Arbeitsrecht

Betriebliche Altersversorgung: Dienstunfähigkeitsrente nur bei Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses

Aktenzeichen  5 Ca 1494/19

Datum:
28.11.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 47936
Gerichtsart:
ArbG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:
BetrAVG § 1
BGB § 305c Abs. 2, § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1
SGB V § 48 Abs. 1, § 49 Abs. 1 Nr. 1, § 50 Abs. 1

 

Leitsatz

Eine Regelung in den AVB einer vom Arbeitgeber im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung genommenen Rentenversicherung, die als allgemeine Leistungsvoraussetzung für den Anspruch des versicherten Arbeitnehmers auf eine Dienstunfähigkeitsrente die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses vorsieht, benachteiligt den Versicherten nicht unangemessen iSv § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB. (Rn. 17 und 18) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Das Versäumnisurteil vom 9.9.2019 wird aufrechterhalten, soweit die Klage gegen den Beklagten zu 2 nicht teilweise zurückgenommen wurde.
2. Die Klage gegen den Beklagten zu 3 wird abgewiesen.
3. Der Kläger trägt die weiteren Kosten des Rechtsstreits.
4. Der Streitwert wird auf € 3.589,52 festgesetzt.
5. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
I.
Der Einspruch gegen das Versäumnisurteil vom 9.9.2019 ist zulässig. Das Versäumnisurteil wurde dem Kläger am 9.9.2019 zugestellt, hiergegen hat er innerhalb der Wochenfrist des § 59 S. 1 ArbGG am 9.9.2019 form- und fristgemäß Einspruch erhoben.
II.
Die Klage ist unbegründet.
Der Kläger hat für den Zeitraum vom 1.4.2018 bis 28.2.2019 keinen Anspruch auf eine betriebliche Altersversorgung in Form einer Dienstunfähigkeitsrente, da die allgemeinen Leistungsvoraussetzungen nach § 5 Abs. 1 AKB PK Allgemein für diesen Zeitraum nicht vorliegen.
1. Nach § 5 Abs. 1 AKB PK Allgemein setzt der Anspruch auf Rentenleistungen voraus, dass das Beschäftigungsverhältnis beendet ist. Das Beschäftigungsverhältnis des Klägers endete mit Ablauf des 28.2.2019. Damit liegen die allgemeinen Leistungsvoraussetzungen im streitgegenständlichen Zeitraum, vom 1.4.2018 bis 28.2.2019, nicht vor.
2. Gegen die Wirksamkeit des § 5 Abs. 1 AKB PK Allgemein bestehen keine Bedenken. In diesem Zusammenhang kann dahinstehen, ob die Allgemeinen Versicherungsbedingungen eines Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit der AGB-Kontrolle unterliegen (vgl. BGH, Urt. v. 8.10.1997 – IV ZR 220/96, NJW 1998, 454), da die Regelung einer AGB-Kontrolle standhält:
a. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind – ausgehend vom Vertragswortlaut – nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von rechtsunkundigen, verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind (st. Rspr, BAG, Urt. v. 30.1.2019 – 5 AZR 43/18, NZA 2019, 768). Nach diesem Grundsatz ist die Regelung in § 5 Abs. 1 AKB PK Allgemein, die die Beendigung des Arbeitsverhältnisses als Voraussetzung für eine Leistung bestimmt, eindeutig. Zweifel bei der Auslegung, die nach § 305c Abs. 2 BGB zu Lasten des Verwenders gehen, bestehen nicht.
b. Ebenso ist die Klausel klar und verständlich i.S.d. § 307 Abs. 1 S. 2 BGB, sodass die Regelung dem Transparenzgebot entspricht und eine Unwirksamkeit nach § 307 Abs. 3 S. 2, Abs. 1 S. 2 i.V.m. Abs. 1 S. 1 BGB ausscheidet.
c. Die Klausel benachteiligt den Kläger auch nicht unangemessen i.S.d. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB enthält eine AGB-Klausel im Zweifel eine unangemessene Benachteiligung des Kunden, wenn sie von einer gesetzlichen Regelung abweicht und gleichzeitig mit wesentlichen Grundgedanken dieser Regelung nicht zu vereinbaren ist.
Die Regelung benachteiligt den Kläger nicht unangemessen. Durch die Regelung, dass die betriebliche Dienstunfähigkeitsrente erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu zahlen ist, wird sichergestellt, dass für die Arbeitnehmer nicht gleichzeitig Ansprüche auf Arbeitsvergütung und Ruhegeld erwachsen können. Wird ein Arbeitnehmer infolge Krankheit arbeitsunfähig, so erhält er Krankengeld, wenn die Ansprüche auf Vergütungsfortzahlung gegen den Arbeitgeber erschöpft sind (§§ 48 Abs. 1, 49 Abs. 1 Nr. 1 SGB V). Das Krankengeld hat Lohnersatzfunktion. Allerdings endet der Anspruch auf Krankengeld, wenn dem Arbeitnehmer eine Rente wegen voller Erwerbsminderung gewährt wird (§ 50 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB V). Indes werden dem Versicherten die Krankenbezüge belassen, soweit sie über den Eintritt der Erwerbsminderung hinaus gezahlt worden sind (§ 50 Abs. 1 S. 2 SGB V, vgl. insgesamt BAG, Urt. v. 05.06.1984 – 3 AZR 376/82, AP BetrAVG § 1 Invaliditätsrente Nr. 3). Die Kammer macht sich die dargestellte Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu eigen. Die Erwägungen des Bundesarbeitsgerichts lassen sich auf die Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB übertragen, sodass die streitgegenständliche Regelung keine unangemessene Benachteiligung des Klägers darstellt.
Darüber hinaus rechtfertigt sich das Abstellen auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses daraus, dass der Arbeitgeber nur in diesem Fall keinen Arbeitsplatz mehr bereithalten muss und sich nur in diesem Fall sicher sein kann, nicht erneut Ansprüchen des Klägers auf Arbeitsentgelt ausgesetzt zu sein (LAG Nürnberg, Urt. v. 29.4.2003 – 6 Sa 575/02, juris).
III.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.
IV.
Die Streitwertfestsetzung erfolgt gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG i.V.m. §§ 3 ff. ZPO.
Gegen dieses Urteil steht dem Kläger das Rechtsmittel der Berufung an das Landesarbeitsgericht München gemäß nachfolgender Rechtsbehelfsbelehrung zu.


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