Arbeitsrecht

Dienstliche Beurteilung

Aktenzeichen  3 Sa 322/19

Datum:
24.10.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 36039
Gerichtsart:
LArbG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4
LlbG Art. 5 Abs. 2
KLDO § 8 Abs. 1 S. 4
ZPO§ 253 Abs. 2 Nr. 2, § 519, § 520
BGB § 241 Abs. 2,§ 611 Abs. 1
ArbGG § 64 Abs. 6, § 66 Abs. 1, § 72 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Der Berurteilungsbeitrag einer ausscheidenden Schulleiterin ist schriftlich zu dokumentieren, wenn er in eine spätere periodische Beurteilung einer Lehrkraft einfließen soll.
2. Geben die anzuwendenden Beurteilungsrichtlinien vor, dass Unterrichtsbesuche des beurteilenden Schulleiters im Unterricht der Lehrkraft mehrmals über den Beurteilungszeitraum verteilt erfolgen “sollen”, so besteht ein Ermessen hinsichtlich der Häufigkeit und Lage der Besuche, das nicht gewahrt ist, wenn lediglich 2 Unterrichtsbesuche in den letzten 6 Wochen der Beurteilungsperiode stattfinden.
3. Ein Verfahrensfehler ist beachtlich, wenn er sich auf das Beurteilungsergebnis auswirken kann.

Verfahrensgang

9 Ca 1861718 — ARBGREGENSBURG ArbG Regensburg

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Regensburg vom 13.03.2019 – 9 Ca 1861/18 – wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.
I.
Die nach § 64 Abs. 2 lit. b) ArbGG statthafte Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. §§ 519, 520 ZPO, und damit zulässig.
II.
Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das Arbeitsgericht Regensburg hat die Beklagte zu Recht verurteilt, die Klägerin unter Beachtung der Rechtauffassung des Gerichts für den Zeitraum 01.01.2015 bis 31.12.2017 neu zu beurteilen, §§ 611 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB  i. V.m. Anlage D Ziff. 4.2.1 ABD.
1. Der im Berufungsverfahren allein zur Entscheidung anstehende Hilfsantrag ist hin reichend bestimmt im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Aus dem Antrag muss sich nicht ergeben, in welcher Weise die angegriffene Beurteilung geändert werden soll. Der Arbeitnehmer hat einen einheitlichen Anspruch auf fehlerfreie Beurteilung. Der Streitgegenstand ist rechtlich nicht teilbar. Der Anspruch ist deshalb erst erfüllt, wenn die gesamte Beurteilung rechtlich nicht zu beanstanden ist (vgl. BAG, Urteil vom 18.08.2009 – 9 AZR 617/08 – Rn. 24).
2. Der Hilfsantrag ist begründet. Die Klägerin kann eine neue periodische Beurteilung verlangen, §§ 611 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB i.V.m. Anlage D Ziff. 4.2.1 ABD.
a) Dienstliche Beurteilungen, die grundsätzlich zulässig sind, können nur darauf kontrolliert werden, ob der Beurteiler allgemeine Beurteilungsmaßstäbe beachtet, alle wesentlichen Umstände berücksichtigt und ein fehlerfreies Verfahren eingehalten hat (vgl. BAG, Urteil vom 18.08.2009 – 9 AZR 617/08 – Rn. 33).
Hat der Arbeitgeber Richtlinien über dienstliche Beurteilungen erlassen, sind die Beurteiler bei der Anwendung der Richtlinien nach dem Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) hinsichtlich des anzuwendenden Verfahrens und der anzulegenden Maßstäbe an die Richtlinien gebunden. In diesem Fall hat das Gericht auch zu prüfen, ob die Anforderungen der Richtlinien, die mit den gesetzlichen Vorschriften im Einklang stehen müssen, eingehalten sind. (vgl. BAG, Urteil vom 18.08.2009 – 9 AZR 617/08 – Rn. 34). Es liegt dann ein beachtlicher Verfahrensfehler und keine sanktionslose Verletzung einer bloßen Ordnungsvorschrift vor, wenn sich der Mangel auf das Beurteilungsergebnis auswirken kann (vgl. BAG, Urteil vom 18.11.2008 – 9 AZR 865/07 – Rn. 16 und 26). In diesem Fall kann der Arbeitnehmer verlangen, dass eine neue rechtsfehlerfreie Beurteilung erstellt wird (vgl. BAG, Urteil vom 18.08.2009 – 9 AZR 617/08 – Rn. 34).
Im Übrigen richtet sich die Kontrolldichte durch die Gerichte danach, wie die Beurteilung durch den Arbeitgeber begründet wird. Werde Einzelvorkommnisse konkret benannt, ist der Sachverhalt voll zu überprüfen. Stützt sich die Beurteilung auf allgemein gehaltene Tatsachenbehauptungen, hat der Arbeitgeber sie auf Verlangen des Arbeitnehmers zu konkretisieren, also plausibel zu machen. Das Gericht kontrolliert dann uneingeschränkt, ob der Arbeitgeber von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen ist. Stützt der Arbeitgeber die dienstliche Beurteilung auf reine Werturteile, muss der Arbeitgeber keine einzelnen Tatsachen vortragen und beweisen, die den Werturteilen zugrunde liegen. Reine Werturteile beruhen nicht auf konkreten einzelnen Vorgängen und lassen auch aus dem Zusammenhang der Aussage nicht in einer dem Beweis zugänglichen Weise erkennen, auf welcher bestimmten Tatsachengrundlage sie beruhen (vgl. BAG, Urteil vom 18.08.2009 – 9 AZR 617/08 – Rn. 44 m.w.N.). Beruhen die Werturteile hingegen auf einem Tatsachenkern, muss dieser Tatsachenkern zumindest nachvollziehbar begründet werden (vgl. Groeger, Arbeitsrecht im öffentlichen Dienst, 2. Aufl. 2014 Teil 3 H Rn. 9 unter Bezug auf BAG, Urteil vom 18.08.2009 – 9 AZR 617/08 – (wohl Rn. 51)). Werden diese Vorgaben beachtet, gewährleistet die allgemeine Verwaltungspraxis im Beurteilungswesen – Bekanntgabe der Beurteilung, Besprechung und Möglichkeit, die Änderung oder Konkretisierung von pauschalen Tatsachenbehauptungen zu verlangen – grundsätzlich ausreichenden Grundrechtsschutz im Sinne von Art. 19 Abs. 4 GG (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29.05.2002 – 2 BvR 723/99 -).
b) Gemessen an diesen Grundsätzen, denen sich die erkennende Kammer anschließt, hat die Klägerin Anspruch auf fehlerfreie Neuerteilung ihrer periodischen Beurteilung.
aa) Die Beklagte hat bei der Erstellung der streitgegenständlichen dienstlichen Beurteilung vom 25.07.2018 das nach Anlage D ABD vorgesehene Verfahren zur dienstlichen Beurteilung und Leistungsfeststellung der Lehrkräfte, Schulleiterinnen und Schulleiter an katholischen Schulen nicht eingehalten.
(1) Das Arbeitsgericht hat zu Recht festgestellt, dass es an mehrfachen, sich über den gesamten Beurteilungszeitraum 01.01.2015 – 31.07.2017 erstreckenden Beobachtungen im Sinne der Anlage D Ziff. 1.1.2 ABD fehlt.
(a) Für den Beurteilungszeitraum 01.01.2015 – 31.07.2016 hätte es eines schriftlichen Beurteilungsbeitrags durch die damalige Schulleiterin Frau F. bedurft. Es genügt insoweit nicht, dass die frühere Schulleiterin Frau F. ihrem Nachfolger Herrn G. in mehreren Gesprächen mitgeteilt haben soll, dass sich die Leistungen der Klägerin seit Anfang Januar 2015 bis zum Ende des Schuljahres 2015/2016 notenmäßig im Vergleich zur vorangegangenen Beurteilung nicht verändert hätten. Zwar galt unstreitig im Beurteilungszeitraum noch nicht Anlage D Ziff. 4.6 a) ABD, wonach im Fall des Schulwechsels die Schulleiterin ihrem Nachfolger aussagekräftige Unterlagen zu übergeben hat, die die Erstellung einer ordnungsgemäßen dienstlichen Beurteilung einer Lehrkraft ermöglichen. Die Pflicht zur schriftlichen Dokumentation eines Beurteilungsbeitrags folgt jedoch aus Art. 19 Abs. 4 GG, der verhindern soll, dass der gerichtliche Rechtsschutz in Bezug auf Leistungsbewertungen vereitelt oder unzumutbar erschwert wird (vgl. BAG, Urteil vom 21.01.2003 – 9 AZR 72/02 – unter II.2.a) bb) der Gründe). Dies wäre aber dann der Fall, wenn die Lehrkraft keine oder nur eine lückenhafte Kenntnis über die Beurteilungsgrundlagen hätte. Sie könnte nicht sachgerecht darüber entscheiden, ob sie die Beurteilung hinnehmen oder ggf. gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch nehmen soll. Eine Dokumentation stellt darüber hinaus sicher, dass die Bewertungsgrundlagen dem Beurteiler vollständig zur Kenntnis gelangen, und dient dem Schutz des Beurteilers vor Erinnerungslücken. Dementsprechend sieht Anlage D Ziff. 4.1.3 a.E. ABD ein Recht der Lehrkraft auf Einsichtnahme in die sie betreffenden, der beurteilenden Person zugeleiteten Beurteilungsbeiträge von stellvertretenden Schulleitern, Fachbetreuern und anderen Personen vor. Erst Recht muss dies für den Beurteilungsbeitrag einer Schulleiterin gelten, die in Ruhestand versetzt wird. Die schriftliche Dokumentation des Beurteilungsbeitrags einer später ausscheidenden Schulleiterin ist auch im Hinblick auf die besondere Bedeutung der periodischen Beurteilung geboten. Die periodische Beurteilung stellt nach Anlage D Ziff. 1.1.2 ABD „eine wesentliche Grundlage der Auswahlentscheidungen über die dienstliche Verwendung und das berufliche Fortkommen der Lehrkräfte unter Verwirklichung des Leistungsgrundsatzes dar. Die streitgegenständliche periodische Beurteilung wird dabei nur in bestimmten Fällen von der Anlassbeurteilung verdrängt (vgl. Anlage D Ziff. 4.5.1 ABD) (vgl. auch BAG, Urteil vom 24.01.2007 – 4 AZR 629/06 – Rn. 43).
Die seitens der Beklagten zitierte Entscheidung des VGH München vom 07.05.2014 – 3 BV 12.2594 – rechtfertigt keine andere Bewertung. Danach ist der Beurteiler berechtigt, sich die erforderlichen Kenntnisse über Eignung, Befähigung und fachliche Leistung des zu beurteilenden Beamten auch durch mündliche Berichte Dritter zu verschaffen (vgl. Rn. 31). Frau F. war im Zeitraum 01.01.2015 – 31.07.2016 indessen Beurteiler und nicht Dritter. Im Übrigen ist diese Entscheidung unter dem Vorbehalt getroffen worden, dass nicht durch Rechtsvorschriften oder Beurteilungsrichtlinien Näheres bzw. Anderes bestimmt ist. Eine solche anderweitige Bestimmung liegt im Hinblick darauf, dass der Beurteilungsbeitrag einer stellvertretenden Schulleiterin bzw. eines Fachbetreuers schriftlich zu erfolgen hat, weil nur dann eine Einsichtnahme durch die Lehrkraft möglich ist, Anlage D Ziff. 4.1.3 a.E. ABD, vor.
Im Übrigen ist es nicht nachvollziehbar und unter Gleichheitsgesichtspunkten zweifelhaft, dass nach dem Vortrag der Beklagten nur bei denjenigen Lehrern auf eine schriftliche Dokumentation verzichtet wurde, bei denen keine Veränderungen hinsichtlich der Leistungen ersichtlich gewesen seien und deren Beurteilungen erst Ende 2017 anstanden hätten. Gerade wenn die Beurteilung erst in 1,5 Jahren ansteht, hätte es nahegelegen, den Beurteilungsbeitrag der bisherigen Schulleiterin zu dokumentieren. Gründe für die Differenzierung der Dokumentationspflicht in Bezug auf diese verschiedenen Lehrkraftgruppen hat die Beklagte nicht vorgetragen und sind auch nicht ersichtlich.
Schließlich hat die Beklagte den mündlichen Beurteilungsbeitrag der Frau F. nicht ausreichend dargelegt. Die Klägerin hat insoweit zu Recht darauf hingewiesen, dass die Aussage, „die Leistungen der Klägerin“ hätten sich notenmäßig im Vergleich zur vorangegangenen Beurteilung nicht verändert, nicht erkennen lässt, welche Leistung gemeint ist. Es fehlt auch jede Angabe dazu, wann ein Gespräch oder die Gespräche mit Frau F. stattgefunden haben.
(b) Die Unterrichtsbesuche des Schulleiters G. am 15.11.2017 und 07.12.2017 genügen ebenfalls nicht dem Erfordernis der mehrfachen, sich über den gesamten Beurteilungszeitraum erstreckenden Beobachtungen im Sinne der Anlage D Ziff. 1.2.1 ABD. Diese Regelung wird in Bezug auf die Unterrichtsbesuche durch Anlage D Ziff. 4.1.1 ABD konkretisiert. Danach „sollen“ Unterrichtsbesuche mehrmals – über den Beurteilungszeitraum verteilt – erfolgen. Selbst wenn der Beklagten hinsichtlich der Häufigkeit und des Zeitpunkts der Unterrichtsbesuche ein Einschätzungsspielraum verbleibt, weil es sich bei der genannten Regelung lediglich um eine Soll-Vorschrift handelt, so sind die Grenzen ihres Ermessens mit zwei Unterrichtsbesuchen sechs Wochen vor Ende des Beurteilungszeitraums überschritten. Eine Verteilung über den Beurteilungszeitraum 01.01.2015 – 31.12.2017 liegt mit diesen Besuchen nicht vor. Der zweimalige Besuch von Unterrichtsstunden am Ende des Beurteilungszeitraums widerspricht Anlage D Ziff. 1.2.2 ABD. Danach ist zu vermeiden, dass erstmals zum Ende des Beurteilungszeitraums Mängel angesprochen werden. Sie sind ggf. rechtzeitig anzusprechen und Möglichkeiten zur Abhilfe aufzuzeigen, damit die Mängel abgestellt werden können. Auch ist das diesbezüglich Veranlasste zu dokumentieren. Das Argument, die Klägerin sei schon seit 2003 im Dienst, so dass nach einer Dienstzeit von 15 Jahren das Steigerungspotenzial erfahrungsgemäß geringer und (große) Leistungssprünge seltener seien, verfängt nicht. Die Beurteilungsrichtlinien nehmen langjährig beschäftigte Lehrkräfte nicht aus bzw. ordnen für sie keine anderen Regelungen an. Im Übrigen hätte es gerade der Schulleiterwechsel zum 01.08.2016 geboten, den Unterricht der Klägerin zeitnah im Herbst 2016 zu besuchen, um ihr ein Feedback durch den neuen Beurteiler zu geben und eine Anpassung bzw. Verbesserung ihres Unterrichts nach seinen Vorstellungen zu ermöglichen. Soweit die Beklagte meint, sie habe von weiteren Unterrichtsbesuchen absehen dürfen, weil sich durch die beiden Unterrichtsbesuche die Bewertung der fachlichen Leistungen der Klägerin in der letzten Bewertungsphase und die (mündliche) Einschätzung der früheren Schulleiterin Frau F. in den Übergabegesprächen bestätigt habe, ist nicht nachvollziehbar, wie das Ergebnis der beiden Unterrichtsbesuche im November/Dezember 2017 bei der Planung des Schulleiters G. ab 01.08.2016, den Unterricht der Klägerin nicht zu besuchen, hat antizipiert werden können.
(c) Entgegen der Auffassung der Beklagten stellen die handschriftlichen Kurzprotokolle des Schulleiters G. keine Dokumentation des wesentlichen Gesprächsinhalts über die beiden Unterrichtsbesuche darstellen, wie dies Anlage D Ziff. 4.1.2 ABD erfordert. Schon nach ihrem äußeren Erscheinungsbild und ihrer teilweisen Unleserlichkeit entsprechen sie keiner für Dritte lesbaren Dokumentation. Sie leiden darüber hinaus an dem Mangel, dass sie nicht erkennen lassen, was konkret mit der Klägerin besprochen worden ist, insbesondere auf welche Unzulänglichkeiten sie hingewiesen bzw. welche Verbesserungsmöglichkeiten ihrer Unterrichtsplanung und – gestaltung ihr aufgezeigt worden sind. Dies hätte jedoch Inhalt der Gesprächsdokumentation sein müssen, weil das Gespräch der Lehrkraft die Möglichkeit gegeben soll, ihre Arbeit zu begründen und ihr Verhalten zu interpretieren, und dem Beurteilenden Anlass geben soll, das Urteil zu korrigieren und zu festigen (Anlage D, Ziff. 4.1.2. ABG). Die Dokumentation hat danach den Zweck, für die Lehrkraft und den Beurteilenden die wesentlichen positiven und negativen Kritikpunkte an einem Unterricht festzuhalten. Dies leistet ein handschriftliches Verlaufsprotokoll nicht. Es bleibt im Unklaren, welche Folgerungen aus dem Ablauf des Unterrichts gezogen und der Klägerin vermittelt worden sind.
(d) Ein weiterer Verfahrensfehler ist jedenfalls im Hinblick auf den nicht vorliegenden Beurteilungsbeitrag des Fachbetreuers Religion (Anlage D Ziff. 4.1.3 ABD) festzustellen. Insoweit fehlt es insbesondere an einer Darlegung, welche Feststellungen er in Bezug auf welche Punkte getroffen haben will.
(e) Schließlich sieht Anlage D Ziff. 2.3.1 ABD vor, dass die dienstliche Beurteilung die Leistung der Lehrkraft „im Vergleich zu anderen Lehrkräften derselben Besoldungsgruppe objektiv darstellen“ soll. Hierzu fehlen weiterhin substantiierte Ausführungen der Beklagten. Es bleibt offen, mit welchen anderen Lehrkräften der Schulleiter G. die Klägerin in Bezug auf welche Beurteilungsmerkmale mit welchem Ergebnis verglichen haben will. Dies hat die darlegungs- und beweisbelastete Beklagte darzulegen (vgl. BAG, Urteil vom 18.08.2009 – 9 AZR 617/08 – Rn. 46 und 50). Von dieser rechtlichen Verpflichtung wird die Beklagte nicht durch die behauptete hohe Anzahl der zu vergleichenden Lehrer enthoben; ggf. sind Vergleichsgruppen durch weitere Kriterien zu bestimmen, § 58 Abs. 2 Satz 2 LlbG entsprechend.
(2) Die Verfahrensfehler können sich auch auf das Beurteilungsverfahren ausgewirkt haben. Es ist nicht auszuschließen, dass unter Berücksichtigung eines Beurteilungsbeitrags durch die frühere Schulleiterin Frau F., früherer und mehrerer Unterrichtsbesuche, eines qualifizierten Beurteilungsbeitrags des Fachbetreuers Religion und einem Vergleich zu anderen Lehrkräften derselben Besoldungsgruppe eine andere Einzel- und Gesamtbeurteilung der Klägerin erfolgt wäre. Auch die Verletzung der Dokumentationspflicht der Gespräche nach den zwei Unterrichtsbesuchen kann Auswirkung auf den Inhalt der Beurteilung haben, weil sie dazu führt, dass sie nicht hinreichend die Kritik des Beurteilenden am Unterricht klarstellt und somit der Klägerin die Möglichkeit nimmt, sich in allen kritisierten Punkten zu verbessern.
bb) Die dienstliche Beurteilung ist nach Auffassung der Kammer auch inhaltlich fehlerbehaftet.
(1) In Bezug auf die Einhaltung von Fristen und Terminen hat die Beklagte nicht dargelegt, im Rahmen welchen Beurteilungsmerkmals sie die behaupteten Versäumnisse berücksichtigt hat. Die verspätete Korrektur von Leistungsnachweisen gehört gemäß Anlage D Ziff. 2.2.1 ABD, Ziff. 1 „Leistungsnachweise/Leistungsbeurteilung“ zu „Unterrichtsplanung und Unterrichtsgestaltung“. Die Beklagte scheint demgegenüber die behauptete Unzuverlässigkeit der Klägerin für die Beurteilung des erzieherischen Wirkens im Sinne der Anlage D Ziff. 2.2.1, Ziff. 3 ABD heranzuziehen. Soweit dem erzieherischen Wirken ein Erziehungskonzept zugrunde liegt, hat es die Beklagte nicht vorgetragen. Im Übrigen wirft die Beklagte der Klägerin vor, die Noten für die Oberstufe Q11 im Februar 2016 nicht rechtzeitig abgeliefert bzw. die schriftlichen Leistungsnachweise aus dem Zeitraum September bis Dezember 2017 nach Herausgabe an die Schülerinnen erst mit deutlicher Verspätung an den Fachbetreuer weitergeleitet zu haben. Die Verspätung beträfe daher nicht das Verhältnis Klägerin – Schülerinnen, so dass es weder auf das Beurteilungsmerkmal „Unterrichtsplanung und Unterrichtsgestaltung“ noch auf das „erzieherische Wirken“ Auswirkungen haben könnte.
Die versäumten Termine des Deutschabiturs und der Schulfahrt nach H. sind mangels substantiierten Bestreitens durch die Klägerin (§ 138 Abs. 2 ZPO) unstreitig und wären im Beurteilungsmerkmal „Zusammenarbeit“ der Anlage D Ziff. 2.2.1 Nr. 4 ABD zu berücksichtigen. Auch wenn dies einzelne Termine gewesen sein mögen, ist der Beklagten zuzugestehen, dass sie für den Ablauf der Schulorganisation von besonderer Bedeutung waren. Ein Abiturtermin dürfte auch nicht extra in einen Kalender einzutragen sein. Er ist in der Schulöffentlichkeit allgemein bekannt. Erneut hat aber die Beklagte nicht dargelegt, an welcher Stelle ihrer Beurteilung dies eingeflossen ist (vgl. auch Schreiben der Beklagten vom 01.02.2018, Anlage K3 = Bl. 30 ff. d. A.).
(2) Darüber hinaus genügt die Beurteilung nicht der erforderlichen Begründung des Gesamturteils. Anlage D Ziff. 2.3.3 ABD schreibt vor, dass die bei den einzelnen Beurteilungsmerkmalen vorgegebenen Bewertungsstufen das Gesamtergebnis tragen müssen. Die für die Bildung des Gesamturteils wesentlichen Gründe sind darzulegen. Macht erst die Gewichtung bestimmter Einzelmerkmale die Vergabe einer bestimmten Bewertungsstufe plausibel und sind diese nicht schon in anderer Weise transparent gemacht, so ist diese Gewichtung darzustellen und zu begründen. Unterricht und Erziehung sind die Hauptaufgaben einer Lehrkraft und haben deshalb bei der Bildung des Gesamturteils zentrale Bedeutung. Ausgangspunkt der Bildung des Gesamturteils sollen daher hauptsächlich die Einzelwertungen der Merkmale „Unterrichtsplanung und Unterrichtsgestaltung“, „Unterrichtserfolg“ und „erzieherisches Wirken“ sein. Hiervon kann insbesondere abgewichen werden, wenn ein wesentlicher Teil der dienstlichen Aufgaben nicht unterrichtlicher Art ist.
Diesen Anforderungen wird die dienstliche Beurteilung vom 25.07.2018 nicht gerecht. Die Bemerkungen unter Ziff. 5 „Gesamturteil mit ausführlicher Begründung“ schildern, seit wann die Klägerin an der Schule unterrichtet, dass sie die pädagogische Nachqualifikation für Quereinsteiger erbracht habe und seit wann sie in allen Jahrgangsstufen eingesetzt werden durfte. Sodann werden ihre theologischphilosophischen Fachkenntnisse erwähnt und ihr Unterricht beschrieben. Weitere Feststellungen betreffen ihre schriftlichen Leistungsnachweise und mündlichen Abfragen. Ausführlich wird der Bereich der Schulentwicklung erwähnt. Schließlich wird die Zusammenarbeit der Klägerin in der Fachschaft Religion und des Kollegiums beschrieben. Eine Aussage, die als Gewichtung der vorher mit Bewertungsstufen versehenen Einzelmerkmale zu verstehen ist, findet sich nicht.
Das Leistungsbild der Klägerin aus den Einzelnoten der fachlichen Leistung, Eignung und Befähigung und des Schulprofils legt das Gesamturteil „HM“ auch nicht in eindeutiger Weise nahe. Während „Eignung und Befähigung“ mit durchschnittlich „VE“ und „Schulprofil“ ausschließlich als „VE“ beurteilt sind, sind die Einzelbewertungen der fachlichen Leistung verschieden. Jedenfalls der für die Gesamtbeurteilung wichtige Unterrichtserfolg ist mit „VE“ beurteilt. Da die anderen Beurteilungsmerkmale „Unterrichtsplanung und Unterrichtsgestaltung“, „Erzieherisches Wirken“, „Zusammenarbeit“ und „Sonstige dienstliche Tätigkeiten“ lediglich mit „HM“ bewertet wurden, könnte sich für die fachliche Leistung eine Gesamtbewertung von „HM“ ergeben. Eine Gewichtung der Beurteilungsmerkmale „Fachliche Leistung“, „Eignung und Befähigung“ und „Schulprofil“ zueinander ist wiederum nicht erkennbar.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann die zum Gesamturteil führende Gewichtung der Einzelbewertungen im gerichtlichen Verfahren nicht nachgeholt werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 02.03.2017 – 2 C 51.16 – Rn. 16, Urteil vom 01.03.2018 – 2 A 10.17 – Rn. 48). Die Begründungspflicht für das Gesamturteil einer dienstlichen Beurteilung bei uneinheitlichem Leistungsbild zielt auf die Herstellung einer materiell richtigen Entscheidung und nicht auf ihre Darstellung. Dies kann nicht durch eine nachträgliche Begründung erreicht werden. Auch die erforderliche Einheitlichkeit und gleiche Anwendung der den dienstlichen Beurteilungen zugrundeliegenden Maßstäbe kann nur dann hinreichend gewährleistet und ggf. gerichtlich überprüft werden, wenn diese in der dienstlichen Beurteilung offen- und niedergelegt sind. Andernfalls besteht das naheliegende Risiko, dass jeweils nachträglich ein „passendes Kriterium für denjenigen Beamten nachgeschoben wird, der ein Rechtsmittel eingelegt hat.
Diese Rechtsprechung zur beamtenrechtlichen dienstlichen Beurteilung ist sinngemäß auch für die dienstliche Beurteilung eines Angestellten anwendbar (vgl. allgemein BAG, Urteil vom 24.01.2007 – 4 AZR 629/06 – Rn. 44; BAG, Urteil vom 18.08.2009 – 9 AZR 617/08 – Rn. 33). Dies gilt im vorliegenden Fall schon deshalb, weil die Regelungen der Anlage D ABD betreffend Periodische Beurteilungen für Beamte und für arbeitsvertraglich beschäftigte Lehrkräfte gelten (Anlage D Ziff.4.2.2 ff. ABD). Beamten und Angestellte sind in Bezug auf diese gleichgestellt. Im Übrigen verweist die Anlage D ABD an verschiedenen Stellen auf das für Beamten geltende Leistungslaufbahngesetz und damit auf die Rechtmäßigkeitskontrolle der Verwaltungsgerichtsbarkeit. Schließlich spricht die Regelung in Anlage D, Ziff. 2.3.3 ABD für eine Begründungspflicht des Gesamturteils in der dienstlichen Beurteilung, wenn sie als Anforderung an dienstliche Beurteilung bestimmt, dass die für die Bildung des Gesamturteils wesentlichen Gründe darzulegen sind.
(3) Ein materieller Fehler sind zudem darin zu sehen, dass in der dienstlichen Beurteilung unter Ziff. 5 erwähnt wurde, dass die Beurteilung gemäß Vorschlag der Schlichtungsstelle der Diözese B-Stadt neu gefasst wurde. Diese Aussage steht mit dem zutreffenden Gesamturteil über die Kläger in keinem Zusammenhang, legt nahe, dass die Bewertung nach Auffassung der Beklagten schlecht ausfällt und ist geeignet, die Klägerin in ihrem beruflichen Fortkommen zu hindern. Überflüssig ist darüber hinaus der angegebene Beurteilungszeitraum, der sich bereits unter Ziff. 1 der dienstlichen Beurteilung findet.
(4) Zu Recht hat das Arbeitsgericht des Weiteren darauf hingewiesen, dass es zu dem Beurteilungsmerkmal „Unterrichtsplanung und Unterrichtsgestaltung“ an Plausibilisierung fehle, weil sich die Beklagte insoweit allein auf die zwei besuchten Unterrichtsstunden stütze und weiteren konkreten Vortrag vermissen lasse. Im Anschluss an die dargestellten Grundsätze der Kontrolldichte hat das Arbeitsgericht keine überspannten Anforderungen gestellt. Beruhen Werturteile auf einem Tatsachenkern, muss dieser Tatsachenkern plausibel begründet werden. Dies verkennt die Beklagte, wenn sie sich darauf beruft, sie habe Werturteile abgegeben. Für die Frage, in welchen Punkte eine weitere Plausibilisierungslast besteht, wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG auf S. 21 des Urteils Bezug genommen.
c) Der Anspruch der Klägerin, dass eine neue fehlerfreie Beurteilung erstellt wird, wird nicht dadurch unmöglich und erlischt (§ 275 BGB), dass der Beurteilungszeitraum vergangen ist. Eine solche Einschränkung ist der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht zu entnehmen (vgl. BAG, Urteil vom 18.08.2009 – 9 AZR 617/08 – Rn. 34). Andernfalls würde der Anspruch des Arbeitnehmers auf Neuerteilung einer dienstlichen Bewertung regelmäßig ausgeschlossen sein und die zu seinem Schutz ergangenen Beurteilungsrichtlinien würden die Durchsetzung seines Rechts auf fehlerfreie Beurteilung hindern. Die Beklagte hat deshalb Tatsachen aus dem gesamten Beurteilungszeitraum und aus dem gesamten Aufgabenbereich der Klägerin (neu) zugrunde zu legen. Neben den Unterrichtsbesuchen, die tatsächlich nicht nachholbar wären, käme es auf die Überprüfung der Aufgabenstellung, der Korrektur und Bewertung von Schülerinnen- und Schülerarbeiten, der Leistungsfortschritte der von der Klägerin unterrichteten Klassen sowie die Stellungnahmen von weiteren am Beurteilungsverfahren beteiligten Personen gemäß Anlage D Ziff. 4.1.1 ABD in Betracht. Die Notwendigkeit, für die Beurteilung Unterrichtsbesuche durchzuführen, könnte dazu führen, die nächste periodische Beurteilung zum frühestmöglichen Zeitpunkt, d.h. bereits nach drei Jahren durchzuführen (vgl. Anlage D Ziff. 4.2.1 b) ABD).
III.
Die Beklagte hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO.
IV.
Es bestand kein Grund, die Revision für die Beklagte zuzulassen, § 72 Abs. 2 ArbGG.


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