Arbeitsrecht

Britischer Staatsangehöriger, Feststellung des Verlusts des Rechts auf Einreise und Aufenthalt, Sozialleistungsbezug, Daueraufenthaltsrecht, Austritt des Vereinigten, Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen, Union, Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis (verneint), Sicherung des Lebensunterhalts (verneint)

Aktenzeichen  M 10 K 20.3378

Datum:
12.5.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 14438
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BrexitÜG § 1
Abkommen vom 31. Januar 2020 über den Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft
FreizügG/EU § 1 Abs. 1 Nr. 3
AufenthG § 25 Abs. 3, Abs. 5
AufenthG § 7 Abs. 1 S. 3
AufenthG § 5 Abs. 1 Nr. 1

 

Leitsatz

Tenor

I.Die Klage wird abgewiesen.
II.Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.  
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Gründe

Die Klage hat keinen Erfolg, da sie zum Teil unzulässig, zum Teil unbegründet ist.
1. Über die Klage kann trotz Ausbleibens der Klagepartei in der mündlichen Verhandlung gemäß § 102 Abs. 2 VwGO entschieden werden. Es ist davon auszugehen, dass die Klagepartei zum Termin ordnungsgemäß geladen worden ist. Mit der Ladung ist sie auf die Folgen des Ausbleibens hingewiesen worden.
Zwar ist trotz mehrfacher Aufforderung und Mahnung das Empfangsbekenntnis für den Termin seitens der Klägerbevollmächtigten nicht in Rücklauf geraten. Aber es steht angesichts des Terminsverlegungsgesuchs und des Telefonanrufs der Bevollmächtigten vom 12. Mai 2022 außer Frage, dass die Bevollmächtigte die Ladung erhalten hat. Es ist auch anzunehmen, dass die Ladungsfrist gewahrt worden ist. Die Ladung wurde am 23. März 2022 abgesandt und das Empfangsbekenntnis von der Beklagten am 28. März 2022 unterschrieben. Die Klägerbevollmächtigte hat im Übrigen die Rechtzeitigkeit der Ladung nicht bestritten.
Soweit die Bevollmächtigte des Klägers rügt, der Kläger sei zum Termin nicht persönlich geladen worden, geht dieser Einwand fehl. Ist – wie hier – ein Prozessbevollmächtigter bestellt, ist die Ladung gemäß § 67 Abs. 6 Satz 5 VwGO an ihn zu richten. Nur wenn – wie hier nicht – das persönliche Erscheinen angeordnet wurde, ist zusätzlich der Beteiligte unmittelbar zu laden.
2. Soweit die Klage gegen die Feststellung des Verlusts des Rechts auf Einreise und Aufenthalt des Klägers (Nr. 1 des Bescheids vom 23.6.2020) gerichtet ist, ist sie bereits unzulässig (geworden). Die insoweit erhobene Anfechtungsklage ist nicht mehr statthaft (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO). Aufgrund der Aufhebung von Nummer 1 des Bescheids vom 23. Juni 2020 durch die Beklagte in der mündlichen Verhandlung hat sich der den Kläger ursprünglich belastende Verwaltungsakt erledigt und ist daher nicht mehr wirksam. Die Beschwer des Klägers ist insoweit weggefallen. Mangels Anwesenheit der Klagepartei in der mündlichen Verhandlung konnte der Rechtsstreit insofern jedoch nicht in der Hauptsache für erledigt erklärt werden, so dass das Gericht auch diesbezüglich eine Entscheidung in der Sache zu treffen hat.
3. Soweit der Kläger in der Klageschrift vom 26. Juli 2020 sowie mit ebenso zu verstehendem Schriftsatz vom 15. September 2020 im Wege der Verpflichtungsklage in Form der Versagungsgegenklage (Nr. 2 des Bescheids vom 23.6.2020) die Erteilung eines Aufenthaltstitels begehrt, ist die Klage zwar zulässig, aber unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der Bescheid der Beklagten ist insoweit rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
a) Im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Gerichts, der bei einer Verpflichtungsklage für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblich ist, steht der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach dem Aufenthaltsgesetz nicht per se entgegen, dass das Aufenthaltsgesetz auf den Kläger nicht anwendbar wäre.
Durch die Aufhebung der Verlustfeststellung in Nummer 1 des streitgegenständlichen Bescheids lebt weder ein Freizügigkeitsrecht des britischen Klägers nach dem Freizügigkeitsgesetz/EU wieder auf noch kann sich der Kläger auf eine Rechtsstellung aus dem Abkommen vom 31. Januar 2020 über den Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft (Austrittsabkommen UK/EU) berufen; beides würde die Anwendbarkeit des Aufenthaltsgesetzes sperren.
aa) Der britische Kläger kann im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts nicht als Unionsbürger Rechte aus dem Freizügigkeitsgesetz/EU herleiten, § 1 Abs. 1 Nr. 1 FreizügG/EU. Durch den Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union (EU) am 31. Januar 2020 ist Großbritannien nach Ablauf des Übergangszeitraums zum 31. Dezember 2020 (§ 1 Brexit-Übergangsgesetz, Art. 126, 127 Abs. 1 Austrittsabkommen UK/EU) nicht mehr Mitgliedstaat der EU.
bb) Der britische Kläger kann sich auch nicht auf eine Rechtsstellung aus dem Austrittsabkommen UK/EU berufen, was grundsätzlich zur Anwendbarkeit des (das Austrittsabkommen UK/EU verfahrensmäßig flankierenden) Freizügigkeitsgesetzes/EU führen würde (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 FreizügG/EU).
Rechte aus dem Austrittsabkommen UK/EU haben seit 1. Januar 2021 nach dem hier alleine in Betracht kommenden Art. 10 Abs. 1b) Austrittsabkommen UK/EU nur britische Staatsangehörige, die ihr Recht auf Aufenthalt in einem Mitgliedstaat vor Ende des Übergangszeitraums (31.12.2020) im Einklang mit dem Unionsrecht ausgeübt haben und danach weiter dort wohnen. Dies setzt voraus, dass britische Staatsangehörige bis zum 31. Dezember 2020 als Unionsbürger freizügigkeitsberechtigt waren und von diesem Recht Gebrauch gemacht haben und auch weiter dort wohnen, sog. Alt-Briten (vgl. auch: Gerstner-Heck in Decker/Bader/Kothe, BeckOK Migrations- und Integrationsrecht, 11. Ed. 15.4.2022, § 1 FreizügG/EU Rn. 23 f.; Hailbronner, Ausländerrecht, 122. Aktualisierung Januar 2022, § 1 Rn. 126, § 16 Rn. 18 f.; Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, Anwendungshinweise zur Umsetzung des Austrittsabkommens Vereinigtes Königreich – Europäische Union, 29.4.2021, Nr. 3.1.1; Kurzidem in Kluth/Hornung/Koch, Handbuch Zuwanderungsrecht, 3. Aufl. 2020, § 6 Rn. 55). Hiervon erfasst ist jedes Aufenthaltsrecht, auch ein Daueraufenthaltsrecht, z.B. als Arbeitnehmer, Selbständiger oder nichterwerbstätige Person nach Maßgabe des Freizügigkeitsrechts (vgl. Hailbronner, a.a.O.).
Im vorliegenden Fall war der Kläger zum Ende des Übergangszeitraums am 31. Dezember 2020 nicht freizügigkeitsberechtigt, da er seit 19. Februar 2015 dauerhaft Sozialleistungen bezog und zuvor kein Daueraufenthaltsrecht erworben hatte.
(1) Der dauerhafte Sozialleistungsbezug steht zu diesem Stichtag der Annahme einer Freizügigkeitsberechtigung gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 bis Nr. 5 FreizügG/EU entgegen.
Es handelt sich insoweit auch um eine „unangemessene“ Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen. Zur Beurteilung dieser Frage ist eine Einzelfallprüfung erforderlich, bei der neben der Dauer des Aufenthalts, den persönlichen Umständen und dem gewährten Sozialhilfebetrag insbesondere zu berücksichtigen ist, ob es sich um vorübergehende Schwierigkeiten handelt (vgl. zu dieser Prüfung im Rahmen aufenthaltsbeendender Maßnahmen wegen Art. 18 EGV: EuGH, U.v. 20.9.2001 – C-184/99 – EuZW 2002, 52; U.v. 7.9.2004 – C-456/02 – NZA 2005, 757; s. zum Ganzen auch: Hailbronner in Dauses/Ludwigs, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, 55. EL Januar 2022, D I Rn. 152 ff.).
Hier ist von einer „unangemessenen“ Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen auszugehen. Der Kläger bezieht nicht nur vorübergehend Sozialleistungen in nicht unerheblicher Höhe (derzeit rund 1.000 EUR monatlich), da er nach seinen eigenen Angaben aufgrund seiner Erkrankungen bereits seit 2008 arbeitsunfähig ist und dies nunmehr – auch wegen seines Alters – bleiben wird. Er hat nach Aktenlage und nach seinem aktuellen Vortrag auch nie in die deutschen Sozialkassen eingezahlt. Da nicht abschließend geklärt ist, wie lange der Kläger bereits ununterbrochen in Deutschland lebt, kann dem Aspekt des Voraufenthalts im Rahmen dieser Einzelfallprüfung kein erhebliches Gewicht beigemessen werden. Zwar gibt es einige Indizien dafür, dass sich der Kläger bereits seit 1995 (jedenfalls immer wieder) in Deutschland aufgehalten hat (vgl. hierzu bereits die Ausführungen im Beschluss des Gerichts vom 20.4.2022, Rn. 38). Ein lückenloser Nachweis hierfür ist aber nicht erbracht worden. Hinzu kommen weitere Ungereimtheiten; beispielsweise wird im vorgelegten Attest vom 4. März 2020 ausgeführt, dass der Kläger in Namibia lebe. Im Schriftsatz vom 14. Juli 2021 wird dagegen erläutert, der Kläger habe nie in Afrika gelebt, sondern sich nur zu touristischen und ehrenamtlichen Zwecken bis zu 5 Monate jährlich dort aufgehalten. Eine weitere Sachaufklärung hierzu, insbesondere durch eine Befragung des Klägers, war dem Gericht mangels Erscheinen des Klägers in der mündlichen Verhandlung nicht möglich.
(2) Der Kläger hatte auch vor Beginn des Sozialleistungsbezugs kein Daueraufenthaltsrecht nach § 4a FreizügG/EU und damit keine Freizügigkeitsberechtigung nach § 2 Abs. 2 Nr. 7 FreizügG/EU erworben (vgl. hierzu bereits die Darstellung im Beschluss des Gerichts vom 20.4.2022, Rn. 39 ff.). Soweit die Bevollmächtigte des Klägers hierzu im Schriftsatz vom 10. Mai 2022 (klarstellend) ausführt, dass der Kläger in Deutschland von seinem Vermögen gelebt habe und die bisherige Widersprüchlichkeit im Sachvortrag auf Verständigungsschwierigkeiten mit dem Kläger zurückzuführen sei, ändert dies an der rechtlichen Bewertung nichts. Denn der Kläger hat ein insofern in Betracht kommendes Daueraufenthaltsrecht aufgrund der Freizügigkeit als nicht Erwerbstätiger nach § 2 Abs. 2 Nr. 5, § 4 Satz 1 FreizügG/EU nicht lückenlos für einen Zeitraum von 5 Jahren nachgewiesen. Nach Angaben der Klagepartei können Belege hierfür, insbesondere weitere Kontoauszüge oder Nachweise über einen Krankenversicherungsschutz, dem Gericht auch nicht mehr übermittelt werden, da diese vernichtet worden seien. Vor diesem Hintergrund war eine Verlängerung der für die Vorlage dieser Unterlagen gesetzten Frist nach § 87b Abs. 2 VwGO auch nicht geboten. Da der Kläger in der mündlichen Verhandlung nicht erschienen ist, war dem Gericht im Übrigen eine weitere Sachaufklärung hierzu nicht möglich.
cc) Auch anderweitig ist eine Regelung im Auftrittsabkommen UK/EU, die dem Kläger Rechte gewähren könnte, weder vorgetragen noch ersichtlich.
dd) Angesichts dessen findet nunmehr das Aufenthaltsgesetz auf den britischen Kläger Anwendung.
b) Der Kläger hat jedoch keinen Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach dem Aufenthaltsgesetz.
aa) Ein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels wegen der Erkrankungen des Klägers ergibt sich bereits tatbestandlich nicht aus § 25 Abs. 3 Satz 1 (i.V.m. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG) oder § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG.
Soweit die vorgelegten ärztlichen Unterlagen älter als zwei Jahre sind, erfüllen sie bereits deswegen nicht die zum Nachweis einer Erkrankung erforderlichen Anforderungen an eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 2 i.V.m. § 60a Abs. 2c Satz 2 und Satz 3 AufenthG, da sie nicht mehr aktuell sind (vgl. BayVGH, U.v. 7.6.2021 – 13a B 21.30342 – juris Rn. 53).
Im Übrigen genügen die (aktuelleren) Atteste vom 12. August 2020 und 13. Juli 2021 diesen Anforderungen nicht, weil es an einer fundierten und substantiierten Darlegung der in § 60a Abs. 2c Satz 2 und Satz 3 AufenthG genannten Erfordernisse mangelt. Aus den übrigen übersandten Attesten (vom 24.6.2020, 7.7.2020, 6.7.2020, 17.9.2020, 26.4.2022) kann jedenfalls eine schwerwiegende oder lebensbedrohliche Erkrankung, die sich alsbald nach der Abschiebung wesentlich verschlechtern würde (§ 60 Abs. 7 Satz 1, Satz 3 AufenthG), oder eine Reiseunfähigkeit nicht in substantiierter Weise abgeleitet werden. Insbesondere genügt es nicht, wenn in einem ärztlichen Attest zahlreiche, auch erhebliche Vordiagnosen zwar aufgezählt sind, es im Weiteren aber (nur) um die Behandlung eines aktuell diagnostizierten Hustens geht (Attest vom 24.6.2020).
Soweit die Bevollmächtigte zur Vorlage aktueller Atteste die Verlängerung der Frist nach § 87b Abs. 2 VwGO begehrt, war eine solche Verlängerung nicht geboten, da diese Frist nicht für die Vorlage von Attesten, sondern von Unterlagen, die das Bestehen eines Daueraufenthaltsrechts belegen, gesetzt worden ist. Unabhängig davon war eine weitere Sachaufklärung hierzu, ggf. unter Nachlass einer Schriftsatzfrist zur Vorlage weiterer Atteste, nicht erforderlich, da es auf das Vorliegen der Erkrankungen des Klägers nicht entscheidungserheblich ankommt.
Die geltend gemachten Erkrankungen des Klägers unterstellt, ist mit der Beklagten jedenfalls davon auszugehen, dass alle Krankheiten des Klägers auch in Großbritannien behandelbar sind. Es ist ferner anzunehmen, dass der Kläger auch als Erwerbsloser in Großbritannien Zugang zu medizinischer Versorgung hat, da das öffentliche Krankenversicherungssystem kostenlos vom National Health Service (NHS) zur Verfügung gestellt wird (vgl.: EuGH, U.v. 10.3.2022 – C-247/20 – juris Rn. 68). Der NHS wird weitgehend aus dem Budget des Gesundheitsministeriums und damit aus Steuergeldern finanziert. Jeder in Großbritannien wohnhaften Person wird medizinische Versorgung im primären (Hausarzt) und sekundären Bereich (Krankenhäuser) garantiert (vgl. hierzu: https://de.wikipedia.org/wiki/National_Health_Service – abgerufen am 12.5.2022). Jedenfalls würde dem Kläger als britischem Staatsbürger in Großbritannien ein Anspruch auf Sozialhilfe zustehen, über den auch die Behandlung seiner Erkrankungen finanzierbar wäre.
bb) Zudem scheidet ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 7 Abs. 1 Satz 3 AufenthG, nach dem in begründeten Fällen eine Aufenthaltserlaubnis auch für einen vom Aufenthaltsgesetz nicht vorgesehenen Aufenthaltszweck erteilt werden kann, tatbestandlich aus. Ein derartiger begründeter Fall ist hier weder erkennbar noch vorgetragen. Insbesondere kann ein solcher nicht aus den behaupteten Erkrankungen hergeleitet werden, da das Aufenthaltsgesetz gerade die Möglichkeit vorsieht, dass bei Erkrankungen eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden kann (s.o.) und die speziellen Anforderungen dieser Vorschriften ansonsten unterlaufen würden. Auch der geltend gemachte lange Voraufenthalt des Klägers reicht für sich genommen nicht, um einen besonderen Fall im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 3 AufenthG zu begründen, zumal dieser Sachverhalt nicht ausreichend belegt ist (s.o.).
Jedenfalls steht der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 7 Abs. 1 Satz 3 AufenthG entgegen, dass der Lebensunterhalt des Klägers nicht gesichert ist (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG). Anhaltspunkte dafür, dass aufgrund einer atypischen Fallgestaltung hiervon abgewichen werden könnte, sind weder geltend gemacht noch ersichtlich. Es ist vorliegend nicht anzunehmen, dass es unzumutbar wäre, an der Regelerteilungsvoraussetzung festzuhalten. Dies könnte insbesondere aus – hier nicht einschlägigen – Gründen höherrangigen Rechts, etwa im Hinblick auf Art. 6 Grundgesetz oder auf Art. 8 EMRK, geboten sein. Alter, Krankheit oder langer Voraufenthalt sind dabei per se keine Argumente (vgl. hierzu: BayVGH, B.v. 22.3.2021 – 10 CS 20.2358 – juris Rn. 28; Maor in Kluth/Heusch, BeckOK Ausländerrecht, 32. Ed. 1.1.2022, § 5 AufenthG Rn. 20 ff. m.w.N.).
cc) In diesem Kontext kann offenbleiben, ob der Kläger – wie die Klagepartei geltend macht – auch die österreichische und/oder ungarische Staatsangehörigkeit hat. Denn wenn dies der Fall wäre, hätte der Kläger bereits deswegen keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach dem Aufenthaltsgesetz, weil das Aufenthaltsgesetz auf Unionsbürger keine Anwendung findet.
4. Soweit die Bevollmächtigte des Klägers mit Schriftsatz vom 2. September 2020 die Feststellung begehrt, dass der Kläger sein Freizügigkeitsrecht nicht verloren habe, ist die Klage unzulässig. Diese Feststellungsklage ist subsidiär zur ebenso erhobenen Anfechtungsklage gegen die Verlustfeststellung (§ 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO).
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung fußt auf § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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