Arbeitsrecht

Bemessung der Disziplinarmaßnahme für die Steuerhinterziehung eines Finanzbeamten

Aktenzeichen  16a D 16.1597

Datum:
9.5.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
NWB – 2019, 166
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BeamtStG § 34 S. 3, § 47 Abs. 1 S. 2
BBG § 77 Abs. 1 S. 2
AO § 370 Abs. 1, § 371 Abs. 1 S. 1
BayDG Art. 10 Abs. 1 S. 1, Art. 11, Art. 14 Abs. 1 S. 2, Abs. 2

 

Leitsatz

1. Die außerdienstliche Steuerhinterziehung weist den denkbar engsten Bezug zum Aufgabenbereich eines Steuerbeamten auf, da es zu seinen dienstlichen Kernpflichten gehört, der Verletzung von Steuervorschriften entgegenzuwirken, so dass hier grundsätzlich sämtliche disziplinare Maßnahmen bis hin zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis eröffnet sind. (Rn. 27) (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
2. Das Schutzgut von Vorschriften des Bayrischen Disziplinargesetzes über die Sanktionierung von Verstößen gegen die Dienstpflichten von Beamten ist nicht das Ansehen einer konkreten Behörde in der Öffentlichkeit, sondern vielmehr geht es generell um die Integrität des Berufsbeamtentums und die Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes als solchen.  (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Freistellungsphase der Altersteilzeit lässt ebenso wie die Versetzung in den Ruhestand den eingetretenen Vertrauensverlust unberührt (ebenso BVerwG BeckRS 2012, 48898). (Rn. 41) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 13 DK 15.2656 2016-07-05 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Gründe

Die zulässige Berufung des Beklagten hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht auf die Disziplinarmaßnahme der Zurückstufung in das Amt eines Steuerinspektors (Art. 10 BayDG) erkannt.
Der Senat kommt bei der Bemessungsentscheidung zu dem Ergebnis, dass der Beklagte ein außerdienstliches Dienstvergehen begangen hat (1.), das bei Abwägung aller disziplinarrechtlich relevanten Gesichtspunkte mit einer Zurückstufung um eine Besoldungsgruppe in das Eingangsamt der Laufbahn zu ahnden ist (2.).
1. Mit der Steuerhinterziehung, die vom Beklagten auch im Berufungsverfahren nicht in Abrede gestellt worden ist, hat der Beklagte eine außerdienstliche Pflichtverletzung begangen, deren mehraktige Begehungsweise einheitlich zu würdigen ist.
a. Die außerdienstliche Pflichtverletzung ist disziplinarrechtlich zu ahnden, da die Steuerhinterziehung des Beklagten „nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet ist, das Vertrauen in einer für das Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen“ (§ 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG).
Grundsätzlich ist der Beamte außerhalb seines Dienstes nur verpflichtet, der Achtung und dem Vertrauen gerecht zu werden, die sein Beruf erfordert (§ 34 Satz 3 BeamtStG). Als Dienstvergehen ist außerdienstliches Fehlverhalten von Beamten gemäß § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG daher nur zu qualifizieren, wenn es nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet ist, das Vertrauen in einer für ihr Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen. Die letztgenannte Bestimmung erwähnt – anders als die Vorgängernorm (§ 45 Abs. 1 BRRG) und der für Bundesbeamte geltende § 77 Abs. 1 Satz 2 BBG – nicht mehr die Beeinträchtigung des Ansehens des Berufsbeamtentums. Da jedoch die Rechtsprechung bereits zum alten Recht davon ausging, dass es insoweit allein um die Erhaltung eines allgemeinen Vertrauens in eine rechtsstaatliche Verwaltung geht (BVerwG, U.v. 19.8.2010 – 2 C 5/10 – juris Rn. 11), ist mit § 47 Abs. 1 Satz 2 im Vergleich zur Vorgängernorm und § 77 Abs. 1 Satz 2 BBG keine inhaltliche Veränderung verbunden (BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 50/13 – juris Rn. 31; BayVGH, U.v. 25.9.2013 – 16a D 11.1875 – juris Rn. 52; OVG Berlin-Bbg, U.v. 12.2.2015 – OVG 80 D 2.12. – juris Rn. 28; Thomsen in BeckOK Beamtenrecht, Stand: Dez. 2016, § 47 BeamtStG Rn. 2.1 f. und Rn. 15; enger Jehke/Gallert, DStR 2014, 1476/1479). Die Beschränkung auf das Vertrauen in eine objektive, rechtmäßige und effiziente Aufgabenerfüllung hat der Gesetzgeber im Wortlaut des § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG zum Ausdruck gebracht (BT-Drs. 16/4027, S. 34 zu § 48).
Bei der Frage der Disziplinarwürdigkeit außerdienstlichen Fehlverhaltens nach Maßgabe des § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG ist dem Dienstposten, d.h. dem konkreten Aufgabenbereich des Beamten, Bedeutung zuzumessen. Aus dem sachlichen Bezug des Dienstvergehens zum konkreten Aufgabenbereich des Beamten kann sich eine Indizwirkung ergeben, weil der Beamte mit dem ihm übertragenen konkreten Amt identifiziert wird. Je näher der Bezug des außerdienstlichen Fehlverhaltens des Beamten zu dem ihm übertragenen Aufgabenbereich ist, umso eher kann davon ausgegangen werden, dass sein Verhalten geeignet ist, das Vertrauen zu beeinträchtigen, das sein Beruf erfordert (BVerwG, B.v. 27.12.2017 – 2 B 18/17 – juris Rn. 22).
Hier weist die außerdienstliche Steuerhinterziehung den denkbar engsten Bezug zum Aufgabenbereich des Beklagten auf, der beim Finanzamt K … für die Einkommensteuerveranlagung zuständig war. Das außerdienstliche Fehlverhalten weist einen Bezug zu seinen dienstlichen Kernpflichten auf, der Verletzung von Steuervorschriften entgegenzuwirken (OVG SH, U.v. 21.9.2015 – 14 LB 2/15 – juris Rn 57; vgl. auch BVerwG, B.v. 7.3.2017 – 2 B 19/16 – juris Rn. 12 für Polizeibeamte). Das außerdienstliche Fehlverhalten des Beklagten ist deshalb in besonderem Maße geeignet, Achtung und Vertrauen in einer für sein Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen. Es führt auch zu einer erheblichen Schädigung des Vertrauensverhältnisses zu seinem Dienstherrn. Ein solcher Beamter ist für den Dienst in der Steuerverwaltung grundsätzlich nicht mehr tragbar.
b. Die nach § 371 Abs. 1 Satz 1 AO strafbefreiende Selbstanzeige lässt den Unrechtsgehalt des strafbaren Verhaltens und damit dessen disziplinarrechtliche Relevanz unberührt (BVerwG, U.v. 28.7.2011 – 2 C 16/10 – juris Rn. 25). Dass Beamte im Vergleich zu Nicht-Beamten nach für sie günstigem Abschluss des Steuerstrafverfahrens infolge der Selbstanzeige noch disziplinarisch belangt werden können, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (BVerfG, B.v. 6.5.2008 – 2 BvR 336/07 – juris Rn. 8; OVG RhPf, U.v. 15.4.2005 – 3 A 12188/04 – juris Rn. 29).
c. Eine (erfolgreiche) Selbstanzeige hat keine „ansehenswahrende“ Auswirkung in dem Sinne, dass die disziplinarrechtlichen Konsequenzen der Steuerhinterziehung entfielen. Der von dem Beklagten insoweit zitierte Aufsatz von Jehke/Gallert (DStR 2014, 1476) verweist auf die Tatbestandsalternative des § 77 Abs. 1 Satz 2, 2. Alt. BBG (Ansehen des Berufsbeamtentums) und führt aus, der Beamte bewahre gerade das Beamtentum vor einem Ansehensschaden, weil er im Vertrauen auf das Steuergeheimnis davon ausgehen dürfe, dass die Öffentlichkeit nie von seiner Steuerhinterziehung erfahren werde. Unabhängig davon, dass die vorgenannte Bestimmung bei einem – wie hier – Landesbeamten keine Anwendung findet, berücksichtigen diese Autoren nicht, dass Schutzgut der Vorschriften des Bayerischen Disziplinargesetzes über die Sanktionierung von Verstößen gegen die Dienstpflichten von Beamten nicht das Ansehen einer konkreten Behörde in der Öffentlichkeit ist, sondern es vielmehr generell um die Integrität des Berufsbeamtentums und die Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes als solchem geht (BVerwG, U.v. 31.8.2017 – 2 A 6/15 – juris Rn. 79 zum Bundesrecht).
2. Die vom Senat auf der Grundlage des Art. 14 Abs. 1 und Abs. 2 BayDG zu treffende eigene disziplinare Bemessungsentscheidung beruht auf folgenden Erwägungen:
a. Zur konkreten Bestimmung der disziplinaren Maßnahme bei einem außerdienstlichen Dienstvergehen ist in einer ersten Stufe auf den Strafrahmen zurückzugreifen, weil der Gesetzgeber mit der Strafandrohung seine Einschätzung zum Unwert eines Verhaltens verbindlich zum Ausdruck gebracht hat. Die Orientierung des Umfangs des Vertrauensverlustes am gesetzlichen Strafrahmen gewährleistet eine nachvollziehbare und gleichmäßige disziplinarische Ahndung von außerdienstlich begangenen Straftaten. Mit der Anknüpfung an die (im Tatzeitpunkt geltende) Strafandrohung wird zugleich verhindert, dass die Disziplinargerichte ihre jeweils eigene Einschätzung des Unwertgehalts eines Delikts an die Stelle der Bewertung des Gesetzgebers setzen. Nicht die Vorstellung des jeweiligen Disziplinargerichts, sondern die Einschätzung des Parlaments bestimmt, welche Straftaten als besonders verwerflich anzusehen sind (BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 50/13 – juris Rn. 15).
b. Weist ein Dienstvergehen – wie hier – hinreichenden Bezug zum Amt des Beamten auf, reicht der Orientierungsrahmen für die mögliche Disziplinarmaßnahme auch für mittelschwere Straftaten, für die eine Strafandrohung von Freiheitsstrafen bis zu zwei Jahren gilt, bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (BVerwG, B.v. 8.3.2018 – 2 B 48/17 – juris Rn. 13; U.v. 10.12.2015 – 2 C 6.14 – juris Rn. 18). Der Beklagte hat mit der Steuerhinterziehung im Hinblick auf den abstrakten Strafrahmen des § 370 Abs. 1 AO (bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe) ein außerdienstliches Dienstvergehen begangen, das von seiner Schwere grundsätzlich sämtliche disziplinaren Maßnahmen bis hin zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis eröffnet. Die konkrete Bemessung der angemessenen Disziplinarmaßnahme hängt bei Delikten, die – wie hier – angesichts ihrer möglichen Variationsbreite der Vorgabe einer Regeldisziplinarmaßnahme nicht zugänglich sind, von einer sorgsamen Würdigung der Einzelfallumstände ab (BVerwG, B.v. 21.6.2017 – 2 B 83/16 – juris Rn. 7).
Gegen den Beklagten spricht die Dauer der Steuerhinterziehung und der Umstand, dass er nicht nur einmal „versagt“ hat, sondern seit 1995 bis 2012 unrichtige Steuererklärungen abgegeben hat. Zwischen den einzelnen Tathandlungen hätte für ihn ausreichend Gelegenheit bestanden, über die Pflichtwidrigkeit seines Handelns nachzudenken und davon Abstand zu nehmen (vgl. BayVGH, U.v. 19.4.2006 – 16a D 04.2853 – juris Rn. 49). Auch hinsichtlich der angefallenen Erbschafts- und Schenkungssteuer im Rahmen des unentgeltlichen Erwerbs von Vermögen seiner Mutter hat der Beklagte mehrfach falsche Angaben gemacht. Auch wenn es ihm mit dem jährlich steigendem Hinterziehungsbetrag schwerer gefallen sein dürfte, hätte er doch jederzeit zur Steuerehrlichkeit zurückführende Maßnahmen ergreifen können. Dies hat der Beklagte unterlassen. Der Betrag der hinterzogenen Steuern in Höhe von 106.111,53 € bewegt sich deutlich jenseits einer etwaigen „Bagatellgrenze“ und verleiht dem Dienstvergehen ein entsprechendes mit der Schadenshöhe korrelierendes Eigengewicht.
Den Beklagten entlastet jedoch die Selbstanzeige, die im Rahmen der Gesamtwürdigung des Einzelfalls mildernd zu berücksichtigen ist (BVerwG, U.v. 28.7.2011 – 2 C 16/10 – juris Rn. 35). Der Selbstanzeige kommt entscheidendes Gewicht für die Maßnahmebemessung zu, wenn der Beamte dadurch den Milderungsgrund der freiwilligen Offenbarung erfüllt. Der Disziplinarsenat des Bundesverwaltungsgerichts hat diesen Milderungsgrund für die Fallgruppe der Veruntreuung amtlich anvertrauter Gelder entwickelt, jedoch auch auf Steuerhinterziehungen angewandt. Er liegt vor, wenn der Beamte das Dienstvergehen vor seiner Aufdeckung aus eigenem Antrieb ohne Furcht vor konkreter Entdeckung vorbehaltlos und vollständig offenlegt. Der Milderungsgrund greift nicht mehr ein, wenn der Beamte das Dienstvergehen offenbart, weil er damit rechnet, dass deswegen gegen ihn ermittelt wird (BVerwG, U.v. 28.7.2011 a.a.O. Rn. 36). Durch die freiwillige Offenbarung zeigt der Beamte, dass er sein Fehlverhalten bereut und aus innerer Einsicht entschlossen ist, sich künftig rechtstreu zu verhalten. Sein Persönlichkeitsbild im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BayDG erscheint in einem günstigeren Licht, sodass die Erwartung gerechtfertigt ist, die von dem Beamten verursachte Ansehensschädigung könne wettgemacht werden. Mit dem Zweck des Milderungsgrundes der freiwilligen Offenbarung lässt sich nicht vereinbaren, den in die Tat umgesetzten Persönlichkeitswandel generell für unbeachtlich zu erklären. Vielmehr führt die Umkehr des Beamten aus freien Stücken selbst bei schwerwiegenden innerdienstlichen Pflichtenverstößen regelmäßig zur Bestimmung einer Disziplinarmaßnahme, die um eine Stufe niedriger liegt als die durch die Schwere des Dienstvergehens indizierte Maßnahme. Dies gilt nur dann nicht, wenn dem Milderungsgrund erschwerende Umstände von ganz erheblichem Gewicht entgegenstehen. Dazu gehört eine enorme Schadenshöhe bei Vermögens- und Abgabedelikten nicht, wenn der Beamte seine Bereitschaft zur Wiedergutmachung des Schadens gezeigt hat und dazu in der Lage ist. Die Fähigkeit zur Wiedergutmachung des Schadens ist im Allgemeinen wegen des Einsatzes der Dienst- oder Versorgungsbezüge zu bejahen (BVerwG, U.v. 28.7.2011 a.a.O. Rn. 37). Demgegenüber kommt einer Selbstanzeige nach § 371 AO, die der Beamte aus Furcht vor Entdeckung abgibt, naturgemäß ein geringeres Gewicht zu (BVerwG, U.v. 28.7.2011 a.a.O. Rn. 38).
Der Senat hat hinsichtlich der Geldanlage bei der UBS erhebliche Zweifel an der Freiwilligkeit der Selbstanzeige. Es spricht viel dafür, dass der Beklagte aufgrund der vielen, in den Jahren 2012 bis 2014 in der Presse immer wiederkehrenden Artikeln über die Auswertung einer Steuer-CD mit Daten deutscher Kunden der Schweizer Großbank UBS und daraus resultierenden Durchsuchungen der Steuerfahndung u.a. in Nordrhein-Westfalen, Bayern und Baden-Württemberg (vgl. Disziplinarakte Bl. 57 – 62) zum Zeitpunkt der Selbstanzeige in Furcht vor Entdeckung gelebt und sich deshalb schließlich am 28. Januar 2014 zur Selbstanzeige entschlossen hat. Hinzu kommt, dass im April 2013 durch eine Pressemeldung des Magazins Focus die Steuerhinterziehung von Ulrich Hoeneß bekannt wurde und in der Folge Gegenstand intensiver Presseberichterstattung war (vgl. BayVerfGH, E.v. 11.9.2014 – Vf. 67-IVa-13 – juris Rn. 54).
Die Einlassungen des Beklagten waren nicht geeignet, diese Zweifel zu zerstreuen. Der Beklagte behauptet, er habe nach dem Tod seiner Mutter endlich reinen Tisch machen wollen und dies schon lange vor sich hergeschoben, manchmal mit dem Gedanken: „Hoffentlich holt sich der Kriegskamerad sein Geld wieder zurück“. Die Mutter war jedoch bereits 2008 verstorben. Warum der Beklagte viele Jahre wartete, bevor er sich zur Selbstanzeige entschloss, konnte er dem Senat nicht nachvollziehbar erklären, zumal der Beklagte schon zu Lebzeiten der Eltern auf eine Versteuerung des Auslandsvermögens hingearbeitet haben will. Die „psychologische Komponente“, die „regelmäßig dazu führe, dass noch eine längere Zeit verstreiche, bis es tatsächlich zu einer Selbstanzeige komme“, blieb ein Schlagwort, ohne dass der Beklagte etwaigen Befindlichkeiten ansatzweise Ausdruck verleihen konnte. Vielmehr ließ sich der Beklagte in der mündlichen Verhandlung dahin ein, er hätte die Selbstanzeige später einreichen sollen, dann wäre der zu erstattende Hinterziehungsbetrag geringer gewesen. Vor diesem Hintergrund vermochte der Senat eine „psychologische Komponente“ nicht zu erkennen.
Letztlich liegen aber keine hinreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte dafür vor, dass der Beklagte die Selbstanzeige nicht aus freien Stücken abgegeben hat. Eine weitere Sachaufklärung ist nicht möglich. Damit ist zu Gunsten des Beklagten der Grundsatz „in dubio pro reo“ anzuwenden (BVerwG, U.v. 28.7.2011 – 2 C 16/10 – juris Rn. 30/40) und die freiwillige Selbstanzeige maßnahmemildernd zu berücksichtigen und mit dem Verwaltungsgericht von der an und für sich verwirkten Disziplinarmaßnahme der Entfernung gemäß Art. 11 BayDG abzusehen und auf die Disziplinarmaßnahme der Zurückstufung (Art. 10 BayDG) zu erkennen.
Selbst wenn man den Gesichtspunkt der „Familiensolidarität“ hier als mildernden Umstand berücksichtigen wollte – wogegen spricht, dass der Beklagte nie etwaige Gewissenkonflikte als Motivation nannte (vgl. OVG SH, U.v. 21.9.2015 – 14 LB 2/15 – juris: Denunziation der Familienangehörigen durch Selbstanzeige) – bestand nach dem Tod der Mutter 2008 jedenfalls keine familiäre Verpflichtung mehr, die den Beklagten, objektiv betrachtet, davon abgehalten hätte, zur Steuerehrlichkeit zurückzukehren.
Eine weitere Milderung der disziplinarrechtlich gebotenen Maßnahme ist nicht sachgerecht. Dies gilt auch bei Berücksichtigung, dass der Beklagte bislang disziplinarrechtlich nicht in Erscheinung getreten ist, im Laufe seiner Dienstzeit durchgängig gut bis sehr gut beurteilt wurde und zudem zwei Leistungsstufen sowie zwei Leistungsprämien erhalten hat.
Der Senat bejaht aufgrund der Gesamtumstände das Bedürfnis nach einer spürbaren disziplinarischen Pflichtenmahnung. In Abwägung aller Umstände des Einzelfalls ist damit eine Zurückstufung des Beklagten in ein Amt derselben Laufbahn mit geringerem Endgrundgehalt nach Art. 10 Abs. 1 Satz 1 BayDG geboten aber auch ausreichend.
Der zwischenzeitliche Eintritt des Klägers in die Freistellungsphase der Altersteilzeit (Dezember 2017) steht einer disziplinarrechtlichen Ahndung des noch im aktiven Beamtenverhältnis begangenen Dienstvergehens nicht entgegen. Die Freistellungsphase lässt ebenso wie die Versetzung in den Ruhestand den eingetretenen Vertrauensverlust unberührt (vgl. OVG NW, U.v. 20.12.2017 – 3d A 1826/12.O – juris Rn. 118; BVerwG, B.v. 1.3.2012 – 2 B 140/11 – juris).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf Art. 72 Abs. 1 Satz 1 BayDG.
Das Urteil ist mit seiner Verkündung rechtskräftig geworden (Art. 64 Abs. 2 BayDG, Art. 3 BayDG i.V.m. § 116 Abs. 1 VwGO).


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