Arbeitsrecht

Beitragspflicht, Vertragsschluss, Leistungen, Berufung, Gemarkung, Beteiligung, Klage, Ungleichbehandlung, Leistung, Vollstreckung, Sicherheitsleistung, Zeitpunkt, Wegfall, Verfahren, Kosten des Verfahrens, Treu und Glauben, sachliche Beitragspflicht

Aktenzeichen  Au 2 K 19.1007

Datum:
25.6.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 47526
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Berufung wird zugelassen.

Gründe

Die Klage hat keinen Erfolg, da sie teilweise unzulässig und im Übrigen unbegründet ist.
Hinsichtlich des Klageantrags zu II. ist die Klage unstatthaft und daher unzulässig, da es an dem für eine Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO notwendigen Verwaltungsakt als Klagegegenstand im Sinn von Art. 35 BayVwVfG fehlt. Bei dem Schreiben der Beklagten vom 20. Februar 2019 handelt es sich ausgehend vom objektiven Erklärungswert und vom äußeren Erscheinungsbild bei objektiver Auslegung analog § 157, § 133 BGB bezogen auf den Empfängerhorizont nicht um einen Verwaltungsakt bzw. einen Bescheid (s. hierzu z.B. Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 20. Aufl. 2019, § 35 Rn. 54 m.w.N.). Entscheidend für die Prüfung, ob ein Handeln der Verwaltung einen Verwaltungsakt im Sinne des materiellen Verwaltungsaktbegriffs des Art. 35 Satz 1 BayVwVfG darstellt, ist der objektive Sinngehalt der behördlichen Erklärung aus dem objektiven Empfängerhorizont zum Zeitpunkt des Zugangs der Erklärung beim Empfänger (vgl. BVerwG, U.v. 18.12.2007 – 6 C 47.06 – NVwZ 2008, 571/573). Danach stellt das Schreiben der Beklagten vom 20. Februar 2019 keinen Verwaltungsakt bzw. Bescheid dar, da dem Schreiben der von Art. 35 Satz 1 BayVwVfG vorausgesetzte behördliche Regelungswille nicht entnommen werden kann. Dies ergibt sich sowohl aus der äußeren Form (kein Entscheidungstenor, keine Rechtsbehelfsbelehrung:), als auch aus dem Inhalt des Schreibens selbst. Dort wird im Wesentlichen auf die vom Bayerischen Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration herausgegebenen Erläuterungen zum Vollzug des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 26. Juni 2018 (GVBl. S. 449) Bezug genommen und auf die dort vertretene Rechtsauffassung hingewiesen („Das Staatsministerium weist darauf hin, dass Ablösevereinbarungen auch in Fällen wie dem vorliegenden wirksam bleiben“). Aufgrund der bloßen Bezugnahme auf den Inhalt der Vollzugshinweise ist ersichtlich, dass keine verbindliche Feststellung der Rechtslage im Sinn einer Regelung beabsichtigt war. Gegen einen im Schreiben vom 20. Februar 2019 zum Ausdruck kommenden Regelungswillen der Beklagten spricht auch, dass die Verwaltung der Beklagten bei der hier im Raum stehenden Rückabwicklung eines öffentlichrechtlichen Vertrags keine Befugnis zum Erlass eines Verwaltungsakts in Bezug auf dieses Vertragsverhältnis besitzen würde (vgl. BVerwG, U.v. 21.1.2015 – 9 C 1.14 – NVwZ 2015, 1463/1465 Rn. 18; Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl 2018, § 35 Rn. 28).
Die hinsichtlich der klägerischen Anträge zu I. und zu III. im Übrigen zulässige Klage ist unbegründet, da die zwischen den Parteien zustande gekommenen Ablösungsvereinbarungen Nr. * bis Nr. * vom 4./6. Oktober 2017 aufgrund des durch das Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 26. Juni 2018 (GVBl S. 449) rückwirkend zum 1. Januar 2018 eingetretenen Wegfalls der Ermächtigungsgrundlage zur Erhebung von Straßenausbaubeiträgen weder nachträglich unwirksam geworden noch durch eine wirksame Kündigung bzw. einen wirksamen Rücktritt aufgelöst worden sind und damit für die Beklagte auch weiterhin ein Rechtsgrund für das Behaltendürfen der von der Klägerin geleisteten Ablösungsbeträge besteht.
Da die Ablösevereinbarungen als öffentlichrechtliche (subordinationsrechtliche) Verträge im Sinn von Art. 54 Satz 2 BayVwVfG einzuordnen sind (BVerwG, U.v. 1.12.1989 – 8 C 44.88 – NJW 1990, 1679; BayVGH, B.v. 5.5.2014 – 20 C 14.673 – juris Rn. 3 ff.; Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 10. Aufl. 2018, § 22 Rn. 1 ff.) und keine vorrangigen vertraglichen oder gesetzlichen Regelung bestehen, können die Vertragsparteien die jeweilige Vereinbarung grundsätzlich kündigen, wenn sich die Verhältnisse, die für die Festsetzung des Vertragsinhalts maßgebend sind, seit Abschluss des Vertrags so wesentlich geändert haben, dass einer Vertragspartei das Festhalten an der ursprünglichen vertraglichen Regelung nicht zuzumuten und eine Anpassung des Vertrags nicht möglich bzw. einer Vertragspartei nicht zuzumuten ist. In diesem Fall ist eine Kündigung gemäß Art. 60 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG bzw. ein Rücktritt gemäß Art. 62 Satz 2 BayVwVfG i.V.m. § 313 Abs. 3 Satz 1 BGB möglich (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 21.1.2015 – 9 C 1.15 – NVwZ 2015, 1463 Rn. 18).
Unabhängig vom Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen des Art. 60 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG ist der Klägerin hier das Festhalten an den streitgegenständlichen Ablösungsvereinbarungen jedenfalls nicht unzumutbar. Für die Unzumutbarkeit des Festhaltens an der ursprünglichen vertraglichen Vereinbarung im Sinn von Art. 60 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG genügt es nicht, dass sich bei einer der Vertragsparteien das mit jedem Abschluss eines Vertrags üblicherweise verbundene Risiko realisiert. Es reicht ferner nicht aus, dass eine Vertragspartei nach ihrer gegenwärtigen Interessenlage in den Vertragsschluss vernünftigerweise jetzt nicht mehr einwilligen würde. Vielmehr muss nach dem Regelungszusammenhang sowie nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift die Änderung der für den Vertragsinhalt maßgeblichen tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse zu schwerwiegenden, bei Vertragsschluss nicht absehbaren Nachteilen für die Vertragspartei geführt haben, denen der Vertragspartner – bei einem Vorhersehen dieser Entwicklung – billigerweise Rechnung getragen hätte. Die Folgen der nachträglichen Änderung müssen also den Risikorahmen überschreiten, den ein Vertragspartner nach Treu und Glauben hinzunehmen hat. Anderenfalls hätte es eine Vertragspartei entgegen des – für die Gewährleistung von Rechtssicherheit bei vertraglichen Vereinbarungen unverzichtbaren – Grundsatzes „pacta sunt servanda“ in der Hand, über die Eigendefinition der Unzumutbarkeit die Notwendigkeit einer Vertragsanpassung weitgehend selbst zu bestimmen (vgl. BVerwG, U.v. 18.7.2012 – 8 C 4.11 – NVwZ 2013, 209/214 Rn. 63 f. m.w.N.).
Die rechtliche Würdigung, ob sich aus der wesentlichen Änderung der von den Vertragsparteien gemeinsam vorausgesetzten Grundlagen des Vertrags unzumutbare Folgewirkungen für eine Vertragspartei ergeben, ist auf der Grundlage aller maßgebenden Umstände des Einzelfalls vorzunehmen. Das Festhalten an dem unveränderten ursprünglichen Vertragsinhalt ist jedenfalls dann unzumutbar, wenn – bei Annahme der Gleichwertigkeit der gegenseitig versprochenen Leistungen bei Vertragsschluss – durch die nachträgliche tatsächliche Entwicklung oder eine nachträgliche Rechtsänderung ein eklatantes Missverhältnis in Bezug auf den Leistungsaustausch entstanden ist. Denn bei gegenseitigen Verträgen ist in der Regel die Vorstellung von der Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung Geschäftsgrundlage. Die Ausgleichsfunktion der beiderseitigen Leistungen muss im Hinblick auf Art. 60 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG so stark gestört sein, dass es dem benachteiligten Vertragspartner nach Treu und Glauben unmöglich wird, in der bisherigen vertraglichen Regelung seine Interessen auch nur noch annähernd gewahrt zu sehen (vgl. BVerwG, U.v. 18.7.2012 – 8 C 4.11 – NVwZ 2013, 209/214 Rn. 65 m.w.N.; Deiseroth, jurisPR-BVerwG 22/2012; Ruff, ZKF 2011, 193 zum Erschließungsbeitragsrecht).
Nach diesen Maßstäben ergeben sich aus der (unterstellten) wesentlichen Änderung der Geschäftsgrundlage der Ablösungsvereinbarungen keine derart gravierenden Folgewirkungen für die Klägerin, die ihr das Festhalten daran unzumutbar machen würden. Zunächst liegt hier wegen der rückwirkenden Abschaffung der gesetzlichen Möglichkeit der Erhebung von Straßenausbaubeiträgen zum 1. Januar 2018 schon kein eklatantes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung im obigen Sinne vor. Die Leistungen der Klägerin bestehen hier in der Zahlung des jeweils vereinbarten Ablösungsbetrags, während die Gegenleistung der Beklagten darin besteht, dass ihre Straßenausbaubeitragsforderungen vor Entstehen im Ganzen abgelöst werden und damit zum einen eine spätere Festsetzung durch Beitragsbescheid nicht mehr in Betracht kommt (§ 6 Abs. 1 der jeweiligen Ablösevereinbarung) sowie zum anderen Nachforderungen prinzipiell ausgeschlossen sind (vgl. § 3 Abs. 2 der jeweiligen Ablösevereinbarung). Die Ablösungsvereinbarungen bewirken also, dass ein andernfalls mit Entstehen der sachlichen Beitragspflicht begründetes abstraktes Schuldverhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten gar nicht erst entsteht, indem schon in einem Zeitpunkt, in dem die entsprechende Straßenausbaumaßnahme nicht endgültig abgeschlossen und folglich die Höhe des dafür anfallenden Aufwands noch nicht bekannt ist, eine abschließende vertragliche Regelung über die Belastung des Grundstücks mit Kosten für den Straßenausbau getroffen wird (vgl. zu Ablösevereinbarungen im Rahmen von Erschließungsbeiträgen z.B. BVerwG, U.v. 21.1.2015 – 9 C 1.15 – NVwZ 2015, 1463 Rn. 10). Die Zulassung der Ablösung des Beitrags vor dem Entstehen der Beitragspflicht durch die Vereinbarung eines Ablösungsbetrags, den Art. 5 Abs. 9 KAG i.V.m. § 10 Abs. 3 SABS hier ermöglicht haben, ist Ausdruck des Wesens des Ablösungsbetrags als vorgezogener Straßenausbaubeitrag (vgl. BVerwG, U.v. 9.11.1990 – 8 C 36.89 – NVwZ 1991, 1096/1097).
Die Gegenleistung der Beklagten ist also darin zu sehen, dass ein abstraktes Straßenausbaubeitragsschuldverhältnis auch bei Entstehen der sachlichen Beitragspflicht und dem Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen gar nicht erst entstehen kann (sog. Ablösungswirkung). Die entsprechende vertragliche Verpflichtung wurde von der Beklagten durch den Abschluss der jeweiligen Ablösungsvereinbarung übernommen und ist spätestens mit der vollständigen Zahlung der Ablösungssumme durch die Klägerin und der damit einhergehenden rechtlichen Folgen (§ 6 Abs. 1 der jeweiligen Ablösevereinbarung) erbracht worden. Art. 60 BayVwVfG findet nicht nur auf vertragliche Dauerschuldverhältnisse, sondern auch auf öffentlichrechtliche Verträge Anwendung, bei welchen einmalige Leistungspflichten begründet werden bzw. die begründeten Leistungspflichten schon durch Erfüllung erloschen sind (vgl. BVerwG, U.v. 18.7.2012 – 8 C 4.11 – NVwZ 2013, 209/213 f. Rn. 46.ff.). Im Rahmen der hier anzustellenden Zumutbarkeitsprüfung im Sinn von Art. 60 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte ihre mit der Leistung der Ablösungsbeträge durch die Klägerin korrespondierende (Gegen-)Leistung bereits erbracht hat und ihr der später eingetretene Wegfall der gesetzlichen Befugnis zur Erhebung von Straßenausbaubeiträgen mit den damit verknüpften Folgen für das Entstehen von Beitragspflichten nicht zuzurechnen ist. So stellt denn auch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Rahmen der Frage des Vorliegens eines Missverhältnisses des zu erwartenden Beitrags zum Ablösebetrag auf den mit der Fertigstellung der Anlagen vermittelten Vorteil ab (vgl. BVerwG, U.v. 21.1.2015 – 9 C 1.15 – NVwZ 2015, 1463/1465 Rn. 18). Der den Eigentümern der von der Anlage erschlossenen Grundstücke dadurch zu gute kommende Vorteil, d.h. der Eintritt der Vorteilslage, entsteht tatsächlich durch die endgültige technische Fertigstellung der Anlage und die dadurch ermöglichte Nutzung. Dass im vorliegenden Fall der durch den bautechnischen Abschluss der Ausbaumaßnahmen der Abrechnungsabschnitte „*“, „*“ und „*“ tatsächlich vermittelte Vorteil und die Höhe der nach Maßgabe der früheren rechtlichen Grundlagen anzusetzenden Beiträge in einem Missverhältnis zueinander stünden, ist aber weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Zwar geht es anders als in den vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fällen vorliegend nicht darum, dass die auf die Klägerin fiktiv entfallende Beitragsbelastung zur angesetzten Ablösungssumme in einem Missverhältnis zueinander stehen, sondern dass das durch die Ablösungsvereinbarungen begründete Austauschverhältnis dadurch tangiert wird, dass der Erhebung von Straßenausbaubeiträgen die nach Vertragsschluss in Kraft getretene Änderung des Kommunalabgabengesetzes mit der Abschaffung der Straßenausbaubeiträge entgegensteht. Die Beklagte hat jedoch mit dem Abschluss der Ablösungsverträge und der praktisch vollständigen technischen Umsetzung der Ausbaumaßnahmen im Jahr 2017 den maßgeblichen Kern der ihr obliegenden Leistungsverpflichtung tatsächlich schon vor dem rückwirkend zum 1. Januar 2018 eingetretenen Wegfall der gesetzlichen Grundlage für Straßenausbaubeiträge erbracht. Damit ist hier schon keine relevante Störung der (unterstellten) Gleichwertigkeit der vereinbarten Leistungen eingetreten. Der Wegfall der rechtlichen Voraussetzungen für das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht durch die rückwirkende Abschaffung der gesetzlichen Grundlage für die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen zum 1. Januar 2018 betrifft keine von der Beklagten ausdrücklich oder auch nur mittelbar übernommene Leistungsverpflichtung. Vielmehr hatte die Beklagte ihren Teil der Ablösungsvereinbarungen bei Inkrafttreten der Gesetzesänderung rechtlich schon erfüllt (Ausschluss der Möglichkeit des späteren Entstehens eines abstrakten Beitragsschuldverhältnisses) bzw. hat diesen auch tatsächlich durch die Fertigstellung der Ausbaumaßnahmen erbracht (vgl. zur Fortgeltung von vor dem 1. Januar 2018 geschlossenen Ablösungsverträgen: Matloch/Wiens, Das Erschließungsbeitragsrecht in Theorie und Praxis, Stand April 2020, Rn. 2201).
Ausgehend davon, dass es mithin an einer gravierenden Störung des (unterstellten) Gleichgewichts der vereinbarten Leistungen fehlt, sind in Bezug auf die für beide Vertragsparteien zu klärenden Frage der Zumutbarkeit des Festhaltens an den Ablösungsvereinbarungen dann die sonstigen Umstände des Falles in die Betrachtung einzubeziehen. Nicht außer Acht gelassen werden darf deshalb hier, dass die Beklagte zum Zeitpunkt des Abschlusses der Ablösungsvereinbarungen berechtigt gewesen wäre, Vorauszahlungsbescheide zu erlassen und es die Übergangsvorschrift des Art. 19 Abs. 8 Satz 2 KAG ermöglicht hätte, bei Eintritt der Vorteilslage eine fiktive Abrechnung des endgültigen Beitrags vorzunehmen. Die Berücksichtigung der hinter der Übergangsregelung des Art. 19 Abs. 8 KAG stehenden Wertung des Gesetzgebers stellt dabei auch keine (ungerechtfertigte) Analogie dar, da es nicht um die Übertragung einer Rechtsfolge auf einen nicht vom Anwendungsbereich des Art. 19 Abs. 8 KAG umfassten Fall geht – dann müsste hier beispielsweise die Rechtsfolge der Verpflichtung zur Aufhebung der Vorauszahlungsbescheide ab dem 1. Januar 2025 übertragen werden (Art. 19 Abs. 8 Satz 1 KAG) -, sondern um eine Berücksichtigung von Wertungsgesichtspunkten im Rahmen der Frage, ob der Klägerin ein Festhalten an den Ablösungsvereinbarungen nach Treu und Glauben zumutbar ist. Wenn aber die Abschaffung der gesetzlichen Grundlage für die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen im Rahmen des (unterstellten) Wegfalls der Geschäftsgrundlage zu berücksichtigen ist, erschließt sich nicht, warum nicht auch die hinter der im gleichen Zuge geschaffenen Übergangsregelung des Art. 19 Abs. 8 KAG stehende gesetzliche Wertung nicht zumindest auch im Rahmen des Zumutbarkeitserfordernisses des Art. 60 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG Beachtung finden sollte. Deshalb kann hier in die Zumutbarkeitsprüfung einfließen, dass die Klägerin in diesem Fall die auf sie entfallenden Straßenausbaubeiträge wirtschaftlich ebenfalls hätte tragen müssen. Dass die Beklagte von der in Art. 5 Abs. 5 KAG geregelten Möglichkeit der Erhebung von Vorauszahlungen letztlich keinen Gebrauch gemacht hat, dürfte dem Umstand geschuldet gewesen sein, dass sie den Zweck der Erhebung von Vorauszahlungen – die Sicherung von Mitteln zur (Vor-)Finanzierung der geplanten Ausbaumaßnahme – schon durch den Abschluss von Ablösungsvereinbarungen mit einem Großteil der Eigentümer der anliegenden Grundstücke als erreicht angesehen hat. Der Abschluss der Ablösungsvereinbarungen erscheint im Verhältnis zur Leistung von Vorauszahlungen für die Klägerin bei objektiver Betrachtung auch als vorteilhaft, da sie mit Abschluss der Ablösungsvereinbarungen vom Risiko der Steigerung der Kosten der Ausbaumaßnahme – anders als im Falle des späteren Erlasses eines endgültigen Beitragsbescheids oder einer fiktiven Abrechnung – befreit wurde. Dies spricht aber wiederum dafür, dass sich der Verzicht auf die Erhebung von Vorauszahlungen im Ergebnis nicht (allein) zu Gunsten der Klägerin auswirken darf.
Anderes ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes gemäß Art. 3 Abs. 1 GG. Dies beruht schon darauf, dass im Rahmen des Art. 3 Abs. 1 GG die gesetzliche und verfassungsrechtliche Kompetenzverteilung zu berücksichtigen ist. Der einzelne Grundrechtsträger hat daher im Wesentlichen einen Anspruch auf Gleichbehandlung primär gegenüber dem nach der konkreten Kompetenzverteilung zuständigen Träger öffentlicher Gewalt (vgl. Kirchhof in Maunz/Dürig, GG, Stand Februar 2020, Art. 3 Rn. 159 m.w.N.). Vorliegend ist die Abschaffung der gesetzlichen Ermächtigungsnorm für die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen aber nicht der Beklagten zurechenbar, da diese – zum Zeitpunkt des jeweiligen Vertragsschlusses unvorhersehbar – durch eine vom Bayerischen Landtag beschlossene Gesetzesänderung und damit durch den Freistaat Bayern erfolgte. Eine Ungleichbehandlung durch die Beklagte selbst kann sich demnach nicht unmittelbar aus der Abschaffung der gesetzlichen Grundlage der Straßenausbaubeiträge durch den dafür zuständigen Gesetzgeber ergeben.
Aber auch in Folge der Abschaffung der Straßenausbaubeiträge ergibt sich keine (relevante) Ungleichbehandlung aufgrund eines sonstigen Verhaltens der Beklagten. Sofern sie den anderen Grundstückseigentümern, welche keine Ablösungsvereinbarungen geschlossen haben, nunmehr keine Straßenausbaubeiträge mehr auferlegen kann, beruht dies auf der fehlenden gesetzlichen Grundlage, die es ihr im Rahmen ihrer Bindung an Gesetz und Recht (Art. 20 Abs. 3 GG) untersagt, Straßenausbaubeiträge zu erheben. Wenn sie aber nicht mehr die rechtliche Möglichkeit mehr hat, solche Beiträge zu erheben, kann deren Nichterhebung nicht im Rahmen von Art. 3 Abs. 1 GG als gleichheitssatzwidriges Unterlassen gewertet werden.
Eine relevante Ungleichbehandlung der Klägerin durch die Beklage könnte sich daher allenfalls dadurch ergeben, dass die Beklagte sie nicht aus den geschlossenen Ablösungsvereinbarungen „entlässt“. Diesbezüglich ist aber zu berücksichtigen, dass das Argument einer (vermeintlichen) ungerechtfertigten Ungleichbehandlung hinsichtlich der Frage der Zumutbarkeit des Festhaltens an den Ablösungsvereinbarungen keinen zusätzlichen Erkenntniswert hat. Eine unterstellte Ungleichbehandlung der Klägerin im Verhältnis zu sonstigen Eigentümern, welche keine Ablösungsvereinbarung geschlossen haben, wäre dadurch gerechtfertigt, dass die Beklagte auch den haushaltsrechtlichen Grundsätzen der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit verpflichtet ist (Art. 61 Abs. 2 Satz 1 GO). Diese kommunalrechtlichen Vorgaben könnten allenfalls dann die Beklagte nicht mehr binden – und damit eine unterstellte Ungleichbehandlung durch die Nichtauflösung der Ablösungsverträge trotz entsprechenden Begehrens der Klägerin nicht mehr rechtfertigen -, wenn die zugrundeliegenden Verträge unwirksam oder aufgelöst wären und ein Behalten der Ablösungsbeträge daher rechtswidrig wäre. Mit anderen Worten kann die fehlende Rechtmäßigkeit der unterstellten Ungleichbehandlung erst durch solche Aspekte begründet werden, die an sich bereits das Festhalten am Vertrag als unzumutbar im Sinn von Art. 60 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG erscheinen lassen würden. Inhaltlich kommt es damit für beide Fragen auf dieselben Gesichtspunkte an: Wenn das Festhalten am Vertrag unzumutbar ist, wird auch die unterstellte Ungleichbehandlung nicht gerechtfertigt sein und wenn ein Festhalten am Vertrag zumutbar ist, wäre auch eine anzunehmende Ungleichbehandlung gerechtfertigt. Hier ist aber der Klägerin trotz der (unterstellten) Ungleichbehandlung ein Festhalten am Vertrag grundsätzlich zumutbar (s.o.). Damit ist aber auch nach dem zuvor Ausgeführten die damit einhergehende und insoweit unterstellte Ungleichbehandlung im Sinn von Art. 3 Abs. 1 GG durch das Festhalten am Vertrag trotz Kündigung durch die Klägerin unter Berücksichtigung der in Art. 61 Abs. 2 Satz 1 GO verankerten und von der Beklagten zu beachtenden Haushaltsgrundsätze gerechtfertigt. Dies gilt hier umso mehr, als sich die Klägerin als juristische Person des öffentlichen Rechts nur eingeschränkt auf die Schutzwirkung von Grundrechten berufen kann. Geltung beansprucht in dieser Konstellation im Rahmen des Art. 3 Abs. 1 GG nur das Willkürverbot als objektives Prinzip (vgl. z.B. Kischel in Eping/Hillgruber, BeckOK Grundgesetz, Stand 15. Mai 2020, Art. 3 Rn. 8 m.w.N.). Bei Anlegung dieses herabgestuften Rechtfertigungsmaßstabs für die (unterstellte) Ungleichbehandlung ist aber erst recht nicht ersichtlich, dass sich ein vernünftiger und aus der Natur der Sache ergebender oder sonst wie sachlich einleuchtender Grund für die (unterstellte) Differenzierung nicht gegeben ist (s.o.).
Dies soll es allerdings nicht ausschließen, dass die Gemeinden Ungleichbehandlungen innerhalb eines Abrechnungsgebiets von sich aus im Wege einer vertraglichen Billigkeitsregelung entsprechend Art. 13 Abs. 5 Buchst. a KAG i.V.m. § 227 AO korrigieren (so Matloch/Wiens a.a.O. Rn. 2201 und 2203).
Damit konnten sowohl das Feststellungsbegehren als auch der damit verknüpfte (Rück-)Zahlungsantrag in der Sache keinen Erfolg haben.
Die Klägerin hat gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
Die Berufung war wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 124a Abs. 1 Satz 1, § 124 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 VwGO).


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