Arbeitsrecht

Beiordnung, Prozesskostenhilfe, Beschwerde, Erinnerung, Vergleich, Ehesache, Mehrwertsteuer, RVG, Staatskasse, Verfahrenswert, Auslagenpauschale, Abschluss, Mitwirkung, Erstattungspflicht, abweichende Auffassung

Aktenzeichen  10 Ca 512/21

Datum:
27.12.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 41545
Gerichtsart:
ArbG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Der Beschluss vom 18.10.2021 wird wie folgt abgeändert:
Die dem Rechtsanwalt B. aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung wird festgesetzt auf EURO 1.372,67.
2. Die Beschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.
Mit Beschluss vom 25.08.2021 wurde der Klagepartei mit Wirkung zum 18.05.2021 auch für den Vergleich Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt B. beigeordnet.
Der Verfahrenswert wurde auf EURO 5.950,00 und der Vergleichswert auf EURO 6.200,00 festgesetzt.
Mit Schreiben vom 16.09.2021 beantragte der Klägervertreter – Rechtsanwalt B. – die Festsetzung seiner Gebühren aus der Staatskasse, darunter auch die Festsetzung einer 1,5 Einigungsgebühr aus dem Vergleichsmehrwert von EURO 250,00 in Höhe von EURO 370,50 zuzüglich 19 % Mehrwertsteuer.
Mit Beschluss vom 18.10.2021 wurden die dem Rechtsanwalt B. aus der Staatskasse zu erstattenden Gebühren wie folgt berechnet:
PKH-Vergütung
Differenzvergütung
1,3 Verfahrensgebühr aus EUR 5950,00
€ 383,50
€ 507,00
0,0 Verfahrensgebühr aus
EUR 250,00, jedoch nicht mehr als 1,3 aus EUR 6200,00 gem. § 15 Abs. 3 RVG
14,30
39,50
1,2 Terminsgebühr
€ 367,20
€ 535,20
1,0 Einigungsgebühr aus € 6.200,00
€ 306,00
€ 446,00
Auslagenpauschale
€ 20,00
€ 20,00
Zwischensumme
€1.091,00
€ 1.547,40
19 % Mehrwertsteuer
€ 207,29
€ 294,01
Gesamtsumme
€ 1.298,29
€ 1.841,41
– PKH-Vergütung
– € 1.298,29
Differenzvergütung
€ 543,12
Der gegen diesen Beschluss eingelegten Erinnerung des Rechtsanwalt B. vom 09.11.2021 wurde gemäß Beschluss vom 11.11.2021 und 22.11.2021 nicht abgeholfen. Auf die Anhörungsrüge des vorgenannten Rechtsanwalts wurde der Beschluss vom 22.11.2021 aufgehoben.
II.
In Abänderung des Beschlusses vom 18.10.2021 ist Herrn Rechtsanwalt B. zusätzlich eine 1,5-Einigungsgebühr zuzuerkennen.
1. Folgende Gebühren sind angefallen und können aus der Staatskasse erstattet werden:
PKH-Vergütung in €
Differenzvergütung in €
1,3 Verfahrensgebühr aus EUR 5950,00
383,50
507,00
0,8 Verfahrensgebühr aus
EUR 250,00, jedoch nicht mehr als 1,3 aus EUR 6200,00 gem. § 15 Abs. 3 RVG
14,30
39,50
1,2 Terminsgebühr
367,20
535,20
1,0 Einigungsgebühr aus € 5950,00
295,00
390,00
1,5 aus € 250,00
73,50
73,50
Auslagenpauschale
20,00
20,00
Zwischensumme
1.153,50
1.564,90
19 % Mehrwertsteuer
219,17
297,33
Gesamtsumme
1.372,67
1.862,23
– PKH-Vergütung
1.372,67
Differenzvergütung
489,56
2. Gemäß LAG Nürnberg vom 26.07.2021, 3 Ta 68/21, dessen Ausführungen man sich hier anschließt, gilt für die Höhe der Einigungsgebühr Folgendes:
a. Nach Anmerkung I zu Nummer 1003 VV-RVG in der seit 01.01.2021 geltenden Fassung bleibt es zwar dabei, dass ein Verfahren über die Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe grundsätzlich auf eine Ermäßigung zu einer 1,0-Gebühr führt.
Allerdings erfasst nunmehr die Rückausnahme in Anmerkung I, Satz 1, Halbsatz 2 zu Nummer 1003 VV-RVG auch den Fall, dass „sich die Beiordnung auf den Abschluss eines Vertrages im Sinne der Nummer 1000 erstreckt (§ 48 Absatz 1 und Absatz 3 RVG)“. Damit ist nicht mehr nur die Beiordnung in einer Ehesache oder Lebenspartnersache (§ 48 Absatz 3 RVG) erfasst, sondern auch der Vergütungsanspruch gemäß § 48 Absatz 1 RVG, welcher im neu eingefügten Satz 2 ausdrücklich bestimmt, dass der Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse im Falle der Erstreckung der Beiordnung auf den Abschluss eines Vergleichs alle gesetzlichen Gebühren und Auslagen umfasst, die durch die Tätigkeiten entstehen, die zur Herbeiführung der Einigung erforderlich sind. Die Beiordnung des Herrn Rechtsanwalt B. wurde auf den Vergleich erstreckt; damit greift die Rückausnahme in Anmerkung I, Satz 1, Halbsatz 2 zu Nummer 1003 VV-RVG. Es verbleibt daher bei einer Einigungsgebühr von 1,5.
Der Regierungsentwurf des Kostenrechtsänderungsgesetzes 2021 führt hierzu ausdrücklich aus (BT-Drs. 19/23484, Seite 79):
„Da die gesetzliche Vergütung von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten für die Mitwirkung an einem (Mehr-) Vergleich sich nicht in der Einigungsgebühr aus dem erhöhten Vergleichswert erschöpft, sondern sich auch auf die Differenzverfahrens- und die Differenztermingebühr erstreckt, widerspricht eine Beschränkung der Erstattungspflicht der Staatskasse auf die Einigungsgebühr nicht nur den Grundsatz des § 45 Absatz 1 RVG, wonach beigeordnete Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte die gesetzliche Vergütung aus der Staatskasse erhalten. Es bleibt auch unberücksichtigt, dass die zuletzt genannten Differenzgebühren in einem engen Zusammenhang mit dem Abschluss des Mehrvergleichs stehen. Unbemittelte Verfahrensbeteiligte dürfen darauf vertrauen, aufgrund der für den Abschluss des Mehrvergleichs bewilligten Prozesskostenhilfe von sämtlichen Gebührenansprüchen freigestellt zu werden, die ihren beigeordneten Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten zustehen.“
b. Angesichts dieser Klarstellung des Gesetzgebers kann auch offenbleiben, ob die andere Rückausnahme in Anmerkung I, Satz 1, Halbsatz 2 zu Nummer 1003 VV-RVG „soweit nicht lediglich Prozesskostenhilfe für … die gerichtliche Protokollierung des Vergleichs beantragt wird“ einschlägig ist, insbesondere, ob sich das Wort „lediglich“ auf die Tätigkeit des Gerichts (Protokollierung) oder auf den Antrag bezieht.
c. Die hierzu gemäß der Entscheidung des LAG München vom 02.11.2016, 6 Ta 287/16, vertretene abweichende Auffassung ist nicht einschlägig, da diese Entscheidung (zwangsläufig) die oben genannte Gesetzesänderung nicht berücksichtigt.
III.
Die Beschwerde war wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage gemäß § 56 Absatz 2 Satz 1 RVG i.V.m. § 33 Absatz 3 Satz 2 RVG zuzulassen.


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