Arbeitsrecht

Ausschluss aus einer Genossenschaft

Aktenzeichen  35 C 1932/21

Datum:
24.9.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 35124
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
GenG § 51, § 68
ZPO § 256
GesRuaCOVBekG § 3 Abs. 6

 

Leitsatz

Jedes Mitglied einer Genossenschaft kann Beschlüssen anderer Organe oder Beschlussfassungen von Mitgliedern außerhalb einer Generalversammlung mit einer Nichtigkeitsklage begegnen. (Rn. 42) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 5.000,00 € festgesetzt.

Gründe

Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet.
I. Die Feststellungsklage ist zulässig. Ausschließungsbeschlüsse sind Rechtsverhältnisse im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO, weshalb auf die Feststellung der Unwirksamkeit derartige Beschlüsse durch das betroffene Mitglied geklagt werden kann.
II. Die Klage ist unbegründet, da der Ausschluss des Klägers gem. § 68 GenG i.V.m. § 28 Buchstabe d) Nr. 1 i.V.m. § 27 Abs. 2 c) der Satzung durch die Beklagte rechtmäßig erfolgte.
Grundsätzlich ist hierbei zu berücksichtigen, dass Beschlüsse eines Vorstands sowie des Aufsichtsrates über den Ausschluss eines Mitglieds aufgrund der durch Art. 9 GG geschützten Autonomie nur einer beschränkten gerichtlichen Nachprüfung unterliegen. Es ist jedoch anerkannt, dass die Gerichte nachprüfen können, ob die verhängte Maßnahme eine Stütze im Gesetz oder in der Satzung hat, ob das satzungsmäßig vorgeschriebene Verfahren beachtet, sonst kein Gesetzes- oder Satzungsverstoß vorgekommen sind und ob die Maßnahme nicht grob unbillig oder sogar willkürlich ist.
Das wegen eines Ausschließungsbeschlusses zuständige Gericht hat dementsprechend nur die formelle und materielle Rechtmäßigkeit, nicht die Zweckmäßigkeit der Ausschlussentscheidung zu überprüfen (Henssler/Strohn GesR/Geibel, 5. Aufl. 2021, GenG § 68 Rn. 7 ff. und Rn. 14).
1. Der Ausschließungsbeschluss erfolgte formell rechtmäßig.
Gemäß § 14 Abs. 1 Buchstabe g) der Satzung beschließt der Vorstand und der Aufsichtsrat in einer gemeinschaftlichen Sitzung über den Ausschluss aus der Genossenschaft.
Ein solcher Beschluss liegt mit dem Beschluss vom 23.02.2021 (Bl. 45 f. der Akte) vor, welcher den Ausschluss des Klägers ebenso begründet und von 8 Mitgliedern des Vorstandes und des Aufsichtsrates unterschrieben wurde.
Unabhängig davon, ob die Ladung des Aufsichtsrates und der Vorstanschaft rechtmäßig erfolgte ist in diesem Rahmen zusätzlich auf § 3 Abs. 6 GesRuaCOVBekG (Gesetz über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie) hinzuweisen, wonach aufgrund der Corona-Pandemie unabhängig von den Regelungen in der Satzung gemeinsame Sitzungen auch im Umlaufverfahren durchgeführt werden können.
2. Der Ausschluss erfolgte ebenso materiell rechtmäßig gem. § 68 GenG i.V.m. § 28 Buchstabe d) Nr. 1 i.V.m. § 27 Abs. 2 c) der Satzung.
Es liegt eine wirksame Satzungsbestimmung vor und es wurde in den Grenzen dieser Bestimmung nach pflichtgemäßem Ermessen und unter Beachtung insbesondere des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, der genossenschaftlichen Treuepflicht und des Gleichbehandlungsgebots entschieden (Henssler/Strohn GesR/Geibel, 5. Aufl. 2021, GenG § 68 Rn. 10).
a) Es liegt ein Ausschließungsgrund gemäß § 28 Buchstabe d) Nr. 1 der Satzung i.V.m. § 27 Abs. 2 Buchstabe c) der Satzung vor, wonach ein Mitglied insbesondere die laufenden Unkostenbeiträge zu leisten hat.
Unstreitig zahlte der Kläger lediglich 50% des Unkostenbeitrages, weshalb ein Verstoß gegen § 27 Abs. 2 Buchstabe c) der Satzung vorliegt.
Die Beklagte hat hierbei nachvollziehbar dargelegt, dass die Unkostenbeiträge zur Deckung verschiedener Leistungen verwendet wird, wie insbesondere die Kundenakquisition, Refa-Belege, Werbung/Marketing, Beschwerdemanagement und nicht nur für die Bereitstellung der Funkvermittlung.
Zwar zahlt der Kläger weiterhin 50% des Beitrages, jedoch ist § 27 Abs. 2 Buchstabe c) der Satzung so zu verstehen, dass ein Mitglied insbesondere die vollständigen laufenden Unkostenbeiträge zu leisten hat. Dies stellt eine Verpflichtung des Genossenschaftsmitglieds dar, da auch gemäß § 27 Abs. 1 der Satzung jedes Mitglied die Pflicht hat, nicht gegen die Interessen der Genossenschaft zu wirken, sondern sie nach besten Kräften zu unterstützen. Der Ausschlussgrund dient insoweit der Sicherung der Funktionsfähigkeit der Genossenschaft und ist folglich sachlich gerechtfertigt und erforderlich (Henssler/Strohn GesR/Geibel, 5. Aufl. 2021, GenG § 68 Rn. 3).
Auch wenn der Kläger vorträgt, dass die Reduzierung aufgrund der bestehenden Bedenken bzgl. der Rechtmäßigkeit des Beschlusses über das rollierende System der Funkvermittlung erfolgt ist, stellt die Kürzung der Unkostenbeiträge bereits aufgrund des Wortlauts sowie Sinn und Zweck der Vorschrift ein Verstoß gegen § 27 Abs. 2 Buchstabe c) der Satzung dar. Aufgrund seines Verhaltens kann dem Kläger der Ausschlussgrund zugerechnet werden, da er hierfür verantwortlich gemacht werden kann (Henssler/Strohn GesR/Geibel, 5. Aufl. 2021, GenG § 68 Rn. 5).
So ist in diesem Rahmen zu berücksichtigen, dass ein Genossenschaftsmitglied grundsätzlich die Möglichkeit hat selbst gegen Beschlüsse vorzugehen, insbesondere solche die gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen.
Hierbei verkennt das erkennende Gericht nicht, dass eine Anfechtung zwar nicht gem. § 51 GenG möglich ist, jedoch kann das Mitglied Beschlüsse anderer Organe oder Beschlussfassungen von Mitgliederung außerhalb einer Generalversammlung mit einer Nichtigkeitsklage begegnen (Pöhlmann/Fandrich/Bloehs/Fandrich, 4. Aufl. 2012, GenG § 51 RN. 10). Auch im vom Kläger zitierten Urteil vom OLG Frankfurt (Urteil vom 04.02.2003 – 5 U 63/01 -, RN. 30, juris) wird erwähnt, dass fehlerhafte Aufsichtsratsbeschlüsse in der Regel nichtig sind, weshalb die Möglichkeit der allgemeinen Feststellungsklage nach § 256 Abs. 1 ZPO eröffnet ist. Dies ist parallel auch im Vereinsrecht möglich (Palandt/Ellenberger, 80. Auflage 2021, § 32 RN. 11).
Bei Verstößen gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz besteht für das benachteiligte Mitglied zudem die Möglichkeit entsprechend auf Erfüllung, Unterlassen, Freistellung oder Schadensersatz zu klagen (Henssler/Strohn GesR/Geibel, 5. Aufl. 2021, GenG § 18 Rn. 6).
b) Auch liegt kein Verstoß gegen das pflichtgemäß auszuübende Ermessen gemäß § 28 Buchstabe d) der Satzung vor. Dabei hat sich die gerichtliche Prüfung darauf zu beschränken, ob sich die Ermessensausübung innerhalb der von Recht und Gesetz gezogenen Grenzen hält, da es nicht Aufgabe des Gerichts ist, die Zweckmäßigkeit des Ausschlusses zu beurteilen und die eigene Ermessensausübung an die Stelle derjenigen der Genossenschaft zu setzen (Pöhlmann/Fandrich/Bloehs/Fandrich, 4. Aufl. 2012, GenG § 68 Rn. 40).
aa) Eine Ungleichbehandlung aufgrund des Ausschlusses aus der Genossenschaft liegt nicht vor. Hierbei darf ein Mitglied grundsätzlich in gleich liegenden Fällen nicht schlechter behandelt werden, als ein anderes Mitglied.
Bezogen auf den Ausschluss aus der Genossenschaft ist keine Ungleichbehandlung ersichtlich. Bezüglich des vom Kläger benannten Zeuge (Schriftsatz vom 18.08.2021, Seite 2, Bl. 84 der Akte) liegt bereits ein anderer Sachverhalt zugrunde. Es wird ausgeführt, dass dieser einen immensen Schuldenstand aufgebaut habe und keine Unkostenbeiträge bezahle und dennoch nicht aus der Genossenschaft ausgeschlossen werde.
Im Unterschied zum Fall des Klägers lässt dieser Vortrag darauf schließen, dass der Zeuge, Ordnungsnummer 486 den Unkostenbeitrag nicht zahlen konnte, im Unterschied zum Kläger, welcher den Unkostenbeitrag aufgrund des rollierenden Systems nicht zahlen wollte. Es liegt bereits ein unterschiedlicher Sachverhalt vor.
Insofern kann es bezüglich des Zeugens auch offen bleiben, inwiefern dieser unter der genannten Ordnungsnummer registriert ist und ein Beitragsrückstand insofern besteht, was durch die Beklagte bestritten wurde (Schriftsatz vom 13.09.2021, Blatt 3).
bb) Zudem liegt auch kein Verstoß gegen Treu und Glauben vor, indem zunächst die Unkostenbeiträge im Kalenderjahr 2020 voll eingefordert wurden, um im Jahr 2021 eine Rückerstattung vorzunehmen.
Gemäß § 14 Abs. 1 Buchstabe a) der Satzung besteht grundsätzlich die Möglichkeit die Ausschüttung einer Rückvergütung seitens der Genossenschaft vorzunehmen. Gemäß § 38 der Satzung ist jedoch bei dem Geschäftsjahr von dem Kalenderjahr auszugehen. Der Beschluss über eine Rückvergütung erfolgt nach § 43 der Satzung vor Erstellung der Bilanz.
Daraus ergibt sich, dass eine Rückvergütung zwar vor Erstellung der Bilanz zu erfolgen hat, jedoch hierfür zunächst die Erstellung des Jahresabschlusses gem. § 42 der Satzung abgewartet werden kann, um die Höhe einer möglichen Rückerstattung zunächst ermitteln zu können.
cc) Auch ist kein Verstoß gegen den genossenschaftlichen Gleichbehandlungsgrundsatz bezüglich der Unterscheidung von Einzelunternehmern und Mehrtaxtenunternehmern ersichtlich.
Unabhängig davon, inwiefern dies im Ermessen des Ausschließungsbeschlusses zu berücksichtigen wäre, ist nicht ersichtlich, inwiefern das rollierende System unter Aufteilung der Kennzeichennummern zu einer Ungleichbehandlung zwischen Einzelunternehmern und Mehrtaxen-Unternehmern führt. Der Kläger stellt hierbei auf die unterschiedlichen Unternehmer ab, wohingegen die Beklagte auf die einzelnen Taxis (Fahrzeuge) abstellt.
Eine Ungleichbehandlung ist insofern nicht ersichtlich, da davon auszugehen ist, dass auf die einzelnen Fahrzeuge abzustellen ist. Die Beklagte nimmt dieses Kriterium auch in § 35 Abs. 1 der Satzung her und stellt bezüglich der Eintrittsgelder auf die einzelnen Taxis ab. Zudem ist zu berücksichtigen, dass Mehrtaxenunternehmer grundsätzlich ebenso mit dem einzelnen Taxi mit der entsprechenden Nummer für die festgelegten Stunden ausgeschlossen wurde.
Auch der Einwand der Möglichkeit der Rückgabe der Taxikonzession für Mehrtaxenunternehmer führt nicht zu einer anderen Bewertung, da dem Kläger diese Möglichkeit ebenso offen stand. Folge wäre gewesen, dass das abgemeldete Taxi nicht gefahren werden darf.
dd) Ein milderes Mittel als der Ausschluss kommt unter Berücksichtigung der Interessenlage nicht in Betracht.
Die Genossenschaft ist grundsätzlich darauf angewiesen, dass die Mitglieder ihre Beiträge entsprechend zahlen und keine eigen begründeten Kürzungen vornehmen. Des Weiteren ist die Genossenschaft auch im Rahmen der Gleichbehandlung dazu verpflichtet, entsprechende Kürzungen einzufordern, da die Zahlungen pro Taxi zu erfolgen haben, sodass es nicht zu einer Ungleichbehandlung zu anderen Genossenschaftsmitgliedern kommt, welche ihre Unkostenbeiträge pro Taxi in der geforderten Höhe zahlen.
Für den Kläger besteht zudem die Möglichkeit einen Funkvermittlungsvertrag mit der Beklagten abzuschließen. Bereits im Schreiben vom 09.03.2021 (Anlage K5) bot die Beklagte dem Kläger die Möglichkeit an, einen entsprechenden Vertrag abzuschließen, sodass eine weitere Teilnahme an der Funkvermittlung möglich ist. Auch in der Sitzung vom 23.07.2021 wurde erneut die Möglichkeit seitens der Beklagten genannt, einen solchen Vertrag abzuschließen, welcher dann sowohl den Funk, als auch die Inkasso-Leistungen und auch die Auffahrt am Flughafen umfasst. Der Unterschied bestehe hierbei lediglich im Mitbestimmungsrecht der Genossenschaft; eine Mitgliedschaft für die Nutzung des Funks sei entsprechend nicht erforderlich.
III. Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nummer 11, 711 ZPO.
Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 3 ZPO.


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