Arbeitsrecht

Dienststellen des Landesamts für Finanzen keine Behörden

Aktenzeichen  RO 12 K 19.1399

Datum:
28.10.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 29560
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 52 Nr. 4 S. 2, § 83
AGVwGO Art. 1 Abs. 2 Nr. 5
GVG § 17 Abs. 1 S. 1, § 17b Abs. 2 S. 1

 

Leitsatz

1. Die einzelnen Dienststellen des Landesamts für Finanzen sind keine eigenständigen Behörden i.S.d. § 52 Nr. 4 Satz 2 VwGO, sondern Behörde in diesem Sinne ist das Landesamt für Finanzen insgesamt. (Rn. 4)
2. Das Landesamt für Finanzen hat seinen Sitz am Sitz seiner Zentralabteilung in Würzburg. Kommt es gemäß § 52 Nr. 4 Satz 2 VwGO auf den Sitz des Landesamts für Finanzen an, ist daher das Verwaltungsgericht Würzburg örtlich zuständig (Art. 1 Abs. 2 Nr. 5 AGVwGO). (Rn. 5)

Tenor

I. Das Verwaltungsgericht Regensburg ist örtlich unzuständig.
II. Der Rechtsstreit wird an das örtlich zuständige Verwaltungsgericht Würzburg verwiesen.

Gründe

I.
Die Klägerin begehrt die Gewährung von Beihilfe. In der Klageschrift vom 30.07.2019 ist – wie auch in den angegriffenen Bescheiden – als Anschrift angegeben: c/o … Mit Schreiben des Gerichts vom 16.08.2019 wurden die Beteiligten zu einer Stellungnahme zur örtlichen Zuständigkeit bzw. den hierfür maßgeblichen Umständen aufgefordert. Der Beklagte teilte mit Schreiben vom 12.09.2019 mit, dass die Klägerin Versorgungsempfängerin sei und nach Kenntnis des Beklagten ihren Hauptwohnsitz in …, Großbritannien, habe, auch wenn sie wohl ihren gewöhnlichen Aufenthalt in … (Mittelfranken) habe, sodass sich nach Auffassung des Beklagten die örtliche Zuständigkeit des Gerichts nach § 52 Nr. 4 Satz 2 VwGO richte. Der Beklagte meint, Behörde im Sinne des § 52 Nr. 4 Satz 2 VwGO sei die für die Festsetzung der Beihilfe zuständige Dienststelle des Landesamtes für Finanzen, hier also die Dienststelle Regensburg. Denn Behörde im Sinne des Verwaltungsprozessrechts sei jede Stelle, die durch organisatorische Rechtssätze gebildet, vom Wechsel ihrer Amtsinhaber unabhängig und nach der einschlägigen Zuständigkeitsregelung dazu berufen sei, unter eigenem Namen für den Staat oder einen anderen Träger öffentlicher Verwaltung Aufgaben der öffentlichen Verwaltung eigenständig wahrzunehmen. Hiernach seien die Dienststellen des Landesamts für Finanzen jeweils Behörden i.S.v. § 52 Nr. 4 Satz 2 VwGO. Sie seien durch die Verordnung über das Landesamt für Finanzen (LfFV), einem organisationsrechtlichen Rechtssatz, gebildet, vom Wechsel ihrer Dienststellenleiter unabhängig und hätten jeweils durch Geschäftsverteilungspläne definierte, voneinander abgegrenzte Zuständigkeiten in den jeweiligen Bezügeangelegenheiten. Sie seien damit dazu berufen, im eigenen Namen für den Freistaat Bayern Aufgaben der öffentlichen Verwaltung eigenständig wahrzunehmen, vor allem Verwaltungsakte zu erlassen. Damit sei entsprechend dem Sitz der Dienststelle Regensburg des Landesamtes für Finanzen für den vorliegenden Verwaltungsrechtsstreit das Bayerische Verwaltungsgericht Regensburg örtlich zuständig.
Das Gericht wies die Beteiligten mit Schreiben vom 23.09.2019 darauf hin, dass nach vorläufiger Würdigung der Sach- und Rechtslage nach Auffassung der Kammer nach § 52 Nr. 4 Satz 2 VwGO das Verwaltungsgericht Würzburg örtlich zuständig sei und beabsichtigt werde, den Rechtsstreit dorthin zu verweisen, da das Landesamt für Finanzen seinen Sitz am Sitz seiner Zentralabteilung in Würzburg habe. Die einzelnen Dienststellen des Landesamts für Finanzen und damit auch die Dienststelle Regensburg seien keine eigenständigen Behörden i.S.d. § 52 Nr. 4 Satz 2 VwGO, sondern Behörde in diesem Sinne sei vielmehr das Landesamt für Finanzen insgesamt. Der Beklagte teilte auf den Hinweis mit Schreiben vom 02.10.2019 mit, dass über den bereits mit Schriftsatz vom 12.09.2019 erfolgten Vortrag hinaus keine weiteren Argumente zur Eigenständigkeit der Dienststelle Regensburg bestehen würden. Die Klägerin ließ mit Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 14.10.2019 und vom 21.10.2019 mitteilen, dass die Angaben des Beklagten zu ihrem Wohnsitz zutreffend seien und mit einer Verweisung an das Verwaltungsgericht Würzburg Einverständnis bestehe.
II.
Nach § 52 Nr. 4 VwGO ist für Klagen aus einem gegenwärtigen oder früheren Beamtenverhältnis das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Kläger oder Beklagte seinen dienstlichen Wohnsitz oder in Ermangelung dessen seinen Wohnsitz hat. Hat der Kläger oder Beklagte keinen dienstlichen Wohnsitz oder keinen Wohnsitz innerhalb des Zuständigkeitsbereichs der Behörde, die den ursprünglichen Verwaltungsakt erlassen hat, so ist das Gericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk diese Behörde ihren Sitz hat. Maßgebend für die Beurteilung der örtlichen Zuständigkeit ist der Zeitpunkt der Rechtshängigkeit (§ 83 VwGO i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 1 GVG).
Da die Klägerin nach den übereinstimmenden Angaben der Beteiligten ihren Wohnsitz in Großbritannien und damit außerhalb des Zuständigkeitsbereichs des Landesamts für Finanzen hat, richtet sich die örtliche Zuständigkeit vorliegend gemäß § 52 Nr. 4 Satz 2 VwGO nach dem Sitz des Landesamts für Finanzen. Entgegen der Ansicht des Beklagten sind die einzelnen Dienststellen des Landesamts für Finanzen und damit auch die Dienststelle Regensburg nämlich keine eigenständigen Behörden i.S.d. § 52 Nr. 4 Satz 2 VwGO, sondern Behörde in diesem Sinne ist vielmehr das Landesamt für Finanzen insgesamt (so auch VG München, Beschluss vom 16.11.2011 – M 5 K 11.1523 -, juris, Rn. 4). Dienst- oder Außenstellen von Behörden sind regelmäßig keine selbstständigen Behörden (BVerwG, Beschluss vom 22.11.1995 – 11 VR 42/95 -, NVwZ-RR 1996, 610; BVerwG, Beschluss vom 30.08.1978 – 7 ER 402/78 -, juris; BVerwG, Urteil vom 19.02.1960 – VII C 116.59 -, BeckRS 1960, 103690; VG Wiesbaden, Beschluss vom 28.05.2018 – 3 K 1764/16.WI -, juris, Rn. 6; Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 52 Rn. 16; Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 36. EL Februar 2019, § 52 Rn. 19; Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 1 Rn. 240), es sei denn, es handelt sich um Dienststellen mit selbstständiger Entscheidungsbefugnis. Hiervon ist bei den einzelnen Dienststellen des Landesamts für Finanzen nicht auszugehen. Die Zuweisung von Aufgaben und Zuständigkeiten durch Geschäftsverteilungspläne begründet keine ausreichende Eigenständigkeit, da es sich dabei nicht um Rechtsnormen mit Außenwirkung, sondern um verwaltungsinterne Organisationsregelungen handelt. Eine Zuweisung von Aufgaben durch Rechtsnormen mit Außenwirkung erfolgt mit § 1 Abs. 5 der Verordnung über das Landesamt für Finanzen im Gegensatz dazu gerade nur für einzelne, spezielle Aufgaben. Die Dienststellen des Landesamts für Finanzen sind außerdem in eine hierarchische Behördenstruktur des Landesamts für Finanzen eingegliedert. Gegen eine Eigenständigkeit der einzelnen Dienststellen spricht überdies, dass das Landesamt für Finanzen gerade durch Auflösung der sechs Bezirksfinanzdirektion als eigenständige Mittelbehörden der Bayerischen Staatsfinanzverwaltung und deren Zusammenfassung zu einer zentralen Landesbehörde entstanden ist.
Davon ausgehend ist für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit vorliegend auf den Sitz des Landesamts für Finanzen insgesamt abzustellen. Der Sitz einer Behörde ist dort anzunehmen, wo die Verwaltung geführt wird und der Leiter sich befindet; bei Behörden mit mehr als einem Dienstsitz, für die nach außen durch den Behördenleiter oder in dessen Auftrag gehandelt wird, ist der Amtssitz des Behördenleiters maßgebend (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 24. Aufl. 2018, § 52 Rdnr. 10 m.w.N.). Der Sitz der Zentralabteilung des Landesamts für Finanzen ist in Würzburg, Unterfranken. Zuständig ist damit das Verwaltungsgericht Würzburg (Art. 1 Abs. 2 Nr. 5 AGVwGO). Gemäß § 83 Satz 1 VwGO i.V.m. § 17a Abs. 2 GVG war die Streitsache dorthin zu verweisen.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Verwaltungsgericht Würzburg vorbehalten (§ 83 Satz 1 VwGO i.V.m. § 17b Abs. 2 Satz 1 GVG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 83 Satz 2 VwGO).


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