Aktenzeichen M 17 K 16.588
BayBhV BayBhV § 7
GG GG Art. 3 Abs. 1, Art. 33 Abs. 5
Leitsatz
1. Immer dann, wenn zur Abrechnung von Aufwendungen nicht auf (amtliche) Gebührenordnungen zurückgegriffen werden kann, sprechen auch Fürsorgegründe nicht dagegen, die Angemessenheit von Aufwendungen durch eigenständige beihilferechtliche Regelungen der Höhe nach zu begrenzen. (redaktioneller Leitsatz)
2. Das Gebührenverzeichnis für Heilpraktiker hat keine Rechtsnormqualität, sondern ist als Umfrageergebnis unter in Deutschland niedergelassenen Heilpraktikern ein Verzeichnis der durchschnittlich üblichen Vergütungen, welches als Berechnungshilfe bei der Rechnungserstellung dient. Ohne Höchstgrenzenregelung genössen die Heilpraktiker in ihrer Preisgestaltung weitestgehende Freiheiten, da für sie keine gesetzlichen Gebührenordnungen bestehen. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
Die zulässige Klage hat keinen Erfolg, da der Kläger keinen Anspruch auf die Gewährung weiterer Beihilfe hat (§ 113 Abs. 5 VwGO). Der Beihilfebescheid vom 20. Oktober 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Januar 2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Für die rechtliche Beurteilung beihilferechtlicher Streitigkeiten ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen maßgeb-lich, für die Beihilfe verlangt wird (st. Rspr., vgl. statt aller BVerwG, U. v. 2.4.2014 – 5 C 40.12 – NVwZ-RR 2014, 609 Rn. 9). Die Aufwendungen gelten nach § 7 Abs. 2 Satz 2 BayBhV in dem Zeitpunkt als entstanden, in dem die sie begründende Leis-tung erbracht wird. Für die vorgenommene Akupunktur- und Moxabehandlung entstehen Aufwendungen mit Abschluss des Behandlungsvertrags mit dem Heilpraktiker (Mildenberger, Beihilferecht in Bund, Ländern und Kommunen, Stand 1. Juli 2016, Bd. 2 Anm. 12 zu § 7 Absatz 2 BayBhV). Bei den streitgegenständlichen Behandlungen im Zeitraum vom … Januar 2015 bis … September 2015 bestimmt sich die Beihilfefähigkeit daher nach Art. 96 Bayerisches Beamtengesetz (BayBG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 29. Juli 2008 (GVBl S. 500), zuletzt geändert durch Gesetz vom 22. Juli 2014 (GVBl S. 286), und der Verordnung über die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen in Krankheits-, Geburts-, Pflege- und sonstigen Fällen (Bayerische Beihilfeverordnung – BayBhV) vom 2. Januar 2007 (GVBl S. 15), zuletzt geändert durch Verordnung vom 29. Juli 2014 (GVBl S. 352, ber. S. 447).
2. Der Kläger hat keinen Anspruch auf weitergehende Beihilfe zu den in Rechnung gestellten Heilpraktikerleistungen.
Beamte erhalten gemäß Art. 96 Abs. 2 Satz 1 BayBG Beihilfeleistungen zu den nachgewiesenen medizinisch notwendigen und angemessenen Aufwendungen in Krankheits-, Geburts- und Pflegefällen und zur Gesundheitsvorsorge. Nach § 7 Abs. 1 der gemäß Art. 96 Abs. 5 BayBG hierzu erlassenen Bayerischen Beihilfeverordnung sind Aufwendungen „nach den folgenden Vorschriften“ beihilfefähig, wenn sie dem Grunde nach medizinisch notwendig sowie der Höhe nach angemessen sind und ihre Beihilfefähigkeit nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist. Nach § 7 Abs. 1 Satz 5 BayBhV sind Aufwendungen für Heilpraktikerleistungen nach Maßgabe der Anlage 1 beihilfefähig. Die Anlage 1 (zu § 7 Abs. 1 BayBhV) wurde durch Verordnung zur Änderung der Bayerischen Beihilfeverordnung vom 29. Juli 2014 (GVBl. S. 352), in Kraft getreten am 1. Oktober 2014, in die Bayerische Beihilfeverordnung eingefügt (zur historischen Entwicklung siehe Mildenberger, Beihilferecht in Bund, Ländern und Kommunen, Stand 1. Juli 2016, Bd. 2, A V, § 7 BayBhV Anm. 7 (2) zu Abs. 1), so dass seither eine normative Regelung, und nicht nur eine Verwaltungsvorschrift, vorliegt. Der Beklagte hat den in der Rechnung angegebenen Gebührenziffern des Gebührenverzeichnisses für Heilpraktiker (GebüH) und den dazu in Rechnung gestellten Beträgen zur Akupunktur- und Moxabehandlung jeweils die Höchstbeträge nach Anlage 1 rechnerisch korrekt gegenübergestellt.
2.1. Die entsprechende Begrenzung auf Höchstbeträge ist aus rechtlicher Sicht nicht zu beanstanden (VG München, U. v. 22.9.2016 – M 17 K 15.1433 – juris Rn. 34; Mildenberger, Beihilferecht in Bund, Ländern und Kommunen, Stand 1. Juli 2016, Bd. 1, A III, § 23 BBhV Anm. 7 (3) zu Abs. 1; vgl. neuere Rechtsprechung des BVerwG, U. v. 2.4.2014 – 5 C 40/12 – juris Rn. 12 ff. zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit von Höchstgrenzen bei Hörgeräten; bzgl. Brillenstärken: VG München U. v. 17.3.2016 – M 17 K 15.5257 – UA S. 17). Immer dann, wenn zur Abrechnung von Aufwendungen nicht auf (amtliche) Gebührenordnungen zurückgegriffen werden kann, sprechen auch Fürsorgegründe nicht dagegen, die Angemessenheit von Aufwendungen durch eigenständige beihilferechtliche Regelungen der Höhe nach zu begrenzen (vgl. Mildenberger, Beihilferecht in Bund, Ländern und Kommunen, Stand 1. Juli 2016, Bd. 1, A III, § 23 BBhV Anm. 7 (3) zu Abs. 1). Das Gebührenverzeichnis für Heilpraktiker hat keine Rechtsnormqualität, sondern ist als Umfrageergebnis unter in Deutschland niedergelassenen Heilpraktikern ein Verzeichnis der durchschnittlich üblichen Vergütungen, welches als Berechnungshilfe bei der Rechnungserstellung dient. Der Beklagte geht Recht in der Annahme, dass ohne Höchstgrenzenregelung die Heilpraktiker in ihrer Preisgestaltung weitestgehende Freiheiten genössen, da für sie keine gesetzlichen Gebührenordnungen bestehen.
Eine ausreichende normative Ermächtigungsgrundlage zur Festlegung von Höchstbeträgen für Heilpraktiker lässt sich dem Art. 96 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2a BayBG entnehmen.
2.2. Die beanstandete Regelung des § 7 Abs. 1 Satz 5 BayBhV i. V. m. Anlage 1 ist sowohl mit der sich aus Art. 33 Abs. 5 GG ergebenden Fürsorgepflicht des Dienstherrn als auch mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar.
2.2.1. Insoweit ist zunächst klar zu stellen, dass die vom Kläger geltend gemachte Verletzung von Grundrechten der Heilpraktiker, soweit diese im Vergleich zu den Abrechnungsmöglichkeiten von Ärzten ungleich behandelt würden, nicht Gegenstand der Prüfung der Begründetheit der vom Kläger erhobenen Klage sein kann. Denn selbst wenn die vom Kläger gerügte in geringerem Umfang bestehende Beihilfefähigkeit von Heilpraktikerleistungen gegen Grundrechte der Heilpraktiker – etwa Art. 3 Abs. 1 GG – verstoßen würde, so wäre der Kläger hierdurch nicht, wie in § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO für den Erfolg seiner Verpflichtungsklage vorausgesetzt, in seinen (eigenen) Rechten verletzt (VG Saarland, U. v. 22.03.2012 – 6 K 635/11 – juris Rn. 22).
Ungeachtet dessen besteht jedenfalls ein sachlicher Differenzierungsgrund dahingehend, medizinische Leistungen von Heilpraktikern und Ärzten unterschiedlich zu vergüten, da allein die unterschiedliche fachliche Befähigung eine Differenzierung erlaubt (BVerfG, B. v. 10.5.1988 – 1 BvR 111/77 – juris z. B. hinsichtlich der Nicht-Kassenzulassung für Heilpraktiker). Die Approbation gewährleistet eine möglichst gute, den Regeln der ärztlichen Kunst entsprechende Behandlung. Da Nichtärzte die Gewähr für eine solche Behandlung „in ihrer Person und in ihrem nachgewiesenen Können“ nicht bieten, steht eine Behandlung durch sie einer Behandlung durch approbierte Ärzte nicht gleich (BSG, U. v. 01.03.1979 – 6 RKa 13/77 – BSGE 48, 47-56, SozR 2200 § 368 Nr. 4 – juris Rn. 20). Anders als die ärztliche Approbation, die nach Beendigung eines rechtlich geordneten Studiums und Ablegung einer Staatsprüfung erteilt wird, setzt die Erlaubnis als Heilpraktiker außer einer abgeschlossenen Volksschulbildung keine weitere Ausbildung voraus (§ 2 Abs. 1 Buchst d der 1. DVO zum Heilpraktikergesetz – HPG). Die Erlaubnis ist lediglich dann zu versagen, wenn sich aus einer Überprüfung der Kenntnisse und Fähigkeiten des angehenden Heilpraktikers durch das Gesundheitsamt ergibt, dass die Ausübung der Heilkunde durch den Betreffenden eine Gefahr für die Volksgesundheit bedeuten würde (§ 2 Abs. 1 Buchst. i der 1. DVO-HPG). Der erfolgreiche Besuch einer Heilpraktikerschule kann einem staatlich geregelten Ausbildungsgang nicht gleichgestellt werden. Etwaige Ausbildungsrichtlinien der deutschen Heilpraktikerschaft, einer privatrechtlichen Vereinigung in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins, sind nicht allgemein verbindlich und ohne Mitwirkung staatlicher Stellen zustande gekommen. Eine allein nach ihnen durchgeführte Ausbildung bietet deshalb keine ausreichende Gewähr für die Vermittlung einer auf medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhenden ärztlichen Sachkunde. Da ein Heilpraktiker damit keine einem approbierten Arzt gleichwertige Ausbildung besitzt, verstößt die unterschiedliche beihilferechtliche Anerkennung der jeweils erbrachten Leistungen nicht gegen den Gleichheitssatz, mag der Heilpraktiker auch nach allgemeinem Berufsrecht zur Erbringung der streitigen Leistungen befugt sein.
Die Begrenzung der Aufwendungen für Heilpraktikerleistungen auf feste bzw. schematische Höchstbeträge, die nicht – vergleichbar wie in der GOÄ – nach Zeitaufwand, Materialeinsatz etc. differenzieren, ist somit rechtlich nicht zu beanstanden. Eine Ungleichbehandlung zu der Beihilfefähigkeit von ärztlichen Leistungen und damit ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG ist darin daher nicht zu erkennen.
2.2.2. Die verwaltungsgerichtliche Nachprüfung eines in Anwendung der Beihilfevorschriften erlassenen Verwaltungsakts erstreckt sich allein darauf, ob dieser mit den Vorschriften selbst in Einklang steht und ob sich die Beihilfevorschriften in ihrer Anwendung auf den konkreten Einzelfall in den Grenzen des dem Dienstherrn eingeräumten Konkretisierungsermessens halten, insbesondere ob eine Beschränkung der Beihilfefähigkeit von Aufwendungen mit der Fürsorgepflicht des Dienstherrn und – aus der Sicht des Klägers als einem Angehörigen einer relevanten Vergleichsgruppe – mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist (vgl. etwa BVerwG, U. v. 20.8.1969 – VI C 130.67 – juris).
Grundsätzlich besteht ein weiter Gestaltungsspielraum des Beihilfegesetzgebers hinsichtlich der Höhe der Obergrenzen (vgl. BVerwG, U. v. 28.4.2011 – 2 C 51.08 – ZBR 2011, 379 Rn. 14; U. v. 31.1.2002 – 2 C 1.01 – juris). Es ist nicht erkennbar, dass die Festlegung der in Rede stehenden Höchstbeträge diesen Spielraum überschreitet oder diesen eine willkürliche Wertung zugrunde liegen würde.
Aus der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (U. v. 12.11.2009 – 2 C 61.08 – juris) lässt sich hierzu nichts Gegenteiliges ableiten.
Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass die damalige in § 5 Abs. 1 Satz 3 der Bundesbeihilfeverordnung (BBhV) enthaltene Begrenzung der Angemessenheit auf die Mindestsätze des Gebührenverzeichnisses der Heilpraktiker sowohl gegen die Fürsorgepflicht als auch gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG verstieß.
Der Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG gebietet (BVerwG, a. a. O. juris Rn. 10 ff.), wesentlich Gleiches gleich zu behandeln, stellt es dem Normgeber aber frei, aufgrund autonomer Wertungen Differenzierungsmerkmale auszuwählen, an die er eine Gleich- oder Ungleichbehandlung anknüpft. Dabei hat er grundsätzlich einen weiten Gestaltungsspielraum, wenn die Ungleichbehandlung nicht an ein personenbezogenes, d. h. von den Betroffenen gar nicht oder nur schwer beeinflussbares Merkmal, sondern an Lebenssachverhalte anknüpft oder von freiwilligen Entscheidungen der Betroffenen abhängt (BVerwG, U. v. 28.5.2008 – 2 C 24/07 – juris Rn. 25; BVerwG, U. v. 28.4.2005 – 2 C 1/04 – juris mit Nachweisen zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts; BVerwG, U. v. 25.10.2007 – 2 C 16/06 – juris). Betrifft die angegriffene Maßnahme ein Gebiet, in dem der Normgeber über ein weites Ermessen verfügt, so ist ein Gleichheitsverstoß nur dann anzunehmen, wenn sich im Hinblick auf die Eigenart des geregelten Sachbereichs ein vernünftiger, einleuchtender Grund für die Regelung schlechthin nicht finden lässt, die Regelung also willkürlich erscheint (vgl. BVerfG, B. v. 28.6.1994 – 1 BvL 14, 15/88 – juris). Bewegt sich der Normgeber dagegen auf einem Gebiet, auf dem er engen rechtlichen Bindungen unterliegt, so kann ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz schon dann angenommen werden, wenn für die Differenzierung keine Gründe von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleichen Rechtsfolgen rechtfertigen können.
Da die Beihilfe ihre Grundlage in der Fürsorgepflicht des Dienstherrn hat, ist diese bei der Prüfung eines Verstoßes gegen den Gleichheitssatz in ihrem verfassungsrechtlich geschützten Kernbereich zu beachten. Die vom Normgeber für eine Differenzierung im Beihilfensystem angeführten Gründe müssen hiervor Bestand haben. Solange der Gesetzgeber am gegenwärtig praktizierten „Mischsystem“ aus privat finanzierter Vorsorge und ergänzender Beihilfe festhält, ist der allgemeine Gleichheitssatz dann verletzt, wenn eine bestimmte Regelung die im Beihilfensystem angelegte Sachgesetzlichkeit ohne zureichenden Grund verlässt (BVerwG, U. v. 28.05.2008 – 2 C 24.07 – juris Rn. 25 f.).
Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts beruht auf der Erwägung, die damalige Beihilfebegrenzung stehe mit der in § 6 Abs. 1 Nr. 1 BBhV getroffenen grundsätzlichen Entscheidung des Normgebers, Leistungen von Heilpraktikern als beihilfefähig anzuerkennen, in Widerspruch. Eine medizinisch gebotene Leistung müsse für den Beamten auch tatsächlich finanziell zugänglich sein. Die Festlegung der Angemessenheit finde dort ihre Grenze, wo die grundsätzliche Entscheidung des Dienstherrn, auch zu Aufwendungen für Leistungen der Heilpraktiker Beihilfe zu leisten, konterkariert werde (BVerwG, U. v. 12.11.2009 – 2 C 61.08 – juris Rn. 14).
Der vom Bundesverwaltungsgericht als tragender Grund für seine Entscheidung angenommene innere Widerspruch besteht im vorliegenden Fall nicht.
Zunächst besteht anders als in der zitierten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts – wie aufgezeigt – mit Art. 96 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2a BayBG i. V. m. § 7 Abs. 1 Satz 5 BayBhV i. V. m. Anlage 1 zur BayBhV eine ausreichend legitimierende gesetzliche Ermächtigungsgrundlage.
Darüber hinaus hat sich die Rechtslage hinsichtlich der Begrenzung der Beihilfefähigkeit seit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts dahingehend geändert, dass nunmehr trotz der derzeitigen Begrenzung der Beihilfefähigkeit in der Bayerischen Beihilfeverordnung die streitgegenständlichen Heilpraktikerleistungen wegen der angemessenen Höchstbeträge für den Kläger derzeit auch zugänglich sind (zur chronologischen Entwicklung nochmals: Mildenberger, Beihilferecht in Bund, Ländern und Kommunen, Stand 1. Juli 2016, Bd. 2 Anm. 7 (2) zu § 7 Absatz 2 BayBhV).
Denn die in Anlage 1 zur BayBhV festgesetzten Höchstbeträge entsprechen genau dem Betrag, den der Bund in seiner seit 1. September 2013 geltenden Vereinbarung mit den Heilpraktikerverbänden vertraglich geregelt hat. Gerade dies zeigt, dass die Leistungen aktuell zu diesen Beträgen erbracht werden können. Der Höchstbetrag der streitgegenständlichen Akupunkturbehandlung liegt damit beträchtlich höher als die Höhe des Mindestsatzes des im April 1985 geltenden Gebührenverzeichnisses für Heilpraktiker, der der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zugrunde lag und der für die Akupunkturbehandlung eine Mindestgebühr nach Nr. 21.1 GebüH in Höhe von 10,30 € (20,00 DM) vorsah.
Rechtlich problematisch war die der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zugrunde liegende Höhe der Beihilfefähigkeit der Heilpraktikerleistungen in erster Linie deshalb, weil der Beihilfegeber für die Angemessenheit der jeweiligen Leistung ausschließlich an den „Mindestsatz“ (genauer: die jeweilige absolute Untergrenze der für die betreffende Einzelleistung empirisch ermittelten Daten) angeknüpft hat, und er damit von Anfang an den bestehenden Gebührenrahmen als solchen vernachlässigt und nicht dasjenige zugrunde gelegt hat, was realistischerweise für die betreffende Leistung (durchschnittlich) als Vergütung zu entrichten gewesen ist. Soweit Leistungen sich nach Umfang und Schwierigkeiten im Bereich des Gewöhnlichen halten, wird der Beamte in der Rechtsbeziehung zu seinem behandelnden Heilpraktiker in der Regel erwarten und realisieren können, dass in etwa nach dem Mittelwert der im Gebührenverzeichnis vorgesehenen Spanne abgerechnet wird (OVG NW, U. v. 14.5.2008 – 1 A 1088/07 – juris Rn. 40f.; OVG Berlin, U. v. 29.6.1999 – 4 B 46.96 – juris Rn. 23f.). Diesem Erfordernis wird jedenfalls mit der Orientierung des Beihilfegesetzgebers am oberen Rand der Rahmengebühr des GebüH ausreichend Rechnung getragen.
Konkret entspricht der aktuelle Höchstbetrag für die streitgegenständliche Akupunkturbehandlung mit 23,00 € nahezu dem maximalen Betrag und damit der oberen Grenze der Gebührenspanne für Leistungen nach Nr. 21.1 GebüH von 10,30 € bis 26,00 €. Gleichwohl die Festlegung des Gebührenrahmens schon etliche Jahre zurückliegt, bestehen keine Anhaltspunkte, dass die streitgegenständliche Akupunkturleistung tatsächlich für 23,00 € – mag dies auch knapp kalkuliert sein – nicht zu erhalten wäre.
Dass – wie vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vorgetragen – die mit dem Heilpraktikerverband im Jahr 2013 getroffene Vereinbarung im Wissen der fehlenden Kostendeckung geschlossen worden sei, vermag nicht zu überzeugen. Vielmehr brachte der die Vereinbarung unterzeichnende Vizepräsident des Fachverbandes Deutscher Heilpraktiker e.V. (FDH) in seiner Mitteilung an die Verbandsmitglieder (Der Heilpraktiker 9/2013; http://www.heilpraktiker.org/files/seiteninhalt/schmidt-beihilfeinformation-0913-web.pdf) zum Ausdruck, mit dieser Vereinbarung „für die Zukunft gut gerüstet“ zu sein. Auch hätte der Verband aufgrund der neuen Vereinbarung die Möglichkeit, Gespräche mit dem Ministerium (gemeint Bundesministerium des Innern) zu führen, die auch in der Zukunft eine angemessene Honorierung der Heilpraktikerleistungen ermögliche. Daraus wird deutlich, dass selbst der FDH die getroffene Vereinbarung über die Beihilfesätze durchaus für adäquat erachtet.
Allein aus dem Umstand, dass sich der nunmehr der BayBhV in Anlage 1 zugrunde gelegte Höchstbetrag (immer noch) innerhalb des vor geraumer Zeit festgelegten Gebührenrahmens des Nr. 21.1 GebüH bewegt, lässt wegen der Grundlage des GebüH als Ergebnis einer Umfrage unter den in der Bundesrepublik Deutschland niedergelassenen Heilpraktikern nicht darauf schließen, dass die Akupunkturleistung derzeit zu dem Betrag von 23,00 € nicht zu erlangen wäre. Schließlich hat sich der beihilfefähige Betrag – gemessen an der Mindestgebühr – mehr als verdoppelt. Ein Anspruch darauf, dass der beihilfefähige Betrag zwangsläufig über 26,00 € zu liegen hat, besteht schon deshalb nicht, weil aufgrund der deutlichen Spannbreite des Gebührenrahmens davon auszugehen ist, dass die Honorarspannen auch Ausreißer nach oben und unten mit widerspiegeln (OVG NW, U. v. 14.5.2008 – 1 A 1088/07 – juris Rn. 40f.). Der in der GebüH festgelegte Gebührenrahmen lässt jedenfalls eine flexible Handhabung und Anpassung auch an Lebenshaltungskosten über einen längeren Zeitraum zu. Hinzu kommt, dass sich die Anpassung der Gebührensätze im Gesundheitsbereich eher in großen zeitlichen Schritten vollzieht, was man der Gebührenanpassung der GOÄ entnehmen kann, deren letzte wesentliche Teilnovellierung aus dem Jahr 1996 stammt.
2.2.3. Schließlich greift auch das Argument des Klägers nicht, ihm seien in der Vergangenheit teilweise sämtliche Aufwendungen erstattet worden, die ihm im Rahmen von Behandlungen durch seinen Heilpraktiker entstanden seien. Denn die zum damaligen Zeitpunkt anzuwendende Fassung der BayBhV enthielt noch keine neue Anlage 1, die erst mit der Verordnung zur Änderung der Bayerischen Beihilfeverordnung vom 29. Juli 2014 (GVBl. S. 352) eingeführt wurde. Selbst wenn aber bereits die hier maßgebliche Fassung gegolten hätte, könnte sich der Kläger darauf nicht berufen, da Art. 3 Abs. 1 GG keinen Anspruch auf eine Gleichbehandlung im Unrecht gewährt (vgl. BayVGH, B. v. 30.9.2014 – 9 ZB 11.1119 – juris Rn. 6; BVerwG, B. v. 22.4.1995 – 4 B 55/95 – juris Rn. 4 m. w. N.). Die vorschriftskonforme Handhabung einer Vorschrift für die Zukunft verletzt keine schützenswerte, das Vertrauen auf ihren Bestand rechtfertigende Rechtsposition des Betroffenen (BVerwG, U. v. 29.9.2011 – 2 C 80/10 – juris m. w. N.).
2.2.4. Die Fürsorgepflicht verlangt daneben ebenfalls nicht, dass Aufwendungen in Krankheits- bzw. Pflegefällen durch ergänzende Beihilfen vollständig gedeckt werden (vgl. BVerwG, U. v. 30.4.2009 – 2 C 127/07 – juris Rn. 8,12; U. v. 10.6.1999 – 2 C 29/98 – juris Rn. 22f.). Der Beamte muss wegen des ergänzenden Charakters der Beihilfe auch Härten und Nachteile hinnehmen, die sich aus der am Alimentationsgrundsatz orientierten pauschalierenden und typisierenden Konkretisierung der Fürsorgepflicht ergeben und keine unzumutbare Belastung bedeuten (vg. BayVGH, B. v. 8.1.2007 – 14 ZB 06.2911 – juris Rn. 13 m. w. N.). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. z. B. U. v. 24.1.2012 – 2 C 24/10 – juris) erstreckt sich die in Art. 33 Abs. 5 GG verankerte Pflicht des Dienstherrn zur Sicherstellung des amtsangemessenen Lebensunterhalts auf Lebenslagen, die einen erhöhten Bedarf begründen. Die verfassungsrechtliche Alimentations- bzw. Fürsorgepflicht gebietet dem Dienstherrn, Vorkehrungen zu treffen, dass die notwendigen und angemessenen Maßnahmen im Falle von Krankheit, Pflegebedürftigkeit, Geburt und Tod nicht aus wirtschaftlichen Gründen unterbleiben, weil sie der Beamte mit der Regelalimentation so nicht bewältigen kann, und dass der amtsangemessene Lebensunterhalt wegen der finanziellen Belastungen in diesen Ausnahmesituationen nicht gefährdet wird. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger (Besoldungsgruppe B6) durch den Umstand, dass er die Aufwendungen für die streitgegenständlichen Behandlungen des Heilpraktikers (315,00 €) selbst tragen muss, unzumutbar belastet wäre, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Dies gilt in diesem Fall insbesondere auch deshalb, weil es dem Beamten frei steht und unter dem Gesichtspunkt der Fürsorgepflicht des Dienstherrn zugemutet werden kann, auf die vergleichbaren Leistungen eines approbierten Arztes auszuweichen.
Im Übrigen ist derjenige Beihilfeberechtigte, der auf die Leistungen eines Heilpraktikers nicht verzichten möchte, nicht gehindert, solche Leistungen weiterhin in Anspruch zu nehmen, wobei er einer hiermit verbundenen wirtschaftlichen Belastung, die mit seiner Alimentation zu tragen er nicht willens oder in der Lage ist, durch Vereinbarung eines entsprechenden Zusatztarifs im Rahmen einer ergänzenden privaten Krankenversicherung begegnen kann.
3. Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.
Rechtsmittelbelehrung:
Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
schriftlich beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder
Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.
Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf EUR 315,00 festgesetzt (§ 52 Abs. 3 Satz 1 Gerichtskostengesetz -GKG-).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,– übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.