Arbeitsrecht

(Besetzung des Gerichts für Antrag nach § 33 RVG auf Festsetzung des Wertes des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren)

Aktenzeichen  XI ZR 355/18

Datum:
6.10.2020
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BGH
Dokumenttyp:
Vorlagebeschluss
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2020:061020BXIZR355.18.0
Normen:
§ 139 Abs 1 GVG
§ 1 Abs 3 RVG
§ 33 RVG
Spruchkörper:
11. Zivilsenat

Verfahrensgang

vorgehend OLG Hamm, 14. Mai 2018, Az: I-31 U 42/17vorgehend LG Münster, 23. Februar 2017, Az: 14 O 149/15

Tenor

Dem Großen Senat für Zivilsachen wird gemäß § 132 Abs. 4 GVG folgende Frage zur Entscheidung vorgelegt:
Ist über einen Antrag nach § 33 RVG auf Festsetzung des Wertes des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren nach Inkrafttreten von § 1 Abs. 3 RVG weiterhin durch den Senat in der Besetzung gemäß § 139 Abs. 1 GVG zu entscheiden?

Gründe

I.
1
Der Kläger hat den Antragsteller mit seiner Vertretung im Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 31. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 14. Mai 2018 beauftragt. Mit der Nichtzulassungsbeschwerdebegründung hat der Kläger nur einen Teil der Berufungsanträge mit einem Gegenstandswert von bis zu 35.000 € weiterverfolgt. Der Bundesgerichtshof hat mit Beschluss vom 7. Januar 2020 die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers zum Teil als unzulässig verworfen und im Übrigen zurückgewiesen und den Gegenstandswert auf bis 35.000 € festgesetzt.
2
Der Antragsteller beantragt gemäß § 33 RVG, den Wert des Gegenstandes seiner anwaltlichen Tätigkeit im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren festzusetzen.
II.
3
Die Voraussetzungen für eine gesonderte Wertfestsetzung gemäß § 33 Abs. 1 RVG liegen vor, da sich im vorliegenden Verfahren die Rechtsanwaltsgebühren nicht nach dem für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert berechnen. Die Gebühren für die anwaltliche Tätigkeit richten sich nach dem Wert, der die Grundlage für den Auftrag zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde bildete. Dieser Wert entspricht hier der gesamten sich aus dem Berufungsurteil ergebenden Beschwer des Klägers, da der Kläger den Antragsteller beauftragt hatte, die Erfolgsaussichten der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in vollem Umfang zu prüfen.
4
Allerdings stellt sich die Frage, ob über den Antrag der Senat in der Besetzung gemäß § 139 Abs. 1 GVG zu entscheiden hat oder ob aus § 33 Abs. 8 Satz 1 RVG die funktionelle Zuständigkeit des Einzelrichters folgt.
5
1. a) § 33 Abs. 8 Satz 1 RVG, der durch das Gesetz zur Modernisierung des Kostenrechts vom 5. Mai 2004 (BGBl. I S. 718; künftig: KostRMoG) geschaffen worden ist und seit dem 1. Juli 2004 gilt, regelt die Zuständigkeit für die Entscheidung über einen Antrag auf Festsetzung des Wertes des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit nach § 33 Abs. 1 RVG wie folgt: “Das Gericht entscheidet über den Antrag durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter; dies gilt auch für die Beschwerde, wenn die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter oder einem Rechtspfleger erlassen wurde.”
6
Gleichwohl haben die Zivilsenate weiterhin in der von § 139 Abs. 1 GVG vorgesehenen Besetzung über Anträge nach § 33 Abs. 1 RVG entschieden (BGH, Beschlüsse vom 8. Februar 2007 – IX ZB 266/05, JurBüro 2007, 315, vom 2. März 2010 – II ZR 62/06, WM 2010, 823 Rn. 3, vom 30. September 2010 – Xa ZR 34/08, juris und vom 11. Dezember 2012 – II ZR 233/09, AGS 2013, 238). Zur Begründung hat der Bundesgerichtshof ausgeführt, einer Entscheidung durch den Einzelrichter gemäß § 33 Abs. 8 RVG stehe entgegen, dass bei dem Bundesgerichtshof Entscheidungen durch den Einzelrichter nicht vorgesehen seien, und auf die Rechtsprechung zu § 66 Abs. 6 GKG Bezug genommen (BGH, Beschluss vom 2. März 2010, aaO).
7
b) § 66 GKG (“Erinnerung gegen den Kostenansatz, Beschwerde”), der ebenfalls durch das KostRMoG geschaffen worden ist, enthält in Abs. 6 Satz 1 die folgende Regelung: “Das Gericht entscheidet über die Erinnerung durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter; dies gilt auch für die Beschwerde, wenn die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter oder einem Rechtspfleger erlassen wurde.”
8
Gleichwohl hat der Bundesgerichtshof angenommen, dass für die Entscheidung über eine Erinnerung gegen den Kostenansatz nach § 66 Abs. 1 Satz 1 GKG weiterhin der Senat funktionell zuständig ist, da nach § 139 Abs. 1 GVG – im Gegensatz zu §§ 75, 122 Abs. 1 GVG für die Landgerichte und Oberlandesgerichte – bei dem Bundesgerichtshof die Entscheidung durch Einzelrichter gerichtsverfassungs- und prozessrechtlich weder vorgesehen noch vorbehalten ist (BGH, Beschluss vom 13. Januar 2005 – V ZR 218/04, NJW-RR 2005, 584; in diesem Sinne auch BGH, Beschluss vom 22. Februar 2006 – RiZ (R) 1/05,NJW-RR 2006, 1003 Rn. 2 f. zu § 61 Abs. 2 DRiG). In der Folge haben sämtliche Zivilsenate des Bundesgerichtshofs weiterhin in der von § 139 Abs. 1 GVG vorgesehenen Besetzung über Erinnerungen gegen den Kostenansatz nach § 66 Abs. 1 GKG entschieden (vgl. BGH, Beschlüsse vom 17. August 2010 – I ZB 7/10, juris Rn. 2, vom 12. März 2007 – II ZR 19/05, NJW-RR 2007, 1148 Rn. 2, vom 25. September 2008 – III ZR 198/05, juris, vom 21. August 2014 – III ZB 12/14, juris Rn. 2 mwN, vom 4. Mai 2011 – IV ZR 247/10, juris Rn. 2, vom 24. September 2014 – IV ZR 252/13, juris Rn. 1, vom 7. Oktober 2008 – VI ZR 53/08, juris, vom 1. August 2013 – VII ZR 33/13, juris Rn. 1, vom 18. Mai 2010 – VIII ZB 86/09, juris Rn. 2, vom 20. September 2007 – IX ZB 35/07, JurBüro 2008, 43, vom 10. September 2012 – IX ZB 49/12, juris Rn. 1, vom 16. Dezember 2010 – Xa ZB 2/10, juris Rn. 1, vom 30. Mai 2007 – XI ZR 229/06, juris Rn. 1 und vom 13. April 2005 – XII ZR 35/05, juris; ebenso zur Erinnerung gegen den Kostenansatz nach dem seit dem 1. September 2009 geltenden § 57 Abs. 1FamGKG: BGH, Beschluss vom 29. September 2010 – XII ZB 308/10, juris Rn. 3 ff.).
9
c) Damit entsprach die Annahme, der Gesetzgeber habe mit den durch das KostRMoG geschaffenen § 66 Abs. 6 GKG und § 33 Abs. 8 RVG keine gegenüber § 139 Abs. 1 GVG vorrangige Spezialregelung der funktionellen Zuständigkeit beim Bundesgerichtshof geschaffen, der einhelligen Auffassung aller Zivilsenate, auch wenn bereits damals anerkannt war, dass es sich bei dem Gerichtsverfassungsgesetz nur um eine Teilregelung der Gerichtsverfassung handelt, die durch Spezialgesetze ergänzt wird (vgl. Kissel/Mayer, GVG, 5. Aufl. 2008, S. VII und Einl. Rn. 2; ebenso jetzt Kissel/Mayer, GVG, 9. Aufl. 2018, S. V und Einl. Rn. 2; MünchKommZPO/Zimmermann, 3. Aufl. 2008, Einl. GVG Rn. 2; ebenso jetzt MünchKommZPO/Zimmermann, 5. Aufl. 2017, Vor § 1 GVG Rn. 2), und die Senate nur dann in der vollen Besetzung nach § 139 Abs. 1 GVG entscheiden, soweit nicht eine andere Besetzung ausdrücklich gesetzlich vorgeschrieben ist (Kissel/Mayer, GVG, 5. Aufl. 2008, § 139 Rn. 1; ebenso jetzt Kissel/Mayer, GVG, 9. Aufl. 2018, § 139 Rn. 1).
10
2. Mit dem Zweiten Gesetz zur Modernisierung des Kostenrechts vom 23. Juli 2013 (BGBl. I S. 2586, künftig: 2. KostRMoG), das am 1. August 2013 in Kraft getreten ist, hat der Gesetzgeber § 1 Abs. 3 RVG und § 1 Abs. 5 GKG angefügt, in denen jeweils bestimmt ist: “Die Vorschriften dieses Gesetzes über die Erinnerung und die Beschwerde gehen den Regelungen der für das zugrunde liegende Verfahren geltenden Verfahrensvorschriften vor.”
11
Auf der Grundlage dieser Neuregelung in § 1 Abs. 5 GKG hat der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (Beschluss vom 23. April 2015 – I ZB 73/14, NJW 2015, 2194 Rn. 4 ff.) entschieden, dass für Rechtsmittelverfahren, die nach dem 31. Juli 2013 beim Bundesgerichtshof eingeleitet worden sind, an der bisherigen Rechtsprechung zur funktionellen Zuständigkeit des Senats für Entscheidungen über die Erinnerung gegen den Kostenansatz nach § 66 GKG nicht festgehalten werden kann, da die Neuregelung nach der Gesetzesbegründung der Klarstellung dient, dass der Einzelrichter in den kostenrechtlichen Erinnerungs- und Beschwerdeverfahren auch dann zuständig ist, wenn eine Einzelrichterentscheidung institutionell nicht vorgesehen ist. Dem sind alle Zivilsenate wie auch der Anwaltssenat des Bundesgerichtshofs gefolgt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 4. September 2017 – II ZR 59/16, juris Rn. 2, vom 7. August 2015 – III ZB 65/15, juris Rn. 2, vom 19. März 2019 – IV ZR 30/18, juris Rn. 1, vom 11. August 2016 – V ZR 158/15, juris, vom 13. November 2018 – VI ZR 305/18, juris Rn. 2, vom 8. November 2016 – VII ZR 99/14, juris Rn. 4, vom 1. Februar 2016 – VIII ZB 62/15, juris Rn. 1, vom 8. Juni 2015 – IX ZB 52/14, NJW-RR 2015, 1209 Rn. 1, vom 19. Oktober 2015 – X ZR 54/11, MDR 2016, 241 Rn. 4, vom 15. Dezember 2015 – XI ZB 12/12, WM 2016, 256 Rn. 6 und vom 20. September 2016 – AnwZ (Brfg) 9/16, juris Rn. 6; ebenso zu Erinnerungen gemäß § 57 FamGKG: BGH, Beschlüsse vom 15. Juni 2015 – XII ZB 622/14, juris Rn. 1 und XII ZB 57/15, juris Rn. 1).
12
3. Es stellt sich die Frage, ob dementsprechend die – ebenfalls mit Wirkung zum 1. August 2013 erfolgte – Einfügung von § 1 Abs. 3 RVG zur Folge hat, dass abweichend von § 139 Abs. 1 GVG auch zur Entscheidung über einen Antrag auf Festsetzung des Gegenstandswerts der anwaltlichen Tätigkeit nach § 33 RVG bei dem Bundesgerichtshof der Einzelrichter berufen ist. Die veröffentlichte Rechtsprechung der Zivilsenate zu dieser Frage ist uneinheitlich.
13
a) Bis Februar 2017 haben die Zivilsenate des Bundesgerichtshofs ungeachtet der seit April 2015 geänderten Rechtsprechung zu § 66 Abs. 6 GKG über Anträge nach § 33 RVG weiterhin in der Besetzung von fünf Richtern entschieden, ohne die Frage der funktionellen Zuständigkeit zu thematisieren (BGH, Beschlüsse vom 30. Juli 2015 – I ZB 61/13, juris Rn. 4 ff., vom 2. Februar 2016 – XI ZR 60/15, juris, vom 16. Juni 2016 – V ZR 49/15, AGS 2017, 136, vom 26. Juli 2016 – II ZR 137/15, juris Rn. 1 f., vom 24. November 2016 – I ZB 52/15, GRUR-RR 2017, 127 und vom 2. Februar 2017 – V ZR 49/15, juris).
14
b) Die ersten beiden Entscheidungen, in denen für die Entscheidung über einen Antrag nach § 33 Abs. 1 RVG auch beim Bundesgerichtshof von der funktionellen Zuständigkeit des Einzelrichters gemäß § 33 Abs. 8 Satz 1 RVG ausgegangen worden ist, sind im März 2017 und im März 2018 ergangen (BGH, Beschlüsse vom 8. März 2017 – X ZB 11/16, juris Rn. 1 und vom 27. März 2018 – X ZB 3/15, GRUR 2018, 654 Rn. 12).
15
Im Übrigen haben die Zivilsenate des Bundesgerichtshofs bis Mitte 2018 weiterhin in der Besetzung von fünf Richtern über Anträge nach § 33 RVG entschieden (BGH, Beschlüsse vom 18. September 2017 – I ZR 59/15, juris, vom 19. September 2017 – XI ZB 17/15, BGHZ 216, 37 Rn. 75 ff., vom 18. Oktober 2017 – I ZB 6/16, MarkenR 2018, 454 sowie I ZB 105/16, juris, vom 22. Dezember 2017 – I ZB 45/16, WRP 2018, 349, vom 9. Januar 2018 – II ZB 14/16, WM 2018, 556 Rn. 67, vom 29. März 2018 – I ZB 17/17, WRP 2018, 950, vom 2. Mai 2018 – IV ZR 238/17, juris und vom 30. Mai 2018 – IV ZR 461/15, juris; ebenso Beschluss vom 26. Mai 2017 – RiZ (R) 2/14, juris).
16
c) In der Zeit seit Juli 2018 sind einerseits weitere Entscheidungen in der von § 139 Abs. 1 GVG vorgeschriebenen Besetzung getroffen worden (BGH, Beschlüsse vom 10. Juli 2018 – II ZB 24/14, WM 2018, 2225 Rn. 156 f., vom 20. Juli 2018 – I ZB 68/17, juris, vom 23. Oktober 2018 – XI ZB 3/16, BGHZ 220, 100 Rn. 81 ff., vom 7. November 2018 – IV ZR 238/17, juris, vom 12. Februar 2020 – IX ZR 108/18, juris und vom 22. Juli 2020 – XII ZR 29/19, juris).
17
Andererseits haben mehrere Zivilsenate, zum Teil in Aufgabe ihrer bisherigen Rechtsprechung, die funktionelle Zuständigkeit des Einzelrichters angenommen (BGH, Beschlüsse vom 12. Juli 2018 – III ZR 187/17, juris Rn. 2, vom 9. Oktober 2018 – VII ZR 228/16, juris, vom 11. April 2019 – I ZR 168/17, juris, vom 1. Juli 2019 – VII ZR 168/17, juris, vom 30. Oktober 2019 – V ZR 299/14, AGS 2020, 33, 34, vom 6. November 2019 – VIII ZR 325/18, juris Rn. 5, vom 30. Januar 2020 – II ZB 13/18, AGS 2020, 239, vom 17. Februar 2020 – I ZB 39/19, WRP 2020, 736 Rn. 3, vom 7. April 2020 – VIII ZR 383/18, juris Rn. 14, vom 15. April 2020 – I ZB 25/18, juris Rn. 4 ff. sowie I ZB 26/18, juris Rn. 4 ff., vom 16. April 2020 – I ZB 97/19, juris Rn. 3 und vom 12. Mai 2020 – I ZB 14/19, juris Rn. 3). In diesen Beschlüssen wird die Annahme der funktionellen Zuständigkeit des Einzelrichters zum Teil nicht begründet oder zur Begründung nur auf die Vorschrift des § 33 Abs. 8 Satz 1 Halbsatz 1 RVG, manchmal auch auf vorangegangene gleichgerichtete Entscheidungen verwiesen. Eine nähere Begründung, die die vorangegangenen gegenteiligen Entscheidungen und die Entwicklung der Rechtsprechung zur Zuständigkeit des Einzelrichters nach § 66 Abs. 6 GKG berücksichtigt, findet sich nur in den Beschlüssen vom 15. April 2020 (I ZB 25/18, juris Rn. 4 ff. und I ZB 26/18, juris Rn. 4 ff.).
18
Unter diesen Umständen ist eine Vorlage gemäß § 132 Abs. 4 GVG geboten. Die im Beschlussentwurf formulierte Frage ist von grundsätzlicher Bedeutung; ihre Beantwortung durch den Großen Senat ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.
III.
19
Nach Auffassung des Senats ist die vorgelegte Rechtsfrage zu bejahen.
20
1. Nach dem Gesetzeswortlaut kann die Auslegung von § 139 Abs. 1 GVG in Verbindung mit § 1 Abs. 5 GKG in der seit dem 1. August 2013 geltenden Fassung, nach der über eine Erinnerung gegen den Kostenansatz nach § 66 Abs. 6 Satz 1 GKG auch beim Bundesgerichtshof grundsätzlich der Einzelrichter entscheidet, nicht auf § 33 Abs. 8 Satz 1 Halbsatz 1 RVG übertragen werden.
21
§ 1 Abs. 3 RVG sieht – wie § 1 Abs. 5 GKG – einen Vorrang der Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes vor den Regelungen der für das zugrundeliegende Verfahren geltenden Verfahrensvorschriften nur für die Verfahren der Erinnerung und der Beschwerde vor. Bei dem Verfahren nach § 33 Abs. 1 RVG handelt es sich aber nicht um ein solches Verfahren, sondern um ein Antragsverfahren, das auf die erstmalige Festsetzung des für die Anwaltsgebühren maßgeblichen Gegenstandswerts gerichtet ist, wenn sich diese Gebühren in einem gerichtlichen Verfahren nicht nach dem für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert richten oder es an einem solchen Wert fehlt (vgl. Kroiß in Mayer/ Kroiß, RVG, 7. Aufl., § 33 Rn. 1). Anders als § 1 Abs. 5 JVEG, der ebenfalls durch das 2. KostRMoG eingefügt worden ist und nach dem die Vorschriften des JVEG “über die gerichtliche Festsetzung und die Beschwerde” den Regelungen der für das zugrundeliegende Verfahren geltenden Verfahrensvorschriften vorgehen, ist die gerichtliche Festsetzung in § 1 Abs. 3 RVG nicht genannt. Damit schreibt § 1 Abs. 3 RVG nach seinem Wortlaut für die Entscheidung gemäß § 33 Abs. 1 RVG nicht ausdrücklich eine andere Besetzung als die von der Grundregel des § 139 Abs. 1 GVG normierte (vgl. dazu Kissel/Mayer, GVG, 9. Aufl., § 139 Rn. 1) vor.
22
Der Gesetzeswortlaut hat für die vorgelegte Rechtsfrage erhebliche Bedeutung, da das Verhältnis von Kollegium und Einzelrichter den Grundsätzen des Rechts auf den gesetzlichen Richter aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG unterliegt (BVerfG, NJW-RR 2010, 268 Rn. 22 und NZS 2011, 133 Rn. 17) und nach dieser Vorschrift Regelungen über den gesetzlichen Richter so eindeutig und genau wie möglich bestimmen müssen, welche Richter in einem bestimmten Verfahren mitwirken (vgl. BVerfGE 95, 322, 329 mwN; BVerfGK 3, 192, 194).
23
2. Nach der Auffassung des XI. Zivilsenats ergibt sich nicht aus der Gesetzesbegründung zum 2. KostRMoG, dass abweichend von dem Wortlaut von § 1 Abs. 3 RVG mit der Einfügung dieser Vorschrift auch für die Entscheidung des Bundesgerichtshofs über einen Antrag nach § 33 Abs. 1 RVG die Zuständigkeit des Einzelrichters begründet werden sollte.
24
Durch das 2. KostRMoG sind neben § 1 Abs. 5 GKG und § 1 Abs. 3 RVG wortgleiche Vorschriften in § 1 Abs. 6 GNotKG und § 1 Abs. 2 FamGKG eingefügt worden, die sich auf den gleichzeitig – als Nachfolgeregelung zu § 14 Abs. 2 bis 9 KostO – geschaffenen § 81 GNotKG sowie den seit dem 1. September 2009 geltenden § 57 FamGKG beziehen, die ihrerseits jeweils mit “Erinnerung gegen den Kostenansatz, Beschwerde” überschrieben sind und in deren Absatz 6 bzw. Absatz 5 wie in § 66 Abs. 6 GKG die Zuständigkeit des Einzelrichters angeordnet ist.
25
Im Gesetzentwurf der Bundesregierung zum 2. KostRMoG wird die Einfügung von § 1 Abs. 3 RVG wie folgt begründet: “Der vorgeschlagene neue Absatz dient der Klarstellung. Auf die Begründung zu Artikel 1 § 1 Absatz 6 GNotKG-E wird verwiesen.” (BT-Drucks. 17/11471 (neu) S. 266). Diese Begründung lautet: “Absatz 6 soll die gelegentlich auftretende Frage nach dem Verhältnis der Verfahrensvorschriften des Kostenrechts zu den Verfahrensvorschriften der für das jeweilige Verfahren geltenden Vorschriften dahin gehend klären, dass die kosten-rechtlichen Vorschriften als die spezielleren Vorschriften vorgehen. Im Übrigen gelten die Vorschriften des FamFG.” (BT-Drucks. 17/11471 (neu) S. 154). Dagegen heißt es in der Begründung zu dem neuen § 1 Abs. 5 GKG: “Der vorgeschlagene neue Absatz dient der Klarstellung. Auf die Begründung zu Artikel 1 § 1 Absatz 6 GNotKG-E wird verwiesen. Ferner soll dadurch die Frage dahingehend geklärt werden, dass der Einzelrichter in den kostenrechtlichen Erinnerungs- und Beschwerdeverfahren auch dann zuständig ist, wenn eine Einzelrichterentscheidung institutionell nicht vorgesehen ist.” (BT-Drucks. 17/11471 (neu) S. 243).
26
Abgesehen davon, dass die Begründung zu § 1 Abs. 3 RVG nicht auf diese zusätzliche Begründung zu § 1 Abs. 5 GKG – auf die der Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 23. April 2015 (I ZB 73/14, NJW 2015, 2194 Rn. 6) maßgeblich abstellt – Bezug nimmt, ist in letzterer nur von einer Klärung der Zuständigkeit des Einzelrichters “in den kostenrechtlichen Erinnerungs- und Beschwerdeverfahren” die Rede. Um ein solches Verfahren handelt es sich aber – wie oben ausgeführt – bei einem Antrag nach § 33 Abs. 1 RVG nicht.
27
3. Die hier vertretene Auslegung von § 139 Abs. 1 GVG, § 1 Abs. 3, § 33 Abs. 8 Satz 1 RVG führt nicht dazu, dass die Vorschrift des § 1 Abs. 3 RVG leer liefe.
28
Auch § 1 Abs. 5 GKG, § 1 Abs. 6 GNotKG und § 1 Abs. 2 FamGKG haben für den Bundesgerichtshof Bedeutung nur hinsichtlich eines Teils der darin genannten Verfahrensarten, und zwar nur hinsichtlich der Vorschriften des jeweiligen Gesetzes über die Erinnerung. Denn eine Beschwerde an den Bundesgerichtshof findet gemäß § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG, § 81 Abs. 3 Satz 3 GNotKG, § 57 Abs. 3 und 7 FamGKG nicht statt und eine Beschwerde gegen die Entscheidung des Bundesgerichtshofs über eine Erinnerung ist aufgrund von § 66 Abs. 3 Satz 2 GKG, § 81 Abs. 3 Satz 2 GNotKG sowie nach § 57 FamGKG (vgl. BeckOK KostR/Laube, 30. Edition Stand 01.06.2020, § 57 FamGKG Rn. 102) nicht möglich.
29
Im RVG ist in § 56 die Möglichkeit einer Erinnerung gegen die Festsetzung der aus der Staatskasse zu zahlenden Vergütungen und Vorschüsse nach § 55 RVG vorgesehen, für die gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 RVG § 33 Abs. 8 RVG entsprechend gilt. Für die Entscheidung des Bundesgerichtshofs über eine solche Erinnerung ergibt sich aus § 1 Abs. 3 RVG – wie aus § 1 Abs. 5 GKG für eine Erinnerung nach § 66 Abs. 6 GKG – die Zuständigkeit des Einzelrichters. Damit wird durch die hier vertretene Auslegung nicht das gesetzgeberische Ziel verfehlt, beim Bundesgerichtshof in kostenrechtlichen Nebenverfahren eine Entscheidung durch den Einzelrichter zu ermöglichen.
30
4. Nach der Auffassung des Senats folgt auch nicht aus einem Vergleich von § 1 Abs. 3, § 33 RVG mit § 1 Abs. 5, § 4 JVEG, dass es sich bei der Formulierung von § 1 Abs. 3 RVG in Übereinstimmung mit dem Wortlaut von § 1 Abs. 6 GNotKG, § 1 Abs. 5 GKG und § 1 Abs. 2 FamGKG um ein Redaktionsversehen handeln würde.
31
Vielmehr spricht für die sich aus dem Wortlaut der vorgenannten Vorschriften ergebende unterschiedliche Regelung der funktionellen Zuständigkeit, dass die Festsetzung des für die Rechtsanwaltsgebühren maßgeblichen Wertes gemäß § 33 Abs. 1 RVG einen engen inhaltlichen Bezug zu der Wertfestsetzung für die Gerichtsgebühren gemäß § 63 GKG wie auch zu der Bestimmung der Beschwer im Sinne von § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO (früher § 26 Nr. 8 EGZPO aF) aufweist, während sie sich deutlich von der in § 4 JVEG geregelten Festsetzung “der Vergütung, der Entschädigung oder des Vorschusses” wie auch der Entscheidung über eine Erinnerung gegen die Festsetzung der aus der Staatskasse zu zahlenden Vergütungen und Vorschüsse gemäß § 56 RVG oder gegen den Kostenansatz gemäß § 66 GKG, § 81 GNotKG und § 57 FamGKG unterscheidet.
32
Die Parallele zu der Wertfestsetzung nach § 63 GKG und der Bestimmung der Beschwer im Sinne von § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, über die beim Bundesgerichtshof die Zivilsenate in der von § 139 Abs. 1 GVG bestimmten Besetzung entscheiden, zeigt sich insbesondere in dem – auch hier in Rede stehenden – Fall, in dem eine Festsetzung nach § 33 Abs. 1 RVG deshalb beantragt wird, weil der Rechtsmittelführer seinem Prozessbevollmächtigten einen unbeschränkten Rechtsmittelauftrag erteilt hatte, das Rechtsmittel aber nur beschränkt auf einen Teil der Beschwer aus der angefochtenen Entscheidung durchgeführt worden ist. In einem solchen Fall entspricht der für die Rechtsanwaltsvergütung maßgebliche Gegenstandswert der gesamten, durch die Entscheidung des Berufungsgerichts begründeten Beschwer (BGH, Beschlüsse vom 9. Oktober 2018 – VII ZR 228/16, juris Rn. 4, vom 1. Juli 2019 – VII ZR 168/17, juris Rn. 4, vom 30. Oktober 2019 – V ZR 299/14, AGS 2020, 33 f. und vom 6. November 2019 – VIII ZR 325/18, juris Rn. 7 f.) und ist daher nach den gleichen Regeln zu bestimmen, die im Fall einer unbeschränkten Anfechtung für den Streitwert für die Gerichtsgebühren maßgeblich gewesen wären. Diese Regeln sind ebenfalls von Bedeutung für den Gegenstandswert im Verfahren über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe, der sich gemäß § 23a Abs. 1 Halbsatz 1 RVG nach dem für die Hauptsache maßgebenden Wert bestimmt.
33
Ferner zeigt sich der enge Zusammenhang zwischen der Festsetzung gemäß § 33 Abs. 1 RVG und der Festsetzung des für die Gerichtsgebühren maßgeblichen Wertes nach § 63 GKG, wenn der antragstellende Rechtsanwalt nicht alle als Kläger oder Beklagte beteiligte Streitgenossen vertreten hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom 16. Juni 2016 – V ZR 49/15, AGS 2017, 136, vom 2. Februar 2017 – V ZR 49/15, juris Rn. 2, vom 29. März 2017 – I ZR 59/15, juris und vom 18. September 2017 – I ZR 59/15, juris). Überdies kann es insbesondere in Rechtsbeschwerdeverfahren nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz sinnvoll sein, im Zusammenhang mit der Kostenentscheidung in der Hauptsache sowohl den Wert für die Gerichtsgebühren als auch die für die Gebühren der beteiligten Rechtsanwälte maßgeblichen Werte festzusetzen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 22. November 2016 – XI ZB 9/13, BGHZ 213, 65 Rn. 116 ff., vom 19. September 2017 – XI ZB 17/15, BGHZ 216, 37 Rn. 73 ff., vom 9. Januar 2018 – II ZB 14/16, WM 2018, 556 Rn. 65 ff., vom 10. Juli 2018 – II ZB 24/14, WM 2018, 2225 Rn. 154 ff. und vom 23. Oktober 2018 – XI ZB 3/16, BGHZ 220, 100 Rn. 79 ff.).
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5. In der Literatur zu § 139 GVG und § 33 RVG finden sich keine konkreten Stellungnahmen zugunsten einer Zuständigkeit des Einzelrichters für Entscheidungen des Bundesgerichtshofs über Anträge nach § 33 Abs. 1 RVG.
35
In Kommentierungen zum GVG wird als Ausnahme von der Entscheidung in der Besetzung mit fünf Richtern nach § 139 Abs. 1 GVG nur die Einzelrichterzuständigkeit für die Entscheidung über Erinnerungen gegen Rechtspflegerentscheidungen in Kostensachen, insbesondere gemäß § 66 GKG, genannt, während § 33 RVG keine Erwähnung findet (BeckOK GVG/Graf, 8. Edition, Stand 01.08.2020, § 139 Rn. 8 f.; Kissel/Mayer, GVG, 9. Aufl., § 139 GVG Rn. 1; MünchKommZPO/Zimmermann, 5. Aufl., § 139 GVG Rn. 1; PG/Effer-Uhe, ZPO, 12. Aufl., § 139 GVG Rn. 1; KK-StPO/Feilcke, 8. Aufl., § 139 GVG Rn. 2;MünchKommStPO/Cierniak/Pohlit, 1. Aufl., § 139 GVG Rn. 3).
36
Kommentierungen zu § 33 RVG beschränken sich entweder auf die schlichte Wiedergabe des Gesetzestextes (BeckOK RVG/Sommerfeldt, 49. Edition, Stand 01.09.2020, § 33 RVG Rn. 8; Enders in Hartung/Schons/Enders, RVG, 3. Aufl., § 33 Rn. 18; Kroiß in Mayer/Kroiß, RVG, 7. Aufl., § 33 Rn. 10;Potthoff in Riedel/Sußbauer, RVG, 10. Aufl., § 33 Rn. 46; nicht erwähnt wird Abs. 8 von Mayer in Gerold/Schmidt, RVG, 24. Aufl., § 33 Rn. 6) oder – sofern sie nähere Ausführungen zu § 33 Abs. 8 RVG enthalten – befassen sich nicht mit der Frage der Bedeutung dieser Vorschrift für den Bundesgerichtshof(AnwK-RVG/Thiel, 8. Aufl., § 33 Rn. 174 ff.; dies. in Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 2. Aufl., § 33 RVG Rn. 47; Bischof in Bischof/Jungbauer, RVG, 8. Aufl., § 33 Rn. 50; Toussaint in Hartmann/Toussaint, Kostenrecht, 50. Aufl., § 33 RVG Rn. 22 f.). Dagegen geht N. Schneider (in Schneider/Herget, Streitwert-Kommentar, 14. Aufl., 1. Teil Rn. 709 sowie in Schneider/Volpert/ Fölsch, FamGKG, 3. Aufl., Die Wertfestsetzung für die Anwaltsgebühren Rn. 80) davon aus, dass im Wertfestsetzungsverfahren nach § 33 RVG beim Bundesgerichtshof der Senat als Kollegium entscheidet. Er stützt sich dabei allerdings ausschließlich auf Entscheidungen des Bundesgerichtshofs aus den Jahren 2005 und 2010, ohne die Einführung von § 1 Abs. 3 RVG und die seit April 2015 ergangenen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs zu berücksichtigen.
IV.
37
1. Sollte der Große Senat für Zivilsachen der Ansicht sein, dass die vorgelegte Frage zu verneinen ist, wäre zunächst eine Abstimmung mit den Strafsenaten des Bundesgerichtshofs erforderlich.
38
Denn die Rechtsprechung der Strafsenate zur funktionellen Zuständigkeit des Einzelrichters nach § 66 Abs. 6 GKG und nach § 33 Abs. 8 RVG hat sich nur hinsichtlich § 66 GKG parallel zu der Rechtsprechung der Zivilsenate entwickelt. So haben die Strafsenate nach der Schaffung von § 66 Abs. 6 GKG durch das KostRMoG zunächst weiterhin angenommen, dass bei dem Bundesgerichtshof über eine Erinnerung gegen den Kostenansatz der Senat in der Besetzung von fünf Mitgliedern entscheidet (BGH, Beschlüsse vom 5. April 2006 – 5 StR 569/05, juris Rn. 2, vom 23. Mai 2007 – 1 StR 555/06, juris Rn. 3, vom 7. Februar 2013 – 1 StR 408/12, juris Rn. 11 und vom 15. Januar 2015 – 2 StR 605/13, juris Rn. 1), während sie nach der Einfügung von § 1 Abs. 5 GKG durch das 2. KostRMoG und der Entscheidung des BGH vom 23. April 2015 (I ZB 73/14, NJW 2015, 2194) von der Zuständigkeit des Einzelrichters ausgehen (BGH, Beschlüsse vom 25. Oktober 2018 – 1 StR 240/18, juris Rn. 6 und vom 30. Januar 2020 – 4 StR 291/19, juris Rn. 7; ebenso zu einer Erinnerung gemäß § 81 GNotKG BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2016 – 5 AR (Vs) 44/16, juris).
39
Dagegen werden Entscheidungen über Anträge nach § 33 Abs. 1 RVG von den Strafsenaten auch nach Inkrafttreten von § 1 Abs. 3 RVG wie zuvor weiterhin durch den Senat in der Besetzung von fünf Mitgliedern getroffen (vgl. zur alten Rechtslage BGH, Beschlüsse vom 24. März 2009 – 5 StR 225/06, wistra 2009, 284, vom 30. April 2014 – 1 StR 245/09, juris, vom 30. April 2014 – 1 StR 53/13, wistra 2014, 326, vom 7. Oktober 2014 – 1 StR 166/07, wistra 2015, 35 und vom 24. Februar 2015 – 1 StR 245/09, juris; zur neuen Rechtslage BGH, Beschlüsse vom 8. März 2018 – 3 StR 163/15, StraFo 2018, 446, vom 6. Juni 2018 – 2 StR 337/14, NStZ-RR 2018, 263, vom 29. November 2018 – 3 StR 625/17, NStZ-RR 2019, 127, 128, vom 22. Mai 2019 – 1 StR 471/18, juris, vom 29. Juni 2020 – 1 StR 1/20, juris und vom 8. September 2020 – 6 StR 95/20, juris).
40
2. Im Fall der Bejahung der vorgelegten Frage durch den Großen Senat für Zivilsachen wäre eine Abstimmung mit dem Bundesfinanzhof nötig, während die bisherige Rechtsprechung der weiteren obersten Gerichtshöfe des Bundes nicht entgegenstünde.
41
a) Das Bundesverwaltungsgericht ist bereits vor dem 2. KostRMoG davon ausgegangen, dass bei ihm für die Entscheidung über eine Erinnerung gegen die Festsetzung der Vergütung nach § 56 RVG in Verbindung mit § 33 Abs. 8 Satz 1 RVG, eine Erinnerung gemäß § 66 Abs. 1 GKG und einen Antrag auf Wertfestsetzung für die Rechtsanwaltsgebühren gemäß § 33 Abs. 1 RVG grundsätzlich der Einzelrichter zuständig ist (BVerwG, Beschlüsse vom 28. Dezember 2005 – 1 KSt 1.05 u.a., NVwZ-RR 2006, 359 Rn. 4, vom 25. Januar 2006 – 10 KSt 5.05 u.a., NVwZ 2006, 479 Rn. 2 ff., vom 5. Dezember 2011 – 20 F 23.10, AGS 2012, 83 und vom 9. Mai 2012 – 8 B 8.12, juris Rn. 1). Dabei hat das Bundesverwaltungsgericht angenommen, dass es sich mit dieser Auffassung nicht in Widerspruch zur gegenteiligen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Beschluss vom 13. Januar 2005 – V ZR 218/04, NJW-RR 2005, 584) setze, weil bei ihm die Situation im Hinblick auf Einzelrichterentscheidungen nicht mit der beim Bundesgerichtshof vergleichbar sei, da nach den Vorschriften der VwGO dem Gericht durch einen einzelnen Richter gefällte Sach- und Nebenentscheidungen nicht grundsätzlich fremd seien (BVerwG, Beschlüsse vom 28. Dezember 2005, aaO und vom 25. Januar 2006, aaO Rn. 3 f.).
42
Unter diesen Umständen ist auch nach Inkrafttreten des 2. KostRMoG für die Auslegung von § 1 Abs. 3, § 33 Abs. 8 RVG in Verbindung mit § 139 Abs. 1 GVG unerheblich, dass das Bundesverwaltungsgericht weiterhin von der primären Zuständigkeit des Einzelrichters für die Entscheidung über einen Festsetzungsantrag nach § 33 Abs. 1 RVG ausgeht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. Juli 2018 – 1 C 18.17, juris Rn. 1). Im Übrigen sieht sich das Bundesverwaltungsgericht trotz dieser Zuständigkeitsregelung nicht daran gehindert, in Senatsentscheidungen über die Hauptsache gleichzeitig einen nur für die Rechtsanwaltsgebühren maßgeblichen Streitwert festzusetzen (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 8. März 2018 – 1 B 7.18, juris Rn. 6 und vom 18. Juni 2018 – 6 AV 1.18, juris Rn. 4; Urteile vom 15. April 2019 – 1 C 46.18, DVBl 2020, 186 Rn. 36 und vom 20. Mai 2020 – 1 C 11.19, juris Rn. 28).
43
b) Das Bundesarbeitsgericht hat – soweit ersichtlich – bisher keine Entscheidung über einen Antrag nach § 33 Abs. 8 RVG getroffen. Soweit in dem Beschluss vom 15. November 2018 (6 AZB 31/18, NJW 2019, 326 Rn. 8) über eine Rechtsbeschwerde die Frage der Zuständigkeit des Einzelrichters angesprochen wird, handelt es sich bei den Ausführungen zu § 33 Abs. 8 RVG um für die Entscheidung nicht tragende Erwägungen. Denn Gegenstand dieses Beschlusses ist die Verwerfung einer Rechtsbeschwerde als unzulässig, die sich gegen die Zurückweisung der Beschwerde durch das Landesarbeitsgericht gegen die Festsetzung der Rechtsanwaltsvergütung durch das Arbeitsgericht gemäß § 11 RVG richtete.
44
c) Das Bundessozialgericht hat vor Inkrafttreten des 2. KostRMoG im Gegensatz zu der damaligen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Zuständigkeit des Einzelrichters für die Entscheidung über eine Erinnerung gegen den Kostenansatz nach § 66 Abs. 6 GKG (BSG, Beschluss vom 29. Dezember 2011 – B 13 SF 3/11 S, juris Rn. 6) und für die Festsetzung des Gegenstandswerts nach § 33 RVG (BSG, Beschluss vom 16. Januar 2012 – B 11 SF 1/10 R, juris Rn. 1) angenommen, ohne dass diese Divergenz zu einer Anrufung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes geführt hätte.
45
Dagegen gibt es – soweit ersichtlich – keine veröffentlichte Entscheidung aus der Zeit nach Inkrafttreten des 2. KostRMoG, in der das Bundessozialgericht über einen Antrag nach § 33 Abs. 1 RVG entschieden hat. Soweit in den Beschlüssen vom 29. September 2017 (B 13 SF 8/17 S, juris Rn. 17) und vom 19. Februar 2018 (B 6 SF 3/17 S, juris Rn. 5), mit denen jeweils in der Besetzung mit drei Berufsrichtern über eine Erinnerung gegen die Kostenfestsetzung nach § 189 Abs. 2 Satz 2 SGG entschieden worden ist, die Zuständigkeit des Einzelrichters nach § 33 Abs. 8 Satz 1 RVG erwähnt wird, handelt es sich um nicht tragende Ausführungen.
46
d) Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zur maßgeblichen Besetzung für die Entscheidung über eine Erinnerung nach § 66 Abs. 1 GKG und über die Wertfestsetzung nach § 33 Abs. 1 RVG entsprach vor dem 2. KostRMoG derjenigen des Bundesgerichtshofs (BFH, Beschlüsse vom 28. Juni 2005 – X E 1/05, BFHE 209, 422 f., vom 1. September 2005 – III E 1/05, BFH/NV 2006, 92, 93, vom 29. September 2005 – IV E 5/05, BFH/NV 2006, 315, 316 und vom 11. Dezember 2012 – X S 25/12, BFH/NV 2013, 741 Rn. 14 f.).
47
Im Anschluss an die Einfügung von § 1 Abs. 5 GKG durch das 2. KostRMoG geht der Bundesfinanzhof – wie der Bundesgerichtshof seit April 2015 – von der Zuständigkeit des Einzelrichters für die Entscheidung über eine Erinnerung gegen den Kostenansatz nach § 66 Abs. 1 GKG aus (BFH, Beschlüsse vom 25. März 2014 – X E 2/14, BFH/NV 2014, 894 Rn. 4 und vom 2. Juni 2014 – XI E 1/14, juris Rn. 12).
48
Darüber hinaus hat der Bundesfinanzhof angenommen, dass nach § 1 Abs. 3 RVG i.V.m. § 33 Abs. 8 RVG auch über einen Antrag auf Festsetzung des Gegenstandswerts gemäß § 33 Abs. 1 RVG der Einzelrichter entscheidet (BFH, Beschluss vom 15. Dezember 2014 – VII S 37/14, BFH/NV 2015, 507 Rn. 1), und ergänzend auf die vorgenannten Beschlüsse vom 25. März 2014 (X E 2/14, BFH/NV 2014, 894) und vom 2. Juni 2014 (XI E 1/14, juris) verwiesen, ohne dabei zu berücksichtigen, dass es sich bei der Entscheidung über einen Antrag nach § 33 Abs. 1 RVG nicht um eine Entscheidung über eine Erinnerung handelt.
Ellenberger     
        
Grüneberg     
        
Matthias
        
Derstadt      
        
Schild von Spannenberg      
        


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