Arbeitsrecht

Behördliches Disziplinarverfahren, Gerichtliches Disziplinarverfahren, Milderungsgrund, Disziplinarmaßnahme, Aberkennung des Ruhegehalts, Verwaltungsgerichte, Verminderte Schuldfähigkeit, Schweres Dienstvergehen, Schwere des Dienstvergehens, Innerdienstliches Dienstvergehen, Außerdienstliches Dienstvergehen, Verdacht eines Dienstvergehens, Beihilfestelle, Entfernung aus dem Beamtenverhältnis, Anhörung der Schwerbehindertenvertretung, Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung, Scheinrechnung, Erstattungsbetrag, Ruhestandsversetzung, Freiheitsstrafe

Aktenzeichen  M 19L DK 20.3912

Datum:
24.3.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 7706
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayDG Art. 13
BayDG Art. 14 Abs. 2 S. 2

 

Leitsatz

Gründe

Gegen den Beklagten wird auf die Disziplinarmaßnahme der Aberkennung des Ruhegehalts (Art. 13 Bayerisches Disziplinargesetz – BayDG) erkannt.
1. Das Disziplinarverfahren wurde ordnungsgemäß durchgeführt. Nach Art. 53 Abs. 1 BayDG hat der Beamte bei einer Disziplinarklage wesentliche Mängel des behördlichen Disziplinarverfahrens oder der Klageschrift innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung der Klage geltend zu machen. Ein Mangel des behördlichen Disziplinarverfahrens ist wesentlich, wenn sich nicht mit hinreichender Sicherheit ausschließen lässt, dass er sich auf das Ergebnis des gerichtlichen Disziplinarverfahrens ausgewirkt haben kann; maßgeblich ist damit die Ergebnisrelevanz (BVerwG, B.v. 7.7.2016 – 2 B 1.16 – juris Rn. 10). Hier hat der Beklagte mehrere Mängel innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung der Klage am 31. August 2020 mit Schriftsatz von Montag, den 2. November 2020, eingegangen beim Verwaltungsgericht am selben Tag und damit innerhalb der gesetzlichen Zweimonatsfrist, geltend gemacht. Entgegen den vorgebrachten Rügen weist das Disziplinarverfahren jedoch in formeller Hinsicht keine wesentlichen Mängel auf.
1.1. Ein Verstoß gegen das Mitwirkungsrecht des Personalrats liegt nicht vor. Nach Art. 76 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BayPersVG wirkt der Personalrat mit beim Erlass von Disziplinarverfügungen und bei Erhebung der Disziplinarklage gegen einen Beamten, wenn dem Disziplinarverfahren eine auf den gleichen Tatbestand gestützte Disziplinarverfügung nicht vorausgegangen ist. Die Beteiligung erfolgt dabei nach Art. 76 Abs. 1 Satz 3 BayPersVG nur auf Antrag des Beamten. Hier hat der Bevollmächtigte des Beklagten mit Schriftsatz vom 16. April 2018 einen entsprechenden Antrag gestellt. Die Beteiligung des Personalrats ist dennoch zu Recht unterblieben. Der Beklagte wurde mit Wirkung vom 1. September 2018 in den Ruhestand versetzt. Zwischen 16. April 2018 und der Ruhestandsversetzung erfolgte keine relevante Verfahrenshandlung im Disziplinarverfahren. Die Erhebung der Disziplinarklage, für die Art. 76 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BayPersVG allein eine Beteiligung des Personalrats vorsieht, erfolgte erst am 26. August 2020 und damit nach der Ruhestandsversetzung des Beklagten. Eine Beteiligung des Personalrats war damit nicht mehr erforderlich (BayVGH, U.v. 18.3.2015 – 16a D 09.3029 – juris Rn. 37; Zängl, Bayer. Disziplinarrecht, Stand Aug. 2020, Art. 35 BayDG Rn. 51).
1.2. Auch ein Verstoß gegen das Beteiligungserfordernis der Schwerbehindertenvertretung ist nicht gegeben. Nach § 178 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch (SGB) IX hat der Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung in allen Angelegenheiten, die einen einzelnen oder die schwerbehinderten Menschen als Gruppe berühren, unverzüglich und umfassend zu unterrichten und vor einer Entscheidung anzuhören; er hat ihr die getroffene Entscheidung unverzüglich mitzuteilen. Hier wurde dem Beklagten mit Bescheid des Zentrums Bayern Familie und Soziales vom 4. Mai 2018 ein GdB von 30 v.H. zuerkannt. Eine Mitteilung hierüber an die Disziplinarbehörde unterblieb jedoch, so dass eine Unterrichtung oder Anhörung der Schwerbehindertenvertretung nicht erforderlich war (BVerwG, B.v. 17.4.2020 – 2 B 7.20 – juris Rn. 10). Zudem erfolgte zwischen 8. Mai 2018 und der Ruhestandsversetzung am 1. September 2018 keine relevante Verfahrenshandlung im Disziplinarverfahren und war der Beklagte im Zeitpunkt der Erhebung der Disziplinarklage bereits im Ruhestand, weshalb auch aus diesem Grund die Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung entfallen konnte (BayVGH, U.v. 18.3.2015 – 16a D 09.3029 – juris Rn. 37; Zängl, a.a.O., Art. 35 BayDG Rn. 51).
1.3. Einen wesentlichen Mangel stellt es auch nicht dar, dass dem Antrag des Bevollmächtigten des Beklagten vom 25. Oktober 2019 auf Beschränkung des Disziplinarverfahrens nicht stattgegeben wurde. Nach Art. 21 Abs. 1 BayDG kann das Disziplinarverfahren bis zum Erlass einer Entscheidung auf neue Handlungen ausgedehnt werden, die den Verdacht eines Dienstvergehens rechtfertigen. Die Ausdehnung des Disziplinarverfahrens steht dabei im Ermessen der Disziplinarbehörde (Zängl, a.a.O., Art. 21 BayDG Rn. 13). Hier ist ein Ermessensfehler nicht ersichtlich. Die Klägerin hat die vor Mitte 2011 begangenen Taten des Beklagten, die aufgrund von Verjährung keinen Eingang in das Strafverfahren gefunden haben, vielmehr nach dem Grundsatz der Einheit des Disziplinarverfahrens rechtmäßiger Weise in das Disziplinarverfahren einbezogen.
1.4. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs infolge des Übergehens eines im Disziplinarverfahren gestellten Beweisantrags liegt ebenfalls nicht vor. Der Bevollmächtigte des Beklagten hat mit Schriftsatz vom 20. Mai 2020 einen Beweisantrag auf Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens zur Frage der Schuldfähigkeit nicht gestellt, sondern lediglich angekündigt. Im Übrigen würde das Übergehen eines Beweisantrags im behördlichen Disziplinarverfahren mangels Ergebnisrelevanz keinen wesentlichen Mangel begründen, weil das Gericht selbst Beweis erheben würde, falls es ein psychiatrisches Gutachten als erforderlich für die Urteilsfindung erachtet.
2. Der dem Beklagten in der Disziplinarklage zur Last gelegte Sachverhalt steht für das Gericht fest. Dies gilt hinsichtlich des mit Urteil des Amtsgerichts München vom 5. Februar 2019, rechtskräftig seit 13. Februar 2019, festgestellten Sachverhalts bereits aufgrund der Regelung in Art. 25 Abs. 1, Art. 55 Halbs. 1 BayDG und ungeachtet dessen, dass das Amtsgericht die Urteilsgründe nach § 267 Abs. 4 StPO abgekürzt gefasst hat (BayVGH, U.v. 13.7.2011 – 16a D 09.3127 – juris Rn. 92 ff.). Zu den Taten des Beklagten aus dem Zeitraum vom 28. Juni 2010 bis 4. Mai 2011, die ihm erstmals mit Ausdehnungsverfügung vom 2. September 2019 zur Last gelegt wurden, nachdem sie aufgrund von Verjährung strafrechtlich nicht geahndet wurden, finden sich die unrichtigen Rechnungen in den strafrechtlichen Ermittlungsakten. Diese Taten stehen damit ebenfalls zur Überzeugungsgewissheit des Gerichts fest. Überdies hat der Beklagte sämtliche Vorwürfe im Straf- und im Disziplinarverfahren vollumfänglich eingeräumt.
Nach den Feststellungen des Urteils des Amtsgerichts München reichte er im Zeitraum zwischen 3. August 2011 und 15. Juni 2016 34 unrichtige Rechnungen bei der Debeka ein und erhielt Erstattungen i.H.v. 13.572,39 €. Die Unrichtigkeit der Rechnungen ergibt sich daraus, dass die angegebenen Behandlungen tatsächlich nicht erfolgt sind. Weiter reichte er im Zeitraum zwischen 26. Juli 2011 und 31. Mai 2016 35 unrichtige Rechnungen bei der Beihilfestelle ein und erhielt Erstattungen i.H.v. 13.713,99 €. Nicht vom strafgerichtlichen Urteil umfasst sind folgende vor Mitte 2011 liegende Taten, die ebenfalls feststehen: Der Beklagte reichte weiter im Zeitraum zwischen 1. Juli 2010 und 6. April 2011 13 Rechnungen bei der Debeka ein und erhielt hierfür Erstattungen i.H.v. 4759,24 €. Außerdem reichte er im Zeitraum zwischen 28. Juni 2010 und 4. Mai 2011 12 Rechnungen bei der Beihilfe ein und erhielt Erstattungen i.H.v. 4344,44 €. Insgesamt setzte der Beklagte sein betrügerisches Verhalten damit über sechs Jahre fort und verursachte durch 50 Einzeltaten einen Gesamtschaden i.H.v. 36.390,06 €, davon gegenüber der Beihilfestelle und damit gegenüber seinem Dienstherrn i.H.v. 18.058,43 €. Er behauptete bei der Einreichung der Rechnungen jeweils konkludent, dass die Behandlungen stattgefunden hätten und eine Zahlungspflicht der Debeka bzw. Beihilfe bestehe. Nach Erstattung der Rechnungen übergab er Frau Dr. M… und Herrn S… jeweils nicht bekannte Teilbeträge der zu Unrecht erstatteten Beträge als Erlös für die Scheinrechnungen.
Neben dem Tatvorwurf ist auch die Feststellung bindend, dass der Beklagte vorsätzlich und schuldhaft gehandelt hat. Zwar ist die Frage seiner Schuldfähigkeit im Strafurteil nicht ausdrücklich angesprochen. Dazu bestand für das Strafgericht auch keine Veranlassung, weil die Schuldfähigkeit einer erwachsenen Person die Regel und kein Anhalt dafür gegeben ist, dass es vorliegend anders wäre. Insbesondere hat der Beklagte im Strafverfahren nach den beigezogenen Strafakten keine Umstände vorgebracht, die auf eine fehlende oder verminderte Schuldfähigkeit hinweisen; er hat sich im Strafverfahren nicht auf eine psychische Erkrankung berufen. Aus der Tatsache, dass das Strafgericht eine Verurteilung ausgesprochen hat, ist zwingend auf die Feststellung strafrechtlicher Verantwortlichkeit des Beamten und dessen Vorsatz zu schließen, weil anderenfalls eine Verurteilung zu Strafe nicht zulässig gewesen wäre (vgl. BVerwG, B.v. 25.2.2016 – 2 B 1.15 – juris Rn. 9; BayVGH, U.v. 13.7.2011 – 16a D 09.3127 – juris Rn. 102; Zängl, a.a.O., Art. 25 Rn. 15). Im Übrigen hat die Staatsanwaltschaft München I mit Schreiben vom 8. Juli 2019 bestätigt, dass keine Einschränkungen der Schuldfähigkeit festgestellt wurden (vgl. Disziplinarakte S. 285).
Das erkennende Gericht hat keinen Anlass, sich aufgrund des Vorbringens des Beklagten von den Feststellungen des Strafgerichts zu lösen. Die Disziplinargerichte sind nur dann berechtigt und verpflichtet, sich von den Tatsachenfeststellungen eines rechtskräftigen Strafurteils zu lösen und den disziplinarrechtlich relevanten Sachverhalt eigenverantwortlich zu ermitteln, wenn diese offenkundig unrichtig sind und sie daher „sehenden Auges“ auf der Grundlage eines unrichtigen oder aus rechtsstaatlichen Gründen unverwertbaren Sachverhalts entscheiden müssten (vgl. BVerwG, B.v. 30.8.2017 – 2 B 34.17 – juris Rn. 10 ff.). Hier ergeben sich aus den vom Beklagten genannten bzw. vorgelegten ärztlichen bzw. psychiatrischen Stellungnahmen keine Anhaltspunkte für seine Schuldunfähigkeit, so dass die entsprechende Feststellung des strafgerichtlichen Urteils für das erkennende Gericht bindend feststeht.
Durch das geschilderte Vorgehen hat der Beklagte in 50 Fällen einen gewerbsmäßigen Betrug begangen (§§ 263 Abs. 1, Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Alt. 1 StGB). Gewerbsmäßigkeit liegt vor, weil sein Handeln in der Absicht erfolgte, sich durch die wiederholte Tatbegehung eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle von einigem Umfang und einiger Dauer zu verschaffen (vgl. Fischer, StGB mit Nebengesetzen, 67. Aufl. 2020, vor § 52 Rn. 61). Nach der Strafzumessungsregel des § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB liegt die Strafandrohung für gewerbsmäßigen Betrug bei sechs Monaten bis zehn Jahren. Mangels Auswirkung auf den Strafrahmen kann offen bleiben, ob der Beklagte auch als Mitglied einer Bande gehandelt hat, die sich zur fortgesetzten Begehung von Urkundenfälschung oder Betrug verbunden hat (vgl. § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Alt. 2 StGB). Auch wenn dies der Fall wäre, läge angesichts der hohen Schadenshöhe kein minder schwerer Fall vor, so dass der Strafrahmen auch nach § 263 Abs. 5 StGB bei bis zu zehn Jahren liegen würde. Selbst wenn man den Ausführungen des Strafgerichts folgt und wegen Vorliegens der Voraussetzungen eines TäterOpfer-Ausgleichs eine Verschiebung des Strafrahmens nach §§ 46a Nr. 2, 49 StGB vornimmt, liegt der Strafrahmen noch immer bei Freiheitsstrafe von bis zu sieben Jahren und sechs Monaten.
3. Durch sein Verhalten hat der Beklagte vorsätzlich und schuldhaft gegen die Pflicht zu gesetzmäßigem Verhalten (§ 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG i.V.m. §§ 263 Abs. 1, Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Alt. 1 StGB), die Pflicht zu uneigennütziger Amtsführung (§ 34 Satz 2 BeamtStG) und die Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 34 Satz 3 BeamtStG) verstoßen.
4. Soweit der Beklagte die Scheinrechnungen bei der Beihilfestelle vorgelegt hat, hat er die Betrugshandlung innerdienstlich begangen. Sein Verhalten war in sein Amt und in seine dienstlichen Pflichten eingebunden, weil er hierdurch im Beamtenrecht begründete Zahlungen erhalten hat, auf die er keinen Anspruch hatte (BayVGH, U.v. 3.5.2017 – 16a D 15.2087 – juris Rn. 42). Soweit er die ihn betreffende Scheinrechnung bei seiner Krankenkasse vorgelegt hat, liegt außerdienstliches Handeln vor (vgl. VG Meiningen, U.v. 12.11.2015 – 6 D 60015/14 Me – juris Rn. 30). Dieses ist im vorliegenden Fall disziplinarrechtlich relevant nach § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG, weil aufgrund des Strafrahmens von mindestens sieben Jahren und sechs Monaten ein Mindestmaß an Relevanz überschritten ist, das die Rechtsprechung bei einem gesetzlichen Strafrahmen von Freiheitsstrafe bis zu mindestens zwei Jahren annimmt (BVerwG, U.v. 18.6.2014 – 2 B 55.13 – juris Rn. 11).
5. Das Fehlverhalten des Beklagten wiegt schwer i.S.v. Art. 14 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 BayDG. Da der Beklagte, wäre er noch im Dienst, aufgrund seines Fehlverhaltens nach Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BayDG aus dem Beamtenverhältnis hätte entfernt werden müssen, ist ihm als Ruhestandsbeamter nach Art. 14 Abs. 2 Satz 2 BayDG das Ruhegehalt abzuerkennen. Die Aberkennung des Ruhegehalts ist auch angemessen und erforderlich.
Nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BayDG ist die Entscheidung über die Disziplinarmaßnahme nach der Schwere des Dienstvergehens, der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit, dem Persönlichkeitsbild des Beamten und dem bisherigen dienstlichen Verhalten zu treffen. Das Gewicht der Pflichtverletzung ist danach Ausgangspunkt und richtungsweisendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme. Dies beruht auf dem Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die auch im Disziplinarverfahren Anwendung finden. Die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen (BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 6.14 – juris Rn. 12; U.v. 18.6.2015 – 2 C 9.14 – juris Rn. 25; BayVGH, U.v. 5.10.2016 – 16a D 14.2285 – juris Rn. 55). Gegenstand der disziplinarrechtlichen Bewertung ist die Frage, welche Disziplinarmaßnahme in Ansehung der Persönlichkeit des Beamten geboten ist, um die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und die Integrität des Berufsbeamtentums möglichst ungeschmälert aufrecht zu erhalten (BayVGH, U.v. 29.6.2016 – 16b D 13.993 – juris Rn. 36).
Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis setzt voraus, dass der Beamte durch ein schweres Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren hat. Ein endgültiger Vertrauensverlust ist eingetreten, wenn aufgrund der Gesamtwürdigung der bedeutsamen Umstände der Schluss gezogen werden muss, der Beamte werde auch künftig seinen Dienstpflichten nicht ordnungsgemäß nachkommen oder aufgrund seines Fehlverhaltens sei eine erhebliche, nicht wieder gut zu machende Ansehensbeeinträchtigung eingetreten (BayVGH, U.v. 28.9.2016 – 16a D 13.2112 – juris Rn. 49).
Zur konkreten Bestimmung der Disziplinarmaßnahmebemessung ist – auch bei einem innerdienstlichen Dienstvergehen – in einer ersten Stufe auf den Strafrahmen zurückzugreifen, weil der Gesetzgeber mit der Strafandrohung seine Einschätzung zum Unwert des Verhaltens verbindlich zum Ausdruck gebracht hat (BVerwG, B.v. 5.7.2016 – 2 B 24.16 – juris Ls. und Rn. 15). Begeht ein Beamter innerdienstlich unter Ausnutzung seiner Dienststellung eine Straftat, für die das Strafgesetz als Strafrahmen eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren vorsieht, reicht der Orientierungsrahmen für die mögliche Disziplinarmaßnahme bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 6.14 – juris Rn. 20; B.v. 23.1.2014 – 2 B 52.13 – juris Rn. 8). Bei dem hier für gewerbsmäßigen Betrug nach § 263 Abs. 1, Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB vorgesehenen Strafrahmen von zehn Jahren ergibt sich daher ein Orientierungsrahmen bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis. Hieran ändert sich auch nichts, wenn man auf den reduzierten Strafrahmen von sieben Jahren und sechs Monaten (vgl. §§ 46a Nr. 2, 49 StGB) abstellt. Zudem wurde der Beklagte zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Ausgangspunkt der Maßnahmebemessung ist daher die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis bzw. hier die Aberkennung des Ruhegehalts.
Das Dienstvergehen wiegt auch bei einer konkreten Betrachtung der Taten schwer. Der Beklagte hat über einen Zeitraum von sechs Jahren 50 einzelne Betrugstaten begangen und dadurch einen Schaden i.H.v. 36.390,06 € verursacht. Den Taten lag jeweils ein eigener Tatentschluss zugrunde. Anders als der Bevollmächtigte meint, begründet die fortgesetzte Tatbegehung dabei keine weniger schwere Dienstpflichtverletzung. Bei der Betrachtung der Taten ist auch zu berücksichtigen, dass der Beklagte die Betrugstaten zulasten seines Dienstherrn und der Allgemeinheit begangen hat. Sein Handeln gegenüber seinem Dienstherrn berührt den sensiblen Bereich der Beihilfeabrechnung, in dem der Dienstherr auf die Wahrheit und Richtigkeit der eingereichten Rechnungen vertrauen können muss und sich überdies die Richtigkeit und Vollständigkeit der Antragsangaben ausdrücklich versichern lässt. Ein Beamter, der trotz dieser Versicherung seinen Dienstherrn vorsätzlich täuscht, um sich einen Vermögensvorteil zu verschaffen, offenbart ein erhebliches Maß an Pflichtvergessenheit und belastet das für die Erfüllung der Aufgaben der öffentlichen Verwaltung unerlässliche Vertrauensverhältnis nachhaltig (BayVGH, U.v. 3.5.2017 – 16a D 15.1777 – juris Rn. 29).
6. Wegen der Schwere des Dienstvergehens kann von der Höchstmaßnahme auch nicht wegen des Vorliegens eines Milderungsgrundes abgesehen werden.
Von der Höchstmaßnahme ist zugunsten einer weniger strengen Disziplinarmaßnahme abzusehen, wenn ein – ursprünglich vom Bundesverwaltungsgericht zu den Zugriffsdelikten entwickelter – sog. „anerkannter“ Milderungsgrund vorliegt. Diese erfassen typisierend Beweggründe oder Verhaltensweisen des Beamten, die regelmäßig Anlass für eine noch positive Persönlichkeitsprognose geben. Zum einen tragen sie existenziellen Notlagen sowie körperlichen und psychischen Ausnahmesituationen – auch einer etwa verminderten Schuldfähigkeit – Rechnung, in denen ein an normalen Maßstäben orientiertes Verhalten nicht mehr erwartet werden kann. Zum anderen erfassen sie ein tätiges Abrücken von der Tat, insbesondere durch die freiwillige Wiedergutmachung des Schadens oder die Offenbarung des Fehlverhaltens jeweils vor drohender Entdeckung. Auch der Milderungsgrund der Geringwertigkeit kann dazu führen, dass im Hinblick darauf, dass durch das Dienstvergehen nur ein geringer Schaden entstanden ist, von der Höchstmaßnahme abgesehen werden muss (BayVGH, U.v. 28.9.2016 – 16a D 13.2112 – juris Rn. 56; U.v. 29.6.2016 – 16b D 13.993 – juris Rn. 44).
Diese Milderungsgründe stellen jedoch keinen abschließenden Kanon der bei Dienstvergehen berücksichtigungsfähigen Entlastungsgründe dar. Bei der prognostischen Frage, ob gegenüber einem Beamten aufgrund eines schweren Dienstvergehens ein endgültiger Vertrauensverlust eingetreten ist, gehören zur Prognosebasis außerdem alle für diese Einschätzung bedeutsamen be- und entlastenden Ermessensgesichtspunkte, die in eine Gesamtwürdigung einzubeziehen sind. Selbst wenn keiner der vorrangig zu prüfenden anerkannten Milderungsgründe vorliegt, können entlastende Umstände gegeben sein, deren Gewicht in ihrer Gesamtheit dem Gewicht anerkannter Milderungsgründe vergleichbar ist. Entlastungsmomente können sich dabei aus allen denkbaren Umständen ergeben. Solche Umstände können das Absehen von der disziplinarischen Höchstmaßnahme rechtfertigen, wenn sie in ihrer Gesamtheit das Gewicht eines anerkannten Milderungsgrundes aufweisen. Entlastungsgründe sind nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ bereits dann einzubeziehen, wenn hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für ihr Vorliegen sprechen (vgl. BayVGH, U.v. 28.9.2016 – 16a D 13.2112 – juris Rn. 57; U.v. 29.6.2016 – 16b D 13.993 – juris Rn. 45).
6.1. Zu Gunsten des Beklagten ist hier sein positives Nachtatverhalten zu berücksichtigen. Er war im Straf- und auch im Disziplinarverfahren vollumfänglich geständig und hat seine Reue über seine Taten zum Ausdruck gebracht, insbesondere in seinem zeitnah nach Aufdeckung der Taten verfassten, undatierten Schreiben an die Debeka (Gerichtsakte S. 57). Außerdem hat er sowohl gegenüber der Debeka als auch gegenüber der Beihilfe den hohen Schaden beglichen, indem er seine Rücklagen in Anspruch genommen, ein Darlehen aufgenommen und seine Altersvorsorge verwendet hat.
6.2. Zu Gunsten des Beklagten sind weiter seine langjährigen gesundheitlichen Probleme zu berücksichtigen. Seine psychische Erkrankung reicht bis ins Jahr 2013 zurück, als er sich bei Frau Dr. phil. M… wegen psychiatrischer, körperlicher und psychosomatischer Beschwerden in Behandlung begeben hat (vgl. ihren Arztbrief v. 4.2.2014 in der Personal-/Krankenakte). Die psychiatrischen Beschwerden haben letztendlich dazu geführt, dass er seine bisherige Tätigkeit im 24-stündigen Einsatzdienst bei der Feuerwache nicht mehr ausüben konnte und schließlich im Jahr 2014 in den Innendienst versetzt wurde. Nach dem im gerichtlichen Verfahren vorgelegten Bericht des Diplom-Psychologen Dr. L… vom 18. Dezember 2020 dauern die psychischen Probleme des Beklagten unvermindert an. Hinzu kommen ein Tinnitus und Beinvenenthrombosen (vgl. den Bescheid des Zentrums Bayern Familie und Soziales v. 4.5.2018).
6.3. Ungeachtet der psychiatrischen Erkrankung des Beklagten ist der Milderungsgrund der erheblich verminderten Schuldfähigkeit gemäß §§ 20, 21 StGB, bei dessen Vorliegen die Höchstmaßnahme regelmäßig nicht mehr ausgesprochen werden kann (vgl. BVerwG, B.v. 29.8.2017 – 2 B 76.16 – juris Rn. 14) nicht gegeben. Ist wie hier die Frage der Schuldunfähigkeit mit bindender Wirkung verneint, bleibt es Sache des erkennenden Gerichts, für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme festzustellen, ob bei Vorliegen der Eingangsvoraussetzung des § 20 StGB ein Fall verminderter Schuldfähigkeit i.S.v. § 21 StGB gegeben ist und welchen Grad die Minderung gegebenenfalls erreicht. Auf Feststellungen, die für diese Frage Bedeutung haben, erstreckt sich die Bindung des Disziplinargerichts nicht (BVerwG, U.v. 29.5.2008 – 2 C 59.07 – juris Rn. 29; BayVGH, U.v. 11.5.2016 – 16a D 13.1540 – juris Rn. 80). Erheblich verminderte Schuldfähigkeit setzt voraus, dass die Fähigkeit, das Unrecht einer Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, wegen einer Störung i.S.v. § 20 StGB bei Tatbegehung erheblich eingeschränkt war. Für die Steuerungsfähigkeit kommt es darauf an, ob das Hemmungsvermögen so stark herabgesetzt war, dass der Betroffene den Tatanreizen erheblich weniger Widerstand als gewöhnlich entgegenzusetzen vermochte. Die daran anknüpfende Frage, ob die Verminderung der Steuerungsfähigkeit aufgrund einer krankhaften seelischen Störung „erheblich“ war, ist eine Rechtsfrage, die die Verwaltungsgerichte ohne Bindung an die Einschätzung Sachverständiger in eigener Verantwortung zu beantworten haben. Hierzu bedarf es einer Gesamtschau der Persönlichkeitsstruktur der Betroffenen, ihres Erscheinungsbildes vor, während und nach der Tat und der Berücksichtigung der Tatumstände, insbesondere der Vorgehensweise. Die Erheblichkeitsschwelle liegt umso höher, je schwerer das in Rede stehende Delikt wiegt. Dementsprechend hängt im Disziplinarrecht die Beurteilung der Erheblichkeit i.S.v. § 21 StGB von der Bedeutung und Einsehbarkeit der verletzten Dienstpflichten ab. Angesichts dessen wird eine erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit bei Zugriffsdelikten und diesen gleichgestellten Delikten nur in Ausnahmefällen erreicht werden. Gerade bei der Verletzung einer leicht einsehbaren innerdienstlichen Kernpflicht muss nämlich von dem Beamten im Hinblick auf die Bedeutung dieser Pflicht für das öffentlich-rechtliche Dienst- und Treueverhältnis erwartet werden, dass er trotz der verminderten Schuldfähigkeit noch genügend Widerstandskraft gegen eine Verletzung dieser Pflicht im Dienst aufbringt. Die Erheblichkeitsschwelle liegt in solchen Fällen also höher als bei anderen Pflichtverletzungen (BayVGH, U.v. 11.5.2016 – 16a D 13.1540 – juris Rn. 81).
Im vorliegenden Fall ergeben sich keine Hinweise für eine erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit des Beklagten während des Tatzeitraums von Mitte 2010 bis Mitte 2016. Dem Gesundheitszeugnis des Referats für Gesundheit und Umwelt vom 8. März 2018, auf das er in seiner Klageerwiderung abstellt, lässt sich für eine Einschränkung seiner Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit. nichts entnehmen; dieses verhält sich lediglich zur Frage seiner Dienstfähigkeit und stellt insbesondere auf seine reduzierte psychische Belastbarkeit und Stressresistenz ab. Tätigkeiten mit erhöhter Verantwortungslage, mit unvorhersehbar wechselnden örtlichen, zeitlichen oder inhaltlichen Anforderungen seien nicht möglich. Aus dem Bericht des Diplom-Psychologen Dr. L… vom 18. Dezember 2020 lässt sich ebenfalls nichts zur Verfassung des Beklagten im Tatzeitraum entnehmen, vielmehr ist dort seine aktuelle depressive Symptomatik beschrieben, insbesondere aufgrund des Todes seiner Ehefrau im Jahr 2016. Sonstige ärztliche oder psychiatrische Stellungnahmen, aus denen sich Aussagen zur Reduzierung der Schuldfähigkeit des Beklagten im fraglichen Zeitraum entnehmen lassen, liegen nicht vor. Zudem liegt die Erheblichkeitsschwelle wegen der klaren Einsehbarkeit der verletzten Dienstpflichten äußerst hoch. Für den Beklagten als Beamten in der Endstufe der 2. Qualifikationsebene mit bei Beginn der Betrugstaten über 25-jähriger Berufserfahrung war die Bedeutung der Wahrhaftigkeit und Richtigkeit der bei Beihilfestelle und Krankenkasse eingereichten Rechnungen und die Tragweite eines auf Einreichung von Scheinrechnungen basierenden Betrugs ohne Weiteres ersichtlich. Er hat mit seinen Taten eine leicht einsehbare Kernpflicht verletzt.
6.4. Ungeachtet des positiven Nachtatverhaltens des Beklagten kommt ihm auch der Milderungsgrund der freiwilligen, auch nicht durch Furcht vor Entdeckung bestimmten, vollständigen und vorbehaltlosen Offenbarung der Tat (vgl. zur Formulierung Zängl, a.a.O., MatR/II Rn. 324d) nicht zugute. Der Beklagte erfuhr erstmals am 12. Oktober 2016 von den Ermittlungen gegen ihn, als er im Rahmen der Wohnungsdurchsuchung den Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts München vom 22. Juli 2016 (Gerichtsakte S. 50) erhielt. In dem Durchsuchungsbeschluss sind die Beteiligten und die Umstände der Betrugstaten dargestellt und ist ausgeführt, dass die Einreichungen der Rechnungen bei den privaten Krankenkassen „zwischen dem Quartal 3/2011 und heute“ erfolgten und der Debeka Krankenversicherung „mindestens ein Schden i.H.v. 10.678,30 € entstanden“ ist. Mit Erhalt des Durchsuchungsbeschlusses konnte der Beklagte daher davon ausgehen, dass umfänglich gegen ihn ermittelt wurde und die Ermittlungen den gesamten Umfang der Taten ans Licht bringen würden. Ungeachtet seiner anerkennenswerten Geständigkeit liegt damit ein nicht durch Furcht vor Entdeckung bestimmter Tatbeitrag zur Aufdeckung des Tatumfangs nicht vor.
6.5. Eine ausweglose wirtschaftliche Notlage des Beklagten im gesamten Tatzeitraum bestand ebenfalls nicht. Zwar gab er bei der Beschuldigtenvernehmung am 12. Oktober 2016 an, er habe sich „auf Sozialhilfeniveau“ befunden, weil er gegenüber seiner ersten Ehefrau zur Zahlung von Trennungsunterhalt verpflichtet gewesen sei. Nachweise für diese Behauptung wurden jedoch nicht vorgelegt. Zudem wird Trennungsunterhalt nur dann zugesprochen, wenn Leistungsfähigkeit des Verpflichteten besteht. Überdies ist nicht nachvollziehbar, dass eine mögliche wirtschaftliche Notlage über den gesamten Zeitraum von sechs Jahren angedauert hat. Der Beklagte wurde vielmehr mit Wirkung vom 1. Januar 2011 nach A9 befördert, es gab einige Besoldungserhöhungen, die Heirat mit seiner dritten Ehefrau erfolgte und seine Tochter wurde volljährig, so dass sich seine möglicherweise ehemals schwierige finanzielle Lage stabilisieren konnte.
6.6. Auch der Milderungsgrund der Überwindung einer negativen Lebensphase ist zu verneinen. Danach können außergewöhnliche Verhältnisse, die den Beamten während des Tatzeitraums aus der Bahn geworfen haben, mildernd berücksichtigt werden. Dies liegt vor allem dann nahe, wenn sich der Pflichtenverstoß als Folge dieser Verhältnisse darstellt. Allerdings muss der Beamte diese Lebensphase in der Folgezeit überwunden haben. Dies ist anzunehmen, wenn sich seine Lebensverhältnisse wieder soweit stabilisiert haben, dass nicht mehr davon die Rede sein kann, er sei weiterhin aus der Bahn geworfen (BVerwG, B.v. 9.10.2014 – 2 B 60.14 – juris Rn. 32). Dieser Milderungsgrund liegt bereits deshalb nicht vor, weil der Beklagte im Tatzeitraum von 2010 bis 2016 kein auffälliges dienstliches Verhalten gezeigt hat (vgl. BVerwG, B.v. 15.6.2016 – 2 B 49.15 – juris Rn. 10 ff.), sondern gute Beurteilungen und Leistungsprämien erhielt und sich auch den Persönlichkeitsbildern keine Auffälligkeiten entnehmen lassen. Zudem ist bei einem über sechs Jahre andauernden Fehlverhalten keine „Lebensphase“ mehr gegeben.
6.7. Nicht mildernd berücksichtigt werden können auch die guten dienstlichen Leistungen des Beklagten seit 2007. In den Beurteilungen 2007, 2011 und 2015 erreichte er jeweils das Gesamtergebnis „Übertrifft deutlich die Anforderungen“. Die guten dienstlichen Leistungen werden ihm auch in den drei im Disziplinarverfahren eingeholten Persönlichkeitsbildern bestätigt. Angesichts der Schwere des festgestellten Dienstvergehens können jedoch auch gute dienstliche Leistungen nicht zum Ausspruch einer milderen Disziplinarmaßnahme führen. Sie sind nicht geeignet, die Schwere des Dienstvergehens so abzumildern, dass von einer Entfernung aus dem Beamtenverhältnis bzw. Aberkennung des Ruhegehalts abgesehen werden könnte. Die langjährige pflichtgemäße Dienstausübung ist – selbst bei überdurchschnittlichen Leistungen – für sich genommen regelmäßig nicht geeignet, derartige Pflichtverstöße in einem milderen Licht erscheinen zu lassen (BayVGH, U.v. 18.3.2015 – 16a D 09.3029 – juris Rn. 96).
6.8. Im Ergebnis liegen die Milderungsgründe des positiven Nachtatverhaltens und der gesundheitlichen Probleme des Beklagten vor. Ihnen steht ein Fehlverhalten gegenüber, das über sechs Jahre hinweg andauerte, aus 50 Einzeltaten aufgrund jeweils eigenen Tatentschlusses bestand, zu einer Schadenssumme von über 36.000 € führte und leicht einsehbare Kernpflichten betraf. Angesichts der Schwere der Dienstpflichtverletzung kommt den Milderungsgründen kein solches Gewicht zu, dass von der Höchstmaßnahme der Aberkennung des Ruhegehalts abgesehen werden könnte.
7. Ein Disziplinarmaßnahmeverbot wegen Zeitablaufs besteht nicht, obwohl die dem Beklagten vorgeworfenen Taten bis ins Jahr 2020 zurückgehen. Art. 16 BayDG beinhaltet ein Disziplinarmaßnahmeverbot nur im Hinblick auf die nächstmildere Disziplinarmaßnahme der Kürzung des Ruhegehalts (vgl. Art. 12, Art. 16 Abs. 2 BayDG), nicht aber im Hinblick auf die Höchstmaßnahme.
8. Die Aberkennung des Ruhegehalts ist unter Abwägung des Gewichts des Dienstvergehens sowie des dadurch eingetretenen Vertrauensschadens und der mit der Verhängung der Höchstmaßnahme einhergehenden Belastung auch nicht unverhältnismäßig. Die Aberkennung des Ruhegehalts als disziplinarische Höchstmaßnahme verfolgt neben der Wahrung des Vertrauens in die pflichtgemäße Aufgabenerfüllung durch die öffentliche Verwaltung die Wahrung des Ansehens des öffentlichen Dienstes. Ist durch das Gewicht des Dienstvergehens und mangels durchgreifender Milderungsgründe das Vertrauen zerstört und kann deshalb nicht davon ausgegangen werden, der Beamte werde seine Dienstaufgaben künftig pflichtgemäß erfüllen, ist die Entfernung aus dem Dienst, bei Ruhestandsbeamten die Aberkennung des Ruhegehalts die angemessene Reaktion auf das Dienstvergehen. Die Aberkennung des Ruhegehalts beruht dann auf einer schuldhaften schwerwiegenden Pflichtverletzung durch den Beamten und ist diesem als für alle öffentlich-rechtlichen Beschäftigungsverhältnisse vorhersehbare Rechtsfolge bei derartigen Pflichtverletzungen zuzurechnen (BayVGH, U.v. 3.5.2017 – 16a D 15.2087 – juris Rn. 66; U.v. 9.12.2015 – 16b D 14.642 – juris Rn. 58).
Eine Vergleichbarkeit mit dem vom Bevollmächtigten des Beklagten angeführten Sachverhalt im Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 25. Oktober 2016 (16b D 14.2351 – juris), in dem als Disziplinarmaßnahme lediglich eine Zurückstufung des Beamten ausgesprochen wurde, sieht das Gericht nicht. Im dortigen Fall wurden dem Beamten 22 Betrugsfälle zur Last gelegt, hier sind es 50; dort dauerte die Tathandlung nur zwei Monate, hier sechs Jahre; dort betrug der Schaden lediglich 4328 €, hier beträgt er 36.390 €. Der dortige Beamte wurde lediglich zu einer Gesamtgeldstrafe von 150 Tagessätzen verurteilt, wohingegen der Beklagte zu einer Freiheitsstrafe von elf Monaten verurteilt wurde. Zudem lag dort ein außerdienstliches Dienstvergehen durch Versteigerung nicht existierender Handys auf ebay vor, wohingegen hier auch ein innerdienstliches Dienstvergehen infolge des Beihilfebetrugs gegeben ist.
Bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung verkennt das Gericht nicht, dass die Aberkennung des Ruhegehalts für den gesundheitlich angeschlagenen Beklagten, der zu 30 v.H. schwerbehindert ist, zu sehr einschneidenden finanziellen Konsequenzen führen wird. Diese sind von ihm jedoch im Hinblick auf die wiederholten und gravierenden Verstöße gegen dienstliche Kernpflichten hinzunehmen.
Die Kostenfolge ergibt sich aus Art. 72 Abs. 1 Satz 1 BayDG.


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