Arbeitsrecht

Bestattungskosten, Provisorische Abholung vom Sterbeort, von Amts wegen veranlasst, Lagerung in Kühlzelle, Bestattung, durch Klägerin veranlasst, Zulässigkeit Ersatzvornahme, Ermittlung bestattungspflichtiger Angehöriger

Aktenzeichen  M 12 K 20.6745

Datum:
12.8.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 25101
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BestG Art. 14
BestG Art. 15
BestV § 15
BestV § 1

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Entscheidung konnte ohne mündliche Verhandlung ergehen, da die Beteiligten dem zugestimmt haben (§ 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
I. Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 14. Dezember 2020 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
1. Die unter Nr. 1 des angefochtenen Bescheides ausgesprochene Verpflichtung der Klägerin, die für die provisorische Abholung ihres verstorbenen Vaters vom Hospiz angefallenen Kosten in Höhe von 407,- EUR zu bezahlen, ist rechtmäßig.
Rechtsgrundlage für die Verpflichtung der Klägerin ist Art. 14 Abs. 2 Satz 2 Bestattungsgesetz (BestG). Danach kann die Gemeinde von einem Bestattungspflichtigen Ersatz der notwendigen Kosten verlangen, wenn sie gemäß Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BestG selbst oder durch vertraglich Beauftragte für die Bestattung und die ihr vorausgehenden notwendigen Verrichtungen sorgen musste, weil der nach § 15 Satz 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 der Verordnung zur Durchführung des Bestattungsgesetzes (Bestattungsverordnung – BestV) Bestattungspflichtige seiner Bestattungspflicht nicht nachgekommen ist und Anordnungen nach Art. 14 Abs. 1 BestG nicht möglich, nicht zulässig oder nicht erfolgsversprechend waren.
a) Die Klägerin gehört gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Buchst. b) BestV als Tochter des Verstorbenen – wie auch die Schwester des Verstorbenen (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Buchst. f) BestV), nicht aber die Lebensgefährtin des Verstorbenen – zum Kreis derjenigen Angehörigen, die gemäß Art. 15 Abs. 1 BestG i.V.m. § 15 Satz 1, § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BestV bestattungspflichtig sind bzw. – im Falle einer zulässigen Bestattung von Amts wegen – gemäß Art. 14 Abs. 2 Satz 2 BestG für die Erstattung der angefallenen Kosten in Anspruch genommen werden können.
Die Bestattungspflicht erfasst neben der Bestattung selbst auch die der Bestattung notwendig vorausgehenden Verrichtungen (Art. 15 Abs. 1 BestG i.V.m. § 15 Satz 1 BestV). Unter letztere fällt u.a. die sog. provisorische Abholung des Verstorbenen vom Sterbeort (hier: das … Hospiz in München), bei welcher der Verstorbene mangels entsprechender Aufbewahrungsmöglichkeit am Sterbeort zunächst an einen anderen Ort verbracht wird, um ihn dort bis zur Verbringung an den Bestattungsort würdevoll und unter Gesichtspunkten des Schutzes der öffentlichen Gesundheit sicher, insbesondere gekühlt, bis zur Durchführung der eigentlichen Bestattungsmaßnahmen zwischenzulagern.
Auch durfte die Beklagte im vorliegenden Fall gemäß Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BestG die provisorische Abholung des Verstorbenen vom Hospiz von Amts wegen im Wege der Ersatzvornahme veranlassen.
Ausweislich Art. 14 Abs. 2 Satz 1 Hs. 1 BestG hat die Beklagte – gegebenenfalls mittels Anordnung nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BestG – vorrangig zu veranlassen, dass die Bestattung des Verstorbenen bzw. die der Bestattung notwendig vorausgehenden Verrichtungen rechtzeitig durch die nach Art. 15 Abs. 1 BestG bestattungspflichtigen Angehörigen erfolgt (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 BestG). Nur soweit diese ihrer Bestattungspflicht nicht rechtzeitig nachkommen und entsprechende Anordnungen nicht möglich, nicht zulässig oder nicht erfolgsversprechend sind, darf die Beklagte die Bestattung an deren Stelle von Amts wegen im Wege der Ersatzvornahme durchführen (Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BestG) und die Erstattung der hierfür entstandenen Kosten verlangen (Art. 14 Abs. 2 Satz 2 BestG).
Dies war vorliegend der Fall. Denn gemäß Art. 5 BestG muss mit Leichen Verstorbener so verfahren werden, dass keine Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung, insbesondere für die Gesundheit, zu befürchten sind und zugleich die Würde des Verstorbenen und das sittliche Empfinden der Allgemeinheit nicht verletzt werden. So muss u.a. gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 BestV eine Leiche spätestens acht Tage nach Feststellung des Todes bestattet oder eingeäschert sein oder, wenn sie überführt werden soll, auf den Weg gebracht werden. Gemäß § 19 Abs. 2 Satz 2 BestV kann die Gemeinde jedoch anordnen, dass eine Leiche früher zu bestatten oder auf den Weg zu bringen ist, wenn gesundheitliche Gefahren zu befürchten sind. Gemessen an diesen Vorgaben war es vorliegend bereits aus seuchenhygienischen Gründen zum Schutze der öffentlichen Gesundheit zwingend geboten, den Verstorbenen unverzüglich – insbesondere nach Ausstellung der Todesbescheinigung (§ 8 Satz 1 Nr. 2 BestV) – im Zuge einer provisorischen Abholung vom seinem Sterbeort im … Hospiz, welches über keine geeignete Aufbewahrungsmöglichkeit verfügte, abzuholen und zwecks Zwischenlagerung an einen Ort zu verbringen, an welchem eine sowohl in Bezug auf die Würde des Verstorbenen angemessene wie auch unter dem Gesichtspunkt des Gesundheitsschutzes sichere Aufbewahrung gewährleistet war. Die provisorische Abholung war daher jedenfalls noch am 29. November 2017 zu veranlassen.
Auch war es vorliegend (in Bezug auf die Schwester des Verstorbenen) nicht erfolgsversprechend bzw. (in Bezug auf die Klägerin) schon gar nicht möglich, durch Ermittlung, Information und ggf. entsprechende Anordnung gegenüber den bestattungspflichtigen Angehörigen dafür zu sorgen, dass eine rechtzeitige Abholung des Verstorbenen durch diese veranlasst wird. So hatte die Schwester des Verstorbenen sich bereits geweigert, sich um die Bestattung zu kümmern. Die Klägerin wiederum hat sich zwar – nachdem sie Tage später vom Versterben ihres Vaters und ihrer bestehenden Bestattungspflicht in Kenntnis gesetzt wurde – um die finale Bestattung gekümmert. Jedoch hätte eine rechtzeitige Abholung am 29. November 2017 allenfalls dann durch die Klägerin selbst, veranlasst werden können, wenn die Beklagte die Klägerin noch an diesem Tage unmittelbar hätte kontaktieren können. Jedoch lagen der Beklagten an diesem Tag nur der Name sowie die Adresse der Klägerin, nicht aber deren Telefonnummer vor. Auch hat die Beklagte alle, auch die seitens des Bevollmächtigen der Klägerin geforderten, Schritte unternommen, mittels der bekannten Daten die Telefonnummer der Klägerin zu ermitteln, um so die Klägerin noch am 29. November 2021 unmittelbar zu kontaktieren. So hat die Beklagte insbesondere das örtliche Telefonbuch eingesehen sowie eine entsprechende Meldeabfrage getätigt. Jedoch war die Klägerin weder im örtlichen Telefonbuch eingetragen noch war im amtlichen Meldesystem eine Telefonnummer hinterlegt. Selbst wenn die Beklagte noch am 29. November 2017 ein Schreiben an die Klägerin versandt hätte, wäre dies der Klägerin zu spät zugegangen, als dass diese noch rechtzeitig die unverzüglich gebotene (s.o.) Abholung ihres Vaters hätte veranlassen können. Die vom Klägerbevollmächtigten angesprochenen Kosten der Kühlzellennutzung sind nicht Gegenstand des streitgegenständlichen Bescheids und damit nicht Gegenstand dieses Verfahrens.
b) Auch soweit Art. 14 Abs. 2 Satz 2 BestG darüber hinaus die Entscheidung, ob ein bestattungspflichtiger Angehörige zur Kostenerstattung herangezogene werden soll, in das Ermessen der Behörde stellt (“kann”), ist die Entscheidung der Beklagten vorliegend nicht zu beanstanden.
Bei der Entscheidung, ob ein Bestattungspflichtiger zur Kostenerstattung herangezogen werden soll, handelt es sich um einen Fall des intendierten Ermessens, d.h. in der Regel ist nur die Entscheidung für die Inanspruchnahme des Pflichtigen ermessensfehlerfrei. Dies folgt aus der Zweckrichtung der Regelung in Art. 14 Abs. 2 Satz 2 BestG, wonach es regelmäßig ohne Ansehung der tatsächlichen persönlichen Beziehung des Pflichtigen zum Verstorbenen dem Interesse der Allgemeinheit an der rechtmäßigen, wirtschaftlichen und sparsamen Verwendung von Steuergeldern entspricht, die durch die Gemeinde verauslagten Bestattungskosten vom Bestattungspflichtigen zurückzufordern. Einer Darlegung der Ermessenserwägungen bedarf es hier nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände, die ein Absehen von der Rückforderung rechtfertigen könnten (BayVGH, B.v. 9.6.2008 – 4 ZB 07.2815 – juris Rn. 6). Solche außergewöhnlichen Umstände kommen nur bei schweren Straftaten des Verstorbenen zulasten des an sich Bestattungspflichtigen in Betracht, die grundsätzlich zu einer Verurteilung des Verstorbenen geführt haben müssen (HessVGH, U.v. 26.10.2011 – 5 A 1245/11 – juris; BayVGH, B.v. 9.6.2008 – ZB 07.2815 – juris; BayVGH, U.v. 17. 1. 2013 – 4 ZB 12.2374 – juris Rn. 7). Solche Umstände sind jedoch vorliegend nicht gegeben. Die Tatsache, dass die Klägerin zum Verstorbenen seit 40 Jahren keinerlei Kontakt mehr hatte, ist hierfür allein noch nicht ausreichend.
Des Weiteren spielt keine Rolle, ob die Klägerin finanziell zur Zahlung in der Lage ist. Im Falle der (finanziellen) Unzumutbarkeit kann die Übernahme der Bestattungskosten gemäß § 74 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) beim zuständigen Sozialhilfeträger beantragt werden. Eine Kostenübernahme seitens des Sozialhilfeträgers kann jedoch nur erfolgen, wenn der Betroffene zuvor seitens der Ordnungsbehörde nach Bestattungsrecht zur Kostentragung verpflichtet wurde.
c) Auch die Entscheidung der Beklagten, allein die Klägerin, nicht aber die möglicherweise existierende weitere Tochter des Verstorbenen oder dessen Schwester für die Kostenerstattung heranzuziehen, ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Grundsätzlich fällt die Entscheidung, welchen von mehreren Bestattungspflichtigen die Beklagte heranzieht, in deren weiten Ermessenspielraum. Grenzen ergeben sich lediglich durch das Willkürverbot und offenbare Unrichtigkeiten. Ausreichend ist deshalb, wenn die Wahl des Schuldners unter dem Gesichtspunkt der Verwaltungspraktikabilität geeignet und zweckmäßig erscheint (vgl. BVerwG, U.v. 22.1.1993 – 8 C 57/91 – NJW 1993, 1667; VG München, U.v. 30.9.2004 – M 10 K 04.2800 – juris Rn. 24). Nach § 15 Satz 2 BestV soll die Gemeinde die nach § 15 Satz 1 BestV verpflichteten Angehörigen unter Berücksichtigung des Grades der Verwandtschaft berücksichtigen. Die Vorgaben von § 15 Satz 2 BestV sind dabei nicht nur bei der Bestimmung des Bestattungspflichtigen nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BestG, sondern auch bei der Heranziehung des Bestattungspflichtigen zu den Kosten der Ersatzvornahme nach Art. 14 Abs. 2 Satz 2 BestG zu berücksichtigen. Auch bei der Geltendmachung der im Rahmen der Ersatzvornahme angefallenen Kosten soll die Gemeinde daher auf den Grad der Verwandtschaft abstellen.
Gegenüber der Schwester des Verstorbenen waren die zwei Kinder des Verstorbenen vorrangig. Hinsichtlich der weiteren Tochter des Verstorbenen wiederum konnten trotz entsprechender Ermittlungen keine näheren Angaben gefunden werden. Die Beklagte ist auch nicht verpflichtet, jede denkbare Ermittlung bzgl. weiterer Bestattungsverpflichteter anzustellen. Die Inanspruchnahme der der Beklagten bekannten Tochter des Verstorbenen ist unter dem Gesichtspunkt der Verwaltungspraktikabilität geeignet und zweckmäßig.
d) Auch die Höhe der geltend gemachten Kosten ist nicht zu beanstanden.
Die Klägerin ist gemäß Art. 14 Abs. 2 Satz 2 BestG zur Erstattung der notwendigen Kosten der Bestattung verpflichtet. Notwendige Kosten der Bestattung sind sämtliche Kosten der Beklagten, die diese zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BestG aufwenden musste, um eine angemessene Bestattung in einfacher, aber würdiger und ortsüblicher Form zu gewähren (vgl. VGH BadenWürttemberg, U.v. 25.9.2001 – 1 S 974/01 – juris; a.A. VGH Baden-Württemberg, U.v. 15.11.2007 – 1 S 2720/06 – juris). Der Kostenrahmen darf hierbei den in § 74 SGB XII vorgegebenen erstattungsfähigen Rahmen nicht überschreiten.
Die vorliegend festgesetzten Kosten sind angemessen. Die im Rahmen der Ersatzvornahme veranlasste provisorische Abholung vom Sterbeort beschränkte sich auf das Minimum, welches für eine ordentliche und würdevolle provisorische Abholung notwendig ist. Die erhobenen Kosten entsprachen den örtlichen Verhältnissen.
e) Die Beklagte hat ihren Erstattungsanspruch zudem noch vor Ablauf der Festsetzungsfrist nach Art. 71 AGBGB mit Ablauf des Jahres 2020 durch Erlass des der Klägerin am 16. Dezember 2020 zugestellten Bescheids festgesetzt.
2. Auch die in Nr. 2 des angefochtenen Bescheids ausgesprochene Verpflichtung der Klägerin, die für die Erteilung des Bescheides angefallenen Gebühren in Höhe von 50 EUR sowie die für die Postzustellung angefallenen Auslagen in Höhe von 2,49 EUR zu zahlen, ist rechtmäßig.
Rechtsgrundlage für die festgesetzten Gebühren sind §§ 1, 2 Abs. 1, 3 der städtischen Kostensatzung i.V. m. Art. 6 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 Kostengesetz. Rechtsgrundlage für die Erstattung der Auslagen sind §§ 1, 3 Abs. 2 Nr. 2 der Kostensatzung.
II. Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
III. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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