Stab Recht der Regionaldirektion Nordrhein-Westfalen zusammengeführt worden, so dass der Ablauf bis zur Klageerhebung nachvollziehbar geworden sei. Diese Unterlagen seien der Klageschrift als Anlage beigefügt gewesen. Daneben hat die Klägerin die Zinsberechnung anhand einer Maßnahme exemplarisch erläutert.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 11.09.2013 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 125.384,08 EUR zu zahlen.
Der Beklagte beantragt, die gegnerische Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.
Ein öffentlich rechtlicher Erstattungsanspruch bestehe nicht, da der Rechtsgrund für die Bereitstellung der Bundesmittel nach § 16 ARGE-Vertrag nicht entfallen sei. Die Leistungen hätten dem Zweck des SGB II gedient. Die Entscheidung des Bundessozialgerichts (Az: B 4 AS 72/12 R) sei übertragbar. Die demnach notwendige grobe Fahrlässigkeit des Handelns des Geschäftsführers sei nicht gegeben. Vielmehr sei dadurch ein schneller und reibungsloser Start der Projekte gewährleistet worden und man habe die Zielvereinbarung 2007 erreicht bzw. sogar erheblich übertroffen. Allen Beteiligten sei bekannt gewesen, dass es sich bei den Empfängern der Leistungen um „arme“ Träger gehandelt habe, die ohne die Vorausleistungen bzw. Vorfinanzierung die Arbeiten nicht bzw. nicht im vorgegebenen Zeitrahmen hätten erfüllen können. Der Trägerversammlung seien die Entscheidungen bekannt gewesen und von dort gebilligt worden. Den Vorsitz habe seinerzeit der Geschäftsführer der Agentur für Arbeit gehabt und H mehrfach gedrängt, die in 2007 für Maßnahmen bereitgestellten Mittel auf jeden Fall in 2007 auszugeben und sogar Konsequenzen angedroht, wenn dies nicht geschehe. H habe davon ausgehen dürfen, dass kein Verstoß gegen die BHO vorliege. „Einsame“ Entscheidungen habe er nicht getroffen. Eine verschuldensunabhängige Haftung widerspräche der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, die in solchen Haftungsverhältnissen grobe Fahrlässigkeit voraussetze. Eine andere vertragliche Regelung wäre daher unwirksam. Allenfalls könne von einem Verschulden in eigenen Angelegenheiten ausgegangen werden, es sei aber entsprechend § 277 BGB zumindest grobe Fahrlässigkeit nötig. Die Vorleistungen seien auch durch die besonderen Umstände gerechtfertigt gewesen. Sie hätten im besonderen Bundesinteresse gelegen, da ohne Vorleistung ein Vertrag mit den Maßnahmeträgern mangels deren finanziellen Leistungsfähigkeit in Bezug auf die erheblichen Kosten nicht möglich gewesen wäre. Zum Zinsschaden fehle ein konkretes Vorbringen der Klägerin. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu den ARGEn sei der Vertrag zumindest mittelbar verfassungswidrig.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz einschließlich der von der Klägerin vorgelegten Anlagen 1 bis 14 zur Klageschrift Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-), aber nicht begründet. Im Ergebnis hat das SG zu Recht die Klage abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung von 125.384,07 EUR.
Streitgegenstand ist die von der Klägerin erhobene allgemeine Leistungsklage auf Zahlung von 125.384,07 EUR gegen den Beklagten. Unabhängig davon, dass der Senat ausnahmsweise nicht an die – inzident – bejahte Rechtswegseröffnung zur Sozialgerichtsbarkeit durch das SG nach § 17a Abs. 5 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) gebunden sein könnte, da dieses trotz entsprechenden Antrages des Beklagten zunächst nicht vorab über die Rechtswegszuständigkeit entschieden hat (§ 17a Abs. 3 GVG), ist von dieser zugunsten der Sozialgerichte auszugehen. In Streit steht ein Schadenersatzanspruch der Klägerin für den der Rechtsweg zu den Sozialgerichten nach § 51 Abs. 1 Nr. 4, 4a SGG eröffnet ist, denn es geht dabei um die Auslegung des zwischen den Beteiligten geschlossenen ARGE-Vertrages, dem ein öffentlich-rechtlicher Charakter zukommt (vgl. dazu im Einzelnen auch OLG Köln, Beschluss vom 28.02.2014 – 7 U 20/14).
Es könnte schon fraglich erscheinen, ob die Klägerin für die Geltendmachung des Anspruchs überhaupt aktivlegitimiert ist. Materiell rechtlicher Inhaber des Anspruchs dürfte der Bund sein. Er trägt nach § 46 Abs. 1 Satz 1 SGB II die Aufwendungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende einschließlich der Verwaltungskosten, soweit die Leistungen von der Bundesagentur erbracht werden. Für die Leistungen an die Maßnahmeträger, über welche entsprechende Eingliederungsleistungen nach §§ 16 ff SGB II erbracht werden sollten, ist die Bundesagentur Leistungsträger (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II). Geht man von einem zu frühen Abruf der Mittel durch den seinerzeitigen Geschäftsführer der ARGE aus, wäre folglich allenfalls dem Bund ein Schaden entstanden, da es um dessen Mittel geht. Eine Vollmacht der Klägerin, die selbst eine eigenständige Rechtspersönlichkeit besitzt (§ 367 Abs. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch – SGB III), zur Geltendmachung des Schadenersatzanspruchs wurde nicht vorgelegt. Weshalb sich eine solche Berechtigung oder Aufgabenübertragung kraft Gesetzes oder im Zusammenhang mit der BHO ergeben soll, erschließt sich auch nicht. Die §§ 88 ff BHO regeln die Rechnungsprüfung insbesondere durch den Bundesrechnungshof. Die von der Klägerin in Bezug genommene Vorschrift des § 98 BHO, wonach der Bundesrechnungshof eine sofortige Mitteilung an die zuständige Stelle zur Geltendmachung eines Schadenersatzanspruchs macht, begründet selbst keine Befugnis zur Geltendmachung eines fremden Schadens, vielmehr setzt sie die Zuständigkeit der entsprechenden Stelle voraus. Selbst wenn – wie die Klägerin vorbringt – wegen haushaltsrechtlichen Bindungen auch ihre eigenen Interessen betroffen sein sollten, kann dies noch nicht zu einer Prozessführungsbefugnis der Klägerin für den Bund führen. Im Übrigen hat die Klägerin keine Rechtsvorschrift – wie z. B. § 31 Satz 2 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift für die Abrechnung der Aufwendungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende durch die zugelassenen kommunalen Träger und für die Bewirtschaftung von Bundesmitteln im automatisierten Haushalts-, Kassen- und Rechnungswesen des Bundes (Kommunalträger-Abrechnungsverwaltungsvorschrift – KoA-VV) vom 14.03.2008 (BR-Drs 180/08), wonach ein Zinsanspruch bei einem nicht bedarfsgerechten Mittelabruf im Verhältnis zwischen dem Bund und den zugelassenen kommunalen Trägern vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales geltend zu machen ist – oder Vereinbarung zwischen ihr und dem Bund vorgelegt bzw. benannt, woraus sich die Berechtigung zur Geltendmachung eines etwaigen Schadenersatzanspruchs für den Bund ergibt.
Darüber hinaus würde sich die Frage stellen, ob sich ein Schadenersatzanspruch des Bundes nicht gegen die ARGE, für die ihr damaliger Geschäftsführer gehandelt hat, bzw. gegen die Klägerin richten müsste, die für die Eingliederungsleistungen nach §§ 16 ff SGB II Leistungsträger ist (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II). Erst in einem zweiten Schritt wäre dann ein eventueller Ausgleichanspruch der Klägerin gegen den Beklagten – ggf. nach § 20 ARGE-Vertrag – zu prüfen. Dass jedoch die Klägerin oder die ARGE wegen eines Zinsschadens in Anspruch genommen worden ist bzw. im Hinblick auf eine wohl zwischenzeitlich eingetretene Verjährung überhaupt noch in Anspruch genommen werden könnte, ist nicht ersichtlich.
In jedem Fall fehlt es aber an einer Anspruchsgrundlage für die Geltendmachung eines Schadenersatzanspruchs.
Geht man davon aus, es handele sich um einen Schaden des Bundes, so kann sich eine Anspruchsgrundlage nicht aus dem ARGE-Vertrag ergeben. Zum einen handelt es sich um einen Vertrag zwischen den Beteiligten, nicht aber um einen solchen, an dem der Bund beteiligt wäre. Zum anderen sieht § 20 Abs. 1 ARGE-Vertrag vor, dass sich die Haftung der ARGE sowie der Vertragspartner im Außenverhältnis nach den gesetzlichen Bestimmungen richtet, mithin eine gesetzliche Anspruchsgrundlage außerhalb des ARGE-Vertrages erforderlich ist.
Auch wenn man davon ausgehen wollte, es handele sich um einen Schaden der Klägerin selbst, würde ihr § 20 ARGE-Vertrag keine Anspruchsgrundlage bieten. § 20 Abs. 2 ARGE-Vertrag setzt zunächst voraus, dass die ARGE oder einer ihrer Vertragspartner von einem Dritten in Anspruch genommen wird. Mit der Haftungsregelung des § 20 ARGE-Vertrag soll erkennbar der Ausgleich in der Folge im Innenverhältnis der Vertragspartner geregelt werden. Dies ist zweifelsfrei § 20 Abs. 2 Satz 1 ARGE-Vertrag zu entnehmen, wonach „im Innenverhältnis“ die danach folgenden Regelungen gelten. § 20 Abs. 3 ARGE-Vertrag, den die Klägerin als Anspruchsgrundlage sehen möchte, regelt lediglich Ausnahmen zur Haftungsverteilung nach § 20 Abs. 2 ARGE-Vertrag im Hinblick auf das Handeln des Geschäftsführers oder mehrerer Beschäftigter mit unterschiedlichen Dienstherren bzw. Arbeitgebern bzw. bei vorsätzlichen oder grob fahrlässigem Handeln. Eine eigenständige Anspruchsgrundlage für einen Schadenersatz kann darin nicht gesehen werden. Im Hinblick auf die Systematik sowie Sinn und Zweck des § 20 ARGE-Vertrag kann damit auch § 20 Abs. 3 Satz 6 ARGE-Vertrag, wonach „die vorstehende Regelung ( …) sowohl für Schäden Dritter als auch für Eigenschäden eines Vertragspartners“ gelten, keine Rechtsgrundlage für einen Schadenersatzanspruch selbst sein. Insofern folgt auch hier aus dem Wortlaut eindeutig, dass es nur um die Anwendung der vorstehenden Regelungen, also solcher zu einem Haftungsausgleich, geht. Es wird insofern ein bereits aus anderen Regelungen bestehender Schadenersatzanspruch vorausgesetzt.
Unerheblich und ohne Belang ist, ob und wie seitens der Klägerin mit anderen kommunalen Trägern ARGE-Verträge geschlossen worden sind. Maßgeblich ist alleine der vorliegende Vertrag, zumal der Beklagte bei den anderen Verträgen nicht beteiligt war und daher auch nicht davon ausgegangen werden kann, die Vertragsparteien hätten die anderen Verträge im Sinn gehabt.
Auch andere Rechtsgrundlagen für einen Schadenersatzanspruch in Bezug auf den geltend gemachten Zinsschaden sind nicht ersichtlich. Eine unmittelbar geltende sondergesetzliche Anspruchsgrundlage für den Ersatz von Vermögensschaden infolge fehlerhaften Verwaltungshandeln stellt Art 104a Abs. 5 Satz 1 Grundgesetz (GG) dar. Diese gilt jedoch alleine im Verhältnis Bund und Länder und kann darüber hinaus nicht auf eine Haftung von Kommunen ausgedehnt werden (vgl. dazu eingehend: BSG, Urteil vom 02.07.2013 – B 4 AS 72/12 R). Ebenso wenig ist ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch gegeben. Insofern macht die Klägerin nicht die Rückübertragung der vom Geschäftsführer verausgabten Mittel geltend, sondern es geht um einen Zinsschaden. Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch ist insofern an das zivilrechtliche Institut der ungerechtfertigten Bereicherung angelehnt. Im Übrigen spricht vorliegend einiges dafür, dass der Geschäftsführer die Mittel im Rahmen der dem SGB II zugrunde liegenden Ziele, Zwecke und Prinzipien verwendet hat. So dürfte die Leistungen an die Maßnahmeträger und die darauf durchgeführten Maßnahmen zu einer Verkürzung oder Beseitigung, Verkürzung oder Verminderung der Hilfebedürftigkeit der Leistungsberechtigten nach dem SGB II geführt haben. Dass die Maßnahmeträger die Maßnahmen nicht ohne die Vorfinanzierung hätten durchführen können, wie es vom Beklagten vorgebracht worden ist, wurde von der Klägerin auch nicht hinreichend widerlegt.
Es besteht auch kein Anspruch aus einem öffentlich-rechtlichen Treuhandverhältnis. Anders als im Verhältnis zwischen Einzugsstelle und Rentenversicherungsträger im Rahmen der Einziehung von Beitragsforderungen fehlt es vorliegend an einem Treuhandverhältnis in Bezug auf den Beklagten und die Klägerin. Vielmehr sind beide für getrennte Bereiche Leistungsträger nach § 6 SGB II. Ein Anspruch gegen die ARGE selbst stand vorliegend nicht in Streit. Insoweit kommt weder eine direkte noch eine entsprechende Anwendung von § 28r SGB IV als spezielle Schadenersatznorm (vgl. dazu Segebrecht in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, 2. Auflage, § 28r Rn. 11) in Betracht. Auch eine vergleichbare Regelung zu § 6b Abs. 5 Satz 2 und 3 SGB II, wie sie mit dem Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisation der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 03.08.2010 eingeführt worden ist, und nach der die ohne Rechtsgrund durch einen zugelassenen kommunalen Träger vom Bund erhaltenen Mittel während des Verzuges mit der Rückzahlung zu verzinsen sind, ist im vorliegenden Verhältnis der Beteiligten nicht vorgesehen. Gleiches gilt für § 31 Satz 1 KoA-VV, wonach bei einem nicht bedarfsgerechten Abruf von Bundesmitteln durch einen – hier nicht vorliegenden – zugelassenen kommunalen Träger für den entsprechenden Betrag Zinsen iHv drei Prozentpunkten über dem jeweils geltenden Basiszinssatz nach § 247 BGB für das Jahr verlangt werden können. Selbst eine analoge Anwendung der Vorschrift würde nicht zur Begründetheit der Klage führen, da § 31 Satz 1 KoA-VV eine Ermessensentscheidung vorsieht und von der Klägerin vorliegend jedenfalls kein Ermessen ausgeübt worden ist.
Schließlich kann sich die Klägerin nicht auf § 823 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. Abs. 1 BGB berufen. Danach besteht eine Verpflichtung zum Ersatz eines Schadens für denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Sofern nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein (§ 823 Abs. 2 Satz 2 BGB). Nach Art 2 Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche (EGBGB) ist Gesetz iSd BGB jede Rechtsnorm, also nicht nur Gesetze im formellen Sinn sondern auch Verordnungen und Satzungen (Hager in Staudinger, BGB, Stand 2009, § 823 Rn. G9). Notwendig ist aber, dass die Vorschriften den Schutz privater Rechte und Interessen bezwecken (vgl. OLG München, Urteil vom 11.05.2016 – 20 U 4831/15). Die Bestimmungen der BHO könnten zwar rechtsquellentheoretisch dem Modell des Art 2 EGBGB entsprechen, sind aber wegen ihrer Schutzrichtung keine Gesetze nach § 823 Abs. 2 BGB, da ihnen die Außenwirkung zugunsten der Bürger fehlt (vgl. allgemein zu Verwaltungsvorschriften: Schiemann in Erman, BGB, 14. Auflage, § 823 Rn. 156; Hager in Staudinger, BGB, Stand 2009, § 823 Rn. G15). Eine analoge Anwendung scheidet mangels vergleichbarer Interessenlage aus, da es im Rahmen der deliktischen Haftung aus § 823 Abs. 2 BGB um einen Schutz von Rechtsgütern geschädigter Privatpersonen geht, nicht aber solcher des Staates.
Damit ist keine Anspruchsgrundlage für den geltend gemachten Zinsanspruch gegeben. Im Rahmen des Sozialrechts gibt es zahlreiche Regelungen über Zinsen im Rahmen eines Verwaltungsrechtsverhältnis zwischen zwei Körperschaften des öffentlichen Rechts, wie z. B. § 28r SGB IV oder § 6b Abs. 5 Satz 2 SGB II. Eine generelle Zinsvorschrift gibt es nicht, vielmehr sind beispielsweise Erstattungsansprüche von Sozialleistungsträgern untereinander grundsätzlich nicht zu verzinsen. Damit scheidet aber ein allgemeiner Zinsanspruch aus, soweit er nicht gesetzlich vorgeschrieben ist (vgl. dazu auch BSG, Urteil vom 12.11.2015 – B 14 AS 50/14 R; es ist nicht ersichtlich, weshalb sich diese Grundsätze allein auf Nebenforderungen beziehen sollen, da es gerade für die Geltendmachung eines Primärschadens erst recht eine Anspruchsgrundlage geben muss).
Ein Anspruch aus Amtshaftung nach § 839 BGB i. V. m. Art 34 GG wird von der Klägerin nicht geltend gemacht. Hierfür wäre auch der Rechtsweg zu den Sozialgerichten nicht eröffnet.
Es kann damit dahinstehen, dass zudem nicht ersichtlich ist, in welcher Höhe überhaupt ein Schaden eingetreten ist. Soweit sich die Klägerin für eine Schadensberechnung auf § 28r SGB IV bezieht, ist dieser vorliegend nicht einschlägig und mangels vergleichbarer Interessenlage – es fehlt vorliegend an einem öffentlich-rechtlichen Treuhandverhältnis zwischen den Beteiligten bzw. dem Bund – nicht entsprechend anwendbar. Ein konkreter Schadensnachweis ist – trotz richterlichen Hinweises – nicht erfolgt. Welche tatsächlichen Zinsverluste vorliegend entstanden sein könnten, ist nicht ersichtlich. Eine Darlegung zum Unterschied zwischen der Vermögenslage des Bundes, wie sie sich infolge des angeblichen Verstoßes gegen die BHO darstellt, und derjenigen Vermögenslage, die bestanden hätte, wenn die Mittel nicht vorzeitig abgerufen worden wären, ist nicht erfolgt (vgl. dazu auch BVerwG, Urteil vom 16.12.1988 – 6 C 35/86 – m. w. N.). Die Klägerin hat noch nicht einmal – ebenfalls trotz richterlichen Hinweises – nähere Darlegungen zu den einzelnen Maßnahmen, für die die Mittel angeblich zu früh abgerufen worden sind, gemacht. Es wurde allein eine tabellarische Aufstellung als Anlage zur Klageschrift vorgelegt, nicht dagegen Nachweise zum vorzeitigen Mittelabruf, den entsprechenden Verträgen oder dazu, warum hier eine Vorfinanzierung, deren Notwendigkeit vom Beklagten vorgetragen worden ist und durchaus denkbar sein könnte, nicht notwendig gewesen ist.
Ob der seinerzeitige Geschäftsführer seinerzeit tatsächlich pflichtwidrig gehandelt hat, kann damit offengelassen werden.
Nach alledem ist ein Zahlungsanspruch der Klägerin gegen den Beklagten nicht gegeben. Die Berufung war somit zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO.
Gründe, die Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn 1 und 2 SGG zuzulassen, sind nicht ersichtlich.


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