Arbeitsrecht

Aufstiegsfortbildungsförderung, Aufhebung der Bewilligung, Rückforderung der Leistung, regelmäßige Teilnahme, unbekannte Teilnahmefähigkeit, Warnschuss

Aktenzeichen  B 8 K 20.402

Datum:
28.6.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 44547
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AFBG § 9a
AFBG § 16
AFBG § 26

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens trägt der Kläger.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch den Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 Prozent des aufgrund der Kostenentscheidung vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 Prozent des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Gründe

Das Gericht konnte gem. § 101 Abs. 2 VwGO in der Sache ohne weitere mündliche Verhandlung entscheiden. Die Beteiligten haben in der mündlichen Verhandlung vom 12.10.2020 auf weitere mündliche Verhandlung verzichtet (S. 4 der Sitzungsniederschrift).
1. Der Verwaltungsrechtsweg ist eröffnet, § 26 Halbs. 1 AFBG i.V.m. § 40 Abs. 1 VwGO. Für öffentlich-rechtliche Streitigkeiten nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz ist gemäß § 26 Halbs. 1 AFBG der Verwaltungsrechtsweg gegeben. § 26 Halbs. 1 AFBG schließt dabei – entsprechend zu den Vorschriften des Bundesgesetzes über individuelle Förderung der Ausbildung (Bundesausbildungsförderungsgesetz – BAföG) – den Rechtsweg zur Sozialgerichtsbarkeit aus (vgl. Schubert/Schaumberg, in PdK Bund, AFBG, Dez. 2018, § 26, Ziff. 1) und verweist somit konstitutiv auf den Verwaltungsrechtsweg (vgl. Eyermann/Rennert, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 40 Rn. 170, i.H.a. § 54 BAföG).
Das Vorgehen gegen die Aufhebung der Bewilligung der Förderung insgesamt auf Grundlage des § 16 AFBG ist als öffentliche-rechtliche Streitigkeit anzusehen. Öffentlichrechtlich sind als „Kehrseite des Leistungsanspruchs“ auch Klagen gegen die Aufhebung der Bewilligung (bzw. Rückforderung von Leistungen), wenn auch das Leistungsverhältnis öffentlich-rechtlich war (vgl. Kopp/Schenke/Ruthig, VwGO, 22. Aufl. 2016, § 40 Abs. 13a). Die Bewilligung der Leistung (als „Kehrseite“) betrifft im vorliegenden Fall die Entscheidung über das „Ob“ der Förderung und ist – unabhängig von der Förderungsart des § 12 AFBG (Zuschuss oder Anspruch auf Abschluss eines Darlehensvertrags mit der Kreditanstalt für Wiederaufbau) – als öffentlich-rechtlich anzusehen. In der konkreten gesetzlichen und behördlichen Ausgestaltung der Leistungsgewährung erscheint eine Stufung angelegt, weshalb auch in Anwendung der „Zweistufentheorie“ im Hinblick auf die erste Stufe (das „Ob“) von einer öffentlich-rechtlichen Beziehung ausgegangen werden kann (vgl. Kopp/Schenke/Ruthig, VwGO, 22. Aufl. 2016, § 40 Rn. 15a, 21). Im Übrigen sind die streitentscheidenden Normen (v.a. §§ 9a, 16 AFBG) öffentlich-rechtlicher Natur, da sie den Beklagten als Träger der öffentlichen Verwaltung zu hoheitlichem Handeln berechtigen und verpflichten.
Die streitgegenständliche Rückforderung von bereits geleisteten (Zuschuss-)Beiträge ist ebenfalls als öffentlich-rechtliche Streitigkeit einzuordnen. Die Rückforderung des Beklagten beschränkt sich auf den Zuschuss zum Maßnahmebeitrag i.S.v. § 10 Abs. 1 AFBG i.V.m. § 12 Abs. 1 Satz 2 AFBG sowie den Zuschuss zum Unterhaltsbeitrag i.S.v. § 10 Abs. 2 AFBG i.V.m. § 12 Abs. 2 AFBG. Bei der Leistung des Zuschussbeitrags (als „Kehrseite“ der Rückforderung, s.o.) ist auch im Sinne der Zweistufentheorie („Wie“) im Zweifel – mangels entgegenstehender Anhaltspunkte – davon auszugehen, dass sich die Behörde vorliegend der für das Verwaltungshandeln besonders zugeschnittenen öffentlichen Rechtsformen bedient hat (vgl. Eyermann/Rennert, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 40 Rn. 45 m.w.N. zur Rspr. und Lit.). Eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit ergibt sich auch aus der Annahme, dass sog. „verlorene Zuschüsse“ in der Regel durch Verwaltungsakt und damit in öffentlich-rechtlicher Rechtsbeziehung gewährt werden (vgl. Kopp/Schenke/Ruthig, VwGO, 22. Aufl. 2016, § 40 Rn. 21). Im Übrigen wird hierbei gleichermaßen auf die streitentscheidenden öffentlich-rechtlichen Normen (v.a. §§ 9a, 16 AFBG) zurückgegriffen (s.o.).
Die Spezialzuweisung des § 26 Halbs. 2 AFBG zu den ordentlichen Gerichten bei Streitigkeiten aus dem Darlehensvertrags kommt nicht zur Anwendung. Vom streitgegenständlichen Bescheid ist nicht die Abwicklung (das „Wie“ der Rückforderung) des privatrechtlich ausgestalteten Darlehensverhältnisses zwischen dem Antragsteller und der KfW betroffen (vgl. dazu die Regelungen zu den Darlehensbedingungen, -erlassen und – stundungen, -rückzahlungen und den Gläubigerwechseln der §§ 13-14 AFBG).
2. Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
Die angefochtene Entscheidung des Beklagten vom 06.05.2019 in Form des Widerspruchsbescheids vom 02.04.2020 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 VwGO. Vorliegend besteht eine Rückzahlungspflicht des Klägers dem Grunde nach § 16 Abs. 2 i.V.m. 3 AFBG. Die Voraussetzungen für die Aufhebung des Bewilligungsbescheides sowie Rückforderung von überzahlten Leistungen liegen vor.
Für Maßnahmen, die – wie vorliegend – bis zum Ablauf des 31.07.2020 abgeschlossen worden sind, sind grundsätzlich die Vorschriften des AFBG in der bis zum Ablauf des 31.07.2020 geltenden Fassung anzuwenden, vgl. § 30 Abs. 1 AFGB.
2.1 Nach § 16 Abs. 2 AFBG ist der Bewilligungsbescheid insoweit aufzuheben und der Teilnehmer oder die Teilnehmerin hat die erhaltenen Leistungen zu erstatten, soweit Leistungen nach diesem Gesetz unter dem Vorbehalt der Rückforderung gewährt wurden und der entsprechende Vorbehalt greift.
2.1.1 Die Leistungen wurden unter dem Vorbehalt der Rückforderung gewährt, § 16 Abs. 2 i.V.m. § 9a Abs. 1 Satz 5 AFBG. Der Bewilligungsbescheid des Beklagten vom 28.03.2018 in allen nachfolgenden Fassungen erging jeweils ausdrücklich unter dem Vorbehalt der Einstellung und Rückforderung der Leistungen (vgl. § 36 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG), dass der Kläger jeweils zu den folgenden Terminen einen Nachweis des Bildungsträgers über die regelmäßige Teilnahme an der Maßnahme erbringt. Der im Bescheid enthaltene Vorbehalt des Widerrufs entspricht inhaltlich den Vorgaben des § 9a Abs. 1 Satz 5 AFBG, wonach die Förderung hinsichtlich der regelmäßigen Teilnahme an der Maßnahme unter dem „Vorbehalt der Einstellung und Rückforderung“ zu leisten ist (vgl. Bl. 24 d. Akten).
2.1.2 Gemessen daran sind der Widerruf und die damit verbundene Aufhebung des Bewilligungsbescheides nicht zu beanstanden.
Wie sich anhand der vom Kläger im behördlichen Verfahren vorgelegten Teilnahmenachweise der Fortbildungsstätte nachvollziehen lässt, hat der Kläger gegen seine Pflicht aus § 9 Abs. 1 Satz 1 AFBG verstoßen, regelmäßig an der geförderten Maßnahme teilzunehmen. Gemäß § 9a Abs. 1 Satz 4 AFBG liegt eine regelmäßige Teilnahme nur vor, wenn die Teilnahme an mindestens 70 Prozent der Präsenzstunden nachgewiesen wird. Der Kläger hat diese Teilnahmequote im Hinblick auf die Maßnahme insgesamt nicht erreicht, da seine nachgewiesene Teilnahmequote am Präsenzunterricht der Maßnahme insgesamt bei nur 66,22 Prozent liegt.
2.1.3 Dabei ist entgegen des Vortrags des Klägers jede Fehlzeit – unabhängig vom Grund des Fehlens – im Rahmen von § 9a Abs. 1 Satz 4 AFBG (a.F.; s.o.) zu berücksichtigen. Bereits dem Wortlaut nach ist eine Differenzierung zwischen einzelnen Gründen einer Fehlzeit und deren Ausnahme von der Berechnung der Teilnahmequote nicht angezeigt. Auch der Hintergrund der 70-Prozent-Grenze in § 9a Abs. 1 AFBG spricht gegen eine etwaige Differenzierung. Zur Vereinfachung des Verwaltungsverfahrens und zur Erhöhung der Transparenz für die Teilnehmer wurde für die Ermittlung förderungsschädlicher Fehlzeiten eine Pauschalierung bei 70 Prozent eingeführt (vgl. BT-Drs. 18/7055, S. 21, Nr. 11; VG Gelsenkirchen, U.v. 29.05.2019 – 15 K 10704/17, BeckRS, 10647, Rn. 26). Eine Differenzierung nach dem Grund der Fehlzeit z.B. im Falle von Krankheit erscheint auch im Hinblick auf § 7 AFBG nicht gerechtfertigt. Soweit der Teilnehmer infolge Krankheit die regelmäßige Teilnahme nach dem Förderzweck nicht gewährleisten kann, hat er die Möglichkeit die Maßnahme nach § 7 AFBG zu unterbrechen. Besonderen Härten, die aus einer längeren Abwesenheit aus wichtigem Grund entstehen können, würde gerade durch die Möglichkeit der Unterbrechung Rechnung getragen (s.a. Schubert/Schaumberg, in PdK Bund, AFBG, § 9a, Ziff. 2.1.). Nur die Zeiten der Abwesenheit nach erklärter Unterbrechung wegen Krankheit, Schwangerschaft oder aus wichtigem Grund nach § 7 Abs. 3a AFBG bleiben bei der Ermittlung der Fehlzeiten dann außer Betracht (vgl. BT-Drs. 18/7055, S. 38 f.; vgl. Schubert/Schaumberg, in PdK Bund, AFBG, Dez. 2018, § 9a, Ziff. 2.1.). Für eine Unterbrechung der Maßnahme aus wichtigem Grund wäre nach § 7 Abs. 4a AFBG eine ausdrückliche Erklärung erforderlich gewesen, die der Kläger soweit ersichtlich im Maßnahmenzeitraum nicht abgegeben hat und auf die er sich auch im gerichtlichen Verfahren nicht beruft.
Der Vortrag des Klägers, während des Zeitraums der Maßnahme im Jahr 2018 an gesundheitlichen Problemen infolge eines Wiederaufflammens einer Anpassungs- und Somatisierungsstörung gelitten zu haben, ist daher nicht entscheidungserheblich. Soweit er sich darauf beruft, dass die Fehlzeiten darauf zurückzuführen seien, hätte er entsprechend den Vorgaben des § 7 AFBG handeln müssen, um einer Verletzung seiner Verpflichtung zur regelmäßigen Teilnahme gem. § 9a AFBG zuvorzukommen und dem Förderungszweck entsprechend zu handeln. Auch die nach Hinweis der Behörde auf die Fehlzeiten im Dezember 2018 durch Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen angezeigten einzelnen Krankheitstage im Januar und Februar 2019 sind bei der Berechnung der Teilnahmequote bei § 9a Abs. 1 AFBG als Fehlzeiten zu werten gewesen.
2.1.4 Es kann dahinstehen, ob die in der Rechtsprechung zum Prüfungsrecht anhand der Thematik einer unerkannten Prüfungsunfähigkeit herausgearbeiteten Gedanken auf den vorliegenden Fall entsprechend angewendet werden können (vgl. dazu BayVGH, U.v. 28.01.2011 – 7 ZB 10.2236 – juris, mit weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung). Die „entsprechende“ Anwendung bezieht sich dabei nicht auf die Prüfungssituation der vorliegenden Ausbildung. Vielmehr käme eine entsprechende Anwendung höchstens für den Zeitraum einer „unerkannten“ „Teilnahme“-Unfähigkeit in Betracht, die dem Teilnehmer ein wie oben beschriebenes Vorgehen über § 7 AFBG unmöglich und ein Abstellen allein auf die regelmäßige Teilnahme ohne Berücksichtigung eines Abwesenheitsgrundes unzumutbar machen würde.
Selbst bei entsprechender Anwendung ließen sich die Fehlzeiten im vorliegenden Fall nicht ausräumen, da jedenfalls nicht von einer unerkannten – und im Übrigen nicht nachgewiesenen (s.u.) – Teilnahmeunfähigkeit auszugehen ist. Der Kläger befand sich nach eigenem Vortrag nicht in einer Situation, in der er seine Unfähigkeit, an der Ausbildungsmaßnahme teilnehmen zu können, nicht erkannte. Vielmehr muss ihm – allein schon wegen seiner Nichtteilnahme aber auch aufgrund seiner vorgetragenen Erfahrungen mit seinem Krankheitsbild – bewusst gewesen sein, dass er infolge seiner psychischen Beschwerden an den entsprechenden Ausbildungsabschnitten nicht teilgenommen hatte bzw. phasenweise nicht teilnehmen konnte.
Darüber hinaus würde die Geltendmachung einer solchen unerkannten Teilnahmeunfähigkeit – um Missbräuchen vorzubeugen – sowohl hinsichtlich des zeitlichen Rahmens als auch hinsichtlich der Formalisierung strengen Anforderungen unterliegen, die im vorliegenden Fall nicht erfüllt sind.
So hat die Geltendmachung unter Vorlage von Nachweisen unverzüglich zu erfolgen, also zum frühestmöglichen Zeitpunkt (vgl. dazu BayVGH, a.a.O., Rn. 16 mit Verweis auf. BVerwG, U.v. 07.10.1988 – 7 C 8/88 – juris; U.v. 13.05.1998 – 6 C 12/98 – juris). Der Kläger legte allerdings erstmals im Widerspruchsverfahren das o.g. Attest vom 20.05.2019 vor, obwohl er bereits im Dezember 2018 auf seine Fehlzeiten im – nach seinen Angaben zum Verlauf seiner Krankheit – maßgeblichen Maßnahmenabschnitt „Teil II“ hingewiesen worden ist. Es hätte an ihm gelegen, eine qualifizierte und aussagekräftige ärztliche Bescheinigung zeitnah – d.h. im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem Anfallen der Fehltage – einzuholen, um entsprechend seinen Mitwirkungspflichten bei Geltendmachung einer solchen Erkrankung und damit Umständen, die allein in seiner Sphäre liegen, nachzukommen und belastbare Nachweise zeitnah zu sichern.
Weiter fordert die Rechtsprechung bei Geltendmachung einer Prüfungsunfähigkeit ein „amts- oder landgerichtliches Attest, das [die] krankhaften Beeinträchtigungen näher beschreibt und darlegt, welche Auswirkungen diese auf ihr Leistungsvermögen in der konkret abzulegenden Prüfung habe“ (BayVGH, a.a.O., Rn. 17). Es fehlt bereits an einem entsprechend substantiierten Vortrag und entsprechenden Nachweisen, inwiefern und zu welchen Zeiten der Kläger im betreffenden Maßnahmenabschnitt Teil II genau arbeits- bzw. teilnahmeunfähig – ohne dies zu erkennen bzw. den Verlauf einschätzen zu können – erkrankt gewesen wäre. Das vorgelegte Attest vom 20.05.2019 seines Hausarztes bleibt – abseits der Fragen zu dessen Qualifikation im Hinblick auf Diagnosen psychischer Krankheitsbilder und dessen Neutralität – genau wie der Vortrag des Klägers dahingehend zu pauschal, um etwaige Beeinträchtigungen belastbar anhand von konkreten Fehlzeiten rekonstruieren zu können.
Aus den im behördlichen Verfahren vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen zu Einzelnen Fehltagen, die in den letzten Maßnahmenabschnitt „Teil I“ fallen (10.01.-11.01.2019; 17.01.2019, 11.02.2019; 14.02.2019; vgl. Bl. 139 d. Akten) ergibt sich ebenso wenig ein entsprechender Nachweis an einer unerkannten „Teilnahme“-Unfähigkeit.
2.1.5 Es ist auch sonst weder hinreichend vorgetragen noch ersichtlich geworden, weshalb ihm ein Vorgehen über § 7 AFBG im Einzelfall nicht möglich oder unzumutbar gewesen sein soll. Der Kläger selbst räumte in der mündlichen Verhandlung ein, über ein Vorgehen nach § 7 AFBG trotz der Hinweise der Behörde nicht nachgedacht zu haben. Nicht entscheidend sein kann, dass der Kläger im Unklaren gewesen wäre, wie lange seine akuten psychischen Beeinträchtigungen jeweils andauern würden, die nach seinem Vorbringen eine vorübergehende Teilnahme an der Maßnahme verhinderten.
Dass der Kläger in seiner besonderen Situation die Ausbildung zum Meister habe unbedingt abschließen wollen, ist menschlich nachvollziehbar und wird vom Gericht genauso wie das Bestehen seiner Meisterprüfung mit Respekt gewürdigt. Damit hat er sich allerdings ohne weitere Absprache mit der Behörde dem – letztlich auch verwirklichten -Risiko ausgesetzt, die Teilnahmequoten, wie im Gesetz als rechtmäßige Voraussetzung für die Förderung vorgesehen, nicht zu erfüllen.
2.1.6 Der Aufhebung der Bewilligung und der Rückzahlungspflicht kann nicht entgegengehalten werden, dass der Kläger die Maßnahme mit der Meisterprüfung im Kraftfahrzeugtechnikhandwerk erfolgreich abgeschlossen hat. Die Teilnahmepflicht in § 9 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 4 AFBG (Teilnahme an 70 Prozent der Präsenzstunden) als persönliche Fördervoraussetzung bzw. Widerrufsgrund bei Nichterfüllung gilt ihrem insoweit eindeutigen Wortlaut nach uneingeschränkt und ist insbesondere nicht vom tatsächlich erfolgreichen Abschluss der Maßnahme abhängig. Letzteres wäre lediglich eine ex-post-Betrachtung, die sich dem Gesetzeswortlaut nicht entnehmen lässt. Vielmehr stellt das Gesetz ausdrücklich auf den Verlauf der Ausbildung und nicht auf dessen Ergebnis ab.
Nach der gesetzlichen Regelung wirkt sich das Bestehen der Meisterprüfung nach § 13b Abs. 1 AFBG vielmehr auf einen möglichen Erlass des Darlehensanteils an den Lehrgangs- und Prüfungsgebühren aus, sofern die dortigen Voraussetzungen gegeben sind.
2.2 Darüber hinaus liegen auch die besonderen Voraussetzungen des § 16 Abs. 3 AFBG (a.F., s.o.) nach den obigen Ausführungen vor. Weist der Teilnehmer nach § 16 Abs. 3 AFBG in einem Nachweis des Bildungsträgers nicht die regelmäßige Teilnahme nach und kann diese bis zum Ende der Maßnahme nicht mehr erreicht werden, so ist der Bewilligungsbescheid insgesamt aufzuheben. Der Kläger konnte nach Vorlage des Nachweises des Bildungsträgers für den Maßnahmenabschnitt „Teil II“ (04.09.18-28.11.18), aus dem sich für den Abschnitt eine Teilnahmequote von 53,33 Prozent ergab, die regelmäßige Teilnahme an der Maßnahme nicht nachweisen. Die regelmäßige Teilnahme konnte jedenfalls nach Vorlage des letzten Nachweises des Bildungsträgers für den Maßnahmenabschnitt „Teil I“ (04.12.18 – 14.02.18) nach Ablauf der Maßnahme nicht mehr erreicht werden. Die Teilnahmequote für die Maßnahme insgesamt lag danach lediglich bei 66,22 Prozent und blieb unter den erforderlichen 70 Prozent zurück (s.o.).
2.3 § 16 Abs. 4 AFBG ist als Sonderfall nicht einschlägig. § 16 Abs. 4 AFBG schließt nicht aus, dass eine Aufhebung der Bewilligung und Rückforderung der Leistung nach § 16 Abs. 2 (ggf. i.V.m. Abs. 3) AFBG nach Ablauf der Maßnahme möglich ist, zumal zu diesem Zeitpunkt erst sicher feststehen kann, dass ein Teilnehmer die regelmäßige Teilnahme an der Maßnahme insgesamt nicht nachweisen kann (s.o.).
Der Teilnehmer soll im Sonderfall des § 16 Abs. 4 AFBG zunächst einen „Warnschuss“ (als Hinweis als nach § 16 Abs. 4 Satz 2 AFBG) erhalten, weil das verfolgte Ziel der Förderung – die regelmäßige Teilnahme an der gesamten Fortbildungsmaßnahme und damit die Vorbereitung auf das angestrebte Fortbildungsziel – noch erreicht werden kann (vgl. BT-Drs. 18/7055, S. 45). Erreicht der Teilnehmer nach dem „Warnschuss“ in einem weiteren Teilnahmenachweis nicht die regelmäßige Teilnahme (dies kann, aber muss nicht der letzte Teilnahmenachweis sein), ist die Bewilligung insgesamt aufzuheben. „Bei dem zweiten Teilnahmenachweis kommt es dann nicht mehr darauf an, ob die notwendige Teilnahme bis zum Ende der Maßnahme noch möglich ist. Wird die regelmäßige Teilnahme erneut nicht nachgewiesen, ist die Förderung einzustellen […]“ (vgl. BT-Drs. 17/7055, S. 45). Dadurch kann die Rückforderung bei nicht-regelmäßiger Teilnahme an der Maßnahme insgesamt nach § 16 Abs. 2 (ggf. i.V.m. § 16 Abs. 3 AFBG) nicht ausgeschlossen sein.
Die Frage, ob die besonderen Voraussetzungen des § 16 Abs. 4 AFGB im Falle der Vorlage eines ersten defizitären Teilnahmenachweises während der Maßnahme stets zu beachten sind, kann dahinstehen, da der Beklagte seiner Hinweispflicht nach § 16 Abs. 4 Satz 2 AFBG in ausreichendem Maße nachgekommen ist (anders im zu entscheidenden Fall des VG Gelsenkirchen, U.v. 29.05.2019 – 15 K 10704/17 – juris Rn. 21 ff.; das die Rechtswidrigkeit der Rückforderung auf einen nicht erfolgten „Warnschuss“ der Behörde stützte; vgl. dazu BVerwG, B.v. 08.04.2020 – 5 B 2.20 – juris; s.a. OVG Magdeburg, B.v. 02.02.2021 – 4 L 116/20 – juris):
Gemäß § 16 Abs. 4 Satz 2 AFBG ist der Teilnehmer demnach auf den nächsten Vorlagezeitpunkt und die Folge eines erneut nicht erfolgreichen Teilnahmenachweises hinzuweisen. Die Behörde hat mit Schreiben vom 21.12.2018 (Bl. 115 d. Akten) – nach Vorlage des ersten defizitären Nachweises der Teilnahme am Maßnahmenabschnitt „Teil II“ – den Kläger darauf hingewiesen, dass von einer Aufhebung des Bewilligungsbescheides und der Rückforderung der Leistungen noch abgesehen werde, weil er gem. § 16 Abs. 4 Satz 1 AFBG die Schwelle von mindestens 70 Prozent Teilnahme noch bis zum Maßnahmenende erreichen könne. Bisher hätte sich für den Kläger eine Teilnahmequote an der gesamten Maßnahme von 63,75 Prozent ergeben, weshalb der Kläger auf seine Präsenz achten solle. Es ist nicht ersichtlich, dass damit der vom Gesetz bezweckte „Warnschuss“ gegenüber dem Kläger nicht ausreichend zu Tage getreten wäre, zumal der Kläger anschließend mit E-Mail vom 02.01.2019 gewissermaßen auch sein Verständnis und zukünftiges Bemühen um die Teilnahme gegenüber der Behörde zum Ausdruck gebracht hat.
Entgegen der Ansicht des Klägers kann es im Hinblick auf § 16 Abs. 4 Satz 1 AFBG nach nicht nur auf das Erreichen der Teilnahmequote im letzten Teilabschnitt der Maßnahme ankommen, um einer Aufhebung der Bewilligung und Rückforderung der Leistung entgegenzutreten. Es ist daneben auch auf die regelmäßige Teilnahme an der Maßnahme insgesamt abzustellen, die einen selbstständigen Rückforderungstatbestand i.S.v. § 16 Abs. 2 (i.V.m. Abs. 3) AFBG darstellt. Ansonsten käme es zu einer nicht gerechtfertigten Benachteiligung solcher Teilnehmer, die in einem Teilnachweis nicht die regelmäßige Teilnahme erreichen aber nicht mehr die Möglichkeit haben, insgesamt die regelmäßige Teilnahme nachzuweisen. Diese hätten nach § 16 Abs. 3 AFBG die Aufhebung der Bewilligung und Rückerstattung der Leistungen konsequent hinzunehmen. Einen Teilnehmer – wie den Kläger – träfe hingegen dann diese gesetzlich angelegte Folge nicht gleichermaßen, wenn er nach einem ersten defizitären Teilnahmenachweis bei noch möglicher regelmäßiger Teilnahme an der Maßnahme insgesamt in weiteren Teilabschnitten im jeweiligen Abschnitt zwar die 70 Prozent-Schwelle erreichen würde, obwohl er im Ergebnis aber eine regelmäßige Teilnahme der Maßnahme insgesamt – wie nach den Voraussetzungen des § 16 Abs. 3 AFBG für eine Rückforderung ausreichend – ebenso wenig nachgewiesen hätte.
2.4. Die im Bescheid ausgesprochene Rückzahlungspflicht ist nicht zu beanstanden. Gemäß § 16 Abs. 2 AFBG hat der Teilnehmer nach Aufhebung des Bewilligungsbescheides die erhaltenen Leistungen zu erstatten. Die §§ 16 Abs. 2-4 AFBG räumen insoweit kein Ermessen ein. Ein gerichtlich allenfalls überprüfbarer Ermessenspielraum (§ 114 VwGO) besteht daher nicht.
2.5 Auch hinsichtlich des – nicht ausdrücklich angegriffenen – Umfanges der Erstattungspflicht bestehen keine Bedenken. Gemäß § 16 Abs. 5 AFBG ist der Unterhaltsbeitrag nur für die Maßnahmenabschnitte zu erstatten, an denen der Kläger nicht regelmäßig teilgenommen hat. Dies würde vorliegend – wie von der Behörde berechnet – den Maßnahmenabschnitt „Teil II“ und damit die Monate September, Oktober und November 2018, also drei Monate à 462,00 EUR betreffen. Der Zuschussbetrag für die Lehrgangs- und Prüfungsgebühren ist dagegen insgesamt zu erstatten. Berechnungsfehler des Beklagten sind nicht ersichtlich und wurden im Übrigen auch nicht geltend gemacht.
Die Klage ist daher insgesamt abzuweisen.
3. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Als unterlegener Beteiligter hat der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nach § 188 Satz 2 Halbs. 1 VwGO in Angelegenheiten der Ausbildungsförderung gemäß § 188 Satz 1 VwGO nicht erhoben (vgl. BVerwG, B.v. 24.07.2014 – 5 B 17/14 – juris Rn. 21).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff der Zivilprozessordnung – ZPO -.


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