Arbeitsrecht

Beitragsrecht: Sozialversicherungspflicht von Fahrlehrern

Aktenzeichen  L 7 BA 86/19

Datum:
12.3.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 7876
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB IV § 7, § 28p
FahrlG § 1 Abs. 4 S. 1, § 10, § 33

 

Leitsatz

Fahrlehrer ohne Fahrschulerlaubnis sind regelmäßig abhängig beschäftigt.
Ein Fahrschulinhaber kann und muss auf die Unterrichtstätigkeit eines Fahrlehrers ohne Fahrschulerlaubnis, falls diese in inhaltlicher/fachlicher Hinsicht zu beanstanden ist, kraft Vertrags und Gesetzes bestimmenden Einfluss nehmen. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

S 3 BA 81/18 2019-03-11 Urt SGREGENSBURG SG Regensburg

Tenor

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 11. März 2019 wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 1.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
IV. Der Streitwert wird festgesetzt auf 12.109,24 EUR.

Gründe

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit des Beigeladenen zu 1 als Fahrlehrer in der Fahrschule der Klägerin verneint und die unstreitig richtig berechneten Beiträge iHv 12.109,24 EUR nachgefordert.
Rechtsgrundlage des im Anschluss an eine Betriebsprüfung ergangenen Bescheides und der darin festgesetzten Beitragsnachforderung ist § 28p Abs. 1 S. 1 und S. 5 SGB IV. Danach prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach dem SGB IV, die im Zusammenhang mit den Gesamtsozialversicherungsbeiträgen stehen, ordnungsgemäß erfüllen; sie prüfen insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldungen (§ 28a SGB IV) mindestens alle vier Jahre (S. 1). Die Träger der Rentenversicherung erlassen im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern; insoweit gelten § 28h Abs. 2 sowie § 93 iVm § 89 Abs. 5 SGB X nicht (S. 5).
Nach den angefochtenen Bescheiden gründet die streitige Beitragsforderung darauf, dass der Beigeladene zu 1 bei seiner Tätigkeit für die Klägerin der Versicherungspflicht nach dem Recht der Arbeitsförderung (§ 25 Abs. 1 S. 1 SGB III), in der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 5 Abs. 1 S. 1 SGB V), in der sozialen Pflegeversicherung (§ 20 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB XI) sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung (§ 25 Abs. 1 S. 1 SGB III) unterlag. Dies ist nicht zu beanstanden, da die Tätigkeit als Beschäftigung iS des § 7 Abs. 1 SGB IV zu werten ist. In Abwägung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalles ist davon auszugehen, dass der Beigeladene zu 1 seine Tätigkeit als Fahrlehrer für die Klägerin im Rahmen eines abhängigen und damit sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt hat.
Ausgangspunkt der Prüfung, ob die Fahrlehrertätigkeit des Klägers als abhängige Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit zu qualifizieren ist, ist der rechtliche Rahmen, in dem die Tätigkeit grundsätzlich auszuüben ist. Hierzu hat das LSG Sachsen im Urteil vom 23.10.2018, L 9 KR 263/18 Rz 34-36, ausgeführt:
„Dabei ist im Sozialversicherungsrecht zu beachten, dass gewerberechtlich gemäß § 1 Abs. 4 Satz 1 Fahrlehrergesetz (FahrlG) (bzw. § 1 Abs. 2 Satz 2 FahrlG in der Fassung vom 25.08.1969) von der Fahrlehrerlaubnis nur zusammen mit der Fahrschulerlaubnis oder im Rahmen eines Beschäftigungs- oder Ausbildungsverhältnisses mit dem Inhaber einer Fahrschule Gebrauch gemacht werden kann. Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 FahrlG (in der bis zum 31.12.2017 gültigen Fassung) bedarf der Fahrschulerlaubnis, wer als selbstständiger Fahrlehrer Fahrschüler ausbildet oder durch von ihm beschäftigte Fahrlehrer ausbilden lässt. Der Kläger war im streitgegenständlichen Zeitraum nicht im Besitz einer Fahrschulerlaubnis.
Was unter den Begriffen „Beschäftigungsverhältnis“, „Beschäftigung“, „beschäftigt“ zu verstehen ist, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten. Es sind Fachbegriffe aus dem Sozialrecht, die in der einen oder anderen Form bereits Eingang in der Reichsversicherungsordnung gefunden hatten. Nach dem am 01.07.1977 in Kraft getretenen § 2 Abs. 2 Nr. 1 SGB IV besteht ein Beschäftigungsverhältnis regelmäßig bei Personen, die gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt sind, wobei unter Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit verstanden wird (§ 7 Abs. 1 SGB IV). § 2 Abs. 3 Satz 2 Fahrlehrergesetz-Durchführungsverordnung 1998 (FahrlGDV) in ihrer bis 22.06.2012 geltenden Fassung konkretisierte das Beschäftigungsverhältnis im Sinne des FahrlG dahingehend, dass ein Arbeitsvertrag vorausgesetzt ist, der den Inhaber der Fahrlehrererlaubnis zu einer bestimmten Ausbildungsleistung nach Weisung und unter Aufsicht des Inhabers der Fahrschulerlaubnis oder gegebenenfalls des verantwortlichen Leiters des Ausbildungsbetriebes verpflichtet. Daraus wird zum einen gefolgert, dass gerade die identische Übernahme der Definition von § 2 Abs. 2 Nr. 1 SGB IV in § 1 Abs. 4 Satz 1 FahrlG deutlich mache, dass sich der Gesetzgeber bei der Formulierung von § 1 Abs. 4 Satz 1 FahrlG an dem sozialrechtlichen Beschäftigungsbegriff nicht nur orientiert, sondern diesem wortgleich übernommen habe (vgl. BayLSG, Urteil vom 11. November 2014 – L 5 R 910/12 -, Rn. 32, juris) und sich insbesondere aus der Zusammenschau von § 1 Abs. 4 Satz 1 FahrlG und § 10 Abs. 1 Satz 1 FahrlG a. F. ergebe, dass Fahrlehrer für eine fremde Fahrschule nicht auf Honorarbasis tätig sein dürften, vielmehr für ein selbstständiges Tätigwerden eines Fahrlehrers eine Fahrschulerlaubnis zwingend notwendig sei (vgl. BayLSG, aaO, Rn. 29 -35, juris). Demgegenüber urteilte der Bundesfinanzhof (vgl. Urteil vom 17. Oktober 1996 – V R 63/94 -, BFHE 181, 240, BStBl II 1997, 188, Rn. 10, juris), aus § 1 Abs. 2 Satz 2 FahrlG a. F. ergebe sich aus umsatzsteuerrechtlicher Sicht nicht, dass ein Inhaber einer Fahrschulerlaubnis ein Beschäftigungsverhältnis nur mit einem unselbstständig tätigen Fahrlehrer als Inhaber einer Fahrlehrererlaubnis eingehen dürfe. § 1 Abs. 2 Satz 2 FahrlG a. F. regele nicht, welche Art von Beschäftigungsverhältnis (im Innenverhältnis) vereinbart werden könne. Vielmehr wolle § 1 Abs. 2 Satz 2 FahrlG a. F. eine Bestimmung im Außenverhältnis treffen und verhindern, dass der Inhaber einer Fahrlehrererlaubnis die Ausbildung nicht ohne die Verantwortlichkeit eines Fahrschulerlaubnisinhabers ausführt. Außerdem wird die Ansicht vertreten (vgl. Verwaltungsgericht Sigmaringen, Urteil vom 09. Oktober 2012 – 4 K 4032/11 -, juris), für eine Konkretisierung des Begriffes „Beschäftigungsverhältnis“ gemäß § 1 Abs. 4 Satz 1 FahrlG durch den Verordnungsgeber in § 2 Abs. 3 Satz 2 FahrlGDV fehle es an einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage.
Grund für den Erlass des Fahrlehrergesetzes vom 25.08.1969 (in Kraft getreten am 01.10.1969; BGBl. I, 1337) war die Notwendigkeit, die Erlaubnispflicht für den Betrieb einer Fahrschule und die Anforderungen an deren besondere Ausstattung, die Fahrschul- und Fahrlehrerausbildung, den Inhaber der Fahrschule, die Fahrlehrer und die Fahrlehrerausbildungsstätten im Interesse der Sicherheit des Straßenverkehrs in einem formellen Gesetz zu regeln (Bundestagsdrucksache [BT-Drs.] V/4181, I. Allgemeines, Seiten 13, 14). Bei der Regelung des § 1 Abs. 2 Satz 2 FahrlG a. F. (heute § 1 Abs. 4 Satz 1 FahrlG) ließ sich der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesbegründung (BT-Drs. V/4181, zu § 10 und § 11, Seite 16) von der Vorstellung leiten, dass ein Fahrlehrer mindestens zwei Jahre bei einem Fahrschulinhaber unter dessen Anleitung, Fortbildung und Aufsicht angestellt sein müsse, bevor er die Fahrschulerlaubnis erwerben könne. Vorher fehle einem ‘Jungfahrlehrer’ nicht nur die Fähigkeit, eine Fahrschule zu leiten, sondern auch die Fahrschüler methodisch und praktisch sachkundig zu unterrichten.“
Ob über diese berufsrechtlichen Regelungen (§§ 1 Abs. 4 Satz 1 und 10 Abs. 1 Satz 1 FahrlG a. F.) hinaus – ausgehend von der Gesetzesbegründung – auch zwingend sozialversicherungsrechtliche Rahmenvorgaben begründet werden (vgl. dazu z. B. BSG, Urteil vom 14. März 2018 – B 12 R 3/17 R, Rn. 13, juris), kann hier nach Auffassung des Senats dahinstehen. Denn jedenfalls spricht die Gesamtabwägung aller relevanten Umstände – wie sie nach der Rechtsprechung des BSG zur Beurteilung, ob es sich bei Fahrlehrern ohne Fahrschulerlaubnis um eine selbständige Tätigkeit oder eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung handelt (vgl BSG Beschluss vom 25.02.2016, B 12 R 4/15 B Rz 11) – im Ergebnis für eine abhängige Beschäftigung des Beigeladenen zu 1.
Auch in anderen Bereichen von in Form freier Dienstverhältnisse ausgeübten Tätigkeiten „höherer Art“ geht das BSG – trotz Verzichts auf das Weisungsrecht hinsichtlich Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung der Tätigkeit – dennoch von einer abhängigen Beschäftigung aus, wenn sie fremdbestimmt bleiben, weil sie in einer von anderer Seite vorgegebenen Ordnung des Betriebes aufgehen (BSG, Urteil vom 29. August 2012 – B 12 KR 25/10 R -, BSGE 111, 257-268, SozR 4-2400 § 7 Nr.17, Rn.23, juris). Dies gilt umso mehr, wenn die Tätigkeit in einer Betriebsorganisation ausgeübt wird, in der eine besondere Verantwortung gegenüber den Kunden besteht (vgl BSG Urteile vom 04.06.2019, zB B 12 R 11/18 R für Honorarärzte, die in einer Klinik tätig werden). Auch Fahrschulen unterliegen einer besonderen Verantwortung gegenüber ihren Fahrschülern, wie sich aus den strengen gesetzlichen Vorgaben für den Betrieb einer Fahrschule ergibt (vgl dazu ausführlich LSG Sachsen Urteil vom 23.10.2018, L 9 KR 263/18).
Gemessen an den vorstehenden Kriterien überwiegen bei der für die Klägerin ausgeübten Tätigkeit des Beigeladenen zu 1 die Merkmale für eine abhängige Beschäftigung.
Der Beigeladenen zu 1 verfügte über keine eigene Betriebsstätte; vielmehr fand der theoretische Unterricht in den Räumen der Klägerin statt. Dem Fehlen der eigenen Betriebsstätte kommt hier indizielle Bedeutung für Beschäftigung und gegen selbstständige Tätigkeit zu, weil eine Fahrschulerlaubnis u. a. nur erteilt wird, wenn der Bewerber den erforderlichen Unterrichtsraum, die erforderlichen Lehrmittel und die zur Fahrausbildung in der betreffenden Fahrerlaubnisklasse bestimmten Lehrfahrzeuge zur Verfügung hat (§ 11 Abs. 1 Nr. 6 FahrlG in der bis zum 07.09.2015 geltenden Fassung) (vgl. BSG, Urteil vom 31. März 2017 – B 12 R 7/15 R, Rn. 44, juris). Auch im Außenverhältnis nahm der Beigeladene zu 1 keine rechtswirksamen Handlungen vor. Der Vertragsabschluss mit den Fahrschülern erfolgte jeweils im Namen und auf Rechnung des Fahrschulinhabers.
Der Beigeladene zu 1 unterliegt wegen der erheblichen Bedeutung der Fahrschülerausbildung auch einer verstärkten Aufsicht und Kontrolle, insbesondere von Seiten des Fahrschulinhabers (§§ 18 Abs. 2, 16 Abs. 1 und 2 FahrlG), aber auch (mittelbar und unmittelbar) von Seiten der Erlaubnisbehörde (§ 33 FahrlG). Ziel der Ausbildung ist nicht nur zum sicheren, verantwortungsvollen und umweltbewussten Verkehrsteilnehmer zu befähigen, sondern auch auf die Fahrerlaubnisprüfung vorzubereiten (§ 3 Abs. 1 i. V. m. § 1 Abs. 1 FahrschAusbO).
Entscheidend ist weiter, dass die Klägerin auf die Unterrichtstätigkeit des Beigeladenen zu 1, falls diese in inhaltlicher/fachlicher Hinsicht zu beanstanden gewesen wäre, kraft Vertrags und Gesetzes auch insoweit bestimmenden Einfluss hätte nehmen können und müssen (vgl. LAG Baden-Württemberg Beschluss vom 28.02.1996 – 5 Ta 1/96, BeckRS 1996, 30865702, beck-online).
Aus der Tatsache, dass der Beigeladene zu 1 Freiheiten bei der Gestaltung der Arbeitszeit hatte, ergibt sich auch kein gewichtiges Indiz für eine selbstständige Tätigkeit. Es ist durchaus nicht ungewöhnlich, dass der Arbeitgeber bei der Ausübung seines Weisungsrechts auf Wünsche seiner Arbeitnehmer eingeht. Das ändert nichts daran, dass es sich gleichwohl um eine einseitige Maßnahme handelt und nicht um eine vertragliche Vereinbarung. Die Festlegung der Unterrichtszeiten unter Berücksichtigung von Wünschen des Fahrlehrers ist also einer Vereinbarung zwischen Fahrschulinhaber und Fahrlehrer rechtlich nicht gleich zu achten (BAG, Urteil vom 12. September 1996 – 5 AZR 104/95 -, BAGE 84, 124-140, Rn. 57, juris). Es ist zudem nicht ungewöhnlich, dass der Arbeitgeber bei der Ausübung seines Weisungsrechts auf Wünsche seiner Arbeitnehmer eingeht. Gerade bei Teilzeitkräften ist es sinnvoll, sie nach den möglichen Einsatzzeiten zu befragen, da bei ihnen nicht damit gerechnet werden kann, dass sie im selben Ausmaß wie Vollzeitkräfte zur Verfügung stehen.
Ein weiteres gewichtiges, gegen eine selbstständige Tätigkeit sprechendes Indiz ist, dass der Beigeladenen zu 1 kein wesentlich ins Gewicht fallendes Unternehmerrisiko getragen hat.
Zwar erhielt der Beigeladene zu 1 nur für tatsächlich erteilte Unterrichtsstunden eine Vergütung und trug insoweit das Risiko des Unterrichtsausfalles, zudem hatte er keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, bezahlten Urlaub oder Leistungen aus der Sozialversicherung. Insoweit handelt es sich allerdings bei dem danach im Vordergrund stehenden Risiko des Beigeladenen zu 1, nicht durchgehend arbeiten zu können, um ein Risiko, das auch jeden Arbeitnehmer trifft, der nur Zeitverträge bekommt oder auf Abruf arbeitet und nach Stunden bezahlt wird oder unständig Beschäftigter ist. Zum echten Unternehmerrisiko wird dieses regelmäßig erst dann, wenn bei Arbeitsmangel nicht nur kein Einkommen oder Entgelt aus Arbeit erzielt wird, sondern zusätzlich auch Kosten für betriebliche Investitonen und/oder Arbeitnehmer anfallen oder früher getätigte Investitionen brachliegen (vgl etwa: LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 19. Oktober 2012 – L 4 R 761/11 – Rn. 53, juris). Zwar ist es zutreffend, dass bei Tätigkeiten, deren Leistung nicht oder nicht wesentlich durch den Einsatz von Geldmitteln, sondern von Wissen, Fertigkeiten und geistigem Können geprägt ist, das Kapitalrisiko kein gewichtiges Argument darstellt. Gleichwohl spricht die dargestellte Belastung mit arbeitnehmeruntypischen Risiken nur dann für ein echtes Unternehmerrisiko und damit für eine Selbstständigkeit, wenn ihr eine – im Vergleich zu Arbeitnehmern – größere Freiheit bei der Gestaltung und Bestimmung des Umfangs des Einsatzes der eigenen Arbeitskraft gegenübersteht (vgl. BSG, Urteil vom 28. September 2011 – B 12 R 17/09 R – Rn. 25, juris) und diese zu höheren Verdienstchancen führt. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Eine Möglichkeit, durch unternehmerisches Handeln den eigenen wirtschaftlichen Erfolg maßgeblich zu beeinflussen, hat der Beigeladenen zu 1 erst durch Gründung einer eigenen Fahrschule.
Die Tatsache, dass der Beigeladene zu 1 sein eigenes Kfz fahrschultauglich umbauen ließ und der Klägerin für praktische Stunden zur Verfügung stellte und alle damit verbundenen Fahrzeugunterhaltungs- und Betriebskosten einschließlich der Kraftfahrzeughaftpflicht und Kraftfahrzeugsteuer selbst tragen musste, ist kein eindeutiges Indiz für unternehmerisches Tätigwerden. Zwar hätte er im Arbeitsverhältnis diese Kosten nicht zu bezahlen (vgl. BAG, Urteil vom 09. Juli 1986 – 5 AZR 44/85 -, BAGE 52, 273-279, Rn. 15, juris). Jedoch erhielt der Beigeladene zu 1 im Vergleich zu angestellten Fahrlehrern mit den Pauschalen nach Abzug seiner Unkosten iHv 40% keinen wesentlich höheren Stundenlohn, der ihm gerade die für eine Selbständigkeit notwendige soziale Absicherung ermöglicht hätte.
Dass das vereinbarte Honorar – wie hier nach Abzug der Kosten für das Kfz – in etwa dem Arbeitsentgelt eines vergleichbar eingesetzten sozialversicherungspflichtig Beschäftigten entspricht und dadurch keine Eigenvorsorge zulässt, ist in der Gesamtwürdigung der zu berücksichtigenden Indizien ein weiteres gewichtiges Indiz gegen eine selbstständige Tätigkeit des Beigeladenen zu 1 (vgl. BSG, Urteil vom 31. März 2017 – B 12 R 7/15 R -, BSGE, SozR 4-2400 § 7 Nr. 30, Rn. 50, juris).
Bei dieser Sachlage reichen auch die Umstände, dass die Beteiligten ihre Vereinbarung als „Mietvertrag“ bezeichnet haben, das Eingehen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses dadurch gerade ausdrücklich ausgeschlossen werden sollte und der Beigeladenen zu 1 seine Arbeitseinkünfte steuerrechtlich als Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit behandelt hat, nicht aus, um ihn als freien Mitarbeiter anzusehen. In dieser Handhabung zeigt sich lediglich der Wille der Vertragspartner, die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1 als eine selbstständige Tätigkeit zu behandeln. Dieser Wille allein macht aus einem tatsächlich bestehenden Beschäftigungsverhältnis aber keine selbstständige Tätigkeit. Dies gilt entsprechend für die fehlenden vertraglichen Regelungen über einen Urlaubsanspruch oder Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Auch dies zeigt lediglich, dass die Beteiligten bei dem jeweiligen Vertragsschluss von einer selbstständigen Tätigkeit ausgehen bzw. ausgehen wollten und deshalb übliche Arbeitnehmerrechte nicht vereinbarten. Dem Arbeitnehmer werden dadurch sämtliche Schutzmöglichkeiten genommen, ohne dass dies, wie vorstehend ausgeführt, im Ergebnis durch unternehmerische Rechte oder gar Gewinne kompensiert wird. Die Parteivereinbarungen können die Bewertung der Rechtsbeziehung als Arbeitsverhältnis nicht abbedingen und den Geltungsbereich der Arbeitnehmerschutzrechte nicht einschränken. Maßgebend ist aus den dargelegten Gründen nicht die subjektive Vorstellung der Beteiligten, sondern die Rechtsbeziehung so, wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist (vergleiche hierzu insgesamt BSG, SozR 4-2400 § 7 Nr. 7 Rdnr. 17, 25.01.2006, B 12 KR 30/04 R; 28.05.2008, B 12 KR 13/07 R, juris).
Soweit der Beigeladene zu 1 vorgetragen hat, er habe eine weitere Fahrschule als Auftraggeber gehabt, ließ sich dies im Rahmen einer Betriebsprüfung durch die Beklagte bei der angegebenen Fahrschule nicht verifizieren. Vielmehr konnten keinerlei Unterlagen aufgefunden werden, wonach der Beigeladenen zu 1 jemals mit dieser anderen Fahrschule in rechtlichen Beziehungen gestanden hätte.
Insgesamt ist auch ansonsten keine Unternehmensstruktur beim Beigeladenen zu 1 feststellbar. Er ist weder werbend auf dem Markt aufgetreten, noch hat er intern wie ein Unternehmer agiert, wenn er seine Unkosten nur auf ca 40% der von der Klägerin bezahlten Pauschalen schätzen konnte, er also keine entsprechenden wirtschaftlichen Berechnungen angestellt hat. Dass der Beigeladene zu 1 nach eigenen Angaben plante, eine geringfügig beschäftigte Mitarbeiterin einzustellen, ist unbeachtlich, nachdem es zu einer entsprechen Anstellung nicht kam.
Im Ergebnis ist die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG und der Erwägung, dass die Klägerin mit ihrem Begehren keinen Erfolg hatte.
Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 52 Gerichtskostengesetz. Maßgeblich ist die Höhe der Nachforderung.


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