Arbeitsrecht

Ausschlussfrist für Trennungsgeld

Aktenzeichen  B 5 K 16.410

Datum:
19.12.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 151983
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
TGV § 9 Abs. 1 S. 1
BGB § 839 Abs. 3

 

Leitsatz

1 Das Eingreifen der Ausschlussfrist für Trennungsgeld (§ 9 Abs. 1 S. 1 TGV) hängt tatbestandlich nicht davon ab, dass der Antragsteller hierüber zuvor belehrt worden ist. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
2 Der Dienstherr ist grundsätzlich verpflichtet, gegenüber Ansprüchen auf Trennungsgeld den Ablauf der Ausschlussfrist (§ 9 TGV) geltend zu machen. Dieser Einwand kann nur unter besonderen Umständen des Einzelfalls als Verstoß gegen Treu und Glauben zu werten und damit unzulässig sein, wenn etwa der Dienstherr durch positives Tun oder pflichtwidriges Unterlassen dem Betroffenen die Geltendmachung des Anspruchs oder die Einhaltung der Frist erschwert oder unmöglich gemacht hat. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
3 Der beamtenrechtliche Schadensersatzanspruch gegenüber dem Dienstherrn ist nach dem Rechtsgedanken des § 839 Abs. 3 BGB ausgeschlossen, wenn es der Verletzte ohne hinreichenden Grund vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch von Rechtsmitteln abzuwenden. (Rn. 20 und 22) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

1. Über die Klage konnte gem. § 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, weil die Beteiligten insoweit ihr Einverständnis erklärt haben.
2. Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Der Bescheid der Beklagten vom 22. September 2015 in Gestalt des Beschwerdebescheids vom 28. November 2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung eines höheren Trennungsgelds in der Zeit vom 4. Februar 2013 bis zum 28. Februar 2014 (§ 113 Abs. 1 und 5 VwGO). Zur Begründung nimmt das Gericht auf die zutreffenden Gründe des Beschwerdebescheids Bezug und macht sie zum Gegenstand seiner Entscheidung (§ 117 Abs. 5 VwGO). Ergänzend sei auf Folgendes hingewiesen:
a) Zutreffend kommt die Beklagte zunächst zu dem Ergebnis, dass der Kläger keinen Anspruch gem. § 6 TGV auf Gewährung eines höheren Trennungsgelds in der Zeit vom 4. Februar 2013 bis zum 28. Februar 2014 – und zwar auf der Basis höherer Entfernungskilometer als von der Beklagten für diesen Zeitraum der Berechnung des Trennungsgelds tatsächlich zugrunde gelegt – hat. In nicht zu beanstandender Weise wendet die Beklagte insoweit ein, dass dem Antrag des Klägers vom 23. März 2015 für den vorgenannten Zeitraum die Ausschlussfrist des § 9 Abs. 1 Satz 1 TGV entgegensteht.
Nach dieser Vorschrift ist das Trennungsgeld innerhalb einer Ausschlussfrist von einem Jahr nach Beginn der Maßnahme schriftlich oder elektronisch zu beantragen. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass nach der obergerichtlichen Rechtsprechung das Eingreifen dieser Ausschlussfrist tatbestandlich nicht davon abhängt, dass der Beamte zuvor hierüber belehrt worden ist. Diese Ausschlussfrist dient dazu, Rechtssicherheit durch klare Rechtsverhältnisse zu schaffen und die Verwaltungsdurchführung zu vereinfachen. Darüber hinaus soll der Dienstherr davor geschützt werden, noch nach unverhältnismäßig langer Zeit mit Anträgen auf Leistung von Dienstbezügen, hier also von Trennungsgeld belastet zu werden. Die dem Dienstherrn obliegende Fürsorgepflicht wird durch solche Ausschlussfristen nicht in einer mit den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums (Art. 33 Abs. 5 GG) unvereinbaren Weise verletzt. Insbesondere ist eine Frist von – wie vorliegend – einem Jahr auch für die Antragstellung im Allgemeinen mehr als ausreichend (VGH BW, B.v. 18.4.2017 – 4 S 1009/16 – Juris Rn. 6 m.w.N.).
Demgemäß ist der Dienstherr grundsätzlich verpflichtet, gegenüber Ansprüchen den Ablauf einer Ausschlussfrist geltend zu machen. Ein solcher Einwand kann nur unter besonderen Umständen des Einzelfalls als Verstoß gegen Treu und Glauben zu werten und damit unzulässig sein. Das wäre dann der Fall, wenn der Dienstherr durch positives Tun oder durch pflichtwidriges Unterlassen dem Betroffenen die Geltendmachung des Anspruchs oder die Einhaltung der Frist erschwert oder unmöglich gemacht hätte. Dieses qualifizierte – nicht notwendigerweise schuldhafte – Fehlverhalten des Dienstherrn müsste den Beamten zudem veranlasst haben, den Anspruch nicht rechtzeitig geltend zu machen. Einem behördlichen Fehlverhalten ohne Auswirkungen auf die Entschließung des Beamten, der z.B. in – anderweitig erlangter – Kenntnis einer Frist bis zu deren Ablauf keinen Antrag stellt, kommt keine Bedeutung zu (VGH BW, B.v. 18.4.2017 – 4 S 1009/16 – Juris Rn. 17 m.w.N.).
Gemessen daran, scheidet vorliegend eine nachträgliche Bewilligung von Trennungsgeld für die Zeit vom 4. Februar 2013 bis zum 28. Februar 2014 aufgrund der Regelung in § 9 Abs. 1 Satz 1 TGV aus. Es mag zwar sein, dass der Kläger jeweils fristgerecht auch für den genannten Zeitraum Trennungsgeld beantragt hat. Das erfolgte auf der Basis der Angabe des Klägers, wonach die maßgebliche Wegstrecke zwischen Wohnung und Dienststätte mit 33 km zu veranschlagen sei. Der Antrag vom 23. März 2015 auf nachträgliche Berücksichtigung einer größeren Entfernung (36 km) erfolgte – jedenfalls für den streitgegenständlichen Zeitraum (4.2.2013 – 28.2.2014) – unstreitig außerhalb der Jahresfrist des § 9 TGV. Anhaltspunkte dafür, dass der Dienstherr des Klägers durch positives Tun oder durch pflichtwidriges Unterlassen dem Kläger die Geltendmachung dieses auf Nachbewilligung von Trennungsgeld gerichteten Anspruchs oder die Einhaltung der Ausschlussfrist erschwert oder unmöglich gemacht hätte, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
b) Darüber hinaus kann der Kläger sein auf eine nachträglich höhere Bewilligung von Trennungsgeld gerichtetes Begehren auch nicht auf einen Schadensersatzanspruch stützen.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass der beamtenrechtliche Schadensersatzanspruch seinen Rechtsgrund im Beamtenverhältnis findet und einen unmittelbar gegen den Dienstherrn gerichteten Ersatzanspruch für Schäden begründet, die aus einer Verletzung der aus dem Beamtenverhältnis folgenden Pflichten entstehen. Dieser Anspruch wurzelt im öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis und gewährleistet Sekundärrechtsschutz für Pflichtverletzungen aus dem Beamtenverhältnis, wie das § 280 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) für vertragliche Schuldverhältnisse vorsieht. Der Anspruch setzt voraus, dass der Dienstherr eine ihm seinem Beamten gegenüber obliegende Pflicht schuldhaft verletzt hat, diese Pflichtverletzung kausal für einen dem Beamten entstandenen Schaden war und dieser es nicht schuldhaft unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden (OVG NRW, U.v. 22.6.2016 – 1 A 67/14 – Juris Rn. 41 m.w.N.). Letztere Voraussetzung, die sich auf den Rechtsgedanken des § 839 Abs. 3 BGB stützt, ist dann nicht gegeben, wenn es der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels gegen das nunmehr als rechtswidrig beanstandete staatliche Verhalten abzuwenden, wenn also für den Nichtgebrauch eines Rechtsmittels auf der Primärebene kein hinreichender Grund bestand (OVG NRW, U.v. 22.6.2016 – 1 A 67/14 – Juris Rn. 107 m.w.N.).
Vorliegend kann offenbleiben, ob dem Dienstherrn überhaupt die Verletzung einer ihm gegenüber dem Kläger obliegenden Pflicht vorgeworfen werden kann. Eine solche Pflichtverletzung kann jedenfalls nicht auf den Vorwurf gestützt werden, die Beklagte habe den Kläger nicht auf den Ablauf der Ausschlussfrist gem. § 9 TGV aufmerksam gemacht. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts obliegt dem Dienstherrn keine aus der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht abzuleitende allgemeine Pflicht zur Belehrung seiner Bediensteten über alle für sie einschlägigen Vorschriften; dies gilt vor allem dann nicht, wenn es sich – wie hier – um rechtliche Kenntnisse handelt, die zumutbar bei den Beamten vorausgesetzt werden können oder die sie sich unschwer verschaffen können (st.Rspr. vgl. nur BVerwG, U.v. 21.4.1982 – 6 C 34.79 – BVerwGE 65, 197/203; so auch: VGH BW, B.v. 18.4.2017 – 4 S 1009/16 – Juris Rn. 10). Darüber hinaus bedarf es keiner abschließenden Klärung und damit auch keiner Beweiserhebung durch Zeugeneinvernahme der mit der Trennungsgeldbewilligung des Klägers befassten Mitarbeiter der Beklagten, nämlich Regierungsamtmann H. und Regierungsobersekretär D., ob sich eine der Beklagten zuzurechnende Pflichtverletzung aus einer möglichen Falschberatung im Hinblick auf die abrechnungsfähige Entfernung zwischen der Wohnung des Klägers und seiner Dienststätte ergibt.
Denn selbst wenn eine solche Pflichtverletzung vorgelegen haben sollte, scheidet ein Schadensersatzanspruch jedenfalls deshalb aus, weil es der Kläger versäumt hat, die tatsächlich auf dem Weg zur Arbeit bzw. auf dem Heimweg zurückgelegte Strecke geltend zu machen bzw. auf der Berücksichtigung der von ihm ermittelten Entfernungsangabe bei der Verbescheidung zu bestehen und ggfs. gegen einen ablehnenden Bescheid Rechtsmittel einzulegen. Denn die Differenz zwischen den bei der Berechnung des Trennungsgelds von der Beklagten berücksichtigten Entfernungskilometern (33 km) und den von ihm nach seinem Vortrag tatsächlich zurückgelegten Entfernungskilometern (36,7 km) musste dem Kläger nach jeder Fahrt von der Wohnung zur Dienststätte oder zurück „ins Auge springen“. Es hätte sich ihm also von Beginn des streitgegenständlichen Bewilligungszeitraums (4.2.2013 – 28.2.2014) an aufdrängen müssen, dass die von ihm behauptete fehlerhafte Beratung durch die o.g. Mitarbeiter der Beklagten jedenfalls überprüfungsbedürftig war. Somit hätte es – im Sinne der o.g. Schadensminderungspflicht – nahegelegen, zunächst eine Abrechnung auf der Grundlage der von ihm tatsächlich ermittelten Entfernungskilometer (36,7 km) zu beantragen und – im Falle einer Ablehnung – hiergegen Rechtsmittel einzulegen.
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO. Der Einräumung einer Abwendungsbefugnis nach § 711 ZPO bedurfte es angesichts der – wenn überhaupt anfallenden – dann allenfalls geringen, vorläufig vollstreckbaren Aufwendungen der Beklagten nicht, zumal diese auch die Rückzahlung garantieren kann, sollte in der Sache eventuell eine Entscheidung mit anderer Kostentragungspflicht ergehen.
4. Gründe für eine Zulassung der Berufung durch das Verwaltungsgericht nach § 124 Abs. 1, § 124a Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 124 Abs. 2 Nrn. 3 und 4 VwGO liegen nicht vor.


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