Arbeitsrecht

Bundesbeamtenrecht, Sonderurlaub, Wohnortwechsel aus dienstlichem Anlass, Versetzungsbedingter Umzug, Arbeitszeit, Erholungsurlaub, Wichtiger Grund für Aufhebung des genehmigten Erholungsurlaubs, Nachträgliche Umwandlung in Sonderurlaub

Aktenzeichen  6 ZB 21.873

Datum:
24.2.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 4467
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
SUrlV § 19 Abs. 1 Nr. 1
SUrlV § 3 Nr. 1
EUrlV § 8 Abs. 2

 

Leitsatz

Verfahrensgang

W 1 K 20.2090 2021-02-12 Urt VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I. Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 12. Februar 2021 – W 1 K 20.2090 – wird abgelehnt.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe

Der Antrag der Beklagten, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zuzulassen, ist unbegründet. Die innerhalb der Darlegungsfrist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO liegen nicht vor (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).
1. Der Kläger, ein Beamter im Dienst der Beklagten, war zum 1. März 2020 unter Zusage der Umzugskostenvergütung versetzt worden. Er hatte im März 2020 Erholungsurlaub für den Zeitraum vom 6. bis 10. Juli 2020 beantragt, der ihm bewilligt worden war. Am 26. Juni 2020 beantragte er bei seiner Beschäftigungsdienststelle die Gewährung von Sonderurlaub für den 7. und 8. Juli 2020 mit der Begründung, es habe sich kurzfristig dieser Termin für den versetzungsbedingten Umzug ergeben. Das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr lehnte den Antrag mit Bescheid vom 16. Juli 2020 ab und führte zur Begründung aus, der Sonderurlaub dürfe wegen § 3 Nr. 1 SUrlV nicht gewährt werden, weil der Umzug außerhalb der Arbeitszeit, nämlich während des bereits genehmigten Erholungsurlaubs, habe durchgeführt werden können. Der Widerspruch des Klägers blieb ohne Erfolg.
Das vom Kläger daraufhin angerufene Verwaltungsgericht hat die Beklagte mit dem angegriffenen Urteil vom 12. Februar 2021 unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide verpflichtet, den für den 7. und 8. Juli 2020 gewährten Erholungsurlaub nachträglich zu widerrufen, für diese beiden Tage nachträglich Sonderurlaub zu gewähren und dem Kläger zwei Tage Erholungsurlaub gutzuschreiben.
2. Die von der Beklagten gegen das erstinstanzliche Urteil vorgebrachten Zulassungsgründe, auf deren Prüfung der Senat beschränkt ist (§ 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO), rechtfertigen nicht die Zulassung der Berufung nach § 124 Abs. 2 VwGO.
a) An der Richtigkeit des angegriffenen Urteils bestehen keine ernstlichen Zweifel im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
Dieser Zulassungsgrund wäre begründet, wenn vom Rechtsmittelführer ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt würde (vgl. BVerfG, B.v. 23.6.2000 – 1 BvR 830/00 – NVwZ 2000, 1163/1164; B.v. 23.3.2007 – 1 BvR 2228/02 – BayVBl 2007, 624). Das ist nicht der Fall. Der Zulassungsantrag hält den entscheidungstragenden Erwägungen im erstinstanzlichen Urteil nichts Stichhaltiges entgegen, das Zweifel an seiner Richtigkeit begründet und weiterer Prüfung in einem Berufungsverfahren bedarf.
Gemäß § 19 Abs. 1 Nr. 1 SUrlV ist für einen Wohnortwechsel aus dienstlichem Anlass Sonderurlaub im Umfang von zwei Arbeitstagen zu gewähren. Es steht außer Streit, dass diese besonderen Voraussetzungen wegen des versetzungsbedingten Umzugs des Klägers am 7. und 8. Juli 2020 erfüllt waren. Die Gewährung von Sonderurlaub scheitert entgegen der Ansicht der Beklagten auch nicht an der allgemeinen Voraussetzung des § 3 Nr. 1 SUrlV, wonach Sonderurlaub nur gewährt wird, wenn der Anlass, für den Sonderurlaub beantragt wurde, nicht außerhalb der Arbeitszeit wahrgenommen werden kann. Daraus folgt zwar, dass die Gewährung von Sonderurlaub nur in Betracht kommt, wenn der Anlass für Sonderurlaub, hier also der Umzug, und die – individuelle – Arbeitszeit miteinander kollidieren; an einer solchen Kollisionslage fehlt es etwa, wenn der Beamte sich im Erholungsurlaub befindet und deshalb keinen beamtenrechtlichen Dienst zu leisten hat (vgl. OVG Koblenz, U.v. 22.5.1985 – 2 A 1/85 – NVwZ 1986, 775 zur Vorgängervorschrift). In der vorliegenden Fallgestaltung ist jedoch gleichwohl von einer Kollision auszugehen. Denn das Verwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass dem Kläger nach § 8 Abs. 2 EUrlV ein Anspruch auf Aufhebung (Widerruf) des genehmigten Erholungsurlaubs an den beiden in Rede stehenden Umzugstagen zustand, und dass er rechtzeitig einen entsprechenden Antrag gestellt hat, weshalb die Beklagte verpflichtet ist, nachträglich den Erholungsin Sonderurlaub zu ändern.
Wenn der Beamte aus wichtigen Gründen den (Erholung-)Urlaub hinauszuschieben oder abzubrechen wünscht, ist gemäß § 8 Abs. 2 EUrlV diesem Wunsch zu entsprechen, wenn dies mit den Erfordernissen des Dienstes vereinbar ist und die Arbeitskraft des Beamten dadurch nicht gefährdet wird. Sämtliche Voraussetzungen waren zugunsten des Klägers erfüllt. Dabei kann dahinstehen, ob es – wie das Verwaltungsrecht im Anschluss an das Verwaltungsgericht Greifswald (U.v. 22.11.2018 – 6 A 1594/17 HGW) meint – zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen zwischen Sonderurlaubs- und Erholungsurlaubsverordnung eine Regel gibt, nach der grundsätzlich in jedem sonderurlaubsbegründenden Anlass auch ein wichtiger Grund für eine Aufhebung oder Änderung des Erholungsurlaubs zu sehen sei. Entscheidungserheblich ist allein die Frage, ob im konkreten Einzelfall der vom Kläger durchgeführte versetzungsbedingte Umzug einen wichtigen Grund im Sinn von § 8 Abs. 2 EUrlV darstellt. Das ist unzweifelhaft der Fall. Der Wohnortwechsel ist nicht allein „Privatsache“ des Klägers, sondern durch seine Versetzung dienstlich veranlasst. Ein solcher Umzug steht, wie das Verwaltungsgericht zutreffend angenommen hat, wegen seines dienstlichen Anlasses dem Zweck des Erholungsurlaubs entgegen, Raum zur persönlichen Lebensgestaltung zu geben und es zu ermöglichen, sich zu erholen und über einen Zeitraum für Entspannung und Freizeit zu verfügen. Der Termin für den Umzug war bei frühzeitiger Beantragung des Erholungsurlaubs nicht vorhersehbar. Dass sich der Kläger für den vom Umzugsunternehmen angebotenen frühestmöglichen Termin entschieden und den Umzug damit selbst in die Zeit seines bereits genehmigten Erholungsurlaubs gelegt hat, steht der Annahme eines wichtigen Grundes nicht entgegen, zumal ein Hinausschieben den dienstlichen Interessen zuwidergelaufen wäre (etwa Fortzahlung von Trennungsgeld) und nichts am Bestehen eines Anspruchs auf Sonderurlaub nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 SUrlV geändert hätte. Auch die weiteren Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 EUrlV für eine Aufhebung oder Änderung des genehmigten Erholungsurlaubs lagen vor. Die Beklagte selbst zieht nicht in Zweifel, dass dies mit den Erfordernissen des Dienstes vereinbar war und die Arbeitskraft des Klägers dadurch nicht gefährdet worden ist.
Dem Kläger kann auch nicht entgegengehalten werden, an den beiden Umzugstagen 7. und 8. Juli 2020 sei nach wie vor formal Erholungsurlaub genehmigt gewesen und für eine rückwirkende Aufhebung und Änderung in Sonderurlaub kein Raum. Da dem Kläger nach § 8 Abs. 2 EUrlV ein – gebundener – Rechtsanspruch auf Sonderurlaub zugestanden hat („so ist dem Wunsche zu entsprechen“) und er die Aufhebung des Erholungsurlaubs rechtzeitig beantragt hatte, muss sich der Dienstherr so behandeln lassen, als hätte er rechtzeitig und rechtmäßig über diesen Antrag entschieden.
b) Die Rechtssache hat nicht die ihr von der Beklagten beigemessene grundsätzliche Bedeutung im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.
Der Zulassungsantrag wirft als grundsätzlich bedeutsam die Rechtsfragen auf, inwiefern § 3 Nr. 1 SUrlV dem Anspruch auf Sonderurlaub entgegensteht, wenn für den in Rede stehenden Zeitraum bereits genehmigter Erholungsurlaub vorliegt, und inwieweit in jedem einen Sonderurlaub begründenden Anlass zugleich ein wichtiger Grund für einen Widerruf des Erholungsurlaubs nach § 8 Abs. 2 EUrlV zu sehen ist.
Beide Fragen sind nicht entscheidungserheblich. Die letztgenannte Frage unterstellt einen Rechtssatz, den das Verwaltungsgericht in dieser Allgemeinheit und Ausschließlichkeit nicht aufgestellt hat und der zudem in einem Berufungsverfahren nicht entscheidungserheblich wäre, weil es nicht um „jeden einen Sonderurlaub begründenden Anlass“ geht, sondern allein um den versetzungsbedingten Umzug des Klägers. Die erstgenannte Frage stellt sich deshalb nicht, weil ein (gebundener) Anspruch auf Aufhebung des genehmigten Erholungsurlaubs bestand und die Beklagte sich deshalb so behandeln lassen muss als hätte sie den genehmigten Urlaub aufgehoben.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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