Arbeitsrecht

Ausgleich für Mehrarbeit beim Bundeswehrfeuerwehrdienst

Aktenzeichen  M 21 K 14.3143

Datum:
29.11.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
RL 2003/88/EG RL 2003/88/EG Art. 6
BBG BBG § 88
BBesG BBesG § 5 Abs. 1 S. 2, § 48, § 79
BMVergV BMVergV § 5 Abs. 1 S. 2

 

Leitsatz

1. § 5 Abs. 1 S. 2 BMVergV, wonach Bereitschaftsdienst nur entsprechend dem Umfang der erfahrungsgemäß bei der betreffenden Tätigkeit durchschnittlich anfallenden Inanspruchnahme berücksichtigt wird, wobei schon die Ableistung des Bereitschaftsdienstes als solches in angemessenem Umfang anzurechnen ist, ist mit höherrangigem Recht vereinbar. (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Rechtsprechung zum 1:1-Freizeitausgleich auch für außerhalb der Regelarbeitszeit erbrachte Bereitschaftsdienste ist auf den Mehrarbeitsvergütungsanspruch nicht übertragbar (wie OVG Münster BeckRS 2015, 51529). (redaktioneller Leitsatz)
3. Mit der Mehrarbeitsvergütung wird nicht die zeitliche Mehrarbeit des Beamten abgegolten, sondern bei ihr handelt es sich um eine Abgeltung dafür, dass dem Beamten aus zwingenden dienstlichen Gründen die grundsätzlich vorgesehene Dienstbefreiung nicht erteilt werden kann. (redaktioneller Leitsatz)
4. Die Berücksichtigung von Bereitschaftsdienst im Rahmen der Mehrarbeitsvergütung mit 50 v.H. ist im Hinblick darauf, dass die reduzierte Mehrarbeitsvergütung auf die durch Ruhe und Entspannung geprägten Zeiten des Bereitschaftsdienstes ohne Inanspruchnahme beschränkt ist, bereits als fürsorgliche Ausschöpfung des gesetzlichen Bemessungsrahmens des § 5 Abs. 1 S. 2 BMVergV zu bewerten. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die gemäß § 75 VwGO als Untätigkeitsklage zulässige Klage ist im Haupt- und Hilfsantrag unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Freizeitausgleich in Höhe von 380, 97 Stunden bzw. Ausgleichszahlung in Höhe von 4.904, 56 EUR (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Als Anspruchsgrundlage kommen ausschließlich die maßgeblichen Vorschriften des nationalen Rechts in Betracht. Ein Anspruch auf Freizeitausgleich oder finanziellen Ausgleich nach Maßgabe eines unionsrechtlichen Haftungsanspruchs wegen unzulässiger Überschreitung der wöchentlichen Höchstarbeitszeiten nach Art. 6 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2013 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung wurde von Klägerseite jedenfalls im Klageverfahren nicht mehr geltend gemacht und scheidet im Hinblick auf die erstmalige Geltendmachung eines Ausgleichsanspruchs im Dezember 2013 – unabhängig von der Frage, ob ein entsprechender Anspruch dem Grunde nach in Betracht käme – von vornherein aus. Auch auf der Grundlage des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs hat der Dienstherr nur die rechtswidrige Zuvielarbeit auszugleichen, die ab dem auf die erstmalige Geltendmachung folgenden Monat geleistet wird (BVerwG, U.v. 17.9.2015 – 2 C 26/14 – juris Ls 1, Rn. 25).
Nach § 88 Satz 2 Bundesbeamtengesetz (BBG) ist Beamten, die durch eine dienstlich angeordnete oder genehmigte Mehrarbeit mehr als 5 Stunden im Monat über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus beansprucht werden, innerhalb eines Jahres Dienstbefreiung für die Mehrarbeit, die sie über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus leisten, zu gewähren. Nach Satz 4 können Beamte in Besoldungsgruppen mit aufsteigenden Gehältern (u.a. nach Bundesbesoldungsordnung A) eine Vergütung für die Mehrarbeit erhalten, wenn eine Dienstbefreiung aus zwingenden dienstlichen Gründen unmöglich ist.
Ein Freizeitausgleich scheidet insofern aufgrund der allgemein bekannten (vgl. nur die Gesetzesbegründung zum Gesetzentwurf zur Neuregelung der Professorenbesoldung und zur Änderung weiterer dienstrechtlicher Vorschriften, BR-Drs. 50/13, S. 19) und von der Beklagten bestätigten Personalengpässe im mittleren feuerwehrtechnischen Dienst der Bundeswehr aus zwingenden dienstlichen Gründen aus. Der Kläger hat die Entscheidung der Beklagten, Mehrarbeit finanziell auszugleichen, bis zu dem Schreiben seines Bevollmächtigten im Dezember 2013 auch zu keinem Zeitpunkt in Frage gestellt und im Gegenteil eine Einwilligung über eine Opt-Out- Vereinbarung zur Mehrarbeit bis zu 54 Wochenarbeitsstunden bei einem dienstlichen Bedürfnis unterzeichnet, die Grundlage für einen finanziellen Ausgleich von Mehrarbeitsstunden über 48 Wochenstunden hinaus sein sollte.
Ansprüche des Klägers auf Vergütung der geleisteten Mehrarbeit im streitgegenständlichen Zeitraum wurden seitens der Beklagten bereits vollständig erfüllt. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, wie der Umstand zu bewerten ist, dass die Beklagte monatlich lediglich einen finanziellen Ausgleich für Mehrarbeit in Höhe von 40 Stunden monatlich geleistet und darüber hinausgehende mehr Arbeit auf den jeweiligen Folgemonat übertragen hat. Die Überstunden des Klägers wurden bis Juli 2013 vollständig abgegolten, einen Anspruch auf Ersatz eines Verzögerungsschadens hat der Kläger nicht geltend gemacht.
Die Beklagte hat den Ausgleich auf der Grundlage von II. Nr. 2.4 des Erlasses vom 8. Mai 2007 in rechtlich nicht zu beanstandender Weise vorgenommen und Bereitschaftsdienst, der außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit geleistet wurde, bei der Bemessung der Mehrarbeitsvergütung nur zu 50 v.H. angerechnet. Grundlage dafür ist § 5 Abs. 1 Satz 2 der auf § 48 BBesG beruhenden Bundesmehrarbeitsvergütungsverordnung (BMVergV). Danach wird Bereitschaftsdienst nur entsprechend dem Umfang der erfahrungsgemäß bei der betreffenden Tätigkeit durchschnittlich anfallenden Inanspruchnahme berücksichtigt, wobei schon die Ableistung des Bereitschaftsdienstes als solches in angemessenem Umfang anzurechnen ist.
§ 5 Abs. 1 Satz 2 BMVergV ist mit höherrangigem Recht vereinbar. Der entsprechenden Regelung steht die unionsrechtlich gebotene Einbeziehung des Bereitschaftsdienstes in die Arbeitszeit nicht entgegen. Die im Hinblick auf Art. 6 RL 2003/88/EG europarechtlich gebotene Einbeziehung des Bereitschaftsdienstes in die Arbeitszeit hindert die Mitgliedstaaten nicht daran, diesen Dienst besoldungsrechtlich anders zu behandeln als “Volldienst“ (vgl. zur inhaltsgleichen Vorgängervorschrift des Art. 6 RL 93/104/EG BVerwG, U.v. 29.4.2004 – 2 C 9/03 – juris Ls, Rn. 15). Die Rechtsprechung zum 1:1-Freizeitausgleich auch für außerhalb der Regelarbeitszeit erbrachte Bereitschaftsdienste ist auf den Mehrarbeitsvergütungsanspruch nicht übertragbar (vgl. dazu und den nachfolgenden Ausführungen ausführlich OVG NW, U.v. 24.8.2015 – 1 A 421/14 – juris Rn. 158 ff.). Das Gesetz differenziert zwischen der Dienstbefreiung und einem Vergütungsanspruch, wobei die jeweiligen Voraussetzungen nicht identisch sind sowie Dienstbefreiung und Vergütungsanspruch auch nicht wahlweise gegeneinander ausgetauscht werden können. Der Vergütungsanspruch kommt nach § 88 Satz 4 BBG nur ausnahmsweise in Betracht, wenn eine Dienstbefreiung aus zwingenden dienstlichen Gründen nicht möglich ist. Mit der Mehrarbeitsvergütung wird zudem nicht die zeitliche Mehrarbeit des Beamten abgegolten. Dies wäre eine unzulässige Überstundenvergütung, die gerechterweise mindestens den rechnerisch auf eine Stunde entfallenden Anteil der Besoldung ausmachen müsste. Bei der Mehrarbeitsvergütung handelt es sich vielmehr um eine Abgeltung dafür, dass dem Beamten aus zwingenden dienstlichen Gründen die grundsätzlich vorgesehene Dienstbefreiung nicht erteilt werden kann (vgl. Lemhöfer in Plog/Wiedow, BBG, Stand Oktober 2016, § 88 Rn. 34). Für die Mehrarbeitsvergütung gilt auf Grund der Regelung in § 5 Abs. 1 Satz 2 BMVergV ein von der arbeitszeitrechtlichen Bewertung des § 88 Satz 2 BBG abweichender Maßstab, der seine Grundlage im Besoldungsrecht findet. Insoweit bestimmt § 48 Abs. 1 Satz 3 BBesG im Rahmen der in § 48 Abs. 1 Satz 1 BBesG enthaltenen Ermächtigung zum Erlass der Bundesmehrarbeitsvergütungsverordnung, dass sich die Höhe der Vergütung nach dem Umfang der tatsächlich geleisteten Mehrarbeit zu richten hat, was Raum für eine sich von der Arbeitszeit lösende Betrachtung eröffnet.
Der Erlass bewegt sich im Rahmen der dem Dienstherrn durch § 5 Abs. 1 Satz 2 BMVergV vorgegebenen Grenzen. Die Beklagte hat zutreffend darauf hingewiesen, dass die Berücksichtigung von Bereitschaftsdienst im Rahmen der Mehrarbeitsvergütung mit 50 v.H. im Hinblick darauf, dass die reduzierte Mehrarbeitsvergütung auf die durch Ruhe und Entspannung geprägten Zeiten des Bereitschaftsdienstes ohne Inanspruchnahme beschränkt ist, bereits als fürsorgliche Ausschöpfung des gesetzlichen Bemessungsrahmens zu bewerten ist. Damit wird insbesondere auch die Ableistung des Bereitschaftsdienstes als solches mit den damit verbundenen Einschränkungen, z.B. im Hinblick auf den Aufenthalt, angemessen berücksichtigt.
Der von der Klägerseite geltend gemachte Umstand, dass der gesamte Feuerwehrdienst am Standort des Klägers so konzipiert sei, dass tatsächliche Einsätze nur selten stattfinden würden, liegt neben der Sache. Entsprechend der in dem Erlass vom 8. Mai 2007 geregelten Schichtgliederung unterscheidet sich Bereitschaftsdienst deutlich von den beiden anderen Schichten. Abgesehen davon wäre der Dienstherr auch dann nicht gehindert, Bereitschaftsdienst bei der Mehrarbeitsvergütung nach Maßgabe von § 5 Abs. 1 Satz 2 BMVergV nur teilweise anzurechnen, wenn auch die verbleibenden Schichten im Volldienst bereitschaftsdienstähnlich ausgestaltet wären.
Der Umstand, dass der Kläger – entgegen der Vorgabe in § 88 Satz 1 BBG – regelmäßig Mehrarbeit geleistet hat, spielt für die hier allein maßgebliche Beurteilung der Zulässigkeit der reduzierten Berücksichtigung von außerhalb der Regelarbeitszeit erbrachtem Bereitschaftsdienst bei der Mehrarbeitsvergütung keine Rolle. Ein mit dieser Argumentation möglicherweise angesprochener Entschädigungsanspruch auf Grund einer Pflichtenverletzung durch den Dienstherrn kommt schon im Hinblick auf den vorrangig zu ergreifenden Primärrechtsschutz gegenüber rechtswidrigen Anordnungen des Dienstherrn nicht in Betracht. Der Kläger hat die regelmäßige Überschreitung der Regelarbeitszeit nicht nur hingenommen, sondern diese durch die bis 31. Juli 2013 geltende Einwilligung vom 7. Oktober 2008, freiwillig bis zu 54 Wochenstunden zu arbeiten, wenn ein dienstliches Bedürfnis besteht, erkennbar akzeptiert.
Vor dem Hintergrund, dass ein Anspruch auf eine weitergehende Mehrarbeitsvergütung für die im Bereitschaftsdienst angefallenen Mehrarbeitsstunden schon dem Grunde nach nicht besteht, kommt es auf die Anzahl der davon betroffenen Mehrarbeitsstunden nicht an. Mangels Hauptforderung besteht auch die geltend gemachte Zinsforderung nicht.
Die Klage war nach alledem mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München, Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof, Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder
Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.
Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.

Dr. …

Beschluss
Der Streitwert wird auf EUR 4.904,56 festgesetzt (§ 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz -GKG-).
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,– übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München, Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.

Dr. …


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