Arbeitsrecht

Betriebliche Altersversorgung: Mehrfache Ablösung und Besitzstandsschutz

Aktenzeichen  6 Sa 518/15

Datum:
24.1.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 126242
Gerichtsart:
LArbG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:
BetrAVG § 2, § 16 Abs. 3 Nr. 1, § 30c

 

Leitsatz

1. Bei mehrfacher Ablösung von betrieblichen Altersversorgungssystemen ist ein Vergleich hinsichtlich des dynamisierten Besitzstandes jeweils nur mit der zuletzt geltenden Regelung anzustellen (vgl. LAG Nürnberg BeckRS 2016, 120927).  (Rn. 46 – 53) (red. LS Ulf Kortstock)
2. Verstößt eine Anpassungsregelung zur betrieblichen Altersversorgung gegen § 30c iVm § 16 Abs. 3 Nr. 1 BetrAVG, führt dies nur zur Anwendbarkeit der gesetzlichen Anpassungsregelung in § 19 BetrAVG (vgl. LAG Nürnberg BeckRS 2016, 120927). (Rn. 48) (red. LS Ulf Kortstock)

Verfahrensgang

2 Ca 904/14 2015-11-05 Endurteil ARBGWUERZBURG ArbG Würzburg

Tenor

1.Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Würzburg vom 05.11.2015, Az. 2 Ca 904/14, wird auf Kosten der Berufungsführerin zurückgewiesen. 
2.Die Revision wird zugelassen. 

Gründe

I.
Die Berufung ist zulässig.
Sie ist statthaft (§ 64 Abs. 1, Abs. 2 b ArbGG) und auch in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).
II.
Die Berufung ist sachlich nicht begründet.
Das Erstgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, da der Klägerin kein ergänzender Anspruch aus einer Betriebsrente für den streitgegenständlichen Zeitraum zusteht.
Es kann insoweit vollumfänglich auf die sehr sorgfältigen und umfangreichen Ausführungen in den Entscheidungsgründen des Ersturteils verwiesen werden und von einer rein wiederholenden Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden (§ 69 Abs. 2 ArbGG).
Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen sind lediglich noch folgende ergänzende Ausführungen veranlasst, wie dies ähnlich das Landesarbeitsgericht Nürnberg bereits in einem vergleichbaren Verfahren mit den gleichen Prozessbevollmächtigten getan hat (Az.: 5 Sa 434/15).
Nach Auffassung auch der erkennenden Kammer sind die jeweiligen Ablösungen der Versorgungsbestimmungen im Kalenderjahr 2002 sowie 2004 bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit jeweils getrennt zu betrachten.
Ausgehend von den zutreffenden Berechnungen der beklagten Partei betrug der Besitzstand aus der VO A… im Zeitpunkt der Ablösung 2002 bei einer statischen Betrachtung 6.504,66 € und bei einer in dieser Versorgungsordnung vorgesehenen Dynamisierung nach VPI 7.471,06 € pro Jahr. Für die von der Klägerin begehrte Anpassung der Grund- und Steigerungsbeträge ist eine Rechtsgrundlage nicht ersichtlich. Zu vergleichen ist zunächst der dynamische Besitzstand aus der VO A… mit der ab 01.02.2002 geltenden Versorgungsleistung, die sich zusammensetzt aus statischem Besitzstand der VO A… und der nunmehr hinzutretenden BV 2002. Diese Versorgungsleistung beträgt 9.480,77 € pro Jahr (vgl. Anlage BK4). Der dynamische Besitzstand aus der VO A… liegt demzufolge unter den Gesamtansprüchen, die sich aus der nunmehr geänderten Versorgungsordnung ergeben.
Bei dem anzustellenden Vergleich zwischen der VO A… und der ab dem 01.02.2002 geltenden Versorgungsregelung kann bei der Betrachtung dahingestellt bleiben, inwieweit die Regelung des § 19 in der BV 2002 gegen § 30 c i.V.m. § 16 Abs. 3 Nr. 1 BetrAVG verstößt. Die Unwirksamkeit dieser Regelung führt nicht insgesamt zu einer Unwirksamkeit der gesamten Betriebsvereinbarung. § 19 stellt lediglich eine Regelung zur Anpassung dar und ist nur eine von vielen Regelungen in der Betriebsvereinbarung. Der wesentliche Inhalt der Betriebsvereinbarung ist die Definition der Höhe, der Leistungsarten und Leistungsvoraussetzungen des Betriebsrentenanspruchs. Die BV 2002 wäre auch im Übrigen wirksam, wenn die Anpassungsregelung in § 19 unwirksam wäre. An deren Stelle würde dann die gesetzlich vorgesehene Anpassungsregel treten. In diesem Fall würde sich jedoch auch ergeben, dass der statische Besitzstand des Ehemannes der Klägerin zum Stichtag 31.12.2001 und der sich aus der BV 2002 ergebenden Versorgungsleistung höher wäre als der dynamisierte Besitzstand des Ehemannes der Klägerin aus der VO A…
Bezüglich der Problematik der Fortschreibung der Gehalts- und Einkommensbänder wird auf die zutreffenden Ausführungen des Erstgerichts hingewiesen. Dies gilt ebenso hinsichtlich der Ablösung der Betriebsvereinbarung durch eine Gesamtbetriebsvereinbarung.
Der Eingriff war insgesamt auch verhältnismäßig. Die Ablösung der VO A… führte zu einer Reduzierung der Versorgungslasten und zu einer besseren Planbarkeit der Kosten. Der Eingriff war eingebettet in ein Gesamtkonzept. Bei der Verteilung der Sanierungslasten haben die Betriebspartner einen Beurteilungsspielraum. Es ist nicht ersichtlich, dass dieser unverhältnismäßig angewendet worden wäre.
Es wird daher sowohl die Auffassung des Erstgerichts als auch die Auffassung der Beklagten geteilt, dass im Ergebnis die Leistungen aus der BV 2002 und dem statischen Besitzstand aus der VO A… über dem dynamischen Besitzstand der VO A… liegen und daher mit der BV 2002 nicht in die zweite Besitzstandsstufe des Ehemannes eingegriffen worden ist.
Das Erstgericht hat zutreffend ausgeführt, dass die GBV 2004 nicht in die zweite Besitzstandstufe der BV 2002 eingegriffen hat. Bei der BV 2002 handelt es sich um ein so genanntes „Bausteinsystem“, bei dem gemäß § 7 Abs. 1 der BV 2002 die Jahresbausteine festgelegt werden, die sodann aufaddiert werden. Die Systematik der Versorgungszusage sieht keine Dynamisierung der bereits erdienten Bausteine vor. Die in der Besitzstandsregelung des Nachtrages 1 der GBV 2004 vorgenommene Festschreibung des Besitzstandes der BV 2002 auf den Stand 31.12.2003 hat nicht zu einem Eingriff in eine von der weiteren Dienstzeit unabhängige, gehaltsabhängige erdiente Dynamik geführt. Das Erstgericht hat zutreffend ausgeführt, dass in der BV 2002 und der dort vorgesehenen Systematik keine Dynamisierung bereits erdienter endgehaltsabhängiger Anwartschaften enthalten ist.
Zutreffend ist auch die Auffassung der Beklagten, dass es für die Frage der Tiefe des Eingriffs nicht darauf ankommt, dass zunächst die VO A… und dann die BV 2002 abgelöst wurden. Maßstab für den Eingriff ist die jeweils abgelöste Versorgungszusage und nicht eine vorhergehende. Grenze mag hier treuwidriges Verhalten der Beklagten sein. Ein solches ist jedoch im streitgegenständlichen Fall nicht ersichtlich oder vorgetragen.
Die Entscheidung des Erstgerichts erweist sich damit als richtig. Die Berufung der Klägerin war daher zurückzuweisen.
III.
Die Klägerin hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).
In Bezug auf die in diesem Verfahren mehrfach vorliegende Ablösung und der zu erfolgenden Gesamtbetrachtung der einzelnen Rentenansprüche der Klägerin wird dem vorliegenden Rechtsstreit grundsätzliche Bedeutung beigemessen (§ 72 Abs. 2 Ziff. 1 ArbGG).


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