Arbeitsrecht

Berücksichtigung von Teilzeitbeschäftigung im öffentlichen Dienst als ruhegehaltfähig

Aktenzeichen  AN 1 K 17.01111

Datum:
12.12.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 137177
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBeamtVG Art. 18 S. 1 Nr. 1, Art. 24 Abs. 3
GG Art. 74 Abs. 1 Nr. 27

 

Leitsatz

1. Eine vordienstliche Tätigkeit kann nur dann hauptberuflich sein, wenn ihr zeitlicher Umfang den zeitlichen Mindestumfang der Teilzeitbeschäftigung von Beamten nicht unterschreitet. Die Frage der Hauptberuflichkeit ist nach derjenigen Rechtslage zu beantworten, die zum Zeitpunkt des Eintritts in den Ruhestand gilt (wie BVerwG BeckRS 2008, 38048 Ls. zu §§ 10, 11 BeamtVG). (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Frage der Hauptberuflichkeit ist nach derjenigen Rechtslage zu beantworten, die zum Zeitpunkt des Eintritts in den Ruhestand gilt (wie BVerwG BeckRS 2008, 38048 Rn. 13 zu §§ 10, 11 BeamtVG). (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
3. Im Anwendungsbereich des BayBeamtVG kommt es seit dem 1.1.2011 für die Beurteilung der Hauptberuflichkeit auf die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt der Tätigkeit an (Abweichung zu BayVGH BeckRS 2017, 110473 Rn. 30). (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
4. Aus der Bezeichnung einer Tätigkeit als hauptberuflich durch eine für die versorgungsrechtliche Beurteilung nicht zuständige Behörde kann kein versorgungsrechtlicher Anspruch hergeleitet werden. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.
3. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Die Berufung wird zugelassen.

Gründe

Im Hinblick auf die Zulässigkeit der Klage kann offen bleiben, ob der Klägerin die nach § 42 Abs. 2 VwGO erforderliche Klagebefugnis auch für die im Klageantrag vom 24. August 2017 begehrte Berücksichtigung des Zeitraums vom 27. Juli 1989 bis zum 31. August 1989 bei der Neufestsetzung ihrer Versorgungsbezüge zusteht. Hiergegen spricht, dass die Klägerin diesen Zeitraum nicht in ihrem Widerspruchsschreiben vom 10. Mai 2017 genannt hat. Andererseits wird jedoch dieser Zeitraum im Widerspruchsbescheid mit verbeschieden.
Denn die Klage ist jedenfalls unbegründet.
Der Bescheid des Landesamts für Finanzen – Dienststelle … – Bezügestelle Versorgung – vom 10. Mai 2017 und der Widerspruchsbescheid derselben Behörde vom 29. Mai 2017 sind nicht rechtswidrig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten, da sie keinen Anspruch auf Neufestsetzung ihrer Versorgungsbezüge unter Berücksichtigung der Zeiten vom 14. September 1982 bis 28. Februar 1989 sowie vom 27. Juli 1989 bis zum 31. August 1989 besitzt (§ 113 Abs. 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Rechtsgrundlage für die Berücksichtigung von Zeiten, die der Beamte vor seiner Ernennung in einem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis im öffentlichen Dienst verbracht hat, als ruhegehaltfähig ist Art. 18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayBeamtVG. Nach dieser Vorschrift sollen auch Zeiten einer hauptberuflichen entgeltlichen Beschäftigung, die zur Ernennung des Beamten geführt haben, als ruhegehaltfähig berücksichtigt werden. Nach der Legaldefinition des Art. 24 Abs. 3 BayBeamtVG ist eine Tätigkeit dann hauptberuflich, wenn sie gegen Entgelt erbracht wird, den Schwerpunkt der beruflichen Tätigkeit darstellt, dem durch Ausbildung und Berufswahl geprägten Berufsbild entspricht und ihr Beschäftigungsumfang im gleichen Zeitraum im Beamtenverhältnis zulässig gewesen wäre.
Hiervon ausgehend liegt das Merkmal der Hauptberuflichkeit für die von der Klägerin in den streitgegenständlichen Zeiträumen vom 14. September 1982 bis 28. Februar 1989 sowie vom 27. Juli 1989 bis 31. August 1989 ausgeübte Tätigkeit nicht vor. Abgesehen davon, dass die Klägerin selbst in der Anlage zu ihrem Widerspruchsschreiben vom 19. Mai 2017 (vgl. S. 36 der Versorgungsakte) zumindest ihre Tätigkeit vom 14. September 1982 bis 31. Dezember 1987 als „nebenberufliche Lehrkraft“ bezeichnet hat, war sie in den streitgegenständlichen oben genannten Zeiträumen unterhälftig und damit nicht hauptberuflich tätig.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts setzt die Hauptberuflichkeit einer vordienstlichen Tätigkeit voraus, dass sie nach ihrem zeitlichen Umfang auch von Beamten im Hauptamt ausgeübt und demzufolge auch ruhegehaltfähig sein kann. Dies folgt aus dem Zweck der Anrechnungsvorschriften, Beamte mit qualifizierten Vordienstzeiten versorgungsrechtlich „Nur-Beamten“ möglichst gleichzustellen. Danach kann eine vordienstliche Tätigkeit nicht hauptberuflich sein, wenn sie die Arbeitskraft eines Beamten nur nebenbei beansprucht oder von diesem neben einer hauptberuflichen Tätigkeit nur als Nebentätigkeit, Nebenamt oder Nebenbeschäftigung wahrgenommen werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 24.6.2008 – 2 C 5/07 – juris Rn. 12 zu §§ 10, 11 BeamtVG). Danach ist der zeitliche Mindestumfang der grundsätzlich allen Beamten eröffneten Teilzeitbeschäftigung die zeitliche Untergrenze für die Hauptberuflichkeit. Die Frage der Hauptberuflichkeit ist wiederum nach derjenigen Rechtslage zu beantworten, die zum Zeitpunkt des Eintritts in den Ruhestand gilt (vgl. BVerwG, U.v. 24.6.2008 a.a.O. – juris Rn. 13). Maßgeblich ist daher die am 1. September 2017 für bayerische Beamte geltende Regelung des Art. 24 Abs. 3 BayBeamtVG, nach dessen eindeutigem Wortlaut auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt der jeweiligen Dienstleistung abzustellen ist.
Aufgrund der im Rahmen der sogenannten Föderalismusreform vorgenommenen Reföderalisierung des Dienstrechts (vgl. Art. 74 Abs. 1 Nr. 27 GG) sind die einzelnen Bundesländer nunmehr befugt, den beamtenrechtlichen Begriff der Hauptberuflichkeit für sich landesrechtlich selbst zu definieren (vgl. Weinbrenner/Schmalhofer, Beamtenversorgungsrecht, 95. Aufl. April 2011, Rn. 42 zu § 10 BeamtVG). Der Beklagte hat hiervon durch die Aufnahme der Definition des Begriffs Hauptberuflichkeit in Art. 24 Abs. 3 BeamtVG Gebrauch gemacht (vgl. § 2 des Gesetzes zum Neuen Dienstrecht in Bayern vom 5.8.2010, GVBL Nr. 15/2010 S. 538, in Kraft getreten am 1.1.2011). Nach den entsprechenden Gesetzesmaterialien (vgl. Gesetzentwurf der Staatsregierung zum Neuen Dienstrecht in Bayern vom 26.1.2010, Landtagsdrucksache 16/3200, S. 468) wird entsprechend der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BVerwG, U.v. 25.5. 2005 – 2 C 20.04; bestätigt mit U. v. 20.6. 2008 a.a.O.) festgelegt, dass der Beschäftigungsumfang der Tätigkeit mindestens der im gleichen Zeitraum möglichen Teilzeitbeschäftigung entsprechen muss und ferner zur Klarstellung bestimmt, dass es auf die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt der Tätigkeit und nicht der Festsetzung der Versorgungsbezüge ankommt.
Nach Nr. 24.3.4.1 BayVV-Versorgung betrug zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Tätigkeit der Klägerin, mithin vor dem 1. Juli 1997, der zeitliche Mindestbeschäftigungsumfang der Hauptberuflichkeit mindestens die Hälfte der seinerzeit für bayerische Beamte geltenden regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden (1.10.1974 bis 31.3.1989) bzw. 39 Stunden (1.4.1989 bis 31.3.1990). Diesen zeitlichen Umfang hat die Tätigkeit der Klägerin in den streitgegenständlichen Zeiträumen vom 14. September 1982 bis 28. Februar 1989 sowie vom 27. Juli 1989 bis 31. August 1989 jedoch, wie die Klägerin selbst einräumt, unstreitig nicht erreicht. Eine Anerkennung dieser Tätigkeit als hauptberuflich und damit als ruhegehaltfähig ist daher nicht möglich.
Hieran ändert auch nichts, dass die Regierung von Mittelfranken in dem von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung übergebenen Formblatt vom 31. März 1988 die Tätigkeit der Klägerin vom 1. Januar 1988 bis 31. August 1988 an der staatlichen Berufsoberschule … als die einer hauptberuflichen Lehrerin bezeichnet hat. Denn zum einen hat die Regierung von Mittelfranken die Unterrichtszeit der Klägerin mit 18/40 der Unterrichtspflichtzeit eines entsprechenden im Beamtenverhältnis stehenden Lehrers festgesetzt. Zum anderen ist die Regierung von Mittelfranken für die versorgungsrechtliche Beurteilung der Hauptberuflichkeit nach Art. 18 Satz 1 Nr. 1, Art. 24 Abs. 3 BeamtVG nicht zuständig.
Die Klage war deshalb mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 167 Abs. 1 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Die Berufung war gemäß §§ 124a Abs. 1, 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO zuzulassen, da das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (U.v. 5.4.2017 – 3 B 15.238 – juris Rn. 30) abweicht, die – ausgehend vom Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. Jun 2008 (a.a.O.) – auf die Rechtslage zum Zeitpunkt des Eintritts in den Ruhestand abstellt, ohne die anderslautende Vorschrift des Art. 24 Abs. 3 BayBeamtVG zu berücksichtigen.


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